Instanzenzug: LG Aurich Az: 11 KLs 23/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in drei Fällen mit Erwerb von Betäubungsmitteln, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 32 Fällen und Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie den Wert von Taterträgen in Höhe von 41.760 € eingezogen. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug von einem Jahr und vier Monaten angeordnet. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen verkaufte der Angeklagte gewinnbringend Marihuana, Kokain und Amphetamin an unterschiedliche Personen, um sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang zur Finanzierung seines Drogenkonsums zu verschaffen (Fälle II. 1 bis 45 der Urteilsgründe). Seine Abnehmer bestellten die Rauschmittel regelmäßig in kodierter Form per WhatsApp. Der Angeklagte vereinbarte mit ihnen Verkaufspreise zwischen 7 und 10 € je Gramm Marihuana, 65 bis 100 € pro Gramm Kokain und 10 € für je ein Gramm Amphetamin. In den Fällen II. 8, 10, 16, 19 und 38 der Urteilsgründe behielt er von den zuvor erworbenen Rauschmitteln jeweils einen Teil für den eigenen Konsum. Bei einer Durchsuchung stellte die Polizei kleinere Mengen Marihuana sicher, die der Angeklagte ebenfalls selbst verbrauchen wollte (Fall II. 46 der Urteilsgründe).
II.
31. Die Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Sie entsprechen den Anklagevorwürfen, die der Angeklagte unter näheren Ausführungen in vollem Umfang eingeräumt hat, wenngleich er sich nicht an die Details aller Geschäfte hat erinnern können. Zur Verifizierung des Geständnisses hat das Landgericht jede Einzeltat umfassend unter anderem mit Chatnachrichten belegt. Seine hieraus gezogenen möglichen Schlüsse und Wertungen hat es jeweils nachvollziehbar im Urteil dargelegt.
4a) Entgegen den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts sind insbesondere nicht nur die Bestellvorgänge, sondern auch die Durchführung der Betäubungsmittelgeschäfte einschließlich der Übergabe der Kaufpreise an den Angeklagten in allen Fällen festgestellt und in der Beweiswürdigung tragfähig belegt.
5Dies folgt bereits aus der Darlegung in den Urteilsgründen, „die Übergaben der Betäubungsmittel an die jeweiligen Abnehmer fanden jeweils statt, wobei der Angeklagte die Betäubungsmittel entweder (…) persönlich gegen Bezahlung übergab oder aber er die Betäubungsmittel bei seiner Wohnanschrift auf einem Autoreifen deponierte und der jeweilige Abnehmer das Geld zur Bezahlung in den Briefkasten legte“ (UA S. 5). Die Strafkammer hat in Chatinhalten und Encrochat-Notizen die zahlreichen Geschäfte überdies „hinsichtlich der (…) Abnehmer, der Zeit der Übergaben sowie Mengen der jeweils betroffenen Betäubungsmittel nebst zugehörigen Preisen und Zahlungen allesamt bestätigt gefunden“ (UA S. 21). Dabei hat sie in den Blick genommen, dass der Angeklagte einen einzelnen Abnehmer zur Bezahlung von Schulden aufforderte und einer weiteren Kundin mitteilte, sie müsse zunächst ihre Außenstände begleichen, bevor sie wieder ein Darlehen bei ihm aufnehmen könne (s. UA S. 22). Bei zahlreichen Taten hat das Landgericht außerdem ausdrücklich im Einzelnen erörtert, aus welchen Gründen es von einer Übergabe der jeweiligen Kaufpreise überzeugt gewesen ist. Hier hat es aufgrund der jeweiligen Chatinhalte, in Ermangelung von Beschwerden und Zahlungsaufforderungen sowie angesichts regelmäßiger Folgebestellungen geschlussfolgert, dass und warum die Betäubungsmittelgeschäfte einschließlich der Bezahlungen tatsächlich vollzogen wurden (s. etwa UA S. 24, 26, 27, 28, 32, 34, 35, 37). Dass diese für alle übrigen Taten gleichermaßen geltenden Erwägungen nicht bei jedem Fall ausdrücklich erneut erörtert worden sind, lässt nicht besorgen, dass das Landgericht es versäumt hat, sich eine Überzeugung vom festgestellten Vollzug aller verabredeten Geschäfte zu bilden.
6b) Auch die Feststellungen in den Fällen II. 18, 20 und 21 der Urteilsgründe haben entgegen den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bestand.
7Soweit das Landgericht die Chatnachricht des Abnehmers in Fall II. 18 der Urteilsgründe, er brauche „heute nochmal 50“, dahin ausgelegt hat, dass er 50 Gramm Marihuana beim Angeklagten bestellte und anschließend für 350 € erhielt, begegnet dies keinen Bedenken. Angesichts der eingehenden Begründung steht dem insbesondere nicht entgegen, dass es die Angabe „50“ bei anderen Abnehmern als Preis und somit als Bestellung von 5 Gramm Marihuana für 50 € verstanden hat.
8Die Würdigung der Strafkammer in Fall II. 20 der Urteilsgründe, der Besteller von „10ner … ott“ habe angesichts des Gesamtzusammenhangs der Chats und der übrigen Beweisergebnisse 10 Gramm Marihuana geordert, ist aus den gleichen Gründen frei von Rechtsfehlern.
9In Fall II. 21 der Urteilsgründe hat das Landgericht sieben Verkaufsgeschäfte in einem Zeitraum von gut drei Wochen über insgesamt 19 Gramm Kokain und 6 Gramm Marihuana festgestellt, die aus derselben Ankaufsmenge stammten. In der Beweiswürdigung hat es die den sieben Abverkäufen zugrundeliegenden, verklausulierten Chats im Einzelnen dargestellt und gewürdigt. Aus ihnen ergeben sich die verkauften 6 Gramm Marihuana, aber lediglich 18 statt 19 Gramm Kokain. Angesichts des Geständnisses des Angeklagten sowie des Umstands, dass ein Kunde beide Rauschmittel zumeist parallel abnahm, allein bei dieser Tat vierfach bestellte und beim letzten Mal darum bat, (auch) „noch ott mit(zu)bringen“, was eine unbekannte zusätzliche Order voraussetzt, ist diese geringe Abweichung indes ohne Belang.
10c) Lediglich in Fall II. 41 der Urteilsgründe liegen Besonderheiten vor. In diesem Fall setzte der Angeklagte eine Einkaufsmenge Kokain, Marihuana und Amphetamin in 23 Verkaufsgeschäften ab. Während es sich nach den getroffenen Feststellungen hierbei um 33 Gramm Kokain, 17 Gramm Amphetamin und 165 Gramm Marihuana handelte und der Angeklagte 3.460 € erwirtschaftete, ergeben sich aus der Beweiswürdigung neben der identischen Amphetaminmenge lediglich verkaufte 31 Gramm Kokain und 15 Gramm Marihuana sowie ein Erlös von 2.430 €. Da sich die Abweichungen nur auf drei der 23 Einzelgeschäfte beziehen und die Feststellungen im Übrigen sorgfältig belegt sind, ist anzunehmen, dass er neben dem Amphetamin jeweils die geringeren Grammmengen von Kokain und Marihuana verkaufte und tatsächlich nur 2.430 € vereinnahmte.
112. Der Schuldspruch hält der sachlichrechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.
12a) Er ist rechtsfehlerhaft in den Fällen, in denen das Landgericht den Angeklagten – entsprechend der zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltenden Rechtslage – nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat, obwohl die Taten Marihuana betreffen. Insoweit ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO das seit dem geltende Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) vom (BGBl. I Nr. 109) zu beachten. Daraus ergibt sich im Einzelnen:
13aa) In Fall II. 46 der Urteilsgründe ist der Angeklagte aus rechtlichen Gründen freizusprechen. Hier hat die Strafkammer festgestellt, dass er in seiner Wohnung und seinem Pkw über rund 8,6 Gramm Marihuana sowie drei Joints verfügte, und dies rechtlich als Besitz von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG gewertet. Der Besitz von Marihuana ist zwar gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG weiterhin verboten. Er ist jedoch nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b nur strafbewehrt, wenn die Besitzmenge 30 bzw. 60 Gramm übersteigt, was hier nicht der Fall war.
14bb) In den zwölf Fällen II. 1, 2, 4, 5, 8 bis 10, 17, 18, 20, 38 und 39 der Urteilsgründe verkaufte der Angeklagte – ausschließlich – Marihuana an seine Abnehmer. Dieses Verhalten ist nun nicht mehr als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge), sondern als Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG zu bewerten. Soweit der Angeklagte in den Fällen 8, 10, 20 und 38 der Urteilsgründe eine Menge verkaufte, die einen Wirkstoffgehalt von 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) erreichte oder überstieg, gilt nichts anderes. Die nicht geringe Menge ist damit zwar auch unter dem Konsumcannabisgesetz erreicht (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 8; vom – 2 StR 480/23, StV 2024, 587 Rn. 27 ff.; vom – 4 StR 5/24, NStZ – RR 2024, 249, 250; vom – 6 StR 132/24, juris Rn. 7; vom – 4 StR 50/24, StV 2024, 593 Rn. 10 ff.; vom – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216; vom – 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.). Ein entsprechendes Verhalten begründet jedoch lediglich die Voraussetzungen des Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, was im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 481/23, juris Rn. 7; vom – 5 StR 1/24, juris Rn. 5; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN).
15In den Fällen II. 8 und 10 der Urteilsgründe ist tateinheitlich (§ 52 Abs. 1 StGB) der Tatbestand des Erwerbs von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a KCanG verwirklicht, weil der Angeklagte hier neben der für die Veräußerung vorgesehenen Menge zusätzlich 300 Gramm (Fall 8) bzw. 60 Gramm (Fall 10) Marihuana zum Eigenkonsum ankaufte und damit mehr als nach § 34 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a, § 2 Nr. 12 KCanG gestattet. Anders liegt es in Fall II. 38 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte von ursprünglich 2 Kilogramm Marihuana 1.975 Gramm verkaufte und 25 Gramm, wie von vornherein beabsichtigt, selbst verbrauchte. Hier ist die in § 34 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a KCanG geregelte Grenze unterschritten. Ein Schuldspruch wegen tateinheitlichen Erwerbs von Cannabis kommt deshalb nicht in Betracht (, juris [vorgesehen für BGHSt]).
16Im (Zwischen-)Ergebnis ist der Angeklagte in diesen Fällen somit schuldig des Handeltreibens mit Cannabis in zwölf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Erwerb von Cannabis. Denn die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. , NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom – 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Beschluss vom – 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80; Urteil vom – 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 2 Rn. 8 f.; TK-StGB/Hecker, 31. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 327) für den Angeklagten jeweils günstiger als diejenige nach dem Tatzeitrecht (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG). Sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich.
17cc) In sieben Fällen verkaufte der Angeklagte sowohl Kokain als auch Marihuana an seine Abnehmer. Hier ist der Schuldspruch wie folgt zu ändern:
18In den fünf Fällen II. 21, 22, 25, 41 und 43 der Urteilsgründe überschritt das im verkauften Kokain enthaltene Kokainhydrochlorid die Menge von 5 Gramm, so dass nunmehr jeweils ein tateinheitliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Cannabis gegeben ist (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 52 Abs. 1 StGB).
19In Fall II. 33 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte 1 Gramm Kokain und 10 Gramm Marihuana veräußerte, liegt ein „einfaches“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Cannabis gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 52 Abs. 1 StGB vor.
20Gleiches gilt in Fall II. 42 der Urteilsgründe, in dem sich der Schuldspruch des Landgerichts – Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG – erst durch die Addition der Wirkstoffe des Kokains (4,8 Gramm Kokainhydrochlorid, KHCl) und des Marihuanas (5 Gramm THC) ergeben hat. Cannabis ist jedoch nunmehr für die Bestimmung der Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz ohne Belang (, juris Rn. 2).
21b) Der Schuldspruch bedarf auch im Fall II. 16 der Urteilsgründe der Änderung. In diesem Fall kaufte der Angeklagte bei seinem Lieferanten 50 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 80% KHCl, von denen er 40 Gramm gewinnbringend an verschiedene Abnehmer weiterveräußerte. Die übrigen 10 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von 8 Gramm KHCl behielt er zum eigenen Konsum. Das Landgericht hat dadurch den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln als verwirklicht angesehen.
22Es ist zwar im Ansatz zutreffend, dass der Besitz im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG im Verhältnis zu den anderen Begehungsformen des § 29 Abs. 1 BtMG Auffangcharakter hat und in Fällen wie dem vorliegenden, in dem das Tatgericht Feststellungen zur Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft zur freien Verfügung über das Betäubungsmittel im Einverständnis mit dem zuvor Verfügungsberechtigten (MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., § 29 BtMG Rn. 947 mwN) getroffen hat, grundsätzlich durch den Tatbestand des Erwerbs nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG verdrängt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 133/23, juris Rn. 5; vom – 3 StR 115/87, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 2). Dies gilt jedoch nicht im Verhältnis zum – hier hinsichtlich der für den Eigenkonsum vorgesehenen 8 Gramm KHCl verwirklichten – Verbrechenstatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (zur Grenze der nicht geringen Menge von 5 Gramm KHCl s. etwa , juris Rn. 6). Dieser verdrängt wegen des durch die Strafandrohung zum Ausdruck kommenden erhöhten Unrechtsgehalt den Grundtatbestand des Erwerbs (st. Rspr.; s. etwa , BGHSt 42, 162, 165; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 29a Rn. 143 mwN).
23c) Schließlich bilden die Fälle II. 34 und 35 der Urteilsgründe entgegen der Würdigung des Landgerichts nur eine Tat und nicht zwei Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 BtMG. Denn der Angeklagte verkaufte hier in den frühen Morgenstunden binnen kurzer Zeit jeweils 1 Gramm Kokain, wobei er sich mit den Abnehmern parallel über WhatsApp abstimmte. Zwar ist es nicht geboten, bei mehreren, in engem zeitlichen Zusammenhang stehenden Drogenveräußerungen auf eine Bewertungseinheit zu schließen. Jedoch ist eine solche regelmäßig anzunehmen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass einzelne Verkaufsvorgänge dieselbe einheitlich erworbene Rauschgiftmenge betreffen (BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 22/98, NStZ 1998, 360; vom – 3 StR 81/12, juris Rn. 5; Urteil vom – 1 StR 629/15, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 25 Rn. 29 ff.). So liegt es hier.
24d) Die Änderung des Schuldspruchs beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht dem jeweils nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
25Bestand hat der Schuldspruch in den verbleibenden Fällen II. 3, 6, 7, 11 bis 15, 19, 23, 24, 26 bis 32, 36, 37, 40, 44 und 45 der Urteilsgründe.
26Im Ergebnis ist der Angeklagte somit schuldig des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen (Fälle II. 16, 19, 21, 22, 25, 41, 43, 45 der Urteilsgründe), davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II. 16 und 19 der Urteilsgründe) und in fünf Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis (Fälle II. 21, 22, 25, 41, 43 der Urteilsgründe), des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 24 Fällen (Fälle II. 3, 6, 7, 11 bis 15, 23, 24, 26 bis 33, Fall II. 34/35, Fälle II. 36, 37, 40, 42, 44 der Urteilsgründe), davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis (Fälle II. 33 und 42 der Urteilsgründe), sowie des Handeltreibens mit Cannabis in zwölf Fällen (Fälle II. 1, 2, 4, 5, 8 bis 10, 17, 18, 20, 38, 39 der Urteilsgründe), davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Erwerb von Cannabis (Fälle II. 8 und 10 der Urteilsgründe).
273. Die Aussprüche über die Einzelstrafen unterliegen teilweise der Aufhebung.
28a) Die in den zwölf Fällen des ausschließlichen Marihuanahandels (Fälle II. 1, 2, 4, 5, 8 bis 10, 17, 18, 20, 38 und 39 der Urteilsgründe) verhängten Strafen haben keinen Bestand, weil das Landgericht sie auf der Grundlage von § 29 Abs. 3 Satz 1 beziehungsweise § 29a Abs. 1 BtMG bestimmt hat. Der nunmehr zur Anwendung zu bringende § 34 Abs. 1 Nr. 4 und 12 KCanG ist – auch bei Annahme eines besonders schweren Falls nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 4 KCanG – jeweils milder. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht auf dieser Grundlage geringere Einzelstrafen verhängt hätte.
29b) Entsprechendes gilt für die sieben Fälle II. 21, 22, 25, 33, 41 bis 43 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte mit Kokain und Marihuana handelte. Zwar bestimmt sich hier die Strafe gemäß § 52 Abs. 2 StGB weiterhin nach dem Betäubungsmittelgesetz. Gleichwohl hätte das Landgericht bei Beachtung der gesetzgeberischen Wertung, nach der ausweislich der milderen Strafrahmen aus § 34 Abs. 1 und Abs. 3 KCanG dem jeweils tateinheitlich verwirklichten Handeltreiben mit Cannabis ein geringerer Unrechts- und Schuldgehalt zukommt, die Strafen möglicherweise niedriger bemessen (vgl. , juris Rn. 12). Infolgedessen kommt es nicht mehr darauf an, dass es in Fall II. 42 der Urteilsgründe nicht nur eine, sondern zwei Freiheitsstrafen verhängt hat (UA S. 73 f.); keine von beiden hat Bestand.
30c) In Fall II. 27 der Urteilsgründe hat die Strafkammer ebenfalls zwei Freiheitsstrafen ausgeurteilt, namentlich eine von einem Jahr und vier Monaten und eine weitere von einem Jahr und drei Monaten (UA S. 73). Der Senat kann in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) die niedrigere der beiden verhängten Freiheitsstrafen, mithin ein Jahr und drei Monate, als Einzelstrafe festsetzen, zumal das Landgericht diese in allen vergleichbaren Fällen des Verkaufs von einem Gramm Kokain zugemessen hat. Die höhere Strafe von einem Jahr und vier Monaten entfällt.
31d) Infolge der vom angefochtenen Urteil abweichenden konkurrenzrechtlichen Bewertung und der mit ihr einhergehenden Zusammenfassung der Taten II. 34 und 35 der Urteilsgründe zu einer Tat sind auch die entsprechenden zwei Einzelstrafen aufzuheben. Das zur neuen Entscheidung berufene Tatgericht wird für dieses Geschehen insgesamt eine neue Einzelstrafe festzusetzen haben.
32e) Die Aufhebung der vorgenannten Einzelstrafen bringt die Gesamtfreiheitsstrafe zu Fall.
334. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält sachlichrechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand.
34a) Die Feststellungen des Landgerichts belegen bereits keinen Hang. Für einen solchen ist nach § 64 Satz 1 Halbsatz 2 StGB eine Substanzkonsumstörung erforderlich, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert (, juris Rn. 15). Derartig schwerwiegende und dauernde Auswirkungen des Konsums sind nicht festgestellt. Denn der bisher unbestrafte Angeklagte trank zuletzt nur am Wochenende Bier, was die vorgenannten Lebensbereiche nicht beeinträchtigte. Er ist seit Jahren durchgehend berufstätig, treibt regelmäßig Sport und verfügt über gefestigte soziale Bindungen. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang trotz höherer Konsummengen des Angeklagten im Tatzeitraum ausgeführt, dass dieser „auf dem Arbeitsmarkt (…) funktioniere“.
35b) Dessen ungeachtet begegnet die Gefahrprognose ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. § 64 Abs. 1 Satz 1 StGB verlangt, dass der Täter infolge seines Hangs erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Strafkammer hat dies im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen bejaht, weil es aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Angeklagten sehr wahrscheinlich sei, dass dieser „zur Finanzierung seiner Drogensucht weiterhin illegale Methoden zur Geldbeschaffung anwenden werde“. Diese Schlussfolgerung steht jedoch im Widerspruch zur Feststellung, der Angeklagte konsumiere seit Anfang 2023 nur noch Alkohol und keine Drogen mehr. Dass er nicht imstande sein könnte, seinen – wenngleich erheblichen – Bierkonsum an Wochenenden durch sein Arbeitseinkommen zu finanzieren, liegt fern, zumal das Landgericht festgestellt hat, er habe nach Abzug sämtlicher Lebenshaltungskosten und Unterhaltszahlungen 600 € monatlich zur freien Verfügung. Den Urteilsgründen ist ebenfalls nicht zu entnehmen, dass die Strafkammer lediglich von einer vorübergehenden Drogenabstinenz und somit von einem in Zukunft wieder erhöhten Geldbedarf ausgegangen ist.
36c) Infolge der Aufhebung des Maßregelausspruchs ist auch die Entscheidung über den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe hinfällig.
375. Die Einziehungsentscheidung hält sachlichrechtlicher Nachprüfung weitgehend stand.
38a) Zunächst sind – entgegen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts – die Durchführung der Betäubungsmittelverkäufe und die Übergabe der Kaufpreise in allen Fällen festgestellt und in der Beweiswürdigung tragfähig belegt (s.o. unter II.1.a). Dementsprechend erlangte der Angeklagte die jeweiligen Verkaufserlöse im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Da deren Einziehung nicht mehr möglich ist, hat das Landgericht zutreffend gemäß § 73c Satz 1 StGB ihren Wert eingezogen.
39Ebenfalls entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts ist gegen die die Fälle II. 38 und 39 der Urteilsgründe betreffende Einziehungsentscheidung nichts zu erinnern. Die hier festgestellten Verkaufserlöse tragen die Anordnung der Einziehung von Taterträgen in Höhe von 13.825 € beziehungsweise 190 €. Ein Darlegungsmangel liegt insoweit nicht vor. Aus den Chatverläufen ist nicht zwingend darauf zu schließen, der Angeklagte habe bei diesen Taten gemeinschaftlich mit anderen gehandelt und deswegen die Kaufpreise selbst nur zum Teil im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB erlangt. Allein die Verwendung von Formulierungen wie „nehmen wir“ (UA S. 43) durch den Angeklagten gegenüber seinem Lieferanten oder „ich gebe euch“ (UA S. 44) durch Letztgenannten stellen die vom Landgericht angenommene Alleintäterschaft des auch insoweit geständigen Angeklagten nicht in Frage, zumal den Urteilsgründen Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines Mittäters nicht zu entnehmen sind.
40b) Zur Höhe der angeordneten Einziehung von Wertersatz ist zunächst zu beachten, dass dem Landgericht ein Additionsfehler unterlaufen ist. Die seiner Rechnung zugrunde gelegten Taterlöse summieren sich nicht auf 41.760 €, wie im Urteil angenommen, sondern auf 42.685 €.
41Wie oben unter II.1.c) zu Fall II. 41 der Urteilsgründe dargelegt, sind von diesem Betrag zunächst 1.030 € in Abzug zu bringen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte in Fall II. 42 der Urteilsgründe auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen lediglich 745 € anstelle von 815 € erlöste, mithin 70 € weniger. Schließlich hat die Strafkammer in Fall II. 43 der Urteilsgründe festgestellt, dass der Angeklagte unter anderem am für 2 Gramm Kokain 160 € vereinnahmte. In der Beweiswürdigung ist dagegen ausgeführt, das Geschäft sei zu einem Grammpreis von 65 € abgewickelt worden. Daraus folgt ein um 30 € geringerer Umsatz.
42Reduziert man 42.685 € um 1.130 €, errechnet sich der aus dem Tenor ersichtliche Betrag von 41.555 €.
Schäfer Hohoff Erbguth
Kreicker Voigt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:100725U3STR213.24.0
Fundstelle(n):
QAAAJ-98937