Instanzenzug: LG Dresden Az: 5 KLs 111 Js 43929/18
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen 18 Fällen der Steuerhinterziehung jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Darüber hinaus hat es gegen sie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 749.904,30 Euro als Gesamtschuldner angeordnet und ein näher bezeichnetes Kassensystem eingezogen. Hiergegen wenden sich der Angeklagte S. mit seiner auf die allgemeine Sachrüge, die Angeklagte M. mit ihrer auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Das Landgericht hat – sofern für das Revisionsverfahren von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
31. Der Angeklagte S. betrieb im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (Besteuerungszeiträume 2013 bis 2018) drei Restaurants in der Dresdner Innenstadt als Einzelunternehmer. Er trat nach außen u.a. gegenüber den Finanzbehörden als Alleinverantwortlicher auf. Im Innenverhältnis teilte er sich mit der Angeklagten M. , seiner Ehefrau, die Leitungsaufgaben in den Restaurants. So war die Angeklagte M. u.a. Ansprechpartnerin für die Servicekräfte sowie Behörden; ferner war sie für die Buchhaltung, Steuer- und sonstige finanzielle Angelegenheiten zuständig, während der Angeklagte S. die Küche verantwortete. Die Angeklagte M. war bei dem Angeklagten S. angestellt und erzielte hierdurch einen Jahresbruttolohn von ca. 35.000 Euro. Beide Angeklagte waren über das Geschäftskonto verfügungsbefugt.
4Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem fassten die Angeklagten, die seit 2007 ein Kassensystem nutzten, das es über eine aufgespielte Manipulationssoftware zuließ, Umsätze zu löschen und im Anschluss eine lückenlos durchnummerierte neue Bonliste zu erstellen, gemeinsam den Entschluss, zur Verschleierung ihrer tatsächlich ausgeführten Umsätze und auch des erzielten Gewinns vor den Finanzbehörden von der Manipulationsfunktion ihres Kassensystems Gebrauch zu machen. Entsprechend diesem Plan löschten sie in den Besteuerungszeiträumen 2013 bis 2018 ca. 18 Prozent der ausgeführten Umsätze. Die von dem Kasssensystem erstellten Tagesendsummenbons, die die Stornierungen nicht auswiesen, machten sie zur Grundlage ihrer Geschäftsunterlagen, die die Angeklagte M. in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem Angeklagten S. dem von den Angeklagten beauftragten, die Manipulation nicht erkennenden Steuerberaterbüro übergab. Sie wurden so Grundlage der Erklärungen zur Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuer.
5Die Angeklagten verkürzten auf diese Weise im verfahrensgegenständlichen Zeitraum insgesamt 1.083.904,30 Euro an Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuer. Soweit sie im Rahmen der Umsatzsteuererklärungen die ausgeführten Umsätze zu niedrig erklären ließen, führte dies jeweils zu einer niedrigeren Umsatzsteuerzahllast, nicht jedoch zu einem Vorsteuererstattungsanspruch. Mit Ausnahme des Veranlagungszeitraums 2014 ließen sich die Angeklagten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagen. Auf die offenen Steuerschulden zahlten sie bislang 334.000 Euro.
6Die Angeklagten besaßen beide die notwendigen Kenntnisse über eine ordnungsgemäße Kassenführung und wussten, dass sie verpflichtet waren, die Umsätze und Erlöse aus dem Restaurantbetrieb, die Grundlage ihrer Besteuerung wurden, vollständig gegenüber den zuständigen Finanzbehörden anzugeben.
72. Das Landgericht hat die Angeklagten deshalb wegen 18 Fällen der Steuerhinterziehung zu Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Neben der Einziehung des zur Tatbegehung verwendeten Kassensystems hat es gegen beide Angeklagte als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der ersparten Steuern angeordnet, sofern diese nicht zwischenzeitlich nachgezahlt worden waren. Da die Angeklagte M. über das Geschäftskonto verfügungsberechtigt gewesen sei, sei die Einziehung auch ihr gegenüber anzuordnen. Hinsichtlich der Einkommensteuer ergebe sich ihre Steuerschuld ferner aus § 15 EStG (Mitunternehmerschaft), im Übrigen aus § 35 AO.
II.
8Die Revisionen der Angeklagten erweisen sich zu den Schuld- und Strafaussprüchen als weitgehend unbegründet. Hinsichtlich des Angeklagten S. begegnen auch die Einziehungsentscheidungen keinen rechtlichen Bedenken. Hingegen führt das Rechtsmittel der Angeklagten M. zur überwiegenden Aufhebung der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen.
91. Den Verfahrensrügen der Angeklagten M. bleibt aus den zutreffenden Erwägungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.
102. Die rechtliche Nachprüfung des Urteils aufgrund der von beiden Angeklagten erhobenen Sachrüge hat zu den Schuld- und Strafaussprüchen im Wesentlichen keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil aufgedeckt.
11a) Lediglich die konkurrenzrechtliche Bewertung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn die Strafkammer hat nicht beachtet, dass die Steuererklärungen nicht von den Angeklagten selbst, sondern dem – undolos handelnden – Steuerberaterbüro eingereicht wurden und sich der Tatbeitrag der Angeklagten jeweils darin erschöpfte, dem Steuerberaterbüro die Buchhaltungsunterlagen für den jeweiligen Besteuerungszeitraum zur Fertigung und Einreichung der Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuererklärung zu übergeben. Die Angeklagten waren vor diesem Hintergrund mittelbare Täter (§ 25 Abs. 1 Alternative 2 StGB). Bei einem mittelbaren Täter richtet sich die Beurteilung der Konkurrenzen jedoch nach dessen Tatbeitrag, unabhängig von der Anzahl der Handlungen, die ihm zuzurechnen sind. Hat ein mittelbarer Täter, der an der unmittelbaren Ausführung der Taten nicht beteiligt ist, seinen alle Einzeldelikte fördernden Tatbeitrag bereits im Vorfeld erbracht, werden ihm die Handlungen des Tatmittlers als tateinheitlich begangen zugerechnet, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob beim Tatmittler Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen wäre, ist demgegenüber ohne Belang (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 11; Beschluss vom – 1 StR 51/22 Rn. 7 jeweils mwN).
12Diese Maßstäbe zugrunde gelegt ist der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf beide Angeklagten nicht als 18, sondern sechs selbständige Taten der Steuerhinterziehung – mithin eine Tat pro Besteuerungszeitraum – zu würdigen. Der Senat ändert in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Schuldsprüche selbst ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die im Wesentlichen geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
13b) Die abweichende konkurrenzrechtliche Würdigung lässt den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten insgesamt unberührt (st. Rspr.; Rn. 9; Beschlüsse vom – 6 StR 600/23 Rn. 4; vom – 5 StR 497/23 Rn. 8 und vom – 3 StR 120/23 Rn. 19; jeweils mwN). Dem folgend lässt der Senat in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die jeweils höchste der durch das Landgericht festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen bezogen auf einen Besteuerungszeitraum (2013 bis 2016: jeweils ein Jahr und sechs Monate; 2017 und 2018: jeweils zehn Monate) bestehen und hebt die in den Fällen B. II. 1, B. II. 2., B. II. 4., B. II. 5., B. II. 7., B. II. 8., B. II. 10., B. II. 11., B. II. 13., B. II. 14, B. II. 16. und B. II. 17. jeweils festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen auf; diese entfallen. Der Wegfall der genannten Einzelfreiheitsstrafen lässt die Gesamtstrafenaussprüche unberührt. Denn es ist – auch vor dem Hintergrund der insgesamt milden Strafzumessung – auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Würdigung niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen als geschehen verhängt hätte.
143. Die gegen den Angeklagten S. getroffenen Einziehungsentscheidungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Demgegenüber hält die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen die Angeklagte M. rechtlicher Nachprüfung nur in Höhe von 58.984,18 Euro stand.
15Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht erkannt, dass das durch die Taten erlangte Etwas mit Blick darauf, dass die unrichtigen Steuererklärungen jeweils zu einer verringerten Zahllast, nicht jedoch zu Steuererstattungen führten, ausschließlich in den ersparten Aufwendungen für Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuer liegt. Soweit es davon ausgegangen ist, eine Abschöpfung der ersparten Steueraufwendungen sei gegen die Angeklagte M. schon deshalb gerechtfertigt, weil diese über das Geschäftskonto verfügungsberechtigt gewesen sei, verkennt es jedoch den "quasi-kondiktionellen" Charakter der Einziehung (des Wertes) von Taterträgen. Hierzu gilt:
16a) Der ʺquasi-bereicherungsrechtlicheʺ Charakter der Abschöpfung (BT-Drucks. 18/11640, S. 86) gebietet eine rein gegenständliche Betrachtungsweise (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 62). Ebenso wie bei der Einziehung von durch Straftaten erlangten Vermögensgegenständen und Rechten setzt das Abschöpfen ersparter Aufwendungen voraus, dass der Tatbeteiligte über diese Ersparnisse tatsächlich verfügen kann; die Vermögensvorteile müssen sich mithin messbar in seinem Vermögen niederschlagen (st. Rspr.; s. nur Rn. 26; Beschlüsse vom – 1 StR 198/20 Rn. 18 und vom – 1 StR 529/19, BGHR StGB § 73 Erlangtes 33 Rn. 11-13; jeweils mwN).
17Der Bundesgerichtshof geht deshalb in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die ersparten Aufwendungen für die durch den Täter verkürzten Steuern nur bei der – natürlichen oder juristischen – Person als Tatertrag im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB eingezogen werden können, die bereits vor Tatbegehung zur Entrichtung der Steuern verpflichtet war; eine bloße – erst wegen der Tatbegehung entstehende – Haftungsschuld nach § 71 AO ist hierfür nicht ausreichend (vgl. Rn. 31 mwN).
18Damit ist die Einziehung regelmäßig – aber nicht ausschließlich oder zwingend – gegen den "formellen" Steuerschuldner zu richten, dem schon begrifflich die Steuerersparnisse zugutekommen. Neben den ʺformellenʺ Steuerschuldnern kommen als Einziehungsbetroffene aber auch sonstige Personen in Betracht, die eigene steuerliche Erklärungspflichten und nachfolgend originär steuerliche Verbindlichkeiten aus eigenem Vermögen zu erfüllen haben und damit von der Steuerersparnis profitieren wie z.B. dem Betriebsinhaber (vgl. Rn. 27 mwN). Auch die entgegen § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG durch den Arbeitgeber nicht abgeführte Lohnsteuer, die dieser bei jeder Lohnzahlung nach § 38 Abs. 3 Satz 1, § 39b EStG vom Arbeitslohn einzubehalten hat, hat der Senat als ersparte Aufwendung im Sinne der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gewertet. Die Ersparnis bei Nichtabführung schlägt sich hier in dem Vermögen des Arbeitgebers nieder, dessen Aktiva, insbesondere liquide Mittel, nicht um die Lohnsteuer vermindert werden ( Rn. 30/31).
19b) Gemessen an diesen Maßstäben hat sich die Ersparnis der verkürzten Umsatz- und Gewerbesteuer ausschließlich in dem Vermögen des Angeklagten S. niedergeschlagen und konnte auch nur bei ihm nach § 73 Abs. 1; § 73c Satz 1 StGB eingezogen werden. Gleiches gilt für die ersparte Einkommensteuer in dem Veranlagungszeitraum 2014, in dem er sich nach §§ 26 Abs. 1 Satz 1, § 26a EStG allein zur Einkommensteuer veranlagen ließ. In den Veranlagungszeiträumen, in denen die Angeklagten die Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 1 Satz 1, § 26b EStG wählten (2013 und 2015 bis 2018), war die Angeklagte M. hingegen nach § 26b EStG Steuerschuldnerin auch hinsichtlich des Anteils an der für beide Eheleute festzusetzenden Einkommensteuer, der auf die Einkünfte des Angeklagten S. entfiel. Die insoweit ersparten Aufwendungen schlugen sich deshalb auch in ihrem Vermögen nieder und konnten bei ihr nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB eingezogen werden. Im Einzelnen:
20aa) Schuldner der verkürzten Umsatzsteuer nach § 13a Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und damit erklärungspflichtig nach § 18 Abs. 1 und 3 UStG war allein der Angeklagte S. als leistender Unternehmer im Sinne der § 2 Abs. 1, § 3 UStG.
21(1) Wer bei einem Umsatz als Leistender und damit als Unternehmer sowie Schuldner der Umsatzsteuer anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Verträgen. In der Regel ist daher derjenige Leistender, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 UStG im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist. Schuldner der Umsatzsteuer aus einem Leistungsaustausch ist damit grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten ist ( Rn. 12 mwN).
22(2) Dies zugrundegelegt war der Angeklagte S. Schuldner der verkürzten Umsatzsteuer. Denn er betrieb die verfahrensgegenständlichen Restaurants als Einzelkaufmann und führte die Umsätze im eigenen Namen gegenüber den Gästen aus. Allein der Umstand, dass die Angeklagte M. nicht näher definiert "nach außen auftrat" (UA S. 65) reicht – anders als das Landgericht meint – nicht aus, um eine eigene Umsatzsteuerschuld und damit die Erklärungspflicht nach § 18 Abs. 1 und 3 UStG zu begründen, ebensowenig die Feststellung, dass die Angeklagten die Restaurants im Innenverhältnis gemeinsam leiteten und die Angeklagte M. „Ansprechpartnerin gegenüber Behörden“ war (vgl. UA S. 5). Sie war nach den Feststellungen auch kein verfügungsberechtigter Hintermann im Sinne der Rechtsprechung zu § 35 AO, der den Angeklagten S. lediglich als "Strohmann" vorgeschoben hatte (vgl. zu dieser Fallkonstellation , BGHSt 58, 218 Rn. 76 ff., 83 und vom - 1 StR 272/20 Rn. 28; Beschluss vom - 1 StR 33/17 Rn. 14-18).
23bb) Gleiches gilt für die ersparte Gewerbesteuer. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG war allein der Angeklagte S. als Unternehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG Schuldner der Gewerbesteuer und damit nach § 14a Satz 1 GewStG erklärungspflichtig.
24(1) Unternehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist, wem im Innenverhältnis das Ergebnis des Gewerbebetriebs zuzurechnen ist. Wer für diesen nach außen in Erscheinung tritt, hat regelmäßig keine Bedeutung; unerheblich ist insbesondere, wer im Handelsregister als Inhaber eingetragen ist oder wem eine etwa erforderliche (Gewerbe- oder sonstige) Genehmigung durch die hierfür zuständige Behörde erteilt wurde (vgl. , BFHE 101, 245). Der Begriff des Unternehmers im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG deckt sich im Wesentlichen mit dem des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; es handelt sich um einen wirtschaftlichen, nicht rechtlichen Begriff. Maßgeblich ist letztlich, wer das Risiko des Unternehmens trägt und wer Unternehmerinitiative entfalten kann (vgl. , DStR 1993, 1139, 1140/1141).
25(2) Gemessen an diesen Maßstäben war die Angeklagte M. nicht Unternehmerin im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG. Die Restaurants wurden nach den Feststellungen ausschließlich auf Rechnung des Angeklagten S. betrieben. Auch wurde das Ergebnis des Gewerbebetriebs im Innenverhältnis ihm allein zugerechnet. Die Angeklagte M. war abhängig beschäftigt und erhielt für ihre Tätigkeit in den Restaurants Arbeitslohn, der lediglich einen geringen Bruchteil der durch den Gewerbebetrieb erzielten Erträge ausmachte. Sie konnte weder Unternehmerinitiative entfalten, noch trug sie unternehmerisches Risiko. Von den Erträgen profitierte sie letztlich nur über ihre eheliche Verbundenheit mit dem Angeklagten S. .
26cc) Jedoch war die Angeklagte M. in den Veranlagungszeiträumen, in denen sich die Angeklagten als Eheleute nach § 26 Abs. 1 Satz 1, § 26b EStG gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagen ließen (2013 und 2015 bis 2018), Schuldnerin der gesamten für beide Angeklagte festzusetzenden Einkommensteuer, unabhängig davon, ob sich diese aus eigenen Einkünften oder den (zu niedrig erklärten) Einkünften ihres Ehemanns ergab (§ 26 Abs. 1 Satz 1, § 26b EStG); sie haftete hierfür zusammen mit dem Angeklagten S. als Gesamtschuldnerin (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 AO). Die durch die Nichterklärung der Einkünfte des Angeklagten S. ersparte Einkommensteuer hat sich damit auch im Vermögen der Angeklagten M. niedergeschlagen und unterliegt bei dieser der Einziehung nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB.
27(1) Wählen Eheleute nach § 26 Abs. 1 Satz 1, § 26b EStG die Zusammenveranlagung, bleiben sie zwar verfahrensrechtlich zwei unterschiedliche Rechtssubjekte (vgl. DStRE 2022, 364, 366 Rn. 22/23). Denn ein in der Form des § 155 Abs. 3 Satz 1 AO ergangener Zusammenveranlagungsbescheid enthält zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbständige, nur der äußeren Form nach zusammengefasste Steuerverwaltungsakte, die ein unterschiedliches verfahrensrechtliches Schicksal haben können ( DStRE 2022, 364, 366 Rn. 22). Gleichwohl bewirkt der Antrag auf Zusammenveranlagung, dass die Eheleute zur Ermittlung der Einkommensteuer eine Einheit bilden, die Steuererklärung gemeinsam nach § 25 Abs. 3 Satz 2 EStG abgeben müssen und für die gesamte Steuerschuld nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 AO als Gesamtschuldner haften, weshalb sich die aus der Nichterklärung von Einkünften des einen Ehegatten resultierende Steuerersparnis auch in dem Vermögen des anderen Ehegatten niederschlägt. Dem steht auch nicht die Wertung des § 270 AO entgegen, wonach die Eheleute im Steuervollstreckungsverfahren nach §§ 268 ff. AO beantragen können, die rückständige Steuer nach dem Verhältnis der Beträge aufzuteilen, die sich bei Einzelveranlagung nach Maßgabe des § 26a des Einkommensteuergesetzes ergeben würden und auch im Innenverhältnis (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) jeder der Eheleute nur für die Steuer aufzukommen hat, die auf seine Einkünfte entfällt (vgl. Rn. 22). Denn dies ändert nichts an der primären eigenen "Entrichtungssteuerschuld" (vgl. zur Lohnsteuer: Rn. 31). § 270 AO betrifft lediglich das Steuervollstreckungsverfahren. Der Rechtsgedanke der Norm kann daher auch im Einziehungsrecht erst im Vollstreckungsverfahren im Rahmen des § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO Berücksichtigung finden.
28(2) Bei der Angeklagten M. unterlag damit ein Betrag in Höhe der in den Veranlagungszeiträumen 2013 (113.489,73 Euro) und 2015 bis 2018 (2015: 103.131, 63 Euro, 2016: 93.755,37 Euro, 2017: 45.903,58 Euro, 2018: 36.703,87 Euro) ersparten Einkommensteuer von insgesamt 392.984,18 Euro grundsätzlich der Einziehung nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB. Zu Gunsten der Angeklagten sind hiervon jedoch nach § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB die durch die Angeklagten bereits nachgezahlten Steuern in Höhe von 334.000 Euro abzuziehen, sodass die Einziehung des Wertes von Taterträgen noch in Höhe von 58.984,18 Euro anzuordnen war.
29(3) Die durch den Angeklagten S. im Veranlagungszeitraum 2014, in dem er die Einzelveranlagung nach § 26 Abs. 1 Satz 1, § 26a EStG wählte, ersparten Aufwendungen für die Einkommensteuer können indes bei der Angeklagten M. nicht eingezogen werden. Soweit das Landgericht dies neben der Verfügungsbefugnis über das Geschäftskonto (auch) auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gestützt hat, hält diese Würdigung rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil die Angeklagte M. mangels Unternehmerinitiative und Teilhabe an dem unternehmerischen Risiko ersichtlich keine Mitunternehmerin im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG war. Hiervon ist das Landgericht an anderer Stelle der Urteilsgründe selbst ausgegangen. Denn es hat die Einkünfte der Angeklagten M. bei der Berechnung der Einkommensteuerschuld als solche aus nichtselbständiger Tätigkeit angesehen.
30c) Die gegen die Angeklagte M. angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen hält damit lediglich in Höhe von 58.984,18 Euro rechtlicher Nachprüfung stand. In dieser Höhe haftet sie mit dem Angeklagten S. als Gesamtschuldnerin. Soweit die Einziehungsanordnung diesen Betrag überschreitet, hebt sie der Senat in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf; in Höhe von 690.920,12 Euro entfällt die Einziehung.
314. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision erscheint es nicht unbillig, die Beschwerdeführer im Wesentlichen mit den gesamten durch ihre Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten.
32Jedoch gebietet es der Erfolg der Revision der Angeklagten M. betreffend die Einziehungsentscheidung aus Billigkeitsgründen, die Angeklagte von ihren notwendigen Auslagen und den Kosten, die die Einziehung betreffen, zu entlasten (§ 465 Abs. 2 StPO analog, § 473 Abs. 4 StPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 311/20 Rn. 9 ff. und vom – 1 StR 423/20, BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 8 Rn. 6 ff.)
Jäger Fischer Wimmer
Allgayer Welnhofer-Zeitler
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:260625B1STR493.24.0
Fundstelle(n):
JAAAJ-99570