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BGH Beschluss v. - 3 StR 484/24

Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 5 KLs 6/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 130 € verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte seit dem Jahr 2014 Vorsitzender der Fraktion der „Alternative für Deutschland“ (AfD) im Thüringer Landtag, nachdem er zuvor von 1999 an als Geschichtslehrer an verschiedenen Gymnasien tätig gewesen war. Am verwendete er als Redner auf einer öffentlichen Wahlveranstaltung für die Bundestagswahl in Merseburg die Parole „Alles für Deutschland“, obwohl er wusste, dass es sich dabei um eine solche der Sturmabteilung (SA) der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) handelte und deren öffentliche Verwendung verboten ist. Zu der Veranstaltung kamen etwa 250 Personen, neben interessierten Bürgern auch Demonstranten gegen „rechte Politik“. Der Angeklagte nahm jedenfalls billigend in Kauf, dass ein Video seiner Rede auf Internetplattformen ins Internet gestellt werden würde und von einer nicht bestimmbaren Menge von Menschen angesehen werden könnte. Zum Ende seiner rund 22-minütigen Rede führte er aus: „Im Brustton der Überzeugung sage ich: ‚Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland!‘“ Hierbei zielte er darauf ab, die Parole „Alles für Deutschland“ trotz ihres Verbotes wieder in den alltäglichen Sprachgebrauch zu integrieren und politisch verwenden zu können. Er nahm mindestens billigend in Kauf, dass dadurch die deutsche Geschichte des Nationalsozialismus verharmlost wird.

3Die bis ins Jahr 1934 auf etwa vier Millionen Angehörige angewachsene SA, eine paramilitärische Kampforganisation der NSDAP, hatte sich diese Parole öffentlich und während der Zeit des Nationalsozialismus allgemein bekannt „als Geist“ zu eigen gemacht, um propagandistisch auf ihre politischen Ziele und die Zusammengehörigkeit ihrer Anhänger hinzuweisen. Zur SA-Uniform gehörte ein an einem Lederkoppel getragener SA-Dolch, in dessen Klinge die Losung der SA „Alles für Deutschland“ eingraviert war. Sie nahm die Parole in verschiedene Lieder auf; bei der Eröffnungsfeier des NSDAP-Parteitages 1934 in der Luitpoldhalle in Nürnberg standen die Worte in Großbuchstaben über dem Podium. In einem Zeitschriftennachruf auf einen verstorbenen SA-Stabschef wurde 1943 aus einer Gedenkrede der damalige Minister Goebbels zitiert: „Viktor Lutze hat das hohe und heilige Gesetz der SA ‚ A l l e s f ü r D e u t s c h l a n d ‘ bis zum letzten Atemzug erfüllt.“ Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Parole zuvor und in den ersten Nachkriegsjahren – ebenso wie später noch – anderweitig verwendet wurde, etwa durch Otto von Bismarck, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands während der Weimarer Republik und die evangelische Kirche. In Publikationen zu Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wird sie teils erwähnt, teils nicht. Im Bundestagswahlkampf 2017 trug das Plakat eines dem Angeklagten bekannten sächsischen AfD-Abgeordneten die Parole. Die Wahlplakate mussten vollständig entfernt werden; ein gegen den Abgeordneten eingeleitetes Strafverfahren wurde eingestellt. Das Geschehen erhielt deutschlandweit große Aufmerksamkeit. Ebenso wurde überregional publiziert, dass 2020 der sachsen-anhaltinische AfD-Landesvizevorstand eine Rede mit der Parole schloss. Spätestens nach diesen Vorfällen wusste der an Geschichts- und Zeitgeschehnissen interessierte Angeklagte, dass es sich um eine verbotene Parole der SA handelte. Dagegen war dies weiten Teilen der Bevölkerung zum Tatzeitpunkt nicht bekannt.

II.

4Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

51. Aus der Stellung des Angeklagten als Abgeordneter des Thüringer Landtags ergibt sich kein Prozesshindernis der Immunität nach § 152a StPO, Art. 55 Abs. 2 Satz 1 ThürVerf, da der Rechtsausschuss des Thüringer Landtags der Einleitung des Ermittlungsverfahrens und der Anklageerhebung zugestimmt hat.

62. Der strafrechtlichen Ahndung steht zudem keine Indemnität nach Art. 55 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf entgegen. Dies gilt unabhängig davon, ob man diese als ein besonderes Verfahrenshindernis (so etwa ThürVerfGH, Beschluss vom – 40/16, LVerfGE 30, 505, 518 mwN; Dürig/Herzog/Scholz/Klein/Schwarz, GG, 107. EL, Art. 46 Rn. 32) oder einen persönlichen Schuldausschließungsgrund wertet (vgl. OLG Celle, Urteil vom – 32 Ss 135/13, NdsRpfl. 2014, 280, 281; EGMR, Urteil vom – 55225/14, juris Rn. 29; LK/Grube, StGB, 13. Aufl., § 36 Rn. 9 mwN; offen gelassen von , BGHZ 75, 384, 390). Dazu ist eine Entscheidung darüber entbehrlich, inwieweit die landesverfassungsrechtliche Regelung des Art. 55 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf die bundesgesetzlich in § 36 StGB normierte Abgeordnetenindemnität mit Blick auf Art. 31 GG erweitern kann (s. OLG Celle, Urteil vom – 32 Ss 135/13, NdsRpfl. 2014, 280, 281; , NJW 1982, 2246; BeckOK GG/Hellermann, 62. Edition, Art. 31 Rn. 14 ff. mwN); denn die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 55 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf liegen nicht vor.

7a) Von der Verfolgung ausgenommen sind nach Art. 55 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf Äußerungen von Abgeordneten, „die sie im Landtag, in einem seiner Ausschüsse oder sonst in Ausübung ihres Mandats getan haben“. Hiermit zielt die Regelung, ebenso wie vergleichbare andere landesverfassungsrechtliche Vorschriften oder Art. 36 WRV, auf die Grundlagen der Parlamentsarbeit, für deren Funktionsbereich die freie Diskussion besonders geschützt werden soll. Dies setzt nach gefestigter Rechtsprechung einen inneren Bezug der Äußerung zur Arbeit im Parlament voraus. Hierzu genügt die Eigenschaft als Abgeordneter nicht. Vielmehr muss die Äußerung selbst der Parlamentsarbeit des Abgeordneten, nicht seiner Privatsphäre oder den Funktionen in seiner Partei zuzuordnen sein (, NJW 1982, 2246 mwN zu Art. 81 Abs. 1 Verf SL; ähnlich , NJW-RR 2004, 619, 620; OLG Dresden, Urteil vom – 4 U 102/17, NJW-RR 2017, 1254 Rn. 17; RDH, Entscheidung vom – R. D. H. 138/24, Die Rechtsprechung des Reichsdisziplinarhofs, 1926, 207, 208; , DJZ 1926, 1048; Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., Art. 36 unter 2.; dagegen weitergehend HK-ThürVerf/Linck/Arnold, 2. Aufl., Art. 55 Rn. 13). Dementsprechend ist unter der mit der Ausübung gleichlaufenden Wahrnehmung des Mandats (§ 108e Abs. 1 und 2 StGB) das Wirken im Parlament, mithin im Plenum, in den Ausschüssen oder sonstigen parlamentarischen (Unter-)Gremien einschließlich der Fraktionen oder in mit Abgeordneten besetzten Kommissionen zu verstehen, nicht aber eine in funktionalem Sinne weite Auslegung dahin vorzunehmen, dass bereits jede Tätigkeit anlässlich oder im Zusammenhang mit dem Abgeordnetenmandat oder jede durch das Mandat bloß ermöglichte Handlung darunterfiele (s. , BGHSt 67, 107 Rn. 24, 44).

8Für ein solches Verständnis spricht bereits die Gesetzessystematik, nach der in Art. 55 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf sonstige Ausübungen des Mandats im Anschluss und im Zusammenhang mit Abstimmungen oder Äußerungen im Landtag und in einem seiner Ausschüsse geregelt sind. Sowohl der Kontext zu Abstimmungen als auch zum Landtagsplenum sowie seinen Ausschüssen deutet auf eine Begrenzung auf das Mandat als solches und eine eher enge Auslegung der Mandatsausübung hin. Überdies besteht bei Äußerungen im Landtag als gewisse Einhegung und Kompensation der fehlenden sonstigen Ahndung die Ordnungsgewalt des Präsidenten (Art. 57 Abs. 3 Satz 2 ThürVerf), die bei Äußerungen außerhalb des Parlaments nicht gegeben ist (vgl. , DJZ 1926, 1048). Sollte die Indemnität jegliche politische Äußerung eines Abgeordneten erfassen, käme es zudem in Bezug auf Bewerber um ein Abgeordnetenmandat zu einem Ungleichgewicht zwischen solchen, die bereits eines errungen haben und Indemnität genössen, zu jenen, die sich ohne Mandat bewerben (vgl. auch Wurbs, Regelungsprobleme der Immunität und der Indemnität in der parlamentarischen Praxis, 1988, S. 92 ff.).

9b) Hieran gemessen hielt der Angeklagte die Rede nicht in Ausübung seines Landtagsmandates. Ein Bezug zu seiner Parlamentsarbeit bestand nicht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der dem Thüringer Landtag angehörende Angeklagte die Rede im Rahmen des Bundestagswahlkampfs bei einer Veranstaltung in Sachsen-Anhalt hielt. Selbst wenn das Werben für eine gesetzliche Regelung außerhalb des unmittelbaren parlamentarischen Bereichs, wie etwa durch Interviews in den Medien, – zumindest in anderem Zusammenhang – noch als Teil der Mandatsausübung gefasst werden kann (vgl. , BVerfGE 152, 332 Rn. 12), führt dies hier zu keinem anderen Ergebnis. Bei der allgemein gehaltenen Rede ging es nicht um ein bestimmtes, vom Thüringer Landtag behandeltes Gesetzesvorhaben, sondern um allgemeine Wahlwerbung (s. zu Wahlveranstaltungen auch , NJW-RR 2004, 619, 620; , DJZ 1926, 1048).

103. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts ist gegeben. Inwieweit diese bereits von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. hierzu etwa einerseits BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 136/94, BGHSt 40, 120, 123; vom – 4 StR 445/20, juris; vom – 3 StR 121/22, juris Rn. 3; andererseits , GA 1970, 25; vom – 1 StR 701/96, BGHSt 43, 53, 56 ff.; s. zudem , BGHSt 61, 277 Rn. 8 mwN), bedarf angesichts der insoweit erhobenen Verfahrensrüge keiner Erörterung.

11Die aufgrund einer sofortigen Beschwerde vom Oberlandesgericht getroffene Eröffnungsentscheidung über die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG ist nach dem hier mit Blick auf § 269 StPO zu beachtenden Willkürmaßstab nicht zu beanstanden (vgl. dazu näher , BVerfGE 29, 45, 48; , BGHSt 57, 165 Rn. 6; Urteil vom – 3 StR 5/80 [S], BGHSt 29, 216, 219; Schmitt/Köhler/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 338 Rn. 32). Anders als von der Revision angenommen können bei der Beurteilung der besonderen Bedeutung des Falles die Prominenz des Angeklagten und ein etwaiges Medieninteresse Berücksichtigung finden (s. , BGHSt 47, 16, 20 f.; Beschluss vom – 1 StR 6/12, BGHSt 57, 165 Rn. 16).

12Die von der Revision angeregte Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Zuständigkeitsregelung des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG scheidet aus, da der Senat die Norm aus den bereits vom Bundesverfassungsgericht dargelegten Gründen nicht im Sinne des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG für verfassungswidrig hält (s. , BVerfGE 9, 223; Beschluss vom – 2 BvL 4/98, juris Rn. 48).

134. Die im Übrigen erhobenen Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen keinen Erfolg.

145. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

15a) Das Landgericht hat die getroffenen Feststellungen im Rahmen der Beweiswürdigung tragfähig belegt.

16Dass sich die SA die Parole „Alles für Deutschland“ zu eigen machte, um der Zusammengehörigkeit ihrer Mitglieder Ausdruck zu verleihen, hat die Strafkammer insbesondere auf die entsprechende Gravur der „Dienstdolche“ und auf den die Parole als „hohes und heiliges Gesetz“ der SA bezeichnenden Nachruf gestützt. Hierbei handelt es sich um mögliche und damit revisionsrechtlich nicht angreifbare Schlüsse.

17Entsprechendes gilt für die Ausführungen zum subjektiven Tatbestand, den das Landgericht vor allem aus der Vielzahl von Pressemitteilungen zu den die Parole betreffenden Geschehnissen um zwei andere AfD-Abgeordnete in einer Zeit hergeleitet hat, in welcher der Angeklagte in der Politik für die AfD tätig war. Nach den näher dargelegten Umständen handelt es sich hierbei um Schlussfolgerungen aufgrund einer belastbaren Tatsachengrundlage, die mehr als eine Annahme oder Vermutung sind (vgl. allgemein , NStZ-RR 2023, 325 mwN). Hierbei hat die Strafkammer zum einen berücksichtigen dürfen, dass der Angeklagte in einem Buch die – dort näher dargelegte – Ansicht vertreten habe, es müssten „kleinere Vorstöße“ gemacht werden, um aus der nationalsozialistischen Zeit stammende Redewendungen zu etablieren. Zum anderen hat es die Einlassung des Angeklagten, er hätte die Parole bei Kenntnis von der Zuordnung zur SA nicht verwendet, nachvollziehbar mit der Begründung für unglaubhaft gehalten, dass er im Nachhinein die Parole trotz Kenntnis vom laufenden Strafverfahren zum Gegenstand einer Rede in Gera machte (vgl. insoweit ).

18b) Die demnach maßgeblichen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 StGB.

19aa) Von der Revision aufgeworfene Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Strafvorschrift, die Anlass zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG geben könnten, bestehen im Ergebnis nicht (vgl. dazu näher BVerfG, Beschlüsse vom – 2 BvR 2202/08, NJW 2009, 2805; vom – 2 BvR 674/95, juris; vom – 1 BvQ 19/04, BVerfGE 111, 147 Rn. 21; vom – 1 BvR 204/03, BVerfGK 7, 452, 455 f.).

20bb) Bei der Parole „Alles für Deutschland“ handelt es sich nach den getroffenen Feststellungen um ein Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB (vgl. auch , NStZ 2007, 45). Ausschlaggebend dafür ist nicht der mit der Parole einhergehende Inhalt, der für sich genommen als unverfänglich angesehen werden kann. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich bei der Wortkombination gerade um ein von einer nationalsozialistischen Organisation geprägtes Erkennungszeichen handelt und die öffentliche Nutzung solcher Symbole unterbunden werden soll, um der abstrakten Gefahr einer Wiederbelebung vorzubeugen.

21(1) Die Definition eines Kennzeichens ist in der Rechtsprechung des Senats bereits deutlich konturiert. Danach handelt es sich bei einem Kennzeichen im Sinne des § 86a Abs. 1 StGB ebenso wie des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG um optisch oder akustisch wahrnehmbare Symbole und Sinnesäußerungen, durch welche die Organisation auf sich und ihre Zwecke hinweist; intern sollen Kennzeichen den Zusammenhalt der Vereinsmitglieder stärken. Von dem Kennzeichen muss keine Unterscheidungswirkung im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals ausgehen. Es reicht vielmehr aus, dass sich eine Organisation ein bestimmtes Symbol – etwa durch formale Widmung oder schlichte Übung – derart zu eigen gemacht hat, dass dieses zumindest auch als ihr Kennzeichen erscheint. Ob dieses auch von anderen, nicht verbotenen Organisationen oder in gänzlich anderem Kontext genutzt wird, ist für die Frage der Kennzeicheneigenschaft ohne Bedeutung. Denn andernfalls würden in die Prüfung, ob überhaupt ein Kennzeichen vorliegt, letztlich die außerhalb desselben liegenden Umstände seiner Verwendung einbezogen; eine solche Gesamtbetrachtung ist indes wegen der damit verbundenen nachteiligen Folgen für die Rechtssicherheit und die Bestimmtheit des Tatbestands abzulehnen: Ein Kennzeichen muss vielmehr in seinem auf die Organisation oder den Verein hinweisenden Symbolgehalt aus sich heraus verständlich sein (s. insgesamt , BGHSt 61, 1 Rn. 13 mwN; vgl. auch , BGHSt 54, 61 Rn. 20; Beschlüsse vom – 3 StR 164/08, BGHSt 52, 364 Rn. 19 ff.; vom – 3 StR 495/01, BGHSt 47, 354, 357 ff.). Die Feststellung, dass es sich um ein Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation handelt, wenngleich dieses auch unverfängliche Verwendung findet, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (s. , NJW 2009, 2805 Rn. 11).

22Für die Kennzeicheneigenschaft kommt es schließlich nicht darauf an, ob ein Symbol einen gewissen Bekanntheitsgrad als Erkennungszeichen einer bestimmten Vereinigung oder Organisation besitzt (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 495/01, BGHSt 47, 354; vom – 3 StR 164/08, BGHSt 52, 364 Rn. 25; vom – 3 StR 88/14, ZUM-RD 2015, 444 Rn. 15; Urteil vom – 3 StR 228/09, BGHSt 54, 61 Rn. 20). Dies ergibt sich daraus, dass sich die Strafvorschrift gegen eine Wiederbelebung der verfassungswidrigen Organisation und der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen richtet, auf die das Kennzeichen symbolhaft hinweist. Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung in dem Sinne, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet würden. Die öffentliche Verwendung des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation begründet die Gefahr einer solchen Wiederbelebung, weil in ihr ein werbendes Bekenntnis zu der Organisation und deren verfassungsfeindlichen Zielen unabhängig davon liegt, ob es einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation hat (, BGHSt 47, 354, 358 f.). Ein Grund, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen, besteht nicht. Zudem kann sich die Bekanntheit relativ kurzfristig ändern, wie sich etwa den Urteilsfeststellungen zum Tatnachgeschehen entnehmen lässt.

23(2) Nach diesem Maßstab ist die Kennzeicheneigenschaft gegeben.

24Die SA machte sich, wie vom Landgericht dargelegt, die Parole insbesondere durch die Beschriftung ihrer zur Uniform gehörenden Dolche und durch anderweitige Verwendung zu eigen, um den internen Zusammenhalt zu stärken. Dies wird beispielhaft durch den im Urteil zitierten Nachruf verdeutlicht. Nach den aufgezeigten Grundsätzen kommt es für die rechtliche Einordnung nicht darauf an, ob das Kennzeichen allgemein bekannt ist und es anderweitig verwendet wurde oder wird. Ebenso wenig ist der in dem Kennzeichen zum Ausdruck kommende Inhalt entscheidend. Es genügt, dass der Ausspruch einen ausreichenden Wiedererkennungswert hat, der bereits bei wenigen Worten gegeben sein kann (vgl. etwa [S], BGHSt 27, 1 [„Mit deutschem Gruß“]; , NJW 2009, 2805 [„Die Fahne hoch“]).

25Die Kennzeicheneigenschaft wird entgegen dem Revisionsvorbringen nicht dadurch in Frage gestellt, dass in anderem Zusammenhang die Strafbarkeit der Floskel nicht erörtert worden ist. In Bezug auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (, NStZ-RR 2006, 305) gilt dies bereits deshalb, weil ein unterbliebener Schuldspruch nach § 86a StGB dort nicht zu prüfen war; die Revision der Staatsanwaltschaft war auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und der Angeklagte durch eine fehlende weitergehende Verurteilung nicht beschwert.

26Ferner ist nicht maßgeblich, ob die SA nach dem Zweiten Weltkrieg als verbrecherische Organisation gewertet wurde. Für den Straftatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB genügt es, dass es sich um eine ehemalige nationalsozialistische Organisation handelt. Hieran besteht kein Zweifel (vgl. etwa OLG 191 Ss 39/19, StV 2020, 176, 177).

27cc) Unter Verwenden ist jeder Gebrauch zu verstehen, der das Kennzeichen optisch oder akustisch wahrnehmbar macht. Dies geschieht öffentlich, wenn das Kennzeichen durch die Art seiner Verwendung für einen größeren, nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Personenkreis wahrnehmbar ist (, BGHR StGB § 86a Abs. 1 Öffentlich 2 Rn. 17 mwN). Diese Voraussetzungen liegen den Feststellungen zufolge vor. Dass zudem eine Versammlung bestand, bedarf keiner Ausführungen.

28Um eine Konstellation, in der die Verwendung des Kennzeichens den Schutzzweck der Norm nicht berührt und daher eine Strafbarkeit mangels tatbestandlichen Verwendens entfällt, handelt es sich hier nicht. Eine solche Ausnahme erfordert nach gefestigter Rechtsprechung insbesondere zu mehrdeutigen Kennzeichen, dass die Verwendung dem Schutzzweck nach den gesamten Umständen der Tat eindeutig nicht zuwiderläuft. Sind die äußeren Umstände dagegen nicht eindeutig, so ist der objektive Tatbestand der Norm erfüllt; es bedarf dann aber besonders sorgfältiger Prüfung, ob sich der Täter bewusst war, das Kennzeichen einer verbotenen Organisation zu verwenden, und daher auch die subjektive Tatseite gegeben ist (, BGHSt 52, 364 Rn. 29; s. auch , BGHSt 61, 1 Rn. 22; , NJW 2009, 2805 Rn. 18).

29Wie die Strafkammer zutreffend unter Würdigung der Gesamtumstände ausgeführt hat, war der Schutzzweck berührt. Hierbei hat sie namentlich darauf abgestellt, dass der Angeklagte das Kennzeichen in politischem Kontext am Ende einer Wahlrede verwendete, die unter anderem auch „Ausländerpolitik“ umfasste, er Mitglied des „rechten Flügels“ der AfD war und es ihm gezielt darauf ankam, die SA-Parole wieder als politische Parole verwenden zu können. Das Landgericht hat ferner bedacht, dass der Angeklagte die Worte nicht solitär nutzte, sondern im direkten Anschluss an die erlaubten Losungen „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt“. Es hat hierin aber keine Abschwächung, sondern gerade ein gezieltes rhetorisches Stilmittel der Steigerung gesehen, durch das der Parole eine besonders gewichtige, gut in Erinnerung bleibende Bedeutung zukam. Den sorgfältig in Bedacht zu nehmenden subjektiven Tatbestand hat es im Einzelnen festgestellt und rechtsfehlerfrei belegt.

30dd) Die Ausnahmevorschrift des § 86a Abs. 3, § 86 Abs. 4 StGB greift nicht ein. Die Strafkammer hat im Rahmen ihrer Auslegung plausibel dargelegt, dass sich keine Anhaltspunkte für einen Gebrauch des Kennzeichens im Zusammenhang mit Ironie, Kunst oder kritisch-abwertender Tendenz ergeben haben. Weitere privilegierte Ziele wie staatsbürgerliche Aufklärung oder Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte liegen nach den Feststellungen fern, da der Angeklagte die Parole in Kenntnis ihrer Zuordnung zur SA verwendete, diesen Bezug aber nicht offenlegte und sich damit nicht in irgendeiner wissensvermittelnden Art auseinandersetzte. Vielmehr ging es ihm darum, die Worte gerade als Parole der SA wieder in den alltäglichen Sprachgebrauch zu integrieren. Daher kommt hier eine Handlung zu „ähnlichen Zwecken“ im Sinne des § 86 Abs. 4 StGB ebenfalls nicht in Betracht.

31ee) Vor dem dargelegten Hintergrund stellt § 86a Abs. 1 StGB sowohl abstrakt als auch in seiner konkreten Anwendung eine zulässige Einschränkung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EMRK dar (vgl. allgemein , BVerfGK 7, 452; EGMR, Entscheidung vom – 35285/16, juris Rn. 54 ff.). Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs nicht der Inhalt einer Äußerung, sondern die Verwendung des Kennzeichens einer nationalsozialistischen Organisation als abstraktes Gefährdungsdelikt ist.

32c) Schließlich begegnet die Rechtsfolgenentscheidung keinen Bedenken. Dabei hat das Landgericht ausdrücklich zugunsten des Angeklagten herangezogen, dass wahrscheinlich weiten Teilen der Zuhörer die Zuordnung der Parole zur SA nicht bekannt war.

336. Da die Voraussetzungen des § 349 Abs. 2 StPO vorliegen und die hier zu beurteilenden wesentlichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung bereits geklärt sind (vgl. , NJW 2022, 3413), besteht – zumal unter den Gesichtspunkten der Verfahrensbeschleunigung und Prozessökonomie – kein Anlass für die von der Verteidigung für erforderlich gehaltene Durchführung einer Revisionshauptverhandlung. Die angeregte Verbindung mit dem gesonderten Verfahren 3 StR 519/24 ist trotz inhaltlicher Überschneidungen nicht sachdienlich, weil revisionsrechtlicher Prüfungsgegenstand die im jeweiligen Verfahren erhobenen und allein dieses betreffenden Beanstandungen sind.

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ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:200825B3STR484.24.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-99519