Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - vollstationäre Krankenhausbehandlung - Teil der Behandlung außerhalb des Krankenhauses - multimodaler und multiprofessioneller Therapieansatz - Belastungserprobung - Erhalt der räumlichen und funktionellen Anbindung an das Krankenhaus - Sicherstellung einer jederzeitigen Rückkehr - exklusive Freihaltung eines Bettes
Gesetze: § 39 Abs 1 SGB 5, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5
Instanzenzug: Az: S 9 KR 5329/18 Urteilvorgehend Landessozialgericht Hamburg Az: L 1 KR 55/21 Beschluss
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.
2Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. In diesem wurde in der Zeit vom 27.9. bis eine 1993 geborene Versicherte der beklagten Krankenkasse ua wegen der Diagnosen "rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome" (ICD-10-GM F33.2) und "emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline-Typ" (ICD-10-GM F60.31) behandelt. Die Versicherte war zuvor bereits vom 28.4. bis im Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt worden und hatte sich zwischenzeitlich in der Türkei aufgehalten.
3Für die Behandlung vom 27.9. bis stellte die Klägerin der Beklagten mit mehreren Teilrechnungen insgesamt 22 026,58 Euro in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnungen zunächst und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung einer Fehlbelegung. In der Folge verrechnete sie am den gesamten Vergütungsbetrag mit anderen, für sich genommen unstrittigen Forderungen der Klägerin. Die vollstationäre Behandlung sei nicht notwendig gewesen.
4Das SG hat die Beklagte zur Zahlung des verrechneten Betrages nebst Zinsen verurteilt. Es hat auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nebst ergänzender Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie - Rehabilitationswesen, klinische Geriatrie und Physikalische Therapie - Dr. G die Notwendigkeit vollstationärer Behandlungsbedürftigkeit bejaht (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung der Beklagten nach Einholung einer weiteren ergänzenden Stellungnahme von Dr. G und teilweiser Klagerücknahme hinsichtlich des Zinsanspruchs für den zurückgewiesen. Das SG habe auf Grundlage des schlüssigen und überzeugenden Sachverständigengutachtens wegen der besonders schweren Ausprägung des komplexen Krankheitsbildes bei der Versicherten zu Recht eine vollstationäre Behandlungsbedürftigkeit angenommen. Die Tagesexpositionsversuche seien notwendiger Bestandteil der Therapie gewesen und sprächen gerade nicht gegen das Vorliegen stationärer Behandlungsnotwendigkeit, wie der Senat in Fällen Borderline-Erkrankter bereits mehrfach entschieden habe. Eine frühere Entlassung der Versicherten wäre auch mit Blick auf die besondere Bedeutung einer stabilen Therapiebeziehung für den Behandlungserfolg medizinisch nicht zu verantworten gewesen (Beschluss vom ).
5Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß die Verletzung von § 39 Abs 1 Satz 1 SGB V, § 62 SGG und Art 103 Abs 1 GG, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 411a und § 412 Abs 1 ZPO, § 153 Abs 4 SGG sowie Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG. Die Behandlung der Versicherten, die sich etwa die Hälfte der Behandlungstage nicht im Krankenhaus aufgehalten habe, habe allenfalls einer intensivierten ambulanten Behandlung entsprochen. Eine vollstationäre Behandlung sei auch nicht erforderlich gewesen. Der Standard der Borderline-Therapie liege in der ambulant durchführbaren Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT). Zudem beruhe das LSG-Urteil auf Verfahrensfehlern.
8Sie hält die angegriffene Entscheidung des LSG für zutreffend und die gerügten Verfahrensmängel jedenfalls für nicht entscheidungserheblich.
Gründe
9Die Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende SG-Urteil zu Recht zurückgewiesen.
10Die zulässig erhobene (echte) Leistungsklage (stRspr; vgl KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 7) ist begründet. Der mit der Klage geltend gemachte - unstreitige - Vergütungsanspruch der Klägerin ist nicht durch Aufrechnung mit dem aus der Behandlung der Versicherten resultierenden Erstattungsanspruch erloschen (vgl zur Zugrundelegung von Vergütungsansprüchen bei unstrittiger Berechnungsweise - juris RdNr 11 mwN, stRspr; vgl zur Aufrechnung - SozR 4-5562 § 11 Nr 2 und - SozR 4-7610 § 366 Nr 1). Der Beklagten stand kein Erstattungsanspruch gegen die Klägerin zu, denn sie hat die Vergütung für die Behandlung der Versicherten in der Zeit vom 27.9. bis nicht ohne Rechtsgrund gezahlt.
111. Rechtsgrundlage des von der Klägerin wegen der stationären Behandlung der Versicherten geltend gemachten und der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitigen Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 16 Satz 1 Nr 1, §§ 17, 18 KHG sowie den Regelungen der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) und der für das Krankenhaus der Klägerin und den Behandlungszeitraum maßgeblichen Pflegesatzvereinbarung für die Jahre 2015 und 2016 vom (vgl auch § 17d Abs 4 Satz 3 und 5 KHG idF des Psych-Entgeltgesetzes vom , BGBl I 1613). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - abgesehen von einem Notfall - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr; vgl - BSGE 130, 73 = SozR 4-2500 § 12 Nr 18, RdNr 11 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
12Die Versicherte wurde in dem zugelassenen Krankenhaus der Klägerin vollstationär behandelt (dazu 2.). Ausgehend von den von ihm getroffenen Feststellungen hat das LSG in materiell-rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Erforderlichkeit der vollstationären Behandlung bejaht (dazu 3.). Die Verfahrensrügen der Beklagten greifen nicht durch (dazu 4.).
132. Die Krankenhausbehandlung wird nach § 39 Abs 1 Satz 1 SGB V in der hier noch maßgeblichen Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes (vom , BGBl I 2266) vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a SGB V) sowie ambulant (§ 115b SGB V) erbracht.
14a) Die stationäre Behandlung unterscheidet sich von der ambulanten grundsätzlich durch die "Aufnahme" (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V). Die Aufnahme in das Krankenhaus kennzeichnet den Beginn der stationären Behandlung und meint die physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses. Die Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes auf der Basis eines entsprechenden Behandlungsplans wird nach außen regelmäßig durch die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes oder das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen und Ähnliches dokumentiert (stRspr; siehe zum Ganzen - SozR 4-2500 § 39 Nr 38, RdNr 15 mwN, für BSGE vorgesehen).
15b) In Abgrenzung zur ambulanten Behandlung ist insoweit maßgeblich, wie intensiv die Versicherte die besonderen Mittel des Krankenhauses (vgl dazu zB - BSGE 122, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 28, RdNr 28 mwN; - SozR 4-2500 § 39 Nr 34 RdNr 13; - SozR 4-2500 § 39 Nr 38 RdNr 16, für BSGE vorgesehen) in Anspruch nimmt bzw nach dem zum Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung aufgestellten Behandlungsplan nehmen soll (vgl - BSGE 136, 237 = SozR 4-2500 § 109 Nr 92, RdNr 18 ff) oder zur notwendigen Absicherung eventueller gravierender Komplikationen einer an sich ambulant durchführbaren Behandlung für den Versicherten exklusiv vor- und freigehalten werden (vgl - SozR 4-2500 § 39 Nr 38 RdNr 17, für BSGE vorgesehen). Unerheblich ist dabei, ob während des Aufenthalts im Krankenhaus alle in § 2 Abs 1 BPflV aufgeführten Krankenhausleistungen tatsächlich zum Einsatz kommen (vgl § 2 Abs 2 Satz 1 BPflV: "die … im Einzelfall … notwendig sind"; KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 19 f). Im Kern handelt es sich bei der Krankenhausbehandlung um den kombinierten Einsatz personeller (Ärzte, Pflegepersonal) und sächlicher (Arzneien, technische Apparaturen) Mittel zu Behandlungszwecken (vgl - SozR 4-2500 § 39 Nr 7 RdNr 10 ff; - BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 16 ff).
16c) Von einer vollstationären Krankenhausbehandlung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Patient nach der Entscheidung des Krankenhausarztes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden soll (vgl - BSGE 132, 137 = SozR 4-2500 § 109 Nr 85, RdNr 11 mwN; - SozR 4-2500 § 39 Nr 38 RdNr 23, für BSGE vorgesehen; zu den erhöhten Anforderungen an eine vollstationäre Behandlung bei kürzerer Verweildauer vgl - BSGE 136, 237 = SozR 4-2500 § 109 Nr 92, RdNr 20; aaO, RdNr 23).
17d) Teilstationäre Behandlung unterscheidet sich nach der gesetzlichen Gesamtkonzeption von vollstationärer Behandlung im Krankenhaus im Wesentlichen dadurch, dass sie nicht auf eine Aufnahme rund um die Uhr ausgerichtet ist, sondern nur jeweils zumindest einen Teil eines Tages umfasst (stRspr; vgl - BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54, RdNr 12; - BSGE 122, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 28, RdNr 25; - SozR 4-2500 § 39 Nr 34 RdNr 21; - SozR 4-2500 § 39 Nr 38 RdNr 24, für BSGE vorgesehen).
18Abzugrenzen ist die teilstationäre von der vollstationären Behandlung anhand der zeitlichen Behandlungsprognose zum Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung. Eine teilstationäre Behandlung liegt vor, wenn eine zeitliche Begrenzung der Krankenhausbehandlung auf eine Tages- oder Nachtbehandlung von vornherein entsprechend geplant wird. Eine vollstationäre Behandlung liegt dann vor, wenn der Behandlungsplan, der sich auch nachträglich ändern kann, eine Behandlung über Nacht vorsieht (vgl - SozR 4-2500 § 39 Nr 38 RdNr 24, für BSGE vorgesehen). Insofern hat die Aufnahme zur vollstationären Behandlung - jedenfalls wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstreckt - regelmäßig zur Folge, dass der Lebensmittelpunkt des Patienten für die Behandlungsdauer aus dem häuslichen Bereich in das Krankenhaus verlagert wird (vgl - NJW 1986, 2888, 2889; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, § 39 RdNr 46, Stand Juli 2019), wo ihm auch Unterkunft und Verpflegung gewährt wird (vgl § 39 Abs 1 Satz 3 SGB V und § 2 Abs 1 Satz 1 KHEntgG; ferner 1 C 36.83 - BVerwGE 70, 201 = juris RdNr 15).
19e) Einer vollstationären Behandlung steht nicht grundsätzlich entgegen, dass ein Teil der Behandlung - etwa im Rahmen von Belastungserprobungen - außerhalb des Krankenhauses stattfindet, solange die enge räumliche und funktionelle Anbindung an das Krankenhaus während der gesamten Behandlung durchgehend erhalten bleibt. Dies ist der Fall, wenn der Behandlungsplan einen stetigen Wechsel von Behandlungen im Krankenhaus und engmaschig therapeutisch begleiteten, auswärtigen Belastungserprobungen vorsieht, während derer die Möglichkeit einer jederzeitigen Rückkehr in das Krankenhaus durch die exklusive Freihaltung eines Bettes durchgehend sichergestellt ist.
20f) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe und der vom LSG - teilweise unter Bezugnahme auf die Entscheidung des SG - getroffenen Feststellungen, die die Beklagte insoweit auch nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat (ausführlich dazu nachfolgend 4.) und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), wurde die Versicherte im Krankenhaus der Klägerin in dem Zeitraum vom 27.9. bis vollstationär behandelt.
21Die Versicherte wurde - nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in der Türkei - am erneut auf der Psychotherapiestation des Krankenhauses stationär aufgenommen und dort mit Unterbringung und Verpflegung im Rahmen eines multimodalen und multiprofessionellen Therapieansatzes behandelt. Die Behandlung umfasste wöchentliche Einzelgespräche mit psychodynamischen und kognitiv verhaltenstherapeutischen Anteilen, eine Gruppentherapie, (begleitend dazu) Ergo-, Holz-, Musik- und Bewegungstherapie, tägliche Morgen- und Abendrunden, wöchentliche Stationsforen, ärztlich-therapeutische Visiten, feste Pflegekontakte sowie gemeinsame Freizeitaktivitäten mit anderen Patienten innerhalb und außerhalb des Klinikgeländes.
22Das multimodale Therapiekonzept umfasste neben der Behandlung in der Klinik als wesentlicher Bestandteil auch die Erprobung des Erlernten im Alltag mit meist abendlicher Rückkehr in die Klinik im Rahmen von sogenannten Belastungserprobungen bzw Tagesexpositionsversuchen (TEV). Nach Feststellungen des LSG lag ein wesentlicher Teil der Behandlung der psychischen Störung der Versicherten in dem immer wieder "Aufgefangenwerden" durch das Behandlerteam und insbesondere durch die in der Pflege eingesetzten Kräfte. Die Tagesexpositionen begannen regelhaft erst am frühen Nachmittag und wurden jeweils sehr gründlich vor- und nachbereitet. Die Versicherte musste an jedem einzelnen Tag morgens eine Tagesplanung benennen und nachgehend einen Selbstbeobachtungsbogen ausfüllen. Um den Kontakt auch während der außerhalb verbrachten Zeiten zu halten, wurden Anrufe in der Klinik vereinbart. Die Versicherte nahm die - jederzeit möglichen - nächtlichen Kontakte zum Pflegepersonal häufig in Anspruch.
23Die Versicherte war danach während des gesamten streitigen Zeitraums durchgehend in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses eingegliedert. In den Zeiten, in denen sie sich im Rahmen der Tagesexpositionen außerhalb des Krankenhauses aufhielt, erfolgte die Eingliederung in der Weise, dass sie engmaschig therapeutisch betreut wurde und die besonderen Mittel des Krankenhauses einschließlich des ärztlichen Personals und des Pflegepersonals mit der jederzeit (auch nachts) bestehenden Möglichkeit der Kontaktaufnahme und Rückkehr in das Krankenhaus für sie vor- und freigehalten wurden.
243. Die vollstationäre Behandlung der Versicherten war nach den Feststellungen des LSG medizinisch erforderlich.
25a) Nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Damit ist die vollstationäre Krankenhausbehandlung nachrangig gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung. Der Nachrang der vollstationären Behandlung trägt deren Bedeutung als medizinisch intensivster und aufwendigster Form der Krankenbehandlung Rechnung und stellt eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots dar (vgl BT-Drucks 11/2237 S 177 zu § 38 zu Abs 1; - SozR 4-2500 § 39 Nr 34 RdNr 12 mwN).
26Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, der bezogen auf zumindest eines der in § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Behandlungsziele den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses (siehe oben RdNr 15) erforderlich macht. Der Anspruch auf Krankenhausbehandlung setzt weder den Einsatz all dieser Mittel voraus, noch genügt die Erforderlichkeit lediglich eines der Mittel. Es ist vielmehr eine "Gesamtbetrachtung" vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommen (stRspr; vgl zB - BSGE 122, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 28, RdNr 28 mwN; - BSGE 129, 232 = SozR 4-2500 § 76 Nr 6, RdNr 19). In diese Gesamtbetrachtung müssen auch die - in der Regel in Leitlinien der Fachgesellschaften zusammengefassten - allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Behandlung der in Rede stehenden Erkrankung mit eingehen (vgl - BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4 = juris RdNr 30, 32). Bestimmte einzelne Mittel können im Einzelfall verzichtbar sein oder in den Hintergrund treten (vgl bereits - juris RdNr 17 mwN). Dies gilt etwa bei der Behandlung psychischer Erkrankungen für die apparative Ausstattung des Krankenhauses. Hier kann allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen (vgl KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 16 mwN). Versicherten mit einem schweren psychiatrischen Leiden kann ein Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung auch dann zuzubilligen sein, wenn nur auf diese Weise ein erforderlicher komplexer Behandlungsansatz durch das Zusammenwirken eines multiprofessionellen Teams unter fachärztlicher Leitung Erfolg versprechend verwirklicht werden kann (vgl - BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2 = juris RdNr 22 ff; - BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4 = juris RdNr 23 ff; - SozR 4-2500 § 39 Nr 15 RdNr 30).
27Ob einem Versicherten voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich dabei allein nach den medizinischen Erfordernissen (vgl - BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 15; - BSGE 122, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 28, RdNr 29; - SozR 4-2500 § 39 Nr 34 RdNr 13) und ist von den Gerichten im Streitfall - ausgehend von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes - uneingeschränkt zu überprüfen (vgl aaO, RdNr 27 ff; KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 20 f; - SozR 4-2500 § 109 Nr 59 RdNr 23).
28b) Das SG und - darauf Bezug nehmend - das LSG sind von diesen Maßstäben nicht abgewichen. Sie haben ausgehend davon sowie von den von ihnen mit sachverständiger Hilfe getroffenen Feststellungen die medizinische Erforderlichkeit der vollstationären Behandlung der Versicherten in dem hier vorliegenden, besonders gelagerten Einzelfall in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht.
29Die Versicherte litt nach den Feststellungen der Vorinstanzen bei ihrer erneuten stationären Aufnahme im Krankenhaus der Klägerin an einem besonders schwer ausgeprägten komplexen Krankheitsbild. Hauptdiagnose für die durchgeführte Behandlung stellte dabei die emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ dar. Ziel der (erneuten) längerfristigen stationären Behandlung war nach den vom LSG in Bezug genommenen Feststellungen des SG eine Arbeit an der mangelhaften Impulskontrolle und Affektinstabilität sowie der unzureichenden Handlungsplanung. Dabei handelte es sich um eine therapeutische Arbeit an tief verinnerlichten und verwurzelten Persönlichkeitsstrukturen, deren Beeinflussung einerseits eine vertrauensvolle therapeutische Bindung erfordert und die andererseits eine längere Behandlungsdauer erfordert. Die zur Erreichung des Behandlungsziels medizinisch erforderliche (leitliniengerechte) Behandlung konnte nach den vom LSG getroffenen bzw in Bezug genommenen Feststellungen nur in einem vollstationären Setting erfolgen. Weder eine ambulante noch eine teilstationäre Behandlung oder eine Rehabilitationsmaßnahme für psychisch Kranke (RPK) waren danach ausreichend.
304. Der Senat ist an die vom LSG getroffenen Feststellungen gebunden, denn die Beklagte bringt hiergegen, wie auch im Übrigen, keine zulässigen Verfahrensrügen vor (vgl § 163 SGG). Ihre Darlegungen entsprechen hinsichtlich der geltend gemachten Verfahrensmängel nicht den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl dazu eingehend - SozR 4-1500 § 164 Nr 10 RdNr 32 ff mwN). Daran fehlt es vorliegend.
31a) Dies gilt zunächst, soweit die Beklagte sinngemäß rügt, das LSG habe die Grenzen freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten, indem es die von ihr im Berufungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen (Sachverständigengutachten aus Parallelverfahren, medizinische Literatur) nicht ausreichend berücksichtigt habe.
32Im Falle der Rüge eines Verstoßes gegen die Grenzen freier Beweiswürdigung kann das Revisionsgericht nur prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat, und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens ausreichend und umfassend berücksichtigt hat. Die Beweiswürdigung steht innerhalb dieser Grenzen im freien Ermessen des Tatsachengerichts (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Wer diesen Verfahrensverstoß rügt, muss das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Einzelnen darlegen. Daran fehlt es, wenn die Revisionsbegründung lediglich ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt (vgl - juris RdNr 26 mwN; - BSGE 135, 226 = SozR 4-2500 § 2 Nr 21, RdNr 47 mwN). So verhält es sich hier.
33Die Beklagte tritt der Einschätzung der Vorinstanzen zur Erforderlichkeit der vollstationären Behandlung insbesondere mit dem Argument entgegen, die bei der Versicherten bestehende Borderline-Persönlichkeitsstörung sei nach dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand mittels der bei der Versicherten durchgeführten Dialektisch-Behavioralen Therapie vorzugsweise ambulant zu behandeln. Damit hat sich das LSG inhaltlich auseinandergesetzt. Es ist im Ergebnis aber auf der Grundlage des medizinischen Sachverständigengutachtens des Dr. G zu der Einschätzung gelangt, die vollstationäre Behandlung sei in dem vorliegenden Einzelfall insbesondere wegen des besonders schweren und komplexen Krankheitsbildes der Versicherten sowie der bereits zuvor begründeten vertrauensvollen therapeutischen Beziehung medizinisch erforderlich gewesen. Dieser Beweiswürdigung des LSG setzt die Beklagte im Kern lediglich ihre eigene abweichende Einschätzung entgegen.
34b) Die Beklagte rügt ferner, das LSG habe dadurch, dass es im Hinblick auf die vorgelegten abweichenden Sachverständigengutachten kein Obergutachten eingeholt habe, den Grundsatz der Waffengleichheit verletzt. Auch insoweit bezeichnet sie jedoch keine Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel ergeben.
35Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum. Liegen bereits mehrere Gutachten vor (wozu auch MDK-Gutachten zählen, vgl - juris RdNr 14), ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten ungenügend sind (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO), weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (stRspr; vgl - juris RdNr 6; - juris RdNr 9; B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 8 f mwN). Entsprechende Tatsachen bezeichnet die Beklagte nicht.
36Soweit die Beklagte ausführt, sie habe dem LSG medizinisch-wissenschaftliche Bewertungen präsentiert, die im direkten Widerspruch zu seiner ständigen Rechtsprechung und zur Begutachtung von Dr. G gestanden hätten, setzt sie sich abermals nicht damit auseinander, dass der Sachverständige und das LSG die Erforderlichkeit der vollstationären Behandlung in erster Linie mit dem besonders schweren und komplexen Krankheitsbild der Versicherten begründet haben und nicht mit allgemeinen wissenschaftlichen Erwägungen zur Behandlung von Borderline-Patienten.
37Soweit die Beklagte die hinreichende Expertise des Sachverständigen Dr. G "in gewisser Weise bezweifelt" und ausführt, dieser werde beim vorinstanzlichen SG als "Universalgelehrter" für alle Fragen der Neurologie, Psychiatrie, Geriatrie und Rehabilitationsmedizin bestellt, wohingegen bei der vorliegenden - sehr speziellen - Borderline-Erkrankung den durch Experten zu dieser Erkrankung veröffentlichten Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft sowie Sachverständigengutachten, die diese Erkenntnisse berücksichtigen, besonderes Gewicht hätten, genügt dieses Vorbringen nicht, um die Sachkunde des Sachverständigen, der auch Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist, substantiiert in Zweifel zu ziehen (vgl zu den Anforderungen an die schlüssige Darlegung von Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters - juris RdNr 12).
38Im Übrigen setzt die Beklagte sich auch insoweit nicht damit auseinander, dass das LSG die von ihr angeführten Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren und medizinischen Veröffentlichungen bzw Leitlinien in seine Beweiswürdigung einbezogen hat, gleichwohl aber auf der Grundlage des medizinischen Sachverständigengutachtens mit Blick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles zu einer anderen Einschätzung hinsichtlich der Erforderlichkeit der vollstationären Behandlung gelangt ist.
39c) Insofern ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten auch keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG). Dieser gewährleistet nur, dass ein Beteiligter mit seinem Vortrag "gehört", nicht jedoch "erhört" wird. Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, seiner Rechtsansicht bzw - wie hier - Beweiswürdigung zu folgen (vgl zB - juris RdNr 12 mwN).
40d) Die Beklagte macht weiterhin geltend, die Vorsitzende des SG habe sie in der mündlichen Verhandlung "geradezu überrumpelt, als diese nach der Diskussion zwischen den Beteiligten ein Sachverständigengutachten" aus einem anderen Verfahren mündlich in das Verfahren eingeführt habe, das ihr nicht bekannt gewesen sei und das ihr nicht zur Verfügung gestellt worden sei.
41Insofern rügt die Beklagte eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das SG in Gestalt einer Überraschungsentscheidung (§ 128 Abs 2 SGG, § 62 SGG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention; vgl dazu - juris RdNr 6). Sie geht zum einen aber nicht näher darauf ein, dass die Kammervorsitzende - wie die Beklagte selbst ausführt und sich aus der Sitzungsniederschrift ergibt - bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem SG aus dem Sachverständigengutachten der Dr. L wörtlich zitiert hat (vgl dazu auch BSG, aaO, RdNr 9) und die Bevollmächtigte der Beklagten dies nicht zum Anlass für die Beantragung einer Vertagung und/oder einer Schriftsatzfrist genommen hat. Insofern legt die Beklagte auch nicht schlüssig dar, dass sie die vom einschlägigen Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten in zumutbarer Weise ausgeschöpft hat, sich Gehör zu verschaffen (vgl - juris RdNr 28; - juris RdNr 7; - juris RdNr 8 mwN).
42Jedenfalls aber legt die Beklagte insoweit nicht dar, welcher entscheidungserhebliche Vortrag ihr durch die Verhaltensweise des SG in der Berufungsinstanz abgeschnitten worden sein soll (vgl zu den Anforderungen an die Geltendmachung eines im Berufungsverfahren fortwirkenden Verfahrensmangels des SG zB - SozR 3-1500 § 73 Nr 10 S 31 = juris RdNr 2; - juris RdNr 5 mwN). Dies gilt auch, soweit die Beklagte die - verfahrensrechtlich nicht zulässige - Verwertung eines zuvor nicht in das Verfahren eingeführten YouTube-Videos im SG-Urteil rügt.
43e) Die Beklagte wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob ein (Landes-)Sozialgericht medizinische Sachverständigengutachten aus anderen Sozialgerichtsverfahren gemäß § 118 SGG iVm § 411a ZPO zur Verwertung beiziehen darf, ohne dieses den Beteiligten zur Prüfung und Stellungnahme zur Verfügung zu stellen. Sie legt nicht schlüssig dar, dass das SG und das LSG das Gutachten von Dr. L aus dem Parallelverfahren im Wege des Sachverständigenbeweises nach § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 411a ZPO verwertet haben und nicht (lediglich) als Urkundenbeweis (vgl zur Unterscheidung - juris RdNr 5; - BSGE 137, 34 = SozR 4-1300 § 44 Nr 49, RdNr 32; - juris RdNr 11; eingehend - juris RdNr 21 ff). Letzteres war schon deshalb naheliegend, weil das SG im erstinstanzlichen Urteil insoweit nicht auf das Sachverständigengutachten von Dr. L als solches Bezug genommen, sondern lediglich ein wörtliches Zitat aus einer Entscheidung des LSG wiedergegeben hat (vgl - juris RdNr 21 f).
44Im Übrigen fehlt es auch insofern an Darlegungen zum Beruhen der angegriffenen LSG-Entscheidung auf dem gerügten Verfahrensfehler.
45f) Die Beklagte rügt schließlich sinngemäß eine Verletzung von § 153 Abs 4 SGG, indem sie geltend macht, das LSG habe seine Entscheidung nicht ohne mündliche Verhandlung treffen dürfen.
46Gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG vorher zu hören. Die Entscheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG zurückzuweisen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzung, überprüft werden. Eine grobe Fehleinschätzung liegt vor, wenn bei Abwägung aller zu berücksichtigenden Umstände die Wahl des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung unter keinen Umständen zu rechtfertigen ist (vgl - juris RdNr 8; - juris RdNr 16; - juris RdNr 15, jeweils mwN).
47Die Beklagte legt keine Umstände dar, aufgrund derer ein vereinfachtes Verfahren unter keinen Umständen zu rechtfertigen gewesen wäre. Allein der Umstand, dass das SG möglicherweise ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat (siehe dazu RdNr 40 ff), genügt hierfür nicht. Eine - von ihr pauschal behauptete - Verletzung des Mündlichkeitsgrundsatzes durch das SG (§ 124 Abs 1 SGG, vgl dazu - juris RdNr 120 f) lässt sich dem Vorbringen der Beklagten jedenfalls nicht entnehmen und ist mit Blick auf die durchgeführte mündliche Verhandlung vor dem SG, die ausweislich der Sitzungsniederschrift 90 Minuten dauerte, auch nicht ersichtlich.
485. Der vom SG zugesprochene Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus der für das Krankenhaus der Klägerin geschlossenen Pflegesatzvereinbarung (§ 10 der Pflegesatzvereinbarung vom für die Jahre 2015 und 2016 bzw § 9 der Pflegesatzvereinbarung vom für das Jahr 2017).
496. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:020425UB1KR3123R0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-99436