Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Hamburg Az: AGH I ZU 4/2024 (I-49) Urteil
Gründe
1Der im Jahr 1970 geborene Kläger ist seit dem zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom zurück.
2Die vom Kläger dagegen erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof mit am am Schluss der - in Abwesenheit des Klägers durchgeführten - mündlichen Verhandlung verkündetem Urteil abgewiesen. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung und das dem Protokoll als Anlage beigefügte verkündete, aus Rubrum, Urteilsformel und Unterschriften der mitwirkenden Richter bestehende Urteil sind dem Kläger in Abschrift am zugestellt worden. Am hat der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das ihm zugestellte Urteil beantragt und diesen Antrag mit Schriftsatz vom selben Tag begründet. Das vollständig abgefasste und unterzeichnete Urteil ist am auf der Geschäftsstelle des Anwaltsgerichtshofs eingegangen und dem Kläger am zugestellt worden.
II.
31. Der Zulassungsantrag des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO.
4Dass der Kläger den Antrag bereits vor der Zustellung des vollständig abgefassten Urteils eingereicht und abschließend begründet hat, steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Es entspricht einhelliger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass für den Zeitpunkt, ab dem ein Rechtsmittel eingelegt werden kann, nicht auf die Zustellung der vollständigen Entscheidung, sondern auf deren Existentwerden, etwa die Verkündung, abzustellen ist (vgl. , NJW 1999, 3269, 3270; BVerwG, DÖV 2004, 299 f.; BFH/NV 2005, 1834, 1835 [juris Rn. 29]; BAG, NJW 2008, 1610 Rn. 10; Eyermann/Happ, VwGO, 16. Aufl., Vor § 124 Rn. 19 f.; jeweils mwN). Danach war hier die Einreichung des Zulassungsantrags ab der Verkündung des Urteils am zulässig. Unschädlich ist auch, dass der Kläger - nach seiner Antragsbegründung vom - innerhalb der erst mit der Zustellung des vollständigen Urteils beginnenden zweimonatigen Antragsbegründungsfrist (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) keine nochmalige/weitere Begründung eingereicht hat (vgl. , NJW 1999, 3269, 3270 f.).
52. Der Zulassungsantrag ist jedoch nicht begründet. Ein Zulassungsgrund im Sinn von § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.
6a) Dem Anwaltsgerichtshof ist kein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel unterlaufen, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO; § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
7aa) Der Kläger rügt ohne Erfolg eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör mit der Begründung, dass das ihm am mit dem Verhandlungsprotokoll zugestellte Urteil nur aus dem Tenor nebst Kostenentscheidung bestanden und keine ordnungsgemäß schriftlich niedergelegten Entscheidungsgründe enthalten habe, sondern lediglich einen Verweis auf die mündliche Verhandlung vom . Er meint, ohne nachvollziehbare schriftliche Begründung werde ihm unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG die Möglichkeit genommen, das Urteil sachgerecht zu überprüfen und anzufechten.
8Damit dringt der Kläger nicht durch. Dass das Urteil bei der Verkündung am noch nicht vollständig schriftlich vorlag und dem Kläger am mit dem Protokoll zunächst nur die verkündete Urteilsformel zugestellt wurde, ändert nichts an der Wirksamkeit der Verkündung und begründet auch im Übrigen keinen Gehörsverstoß.
9(1) Das angefochtene Urteil ist am Schluss der mündlichen Verhandlung am ordnungsgemäß nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO verkündet und damit wirksam geworden. Die Verkündung besteht in der Verlesung der Urteilsformel, die grundsätzlich schriftlich vorliegen muss, durch den Vorsitzenden (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 311 Abs. 2, § 136 Abs. 4 ZPO). Die Verkündung als solche und die verkündete Urteilsformel sind in die Verhandlungsniederschrift aufzunehmen; die Urteilsformel kann dem Protokoll als Abschrift beigefügt werden (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 105 VwGO, § 160 Abs. 3 Nr. 6 und 7, Abs. 5 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier ausweislich des in der Gerichtsakte befindlichen Originals der schriftlich niedergelegten und von den an der Entscheidung mitwirkenden Richter unterzeichneten Urteilsformel sowie dem vom Vorsitzenden Richter unterzeichneten Original der Verhandlungsniederschrift erfüllt.
10(2) Das angefochtene Urteil ist auch nicht wegen Verstoßes gegen die Begründungspflicht (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO) als "nicht mit Gründen versehenes" Urteil im Sinn von § 138 Nr. 6 VwGO anzusehen, weil es bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst und unterschrieben vorlag.
11Zwar ist das Urteil nicht, wie nach § 112c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 BRAO, § 117 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgeschrieben, innerhalb von fünf Wochen seit dem Tag der Verkündung, sondern erst am vollständig abgefasst an die Geschäftsstelle des Anwaltsgerichtshofs übermittelt worden. Nach § 112c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 BRAO, § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO kann es aber bei - wie hier - rechtzeitiger Übergabe der von den mitwirkenden Richtern unterschriebenen Urteilsformel an die Geschäftsstelle ausreichen, wenn das vollständig abgefasste Urteil "alsbald" nachgereicht wird. Für diese Nachreichung gilt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Absetzungshöchstfrist von fünf Monaten (vgl. BVerwGE 92, 367, 375 f.). Ein bei seiner Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil ist daher im Sinn des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben worden sind (st. Rspr.; siehe BVerwGE 92, 367, 375 f.; BVerwG, NVwZ-RR 1996, 299; NVwZ-RR 2001, 798, 799; NVwZ 2001, 1150, 1151; NVwZ 2013, 218 Rn. 23; NVwZ-RR 2019, 610 Rn. 54). Diese Maximalfrist von fünf Monaten ist hier gewahrt, da das vollständig abgefasste und unterschriebene Urteil drei Monate nach der Verkündung der Geschäftsstelle übermittelt worden ist.
12Besondere Umstände, aufgrund derer das Urteil trotz Wahrung der Absetzungshöchstfrist als nicht mit Gründen versehen anzusehen sein könnte, sind nicht ersichtlich und werden auch vom Kläger nicht dargetan. Voraussetzung dafür wäre, dass zu dem Zeitablauf als solchem besondere Umstände hinzutreten, die bereits in temporaler Hinsicht bestehende Zweifel zu der Annahme verdichten, dass der gesetzlich geforderte Zusammenhang zwischen der Entscheidungsfindung und den schriftlich niedergelegten Gründen nicht mehr gewahrt ist (vgl. BVerwG, NVwZ 2013, 218 Rn. 24; NVwZ-RR 2019, 610 Rn. 55). Das kann etwa der Fall sein, wenn für die Entscheidungsfindung ein unmittelbarer, d.h. persönlicher Eindruck der beteiligten Richter besonders bedeutsam ist (vgl. Eyermann/Kraft, VwGO, 16. Aufl., § 117 Rn. 36 a.E. mwN). Vergleichbare besondere Umstände liegen hier nicht vor.
13(3) Diese nachträgliche Abfassung und Zustellung des vollständigen Urteils beeinträchtigt auch nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör. Sie führt insbesondere nicht zu einer Verkürzung seiner Möglichkeit zur Überprüfung der Entscheidungsgründe. Denn die Fristen für die Einreichung und Begründung eines Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichthofs beginnen gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO (ebenso wie die Fristen für eine Berufungseinlegung und -begründung im Fall der Zulassung durch den Anwaltsgerichtshof, § 124a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 VwGO) erst mit der Zustellung des vollständigen Urteils. Hierauf ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des ihm am zugestellten Urteils auch hingewiesen worden.
14bb) Ein Verfahrensmangel ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger den Vorsitzenden Richter des Anwaltsgerichthofs in der Begründung seines Zulassungsantrags wegen dessen Formulierungen bei der Protokollierung von Angaben des Beklagtenvertreters in der Verhandlungsniederschrift als befangen abgelehnt hat. Die darin liegende Rüge der unvorschriftsmäßigen Besetzung des Anwaltsgerichtshofs (§ 138 Nr. 1 VwGO) greift nicht durch.
15Wird die Befangenheit eines Richters - wie hier - erst nach Erlass des Urteils mit Gründen gerügt, mit denen der Beteiligte nicht ohnehin bereits gemäß § 43 ZPO ausgeschlossen ist (z.B. weil sie sich erst aus der Begründung des Urteils ergeben), ist Voraussetzung für eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts gemäß § 138 Nr. 1 VwGO, dass der Richter der Vorinstanz tatsächlich und so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität hat vermissen lassen, dass jede andere Würdigung als die einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erschiene; dann läge zugleich ein Verstoß unmittelbar gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor (BVerwG, NVwZ-RR 2017, 468 Rn. 20 mwN).
16Hierfür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Auch aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine Gründe, die eine Ablehnung des Vorsitzenden Richters gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 VwGO, § 42 Abs. 2 ZPO rechtfertigen könnten. Maßgeblich dafür ist, ob aus Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; siehe Senatsbeschluss vom - AnwZ (Brfg) 61/15, NJW-RR 2017, 187 Rn. 4 mwN). Das ist hier zum einen bereits deshalb nicht der Fall, weil es sich bei den vom Kläger beanstandeten Formulierungen im Verhandlungsprotokoll - wie der Kläger selbst erkennt - nicht um eigene Äußerungen des Vorsitzenden Richters handelt, sondern um die Protokollierung von Angaben des Beklagtenvertreters. Zum anderen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Protokollierung "Der Beklagtenvertreter erklärt, die Anzahl der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis sei mittlerweile auf 23 angewachsen. Außerdem habe der Kläger seinen Kanzleisitz verlegt." (und nicht, wie vom Kläger angegeben, der "Kanzleisitz [sei] mittlerweile verlegt"), bei vernünftiger Betrachtung als eine die Besorgnis der Befangenheit begründende Verwendung "sprachlich eindeutig abwertender Begrifflichkeiten" (so der Kläger) verstanden werden könnte. Es handelt sich schlicht um die Mitteilung (und Protokollierung) von - auch vom Kläger nicht bestrittenen - Tatsachen.
17b) Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VWGO). Eine solche kommt einem Rechtsstreit nur dann zu, wenn dieser eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senatsbeschluss vom - AnwZ (Brfg) 11/24, NJW-RR 2024, 1568 Rn. 13 mwN). Das ist hier nicht der Fall.
18aa) Die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Frage, "ob ein Urteil ohne schriftlich abgefasste Gründe unter Auslassung sogar einer Bezugnahme auf das Protokoll der in der Sache durchgeführten Verhandlung den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren genügt und wie weitreichend die Verpflichtung zur Darlegung von Entscheidungsgründen ist", stellt sich nach den obigen Ausführungen nicht.
19bb) Die verfassungs- und europarechtlichen Bedenken des Klägers gegen § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO greifen nicht durch.
20(1) Hinsichtlich der vom Kläger bezweifelten Vereinbarkeit von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besteht kein Klärungsbedarf.
21(a) Der Kläger führt hierzu aus, der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft greife besonders schwer in den Kern der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Freiheit zur Führung einer eigenverantwortlichen wirtschaftlichen Lebensführung (Art. 14 Abs. 1 GG) ein, ohne danach zu unterscheiden, ob tatsächlich eine konkrete Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden vorliege oder nicht. Die gesetzliche Vermutung, dass ein Vermögensverfall automatisch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden bedeute, widerspreche dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil sie keine ausreichende Berücksichtigung der individuellen Umstände zulasse.
22Damit dringt der Kläger nicht durch, weil die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 nach ständiger Rechtsprechung des Senats gerade nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist; die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden folgt daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen des Vermögensverfalls, sondern kann in - wenn auch im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur seltenen - Ausnahmefällen verneint werden (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 3 mwN). Zudem bewirkt der Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls kein endgültiges Berufsverbot und vernichtet damit entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht die berufliche Existenz des betroffenen Rechtsanwalts. Die Nachteile, die einem Rechtsanwalt durch den Widerruf der Zulassung entstehen, sind vielmehr vergleichsweise gering, denn der Rechtsanwalt hat bei nachträglichem Wegfall des Widerrufsgrundes einen Anspruch auf sofortige Wiederzulassung und kann jederzeit einen solchen Antrag stellen. Dass die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO in Anbetracht dessen verfassungsgemäß ist, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (st. Senatsrechtsprechung, vgl. nur Beschlüsse vom - AnwZ (B) 7/00, juris Rn. 13; vom - AnwZ (B) 73/04, NJW-RR 2006, 859; vom - AnwZ (B) 36/09, juris Rn. 3; vom - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 6; vom - AnwZ (Brfg) 55/11, juris Rn. 15; vom - AnwZ (Brfg) 61/18, NZI 2019, 95 Rn. 12; vom - AnwZ (Brfg) 6/19, ZInsO 2020, 1127 Rn. 34 f.; vom - AnwZ (Brfg) 32/20, juris Rn. 8 und vom - AnwZ (Brfg) 34/20, juris Rn. 13; siehe auch BVerfG, NJW 2005, 3057 zu § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO).
23(b) Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil - so der Kläger - bei anderen Berufsgruppen wie Ärzten, Apothekern und Zahnärzten keine vergleichbar strikte Regelung existiere, obwohl bei diesen ebenfalls Vermögenswerte von Patienten bzw. Kunden in den Einwirkungsbereich des Berufsträgers kämen und eine Gefährdung hier ebenso denkbar sei. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dass Ärzte, Apotheker oder Zahnärzte in keiner Weise vergleichbare "Einwirkungsmöglichkeiten" auf die Vermögenswerte von Patienten oder Kunden haben wie ein Rechtsanwalt auf die Vermögenswerte seiner Mandanten, bedarf keiner näheren Erläuterung.
24(2) Die vom Kläger geäußerten europarechtlichen Bedenken, weil "der automatische Widerruf einer Zulassung aufgrund eines Vermögensverfalls ohne umfassende Einzelfallprüfung als Rechtsreflex des Tatbestands der angegriffenen Norm … eine unverhältnismäßige Einschränkung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV" darstelle und gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoße, sind danach ebenfalls nicht begründet. Wie oben dargelegt, ist § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht als Automatismus ohne Einzelfallprüfung zu verstehen. Die Regelung enthält entgegen der Ansicht des Klägers auch keine unzulässige, mit den Vorgaben des Gerichthofs der Europäischen Union (, ECLI:EU:C:1995:411 Rn. 37 - Gebhard) nicht vereinbare Berufsreglementierung im europäischen Kontext. Sie dient mit dem Schutz des rechtsuchenden Publikums vor Gefahren, die in der wirtschaftlichen Lage eines Rechtsanwalts begründet sind, zwingenden Gemeinwohlbelangen (vgl. nur Senatsbeschluss vom - AnwZ (Brfg) 61/18, NZI 2019, 95 Rn. 12 mwN; BVerfG, NJW 2005, 3057 zu § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 BRAO Rn. 31) und ist - wie oben ausgeführt - verhältnismäßig.
25(3) Die vom Kläger angeregte Vorlage des Verfahrens zur Frage der Vereinbarkeit von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO mit materiellem Verfassungsrecht und/oder Gemeinschaftsrecht ist danach nicht geboten.
26c) Weitere Zulassungsgründe sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich.
III.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Guhling Remmert Grüneberg
Lauer Schmittmann
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:180725BANWZ.BRFG.4.25.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-99569