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BSG Beschluss v. - B 10 ÜG 1/25 B

Gründe

1I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache (noch) eine Geldentschädigung von 600 Euro nebst Zinsen wegen überlanger Dauer eines vor dem SG Berlin geführten Ausgangsverfahrens.

2Der Beklagte ist der Entschädigungsklage entgegengetreten, hat aber im Klageverfahren schriftsätzlich Folgendes ausgeführt: "Der Gerichtsakte ist zu entnehmen, dass das Verfahren nicht verzögerungsfrei betrieben worden ist. Ich möchte daher gegenüber dem Kläger hiermit mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass das Verfahren unangemessen lang gedauert hat."

3Das LSG als Entschädigungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar habe das Ausgangsverfahren eine unangemessene Dauer gehabt. Dem Kläger stehe jedoch die begehrte Entschädigung nicht zu. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise sei als ausreichend anzusehen; insoweit sei der klägerische Anspruch aber durch die zitierte Erklärung des Beklagten bereits erfüllt (Urteil vom ).

4Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen Verfahrensmängeln zuzulassen.

5II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch ein Verfahrensmangel ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

61. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Frage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb ihre Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB B 10 ÜG 4/21 B - juris RdNr 7 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

7Der Kläger misst folgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung bei:"Liegt eine Wiedergutmachung auf andere Weise im Sinne des § 198 Abs. 4 S. 1 GVG vor, wenn das beklagte Land die Verfahrensüberlänge in irgendeiner Form anerkennt und sein Bedauern hierüber zum Ausdruck gebracht hat?Konkreter: Stellt die schriftsätzliche Äußerung 'Der Gerichtsakte ist zu entnehmen, dass das Verfahren nicht verzögerungsfrei betrieben worden ist. Ich möchte daher gegenüber dem Kläger hiermit mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass das Verfahren unangemessen lang gedauert hat.' eine Wiedergutmachung auf andere Weise im Sinne des § 198 Abs. 4 S. 1 GVG dar mit der Folge, dass der Entschädigungsanspruch erfüllt ist?"

8Die Beschwerdebegründung zeigt jedoch den Klärungsbedarf dieses Fragenkomplexes nicht auf. Sie beschäftigt sich schon nicht hinreichend damit, inwieweit sich die Antworten auf die gestellten Fragen zur Wiedergutmachung auf andere Weise nicht bereits unzweifelhaft aus dem Gesetz entnehmen lassen. Dazu hätte indes angesichts des insoweit klaren und eindeutigen Wortlauts des § 198 Abs 4 Satz 1 GVG Anlass bestanden, wonach eine Wiedergutmachung auf andere Weise "insbesondere" durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, möglich ist (ebenso bereits B 10 ÜG 6/23 B - juris RdNr 10). Angesichts dieser normativen Prämisse hätte der Kläger andere Formen der Wiedergutmachung auf andere Weise erwägen und darlegen müssen, worin die Besonderheit bei der entschädigungsgerichtlichen Prüfung des Erfüllungseinwands einer beklagten Gebietskörperschaft bestehen soll. Die durch nichts belegte Behauptung, einen Anspruch, der nicht einklagbar ist, könne man nicht erfüllen, reicht dafür nicht aus (vgl hierzu auch § 656 Abs 1 Satz 2, § 762 Abs 1 Satz 2 BGB). Insoweit fehlt es an jeder Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Schrifttum; der bloße Hinweis, das BSG habe die aufgeworfene Rechtsfrage bislang nicht geklärt, genügt dazu nicht (vgl stRspr; zB - juris RdNr 8).

92. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), müssen bei der Bezeichnung dieses Mangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

10a) Der Kläger rügt zunächst einen Verstoß gegen § 202 Satz 1 SGG iVm § 307 Satz 1 ZPO. Das LSG habe es - ausgehend von seiner Rechtsansicht, der Beklagte habe mit seiner Prozesserklärung eine Wiedergutmachung auf andere Weise geleistet - versäumt, zugunsten des Klägers ein Anerkenntnisurteil zu erlassen.

11Mit diesem Vortrag hat der Kläger einen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Die Beschwerdebegründung differenziert zu Unrecht nicht zwischen einem prozessualen Anerkenntnis und einer Erfüllung des Klageanspruchs, die zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache führt.

12b) Soweit der Kläger eine Verletzung des § 123 SGG rügt, lässt die Beschwerde bereits eine Wiedergabe des Antrags des Beklagten im Entschädigungsklageverfahren vermissen. Über diesen wäre das LSG nur dann zu Lasten des Klägers hinausgegangen, wenn der Beklagte nicht Klageabweisung beantragt hätte.

13Die Beschwerdebegründung lässt auch nicht erkennen, dass das LSG eine Entscheidung über den Monat September 2021 getroffen hat, obgleich der Kläger diesen in Ausübung seiner Dispositionsbefugnis nicht zur Entscheidung des Gerichts gestellt hat. Vielmehr stützt sich die Entschädigungsklage ausdrücklich auf eine Verzögerung in diesem Monat, die auch der Beklagte eingestanden habe.

14Sollte sich die Rüge darauf beziehen, dass das Entschädigungsgericht den Monat September 2021 im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung nicht als Verzögerungszeit gewertet hat, obgleich dies zwischen den Beteiligten "unstreitig" gewesen sei, kann auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn dabei handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG), die gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 Alt 2 SGG der Beurteilung durch das BSG im Beschwerdeverfahren vollständig entzogen ist.

153. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

164. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).

175. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

186. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3, § 52 Abs 3 Satz 1, § 63 Abs 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem von dem Kläger im Rechtsmittelverfahren noch geltend gemachten Entschädigungsanspruch.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:140725BB10UEG125B0

Fundstelle(n):
PAAAJ-99435