Suchen Barrierefrei
BSG Beschluss v. - B 5 R 92/24 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Rüge einer offenbaren Unrichtigkeit im Berufungsurteil - kein Berichtigungsantrag beim vorinstanzlichen Gericht

Gesetze: § 138 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Instanzenzug: Az: S 37 R 409/14 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 21 R 282/16 Urteil

Gründe

1I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache von der Beklagten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

2Der im Jahr 1959 geborene Kläger beantragte im Dezember 2006 bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Das Verwaltungsverfahren blieb ohne Erfolg. Der sich anschließende Rechtsstreit endete durch Rücknahme der Berufung im Oktober 2010. Im Februar 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung der früheren Entscheidung. Nach medizinischen Ermittlungen lehnte die Beklagte dies ab (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).

3Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Nach weiterer medizinischer Sachaufklärung ua durch Einholung von Sachverständigengutachten hat das LSG mit Schreiben vom die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt ausermittelt sei, und angefragt, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe. Daraufhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Februar 2021 anerkannt und einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Das LSG hat mit Schreiben an den Kläger vom um Mitteilung gebeten, ob er das Anerkenntnis annehme, anderenfalls unter Hinweis auf das Schreiben vom um Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gebeten. Nachdem auch die Beigeladene mit Schreiben vom ihr Einverständnis erklärt und das LSG mit Schreiben vom dem Kläger diese Erklärung übersandt hatte, hat dieser mit Schreiben vom ua mitgeteilt, er stimme zu, dass die weitere Fortführung des Prozesses ohne mündliche Verhandlung stattfinde. Das LSG hat daraufhin am ohne mündliche Verhandlung die Beklagte unter Abänderung des entsprechend ihrem Teilanerkenntnis verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheids vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 2.4. und erneut zur Sache geäußert und weitere ärztliche Unterlagen übermittelt. Am hat das LSG in derselben Besetzung wie bei der Urteilsfassung darüber beraten und an seiner Entscheidung festgehalten.

4Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde zum BSG eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt. Er macht Verfahrensmängel geltend und rügt eine Verletzung von § 124 Abs 2 SGG sowie seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG).

5II. 1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für ein Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall (siehe dazu die Ausführungen unter 2.). Damit entfällt zugleich die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten im Rahmen von PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

62. Die zulässige Beschwerde des Klägers ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 SGG). Es liegt kein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vor.

7Nach § 124 Abs 2 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, wenn alle Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben. Die Voraussetzungen dafür sind hier erfüllt gewesen. Neben den übrigen Beteiligten hat auch der Kläger wirksam auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Er hat sein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (vgl dazu  - jurisRdNr 6 mwN).

8In seinem Schreiben vom hat der Kläger mitgeteilt, bei auswärtigen Terminen, die mit Reisen verbunden seien, sei für ihn eine Begleitperson empfehlenswert. Im Anschluss daran heißt es im Schreiben wörtlich: "insofern stimme ich zu, dass die weitere Fortführung des Prozesses ohne mündliche Verhandlung stattfindet". Aus dieser Erklärung geht unmissverständlich hervor, dass der Kläger aufgrund der damit verbundenen Anreise kein Interesse an der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hatte. Er hat dies insbesondere auch nicht mit der Erwartung eines bestimmten Prozessausgangs verknüpft. Auch soweit der im Berufungsverfahren zuletzt nicht mehr rechtskundig vertretene Kläger der "weiteren" Fortführung des Prozesses ohne mündliche Verhandlung zugestimmt hat, ist diese Aussage aufgrund der wiederholten Anfragen des LSG und nach Übermittlung der Einverständniserklärungen der übrigen Beteiligten als Einverständnis mit einer das Verfahren abschließenden Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu verstehen gewesen. Damit hat ein wirksames Einverständnis vorgelegen.

9Auch unter Berücksichtigung der weiteren Schreiben des Klägers vom 2.4. und hat sich die Prozesssituation bis zum Wirksamwerden der Entscheidung des LSG nicht wesentlich verändert (vgl zum maßgeblichen Zeitpunkt  - jurisRdNr 18;  - jurisRdNr 4; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 124 RdNr 4b und § 125 RdNr 4b). In diesen Schreiben hat der Kläger ärztliche Unterlagen aus früheren Jahren übermittelt und seine Behauptung wiederholt, er sei bereits seit längerem erwerbsgemindert. Wie auch das LSG in seinen Entscheidungsgründen zu Recht ausgeführt hat, hat dadurch das mit Schreiben vom erklärte Einverständnis nicht seine Wirksamkeit verloren (vgl  - jurisRdNr 16 und dort insbesondere auch die genannten Beispiele).

10Der Kläger ist auch nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) im Hinblick darauf verletzt worden, dass er in seinem Schreiben vom noch mitgeteilt hatte, er könne sich zu den Schreiben des Gerichts vom , und "derzeit noch nicht im Detail äußern". Sein Vorbringen, er sei nicht erst - wie von der Beklagten anerkannt - im Januar 2021, sondern bereits früher erwerbsgemindert gewesen, hat der Kläger in den weiteren Schreiben vom 2.4. und bekräftigt. Darüber haben die Berufsrichter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern in derselben Besetzung noch einmal am beraten. Das LSG hat den beiden vorgenannten Schreiben kein neues Vorbringen und den übersandten ärztlichen Unterlagen keine neuen Befunde entnehmen können. Sofern der Kläger mit der Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 Satz 1 SGG) nicht einverstanden ist, kann hierauf nach der ausdrücklichen Anordnung in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

11Es kann dahin gestellt bleiben, ob das Datum des Berufungsurteils unrichtig ist, weil das LSG am in derselben Besetzung nachberaten und an der getroffenen Entscheidung vom ausdrücklich festgehalten hat. Ein im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde rügefähiger Verfahrensmangel würde daraus nicht erwachsen. Nach § 138 Satz 1 SGG sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit von Amts wegen zu berichtigen. Die Vorschrift ist insoweit abschließend. Die Rüge einer offenbaren Unrichtigkeit im angegriffenen Urteil ist daher unzulässig, wenn, wie hier, schon kein entsprechender Berichtigungsantrag beim vorinstanzlichen Gericht gestellt worden ist (vgl  - jurisRdNr 2; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 138 RdNr 5 mwN).

12Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).  

133. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG und einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:270325BB5R9224B0

Fundstelle(n):
AAAAJ-99586