Reichweite des Grundsatzes des Vorteilsausgleichs
Leitsatz
Der Grundsatz des Vorteilsausgleichs erfasst nicht über die anerkannte Fallgruppe der verdeckten Gehaltszahlungen hinaus alle Gegenleistungen eines privaten Arbeitgebers für den durch den vorzeitigen Wegfall der Dienstleistungspflicht ermöglichten Einsatz der Arbeitskraft von vor Erreichen der Regelaltersgrenze ausgeschiedenen Beamten.
Instanzenzug: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Az: 5 Bf 317/22 Urteilvorgehend Az: 8 K 4176/16 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger wendet sich gegen die Berücksichtigung der Leistungen seines ehemaligen Arbeitgebers zur betrieblichen Altersversorgung im Rahmen eines Ruhensbescheids.
2Der im Jahr ... geborene Kläger war Beamter im Dienst der beklagten Stadt, zuletzt als Beamter auf Zeit und Bezirksamtsleiter (Besoldungsgruppe B 4). Mit Ablauf des wurde er in den einstweiligen Ruhestand versetzt. In der Folgezeit bemühte sich der Kläger u. a. um eine Anstellung in der Privatwirtschaft.
3Unter dem teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe mit demselben Tag eine Tätigkeit als Prokurist bei der A GmbH (im Folgenden: A) aufgenommen, und legte den mit diesem Unternehmen geschlossenen Arbeitsvertrag vor. Hierin wurde vereinbart, dass der Kläger für seine Tätigkeit ein jährliches Bruttogehalt i. H. v. 54 000 €, auszuzahlen in zwölf monatlichen Raten à brutto 4 500 €, und einen Firmenwagen auch zur privaten Nutzung erhalte. Außerdem sollte er zusätzlich zu der Vergütung monatlich brutto 4 000 € in Form einer betrieblichen Altersversorgung erhalten; der Arbeitgeber verpflichtete sich, zu Gunsten des Klägers einen Altersversorgungsvertrag über die B Unterstützungskasse ... abzuschließen, wobei auf deren Leistungen kein Rechtsanspruch bestehe. Dementsprechend hatte die A eine Beitrittserklärung zur B Unterstützungskasse mit Wirkung ab dem abgegeben. Als versorgungsberechtigte Person war der Kläger eingetragen worden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der A bestand bis zum , also ca. drei Jahre.
4Mit Bescheid vom nahm die Beklagte eine Ruhensberechnung in Bezug auf die Versorgungsansprüche des Klägers vor. Hierin berücksichtigte sie mit Wirkung ab dem ein Erwerbseinkommen des Klägers i. H. v. 4 500 € monatlich. Sie setzte basierend hierauf einen Ruhensbetrag von rund 1 200 € und einen verbleibenden Versorgungsbezug von rund 4 000 € fest.
5Im Nachgang zum Senatsurteil vom - 2 C 8.10 - nahm die Beklagte eine Neubewertung der Rechtslage vor, hob mit Bescheid vom ihren Bescheid vom mit Wirkung ab dem auf und setzte für den Kläger ab diesem Zeitpunkt einen Ruhensbetrag von rund 3 200 € sowie einen verbleibenden Versorgungsbezug von rund 2 000 € fest. Der Berechnung legte sie nunmehr ein Erwerbseinkommen des Klägers i. H. v. monatlich 8 500 € zugrunde.
6Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat insbesondere ausgeführt: Der frühere Bescheid sei insoweit rechtswidrig gewesen, als die Beklagte die vom damaligen Arbeitgeber des Klägers geleisteten Zahlungen an die B Unterstützungskasse i. H. v. monatlich 4 000 € nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in die Ruhensberechnung einbezogen habe. Die vorliegend zu beurteilenden Zahlungen unterfielen zwar nicht dem steuerrechtlichen Einkommensbegriff. Allerdings geböten die Strukturprinzipien des Versorgungsrechts ihre Einordnung als Erwerbseinkommen im versorgungsrechtlichen Sinne. Denn zu den Strukturprinzipien des Versorgungsrechts gehöre der Grundsatz des Vorteilsausgleichs, wonach sämtliche finanziellen Vorteile, die ein vorzeitig pensionierter Beamter durch erwerbswirtschaftliche Betätigung vor Erreichen der regulären Altersgrenze erziele, ihm nicht bzw. nicht vollständig verbleiben sollten. Erbringe der Arbeitgeber Leistungen zur privaten Altersvorsorge, sei deren Anrechenbarkeit in versorgungsrechtlicher Hinsicht daher möglich, wenn er sie aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses leiste, das der Beamte nur aufgrund seiner Freistellung von der Dienstleistungspflicht vor Erreichen der Regelaltersgrenze eingehen konnte, und der Arbeitgeber damit die erbrachte Arbeit vergüte. Solche Zahlungen seien deshalb bereits in der Ansparphase als finanzieller Vorteil im Sinne ersparter Aufwendungen zu werten. Auf die Frage, ob es sich um verdeckte Gehaltszahlungen handeln könnte, komme es nicht an. Für eine solche Einordnung spreche im vorliegenden Fall wenig, da die Zahlungen für die Altersversorgung nicht - schon gar nicht um ein Vielfaches - höher gewesen seien als das dem Kläger seinerzeit gezahlte monatliche Gehalt. Das Gehalt sei auch nicht offensichtlich unangemessen niedrig bzw. nicht nur symbolisch in Bezug auf die vom Kläger seinerzeit ausgeübte Tätigkeit gewesen.
7Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger als Verfahrensmangel, dass das Berufungsgericht die Sachakte beigezogen und zur Grundlage der Urteilsbegründung gemacht habe, ohne ihm dies durch einen vorherigen Beiziehungsbeschluss mitzuteilen. In der Sache trägt der Kläger vor, das Berufungsurteil verstoße gegen Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG und damit gegen revisibles Recht. Denn das steuerliche Zuflussprinzip gelte grundsätzlich auch für Versorgungsbezüge, sodass dann, wenn dem Betreffenden kein eigener unwiderruflicher Anspruch auf die Zahlungen zur Altersversorgung zustehe, auch kein anrechenbares Einkommen vorliege. Nur bei einer bewussten Umgehung der Versorgungsregelungen durch den Versorgungsempfänger im Wege verdeckter Gehaltszahlungen gelte nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs eine Ausnahme.
8Der Kläger beantragt,
die Urteile des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom und des Verwaltungsgerichts Hamburg vom sowie den Bescheid des Zentrums für Personaldienste Hamburg vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Personalamts des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg vom aufzuheben.
9Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
10Sie tritt der Verfahrensrüge entgegen, da es eines vom Kläger verlangten Beiziehungsbeschlusses nicht bedürfe. Das Berufungsurteil hält sie für zutreffend und macht es sich zu eigen.
Gründe
11Die Revision des Klägers ist begründet. Zwar greift die von ihm erhobene Verfahrensrüge nicht durch (1.). Das Berufungsurteil verletzt aber revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 und § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG), indem es den Anwendungsbereich des Grundsatzes des Vorteilsausgleichs auf alle Gegenleistungen des privaten Arbeitgebers des Beamten für den durch die vorzeitige Freiwerdung von der Dienstleistungspflicht ermöglichten Einsatz der Arbeitskraft ausgedehnt hat (2.).
121. Die Verfahrensrüge ist nicht begründet. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist die Sachakte ausweislich der jeweiligen Sitzungsprotokolle in beiden Vorinstanzen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und damit in das Verfahren einbezogen worden. Dies genügt den rechtlichen Anforderungen: Für den vom Kläger vermissten Beiziehungsbeschluss gibt es keine verfahrensrechtliche Notwendigkeit. Ein Gehörsverstoß liegt bereits deshalb nicht vor.
132. Das Berufungsgericht hat aber revisibles Recht dadurch verletzt, dass es die Aufhebung des Ruhensbescheids vom für rechtmäßig gehalten hat. Zwar hat es zu Recht angenommen, dass Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Ruhensbescheids § 48 Abs. 1 und 2 HmbVwVfG ist (a). Es hat jedoch verkannt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht erfüllt waren, weil der (erste) Ruhensbescheid nicht rechtswidrig war (b). Das Berufungsgericht hat insoweit zwar zutreffend ausgeführt, dass der Begriff der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im versorgungsrechtlichen Sinne im Grundsatz an die Begrifflichkeiten des Einkommensteuerrechts anknüpft und dass vorliegend weder § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG noch § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG einschlägig sind (aa). Es hat aber rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Grundsatz des Vorteilsausgleichs über die Fallgruppe der verdeckten Gehaltszahlung hinaus alle Gegenleistungen erfasst, die für den durch den vorzeitigen Wegfall der Dienstleistungspflicht ermöglichten Einsatz der Arbeitskraft gewährt werden (bb).
14a) Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Ruhensbescheids ist § 48 Abs. 1 HmbVwVfG in der Fassung vom (HmbGVBl. 1977, 333). Danach kann - wie gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG - ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, ein begünstigender Verwaltungsakt jedoch nur unter den Einschränkungen der nachfolgenden Absätze, insbesondere des Absatzes 2.
15Die im Ruhensbescheid vom enthaltene Festsetzung der Höhe des Ruhensbetrags war eine den Kläger i. S. v. § 48 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG begünstigende Regelung. Der Bescheid begründete einen rechtlichen Vorteil des Klägers, da er - jedenfalls konkludent - regelte, dass zur Festsetzung des Ruhensbetrags lediglich die dem Kläger gezahlte monatliche Vergütung i. H. v. 4 500 €, nicht aber die Zahlungen seines Arbeitgebers an die B Unterstützungskasse i. H. v. monatlich 4 000 € zu berücksichtigen waren und dementsprechend kein höherer Ruhensbetrag festzusetzen war.
16b) Allerdings sind die tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß § 48 Abs. 1 und Abs. 2 HmbVwVfG nicht erfüllt. Der Ruhensbescheid vom war nicht rechtswidrig.
17aa) Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass der Begriff der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im versorgungsrechtlichen Sinne im Grundsatz an die Begrifflichkeiten des Einkommensteuerrechts anknüpft und durch dessen Bestimmungen konkretisiert wird ( 2 C 8.10 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 21 Rn. 11 ff.).
18Für das Einkommensteuerrecht definiert § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG (in der seinerzeit geltenden Fassung vom , BGBl. I S. 3366), dass u. a. laufende Beiträge und laufende Zuwendungen des Arbeitgebers aus einem bestehenden Dienstverhältnis an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung für eine betriebliche Altersvorsorge zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören hierzu außerdem Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst.
19bb) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass die von der A zu Gunsten des Klägers an die B Unterstützungskasse geleisteten Zahlungen nicht von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 1 EStG erfasst werden.
20(1) Die Zahlungen der A an die B Unterstützungskasse unterfielen nicht § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, da sie nicht an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung gezahlt worden sind. Pensionsfonds sind rechtsfähige Versorgungseinrichtungen, die im Wege des Kapitaldeckungsverfahrens dem Arbeitnehmer und seinen Hinterbliebenen einen Rechtsanspruch auf Versorgung gewähren (§ 236 Abs. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG). Einen Rechtsanspruch auf Versorgung hat der Kläger gegen die B Unterstützungskasse jedoch nicht erlangt; gemäß § 1b Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung - Betriebsrentengesetz (BetrAVG) - sind Unterstützungskassen rechtsfähige Versorgungseinrichtungen, die auf ihre Leistungen keinen Rechtsanspruch gewähren. Ebenso wenig handele es sich bei der B Unterstützungskasse um eine Pensionskasse, da auch hierunter nur Versorgungseinrichtungen fallen, die dem Leistungsberechtigten einen Rechtsanspruch auf Versorgung gewähren (§ 1b Abs. 3 Satz 1 BetrAVG). Die Absicherung des Klägers über die B Unterstützungskasse ist darüber hinaus keine Form einer Direktversicherung. Eine Direktversicherung ist eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers, die durch den Arbeitgeber bei einem Versicherungsunternehmen abgeschlossen wird und bei der der Arbeitnehmer hinsichtlich der Versorgungsleistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt ist (vgl. § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG).
21(2) Die Zahlungen der A an die B Unterstützungskasse unterfielen auch nicht dem einkommensteuerrechtlichen Begriff des Erwerbseinkommens i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Einnahmen dieser Art sind entsprechend dem in § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG normierten Zuflussprinzip steuerrechtlich erst zu berücksichtigen, wenn sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Hat der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf Versorgung gegen die Versorgungseinrichtung, begründen die Beitragsleistungen des Arbeitgebers an diese noch keinen steuerrechtlich relevanten Lohnzufluss beim Arbeitnehmer. Arbeitslohn im steuerrechtlichen Sinne sind dann erst die laufenden Bezüge, die der Arbeitnehmer über die Versorgungseinrichtung erhält ( - juris Rn. 12 ff.). Dies gilt gerade auch für Beiträge an und Leistungen aus Unterstützungskassen ( - juris Rn. 5).
22Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Senatsurteil vom - 2 C 8.10 - (Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 21 Rn. 15). Danach können Zahlungen eines öffentlichen Arbeitgebers an eine Zusatzversorgungskasse zum Aufbau einer zusätzlichen Altersrente auch dann vom steuerrechtlichen Begriff des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG umfasst sein, wenn sie dem Arbeitnehmer nicht unmittelbar zufließen. Es genügt, wenn sie an einen Dritten gezahlt werden und der Arbeitnehmer gegen diesen Dritten auch aufgrund der Zahlungen des Arbeitgebers einen unmittelbaren und unentziehbaren Anspruch auf Zahlung der Altersrente erwirbt. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Der Kläger hat durch die Zahlungen seines damaligen Arbeitgebers an die B Unterstützungskasse keinen unmittelbaren Anspruch gegen einen Dritten auf Zahlung einer Altersrente erworben. Einen solchen hat er insbesondere auch nicht gegen die B Unterstützungskasse erlangt, weil Unterstützungskassen - wie erwähnt - gemäß § 1b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG dem Arbeitnehmer keinen direkten Leistungsanspruch gewähren.
23cc) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Zahlungen der A an die B Unterstützungskasse bei versorgungsrechtlicher Betrachtung gleichwohl dem Begriff des Erwerbseinkommens i. S. v. § 64 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 HmbBeamtVG unterfallen, weil der Grundsatz des Vorteilsausgleichs als Strukturprinzip des Versorgungsrechts eine solche Einordnung gebiete. Der Grundsatz des Versorgungsausgleichs ist zwar ein Rechtfertigungsgrund für gesetzliche Anrechnungsregelungen (1), nicht aber ein eigenständiger Anrechnungsgrund, der generell zur Korrektur unerwünschter versorgungsrechtlicher Ergebnisse herangezogen werden könnte (2).
24(1) Die Alimentation ist grundsätzlich ohne Rücksicht darauf zu gewähren, ob und inwieweit der Beamte seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen oder aus Einkünften bestreiten kann, die nicht aus öffentlichen Kassen stammen. Dies gilt aber nicht für Einkünfte aufgrund einer Erwerbstätigkeit, die der Beamte gerade deshalb ausüben kann, weil er von seiner Dienstleistungspflicht freigestellt ist. Einkünfte, die ursächlich auf den Wegfall der Dienstleistungspflicht zurückzuführen sind, können auf die Bezüge angerechnet werden, sodass sich der Anspruch auf deren Auszahlung mindert. Dieser Vorteilsausgleich folgt aus dem engen sachlichen Zusammenhang von Alimentation und Dienstleistung. Der Dienstherr schuldet die Alimentation als Gegenleistung dafür, dass sich der Beamte mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt und die übertragenen Aufgaben nach Kräften erfüllt. Die Freistellung vom Dienst trägt ausschließlich dem Umstand Rechnung, dass der Beamte außerstande ist, die geschuldete Dienstleistung zu erbringen. Sie soll ihm nicht Gelegenheit geben, an Stelle des Dienstes einer anderweitigen Erwerbstätigkeit nachzugehen und sich dadurch wirtschaftlich besser zu stellen, als er im Falle der Dienstleistung stünde. Demzufolge bedürfen gesetzliche Anrechnungs- und Ruhensregelungen, durch die ein Vorteilsausgleich herbeigeführt wird, grundsätzlich keiner weiteren Rechtfertigung, um vor Art. 33 Abs. 5 GG Bestand zu haben.
25Der Vorteilsausgleich gilt auch für die vorzeitig in den Ruhestand versetzten Beamten, die bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Erwerbseinkommen erzielen, das über die vollen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge hinausgeht. Auch diese Ruhestandsbeamten sind von einer generell bestehenden Dienstleistungspflicht befreit. Der Gesetzgeber hat den zeitlichen Rahmen der Dienstleistungspflicht durch die Einführung von Altersgrenzen festgelegt. Er hat dadurch zu erkennen gegeben, welches zeitliche Verhältnis von aktivem Dienst und Ruhestand er als angemessen ansieht. Allerdings müssen die für Ruhestandsbeamte geltenden Anrechnungsregelungen sicherstellen, dass die geleistete Dienstzeit im Hinblick auf die Versorgungsbezüge nicht völlig entwertet wird (vgl. grundlegend 2 C 39.03 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 13 S. 4 f. m. w. N.).
26Der Grundsatz des Vorteilsausgleichs ist hiernach eine Rechtfertigung für entsprechende gesetzliche Anrechnungsregelungen. Als solcher wurde er vom Bundesverfassungsgericht gebilligt ( - BVerfGK 13, 35 <45 f.>). In dem Sinne einer Rechtfertigung für positiv normierte Anrechnungsregelungen wurde der Grundsatz des Vorteilsausgleichs auch in der nachfolgenden Senatsrechtsprechung verstanden und für bestimmte Fallkonstellationen aktiviert ( 2 C 26.07 - BVerwGE 133, 25 Rn. 10 ff.; Beschluss vom - 2 B 53.09 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 18 Rn. 8 ff. und zuletzt Urteil vom - 2 C 22.19 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 34).
27Mit Urteil vom - 2 C 8.10 - (Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 21) hat der Senat seine Rechtsprechungslinie begründet, dass der Begriff der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. d. § 53 BeamtVG demjenigen des § 19 EStG entspricht; vorausgegangen waren Gesetzesänderungen ab 1989, nach denen erstmals auch außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielte Einkünfte auf Versorgungsbezüge angerechnet wurden. Der Senat überprüft seitdem in einem zweiten Schritt, ob Strukturprinzipien des Versorgungsrechts der grundsätzlichen Anknüpfung an das Einkommensteuerrecht entgegenstehen (vgl. nachfolgend 2 C 17.12 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 27 Rn. 11 und Beschluss vom - 2 B 72.14 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 29).
28Mit Urteil vom - 2 C 18.10 - (Buchholz 449.4 § 53 SVG Nr. 1) hat der Senat außerdem die Figur der verdeckten Gehaltszahlung als Korrektur des sich aus der Heranziehung des § 19 EStG ergebenden Ergebnisses entwickelt. Im Rahmen des § 53 BeamtVG als gesetzlicher Konkretisierung des Vorteilsausgleichs ist eine verdeckte Gehaltszahlung - im konkreten Fall die Kombination von sehr geringem Grundgehalt, hoher Aufwandsentschädigung und sehr hoher Pensionszusage - versorgungsrechtlich als unmittelbar zufließendes und damit anrechenbares Einkommen anzusehen (ähnlich 2 C 22.19 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 34 Rn. 24).
29(2) Nach diesen Maßstäben ist der Grundsatz des Vorteilsausgleichs im vorliegenden Fall mangels einer konkretisierenden Regelung durch den Gesetzgeber nicht einschlägig; er gebietet keine Korrektur der sich nach den steuerrechtlichen Bestimmungen der § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG ergebenden Nichtanrechnung der Zahlungen des damaligen Arbeitgebers des Klägers an die B Unterstützungskasse im Rahmen des Ruhensbescheids. Es besteht kein Anlass, den Grundsatz des Vorteilsausgleichs über die Fallgruppe der verdeckten Gehaltszahlungen hinaus auf alle Gegenleistungen für den durch den vorzeitigen Wegfall von der Dienstleistungspflicht ermöglichten Einsatz der Arbeitskraft auszudehnen.
30Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass die monatlichen Zahlungen der A i. H. v. 4 000 € eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Klägers waren und damit nur deshalb erfolgen konnten, weil dieser von seiner Dienstleistungspflicht durch Versetzung in den einstweiligen Ruhestand vorzeitig freigeworden war. Die Vertragsgestaltung dürfte im vorliegenden Fall auch gerade deshalb gewählt worden sein, um auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung eine Berücksichtigung als anrechenbares Einkommen zu vermeiden.
31Allerdings würden mit der Ausdehnung des Grundsatzes des Vorteilsausgleichs auf alle Gegenleistungen für den durch den vorzeitigen Wegfall der Dienstleistungspflicht ermöglichten Einsatz der Arbeitskraft auch anerkennenswerte Vertragsgestaltungen erfasst, bei denen - anders als bei verdeckten Gehaltszahlungen - eine versorgungsrechtliche Korrektur der erst später dem Beamten zufließenden Leistungen durch Einordnung als gegenwärtig zufließend nicht geboten ist. Außerdem würde mit dieser konturenlosen Erweiterung die Fallgruppe der verdeckten Gehaltszahlungen überflüssig. Eine solche weitgehende Ausdehnung ist nicht durch Strukturprinzipien des Versorgungsrechts geboten. Im Falle eines Arbeitsverhältnisses bedarf es auf der Grundlage des geltenden Rechts nur bei verdeckten Gehaltszahlungen einer Korrektur der gesetzlichen Anknüpfung an das Einkommensteuerrecht durch die Rechtsprechung mittels des Grundsatzes des Vorteilsausgleichs als Strukturprinzip des Versorgungsrechts. Was im Hinblick auf spätere Ruhestandsgelder nicht von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG erfasst wird und auch keine verdeckte Gehaltszahlung darstellt, bleibt danach anrechnungsfrei. Für eine weitergehende Korrektur bedürfte es einer gesetzgeberischen Entscheidung. Dies gilt für die vorliegende Fallkonstellation umso mehr, als der für Lebenszeitbeamte entwickelte Grundsatz des Vorteilsausgleichs nur eingeschränkt auf Beamte auf Zeit passt, auch wenn dies - wie hier - den Zeitraum betrifft, der bei ihnen wegen einer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand "vorzeitig frei wird". Ein Beamter auf Zeit, der vor Erreichen der Regelaltersgrenze aus dem öffentlichen Dienst ausscheidet und nicht sicher sein kann, wieder im öffentlichen Dienst beschäftigt zu werden und damit seine bislang erdienten Versorgungsansprüche steigern zu können, hat ein nachvollziehbares Interesse daran, die entstehende Lücke bei den Altersbezügen auszugleichen.
32Im vorliegenden Fall liegt - wie bereits das Berufungsgericht angenommen hat - eine verdeckte Gehaltszahlung nicht vor. Der Kläger hatte als Beamter auf Zeit, der deutlich vor Erreichen der Regelaltersgrenze aus dem öffentlichen Dienst ausschied, ein nachvollziehbares Interesse daran, seine Altersbezüge substantiell zu erhöhen. Ein monatlicher Beitrag in Höhe von 4 000 € ist insoweit zwar vergleichsweise hoch, aber im Hinblick auf den genannten Zweck nachvollziehbar und er liegt nicht um ein Vielfaches über dem Gehalt des Klägers, sondern bleibt hinter diesem - wenn auch nur relativ geringfügig - zurück.
333. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:260625U2C17.24.0
Fundstelle(n):
SAAAJ-99703