Vereinigungsbedingte ökologische Altlasten
Leitsatz
1. Art. 104a Abs. 1 GG steht Regelungen in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht entgegen, mit denen Bund und Land in Wahrnehmung jeweils eigener Aufgabenzuständigkeiten zur Erreichung eines bestimmten Ziels zusammenarbeiten (im Anschluss an u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 59).
2. Bei faktisch überschneidender Aufgabenzuständigkeit darf der jeweilige Finanzierungsbeitrag nicht deutlich über das Maß der gesetzlich zugewiesenen Aufgabe hinausgehen, so dass die Vertragsauslegung unter Beachtung von Art. 104a Abs. 1 GG zu erfolgen hat (im Anschluss an u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 61).
3. Treffen Hoheitsträger in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag Festlegungen über ihren Finanzierungsanteil, so steht ihnen hinsichtlich dessen konkreter Ausgestaltung ein weiter, nur durch das Willkürverbot begrenzter Gestaltungsspielraum zu.
Tatbestand
1Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 1, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, mit ihm Verhandlungen über die Anpassung des Generalvertrags über die abschließende Finanzierung der ökologischen Altlasten im Freistaat Thüringen vom (nachfolgend: Generalvertrag - GV) aufzunehmen mit dem Ziel, dass sie einen Anteil an den seit dem anfallenden Ausgaben entsprechend dem Finanzierungsschlüssel des Verwaltungsabkommens über die Regelung der Finanzierung der ökologischen Altlasten (nachfolgend: Verwaltungsabkommen) übernimmt. Weiter erstrebt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte zu 2, die Bundesrepublik Deutschland, hierfür gesamtschuldnerisch haftet.
2Im Zuge der Wiedervereinigung wurden die staatseigenen Betriebe der Deutschen Demokratischen Republik in die Treuhandanstalt (nachfolgend: Treuhand) überführt, eine nach der Wiedervereinigung der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundesministers der Finanzen unterstellte Anstalt des öffentlichen Rechts. Ihre Aufgabe war die Verwaltung und Privatisierung staatseigenen Vermögens im Interesse der Allgemeinheit. Im Rahmen der Privatisierung der Betriebe durch die Treuhand wurde in vielen Fällen eine Freistellung des Käufers von der Verantwortlichkeit für bereits bestehende Umweltschäden vertraglich vereinbart. Diese sollte aber nur dann greifen, wenn keine Haftungsfreistellung nach gesetzlichen Vorschriften, insbesondere nach dem Umweltrahmengesetz in Betracht kam. In der Praxis wurden Freistellungen nach dem Umweltrahmengesetz von den Ländern allerdings nur zurückhaltend erteilt. Infolgedessen schlossen der Bund, Berlin und die fünf neuen Bundesländer am das Verwaltungsabkommen. Es sieht in seiner ab geltenden Fassung im Wesentlichen vor, dass die Länder die Voraussetzungen für eine Beschleunigung der gesetzlichen Freistellungsverfahren schaffen. Die Kosten der Freistellung nach dem Umweltrahmengesetz für Unternehmen der Treuhand werden danach von der Treuhand zu 60 % und vom jeweiligen Land zu 40 % getragen. Für Großprojekte wurde eine abweichende Quote von 75 % für die Treuhand, zu 25 % für das Land vereinbart. Bei kostenintensiven Maßnahmen mussten die Gefahrenabwehr- und Sanierungsmaßnahmen einvernehmlich festgelegt werden. Zur Koordinierung und Abstimmung von Einzelfragen bei der Vertragsdurchführung wurde eine Gemeinsame Arbeitsgruppe Bund/Treuhand/Länder gebildet.
3Praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Verwaltungsabkommens führten dazu, dass einige Länder für einzelne Großprojekte mit der Treuhand, zum umbenannt in Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), Pauschalvereinbarungen abschlossen. Aus den Pauschalvereinbarungen für einzelne Großprojekte entwickelten sich die sogenannten Generalverträge als jeweils landesbezogene Gesamtlösung.
4Im Generalvertrag der BvS mit dem Kläger vom gingen die Vertragsparteien von einem Gesamtsanierungsaufwand für vor dem verursachte ökologische Schäden von etwa 1,3 Mrd. Deutsche Mark aus, wobei über die Hälfte der geschätzten Kosten auf das Großprojekt Kali entfiel. Sollte nach Ablauf von 10 Jahren nach Wirksamwerden des Generalvertrags feststehen, dass dem Land bis dahin aufgrund des Vertrags Mehrausgaben von über 20 % der dem Vertrag zugrunde gelegten Gesamtkosten entstanden sind, wollten die Parteien in Verhandlungen über die Kostenteilung hinsichtlich der Mehrkosten treten.
5Unter Berufung auf diese Revisionsklausel nimmt der Freistaat Thüringen die Beklagten, die Beklagte zu 1 als Rechtsnachfolgerin der BvS, auf Vertragsanpassung mit der Folge der Kostenbeteiligung in Anspruch. Das Verwaltungsgericht Köln, bei dem die Klage erhoben wurde, hat sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen. Der Senat hat das Verfahren im Hinblick auf einen beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Bund-Länder-Streit, in dem der Kläger die Feststellung angestrebt hat, dass der Bund von Verfassungs wegen weitere Kosten für ökologische Altlasten in Thüringen zu tragen habe, ausgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag des Klägers mit Beschluss vom - 2 BvG 1/19 u. a. - als unzulässig verworfen.
6Nach der Fortsetzung des Klageverfahrens macht der Kläger geltend: Die Revisionsklausel regele eine Sperr- und keine Ausschlussfrist. Relevante Mehrausgaben könnten erst irgendwann nach Ablauf von 10 Jahren nach Wirksamwerden des Generalvertrags eintreten. Gegen die Auslegung der Revisionsklausel als Ausschlussfrist spreche der Konnexitätsgrundsatz aus Art. 104a Abs. 1 GG. Eine Ausschlussfrist habe zur Folge, dass er, der Kläger, Aufgaben allein finanziere, die zumindest auch dem Bund zuzuordnen seien. Dadurch entferne sich die Kostentragung weit von der im Verwaltungsabkommen vereinbarten Kostenquote, die dem Maß der gesetzlichen Verpflichtungen des Bundes und des Landes entspreche. Die Auslegung der Klausel durch die Beklagten verstoße zudem gegen das Verbot der föderativen Gleichbehandlung, weil in den Generalverträgen mit anderen Bundesländern Revisionsklauseln vereinbart worden seien, die diese Länder besserstellten. Jedenfalls liege ein Wegfall oder eine Störung der Geschäftsgrundlage vor. Die vereinigungsbedingte Altlastenbeseitigung, insbesondere im Großprojekt Kali, habe sich als wesentlich kostenintensiver erwiesen, als bei Abschluss des Generalvertrags angenommen.
7Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu 1 zu verurteilen,
a) mit dem Kläger Verhandlungen über die Anpassung des Generalvertrags über die abschließende Finanzierung der ökologischen Altlasten im Freistaat Thüringen vom aufzunehmen, mit dem Ziel, dass die Beklagte zu 1 einen Anteil an den seit dem anfallenden Ausgaben entsprechend dem Finanzierungsschlüssel des Verwaltungsabkommens über die Regelung der Finanzierung der ökologischen Altlasten (VA-Altlastenfinanzierung) in der ab dem geltenden Fassung übernimmt,
und festzustellen, dass die Beklagte zu 2 hierfür gesamtschuldnerisch haftet;
b) den Generalvertrag vom insbesondere dahingehend abzuändern, dass die Beklagte zu 1 einen Anteil von 75 % der Kosten, die dem Kläger seit dem für die Beseitigung und Sanierung von ökologischen Altlasten im Großprojekt Kali entstehen, übernimmt. Die Beklagte zu 2 haftet hierfür als Gesamtschuldner.
8Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
9Sie sind der Auffassung, die Revisionsklausel regele eine Ausschlussfrist. Mehrausgaben von über 20 % der dem Generalvertrag zugrunde gelegten Gesamtkosten, die erst nach dem entstanden seien, fielen nicht unter die Revisionsklausel. Im Hinblick auf mit anderen Bundesländern ausgehandelte Konditionen sei eine sachliche Differenzierung nach der Eigenart der Verhältnisse gerechtfertigt.
Gründe
10Die Klage ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
111. a) Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art.
12Der Kläger beruft sich im Wesentlichen auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung gemäß § 2.6 GV. Die Rechtsnatur des Generalvertrags bestimmt sich nach seinem Gegenstand. Ein Vertrag ist unter anderem dann dem öffentlichen Recht zuzuordnen, wenn sein Gegenstand sich auf von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelte Sachverhalte bezieht (vgl. 10 B 25.17 - BVerwGE 161, 255 Rn. 7, 18). Gegenstand des Generalvertrags - wie des Verwaltungsabkommens - ist die Konkretisierung der Aufgaben- und Lastenverteilung im Sinne einer Verständigung über den jeweiligen Anteil an der gesetzlichen Aufgabenwahrnehmung und der daraus abzuleitenden Kostenquote zwischen Bund und Land sowie die technische Abwicklung der Aufgabe "Altlastenfreistellung" nach dem Umweltrahmengesetz (vgl. u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 60). So wird im Generalvertrag die abschließende Refinanzierungsverpflichtung des Bundes und der BvS hinsichtlich der Altlastensanierung im Freistaat Thüringen geregelt (§ 2 GV) sowie das Einvernehmensprinzip bei der weiteren Umsetzung der dem Verwaltungsabkommen unterfallenden Projekte aufgehoben (§§ 1, 3 GV). Danach ist der Generalvertrag ein öffentlich-rechtlicher Vertrag i. S. d. § 54 Satz 1 VwVfG.
13Die Streitigkeit ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen verwaltungsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Streitigkeiten ist der materielle Gehalt der Streitigkeit. Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt vor, wenn das streitige Rechtsverhältnis entscheidend vom Verfassungsrecht geformt ist (vgl. 6 C 6.23 - NVwZ 2025, 856 Rn. 19 f. m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall. Der Generalvertrag konkretisiert zwar die Aufgabenverteilung und Kostentragung zwischen Bund und Land für den Einzelfall, ist aber nicht verfassungsrechtlicher Natur. Dies folgt unter anderem daraus, dass mit ihnen die verfassungsrechtlich vorgegebene grundsätzliche Aufgabenverteilung zwischen Bund und Land nicht verändert werden kann (vgl. u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 60).
14b) Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung über die Klage gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in erster und letzter Instanz sachlich zuständig. Dies ergibt sich aus dem Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom - 14 K 7290/20 -, an den der Senat gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG gebunden ist. Zwar ist die Beklagte zu 1 als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts nicht der Bund i. S. d. § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und kann deshalb nicht Beteiligte eines Bund-Länder-Streits sein (vgl. 3 A 1.02 - BVerwGE 117, 244 <245 ff.>). Zudem streiten die Beklagte zu 2 und der Kläger nicht in ihrer Eigenschaft als Bund und Land. Es handelt sich nicht um eine Streitigkeit über Rechtsbeziehungen zwischen Bund und Land, die sich in ihrem Gegenstand einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen (vgl. 7 A 1.90 - BVerwGE 87, 169 <171>). Hierdurch entfällt jedoch nicht die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses. Ein extremer Rechtsverstoß, der die Verweisung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen lässt (vgl. 7 AV 1.21 - juris Rn. 6 m. w. N.), liegt nicht vor.
152. Die Klage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1 auf Nachverhandlungen und Anpassung des Generalvertrags hat.
16a) Ein solcher Anspruch folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 2.6 GV. Danach hat der Kläger nur dann einen Anspruch auf Nachverhandlungen, wenn die Entstehung von 20%igen Mehrausgaben gegenüber den angenommenen Gesamtkosten mit Ablauf des , also 10 Jahre nach Wirksamwerden des Generalvertrags am , festgestanden hätte. Dies war unstreitig nicht der Fall.
17Für die Bestimmung des Umfangs der Revisionsklausel ist eine Auslegung des gemeinsam ausgehandelten und unterzeichneten Vertragstextes gemäß § 62 Satz 2 VwVfG i. V. m. §§ 133, 157 BGB erforderlich. Hierbei ist zunächst vom Wortlaut des Vertragstextes auszugehen, wobei eine sachgerechte Vertragsauslegung den gesamten Inhalt der getroffenen Vereinbarung und auch deren Entstehungsgeschichte sowie die Interessenlage der Beteiligten in den Blick zu nehmen hat (vgl. 4 C 21.89 - BVerwGE 84, 257 <264 f.>). Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist nicht der innere, sondern der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Adressat bei objektiver Würdigung verstehen konnte (stRspr, vgl. 2 C 23.02 - NVwZ-RR 2003, 874 <874 f.>). Allerdings geht ein übereinstimmender Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vor, selbst wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat ( - NJW-RR 2018, 822 Rn. 29).
18aa) Nach seinem eindeutigen Wortlaut regelt § 2.6 Abs. 1 GV eine Ausschlussfrist. Betrachtet man allein die Formulierung "nach Ablauf von 10 Jahren nach Wirksamwerden dieses Vertrages", könnte dies zwar auf die Vereinbarung einer Sperrfrist hindeuten. Schon der unmittelbar daran anschließende Text der Klausel "bis dahin" müssen die Mehrausgaben "entstanden sein", der insbesondere durch die Verwendung der Zeitform des Perfekts auf "den Ablauf von 10 Jahren" Bezug nimmt, schließt alle später entstandenen Mehrkosten, also solche, die erst nach Ablauf von 10 Jahren angefallen sind, aus (so auch: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Anspruch des Freistaats Thüringen auf Nachverhandlungen über den Generalvertrag über die abschließende Finanzierung der ökologischen Altlasten im Freistaat Thüringen, WD 3 - 3000 - 083/14 S. 4). Da der Generalvertrag nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten am wirksam wurde, lief die Frist für den möglichen inhaltlichen Umfang des Anspruchs auf Nachverhandlungen am ab.
19bb) Dieses Auslegungsergebnis wird durch den übrigen Inhalt des Generalvertrags bestätigt. So regelt bereits § 2.6 Abs. 2 Satz 1 GV als weitere Voraussetzung für Nachverhandlungen, dass "die Mehrausgaben nachweislich durch von beiden Vertragsparteien nicht erwartete neue Risiken in Bezug auf ökologische Schäden verursacht wurden". In § 2 Abs. 2 Satz 2 GV wird sodann festgelegt, dass der Kläger "in diesem Fall binnen eines Jahres unter Offenlegung und Nachweis der angefallenen Kosten und deren Ursachen die Aufnahme der ... Verhandlungen verlangen" kann. Gemäß § 2.6 Abs. 2 Satz 3 GV "verbleibt es [im Übrigen] bei der abschließenden Regelung nach § 2.5". Auch dieser Klauselinhalt weist mit seiner engen zeitlichen Vorgabe für den Nachweis der entstandenen Mehrausgaben darauf hin, dass der Nachverhandlungsanspruch entgegen der Auffassung des Klägers nicht "für die Ewigkeit" besteht. Denn das Offenlegungs- und Nachweiserfordernis für nicht erwartete neue Risiken kann nur in einem absehbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Wirksamwerden des Generalvertrags, also spätestens nach Ablauf von 10 Jahren, verstanden werden. Über diesen Zeitraum hinaus kann ein Kausalitätsnachweis kaum noch gelingen. Hierzu haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch nachvollziehbar dargelegt, dass eine Sperrfrist von 10 Jahren keinen Sinn ergebe, weil mit der Nachverhandlungsklausel möglichst unmittelbar und zeitnah nach Wirksamwerden des Vertrags auf unerwartete Kostenentwicklungen reagiert werden sollte.
20Das Verständnis der 10-Jahresfrist in § 2.6 GV als Ausschlussfrist entspricht auch den unmittelbar vorstehenden Regelungen in § 2.5 GV. Danach sind "mit dem Abschluss dieses Vertrages und seiner Durchführung ... sämtliche Ansprüche der Vertragsparteien untereinander aus und im Zusammenhang mit ökologischen Altlasten und privatisierungsvertraglichen Verpflichtungen im Bereich des Vertragsgegenstandes ausgeglichen und erledigt". Dies soll insbesondere auch dann gelten, wenn der tatsächliche Sanierungsaufwand und/oder Ansprüche Dritter aufgrund ökologischer Altlasten und privatisierungsvertraglicher Verpflichtungen den "vergleichsweise" angenommenen Gesamtbetrag von etwa 1,3 Mrd. Deutsche Mark übersteigen sollten. Umgekehrt sind danach etwaige Ausgleichsansprüche der Vertragsparteien ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Sanierungsbedarf den Gesamtbetrag unterschreiten sollte. Die damit verbundenen Risiken von Mehr- oder Minderkosten wurden von ihnen bewusst hingenommen und "abschließend geregelt". Hierzu passt, dass sie in § 2.5 Satz 6 Halbs. 1 GV auf das Recht zur Anfechtung des Vertrags oder die Geltendmachung des Wegfalls der Geschäfts- oder Vergleichsgrundlage verzichten. Die Vertragsparteien haben "lediglich für den Fall von unerwarteten neuen Risiken ... in § 2.6 eine abschließende Ausnahmeregelung vereinbart" (§ 2.5 Satz 6 Halbs. 2 GV). Schließlich sind nach § 2.5 Satz 7 GV "zugleich auch jegliche Ansprüche gegenüber dem Bund auf der Grundlage des Verwaltungsabkommens im Umfang des Vertragsgegenstandes abschließend abgegolten".
21Auch der übrige Vertragstext unterstreicht, dass in § 2.6 Abs. 1 GV eine Ausschlussfrist von 10 Jahren vereinbart wurde. So war den Vertragschließenden laut Präambel bewusst, dass es nicht möglich ist, den Finanzbedarf für die Bewältigung der ökologischen Altlastenverpflichtungen genau zu ermitteln. Gleichwohl haben sie sich in Kenntnis der damit verbundenen Risiken darauf verständigt, eine "abschließende Vereinbarung" zu treffen. Eine "Generalbereinigung" soll herbeigeführt werden. Damit soll dem Wunsch des Klägers Rechnung getragen werden, künftig die Abarbeitung der ökologischen Altlastenverpflichtungen ohne eine Rückkoppelung an den Bund und die BvS in eigener Finanzverantwortung und eigener Regie vornehmen zu können. In diesem Zusammenhang wird auf das vom Kläger und der BvS unterzeichnete Eckpunktepapier vom , das als Anlage 2 Bestandteil des Generalvertrags geworden ist, verwiesen. Das Papier ist überschrieben mit "Eckpunkte für eine abschließende Vereinbarung über die Finanzierung der ökologischen Altlasten im Freistaat Thüringen". Ziel ist danach die abschließende Abgeltung der Refinanzierungsverpflichtungen, die der Bund bzw. die BvS gegenüber dem Kläger aus dem Verwaltungsabkommen übernommen hat, bei gleichzeitiger vollständiger Übernahme der privatisierungsvertraglichen Verpflichtungen der BvS in Bezug auf Altlasten durch den Kläger. Dies gilt auch für die im Rahmen dieser Vereinbarung noch zu erteilenden Freistellungen im Bereich des Freistaats Thüringen. Die Umsetzung wird im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Generalvertrags angestrebt. In § 3 GV wird dementsprechend das Einvernehmenserfordernis mit dem Bund und der BvS für die weitere Umsetzung der dem Verwaltungsabkommen unterfallenden, vertragsgegenständlichen Projekte aufgehoben.
22Die Auffassung des Klägers, wonach § 2.6 GV eine 10-jährige Sperrfrist regelt, nach deren Ablauf er Mehrausgaben von über 20 % gegenüber den angenommenen Gesamtkosten zeitlich unbegrenzt und ohne jeweils vorheriges Einvernehmen der Gegenseite mit den Gefahrenabwehr- und Sanierungsmaßnahmen geltend machen kann, ist daher mit den angeführten vertraglichen Regelungen, die durchweg ihren abschließenden Charakter betonen, nicht vereinbar.
23cc) Dies belegt auch die Entstehungsgeschichte des Generalvertrags. Die Gemeinsame Arbeitsgruppe Bund/BvS/Länder "Ökologische Altlasten" hatte wegen praktischer Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Verwaltungsabkommens bereits am "zur Beschleunigung der Umsetzung der Großprojekte" beschlossen, dass der Finanzierungsanteil des Bundes/der BvS unter bestimmten Voraussetzungen verbindlich durch eine abschließende Einmalzahlung der BvS pauschaliert werden konnte, so dass das jeweilige Land bei der Durchführung der notwendigen Sanierungsmaßnahmen nicht mehr auf das Einvernehmen der BvS angewiesen war (Anlage B 18). Vor diesem Hintergrund wurden am die Eckpunkte für eine abschließende Regelung der Altlastenlastenverpflichtungen des Bundes im Bereich der BvS zwischen der BvS und dem Kläger vereinbart. Hiervon umfasst waren unter anderem das Großprojekt Kali - Teilprojekt Kali und Salz sowie das Großprojekt TVW Rositz (Eckpunktepapier, Anlage 2 zum GV). Daraus entwickelte sich der streitgegenständliche Generalvertrag (vgl. u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 7). Aus den vorangegangenen Regelungen lässt sich ebenfalls nur das Bestreben nach abschließenden Regelungen, Pauschalierungen und Aufhebung des Einvernehmenserfordernisses entnehmen, das der Annahme einer Sperrfrist, wie der Kläger sie vertritt, entgegensteht.
24Die von den Beteiligten eingereichten Vermerke, die von der jeweiligen Vertragspartei im Zuge der Verhandlungen über den Generalvertrag gefertigt wurden, stellen die Auslegung der Revisionsklausel als Ausschlussfrist nicht in Frage. Die verschiedenen Formulierungen in den Entwürfen der Revisionsklausel "sollte nach Ablauf von 10 Jahren" (Vorschlag BvS) und "sollte innerhalb von 10 Jahren" (Vorschlag Kläger) enthalten vor dem Hintergrund des im Übrigen unveränderten Textes der Klausel vielmehr übereinstimmend den objektiven Erklärungsgehalt einer Ausschlussfrist. Weshalb sich - so der Kläger - die Vereinbarung einer Sperrfrist nunmehr daraus ergeben sollte, dass im Ergebnis der Verhandlungen die ursprünglich von der BvS vorgeschlagene Formulierung Vertragsinhalt geworden ist, erschließt sich im Hinblick auf den jeweils maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont des Adressaten nicht.
25dd) Die Interessenlage der jeweiligen Vertragspartei ergibt sich bereits aus den unter bb) (Rn. 19) angeführten Regelungen des Generalvertrags. Danach wurde eine "Generalbereinigung" durch eine "abschließende Vereinbarung" angestrebt. Dieses Ziel sollte durch eine pauschalierte Einmalzahlung der BvS unter Aufhebung des Einvernehmensprinzips erreicht werden. Hierzu stünde die Annahme einer Sperrfrist im Widerspruch. Vielmehr bestätigt das Interesse der Vertragschließenden das Verständnis der 10-Jahresfrist als Ausschlussfrist.
26ee) Ein der Auslegung des § 2.6 Abs. 1 GV als Ausschlussfrist entgegenstehender übereinstimmender Wille der Vertragsparteien ist schließlich weder vorgetragen noch ersichtlich.
27b) Eine Verpflichtung der Beklagten zu 1, mit dem Kläger in Nachverhandlungen einzutreten, folgt auch nicht aus dem Erfordernis einer verfassungskonformen Auslegung des Generalvertrags. Eine erweiternde Auslegung des § 2.6 GV oder die Aufnahme einer Nachverhandlungsklausel im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung kommt deshalb nicht in Betracht.
28aa) Art. 104a Abs. 1 GG zwingt nicht dazu, dem Kläger einen vertraglichen Nachverhandlungsanspruch einzuräumen. Danach tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Die Regelung verbietet es, dass der Bund in ausschließlich den Ländern zugewiesenen Kompetenzbereichen die Erfüllung von Aufgaben finanziert oder mitfinanziert, ebenso wie umgekehrt die Länder in Bereichen der ausschließlichen Verwaltungskompetenz des Bundes keine Aufgaben des Bundes finanzieren oder mitfinanzieren dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen des von dem Kläger geführten Bund-Länder-Streits (Art. 94 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7 BVerfGG), den es mit dem Verfahren des Freistaats Sachsen zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat, erkannt, dass Art. 104a Abs. 1 GG Regelungen nicht entgegensteht, mit denen Bund und Länder in Wahrnehmung jeweils eigener Aufgabenzuständigkeiten zur Erreichung eines bestimmten Ziels zusammenarbeiten und dabei - wie hier - Vereinbarungen über eine Kostenaufteilung nach dem Maß ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Wahrnehmung der Aufgabe abschließen ( u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 59, 72). Unter dieser Annahme einer überschneidenden Aufgabenzuständigkeit vermag der Kläger keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf weitere Kostenerstattung aus Art. 104a Abs. 1 GG herzuleiten. Die Bestimmung nimmt lediglich die Primärzuordnung der aufgabenbezogenen Ausgabenlast zwischen Bund und Ländern vor, ohne aber einen Anspruch auf Kostentragung zu begründen ( u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 59, 72). Für die verfassungsrechtliche Beurteilung nach Art. 104a Abs. 1 GG kommt es nicht auf die Gewichtung der einzelnen Anteile an ( u. a. - BVerfGE 116, 271 <310>).
29bb) Ein Verfassungsrechtssatz, der eine Pflicht der Beklagten zu 1 zur Kostentragung in geforderter Höhe ergibt, lässt sich dem Grundgesetz auch im Übrigen nicht entnehmen. Vielmehr ist bei einer überschneidenden Aufgabenzuständigkeit die einfachgesetzliche Ausgestaltung der unterschiedlichen Aufgaben durch den Gesetzgeber und gegebenenfalls durch im Gefolge dessen abgeschlossene vertragliche Regelungen entscheidend ( u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 61, 72). Ein Finanzierungsbeitrag darf nicht deutlich über das Maß der gesetzlich zugewiesenen Aufgabe hinausgehen; insoweit hat eine Vertragsauslegung unter Beachtung von Art. 104a Abs. 1 GG zu erfolgen (vgl. u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 59, 61, 72). Hierbei steht den Vertragsparteien als Hoheitsträgern - hier einer Gebietskörperschaft und einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts - allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der nur durch das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende objektive Willkürverbot begrenzt ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom - 1 S 1949/13 - juris Rn. 130; Heintzen, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 8. Aufl. 2025, Art. 104a Rn. 27 GG; Dolde/Porsch, NVwZ 2011, 833 <837>). Für eine Verletzung des Willkürverbots im Rahmen der Festlegung der Finanzierungsanteile für die ökologische Altlastensanierung in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag ist nichts ersichtlich.
30Die Verwaltungsverantwortung für Freistellungen nach Art. 1 § 4 Abs. 3 des Umweltrahmengesetzes vom (GBl. DDR I S. 649), geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 766 1928), - URaG - bestimmt sich nach Art. 30, 83 ff. GG. Danach führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus. Nur soweit nach dem Grundgesetz abweichend von der allgemeinen Regel des Art. 30 GG Verwaltungskompetenzen des Bundes ausdrücklich vorgesehen sind oder als ungeschriebene Kompetenzen bestehen, liegt auch die Finanzierungsverantwortung beim Bund. Für den Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder als eigene Angelegenheiten i. S. v. Art. 83, 84 GG liegt die Ausgabenverantwortung hingegen bei den Ländern. Sie besitzen insoweit die volle Verwaltungskompetenz und sind zur administrativen und finanziellen Sicherstellung eines recht- und zweckmäßigen Gesetzesvollzugs verpflichtet ( u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 54, 72).
31Für die Bestimmung der Verwaltungskompetenz für das Umweltrahmengesetz ist nicht entscheidend, dass die Treuhand als bundeseigene Anstalt - entsprechend ihrer Aufgabenzuweisung zur Privatisierung der staatseigenen Betriebe der Deutschen Demokratischen Republik (Art. 25 Abs. 1 des Einigungsvertrags vom - BGBl. II 1990 S. 885) – bei der Veräußerung von Betrieben in vielen Fällen vertragliche Freistellungsverpflichtungen für ökologische Altlasten der veräußerten Betriebe gegenüber dem jeweiligen Investor vereinbart hatte. Diese Freistellung auf privatrechtlicher Grundlage begründet keine Annexzuständigkeit für die öffentlich-rechtliche Freistellung nach dem Umweltrahmengesetz, dessen Vollzug durch die Landesbehörden vorgesehen ist und entsprechend erfolgt. Bei lediglich faktischer Überschneidung verschiedener Aufgaben verbleibt es bei der Finanzierungsverantwortung entsprechend der Verwaltungszuständigkeit, selbst wenn die andere staatliche Ebene die Ausgaben letztlich veranlasst hat oder möglicherweise daraus einen Nutzen für ihre eigenen Aufgaben zieht ( u. a. - Rn. 55 m. w. N., Rn. 72).
32Gegenstand des Generalvertrags ist die Konkretisierung der Aufgaben- und Lastenverteilung im Sinne einer Verständigung über den jeweiligen Anteil an der Aufgabenwahrnehmung und der daraus abzuleitenden Kostenquote zwischen Bund und Land ( u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 60, 72). Nach § 1.1 GV sind sämtliche Refinanzierungsverpflichtungen des Bundes und der BvS gegenüber dem Kläger aus dem Verwaltungsabkommen Vertragsgegenstand. Dies sind im Einzelnen: Das Großprojekt Kali-Thüringen - Teilprojekt Kali und Salz, das Großprojekt TVW Rositz sowie sämtliche übrigen Fälle, die nach dem Verwaltungsabkommen grundsätzlich dem Anwendungsbereich der Regelfallfinanzierung 60 % (BvS) zu 40 % (Kläger) unterliegen, und zwar gleich, ob eine Freistellung nach dem Umweltrahmengesetz erteilt wurde oder ob dies nicht oder noch nicht der Fall ist. Unter § 1.2 GV fallen privatisierungsvertragliche Verpflichtungen der BvS gegenüber Erwerbern von Grundstücken oder Unternehmen auf dem Gebiet des Klägers im Zusammenhang mit ökologischen Belastungen. Nach § 1.3 GV sind Gegenstand der Vereinbarung auch die Unternehmen der Treuhand/BvS, die nicht privatisiert wurden, soweit die Sanierung von vor dem verursachten ökologischen Belastungen und/oder Schäden refinanziert wird. Gegenüber diesen Nachfolgeeinrichtungen vollzieht der Kläger die einschlägigen Umweltgesetze, in deren Rahmen er auch über die Inanspruchnahme zur Gefahrenabwehr und Störungsbeseitigung entscheidet. Er kann in diesem Rahmen befugt, wenn nicht gar verpflichtet sein, von einer finanziellen Inanspruchnahme der Verantwortlichen ganz oder teilweise abzusehen (vgl. 10 C 12.23 - NVwZ 2025, 681 Rn. 11 unter Hinweis auf u. a. - BVerfGE 102, 1 <19 f.>).
33Nach allem gehört der Gegenstand des Generalvertrags auf Seiten beider Parteien zum - teilweise bereits abgeschlossenen - Vollzug der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben. Die Beklagte zu 1 vollzieht die Aufgaben ihrer Rechtsvorgängerinnen nach § 2 des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom (GBl. DDR I S. 300) und Art. 25 Abs. 1 EV. Zur Verwaltungszuständigkeit des Klägers gehören sowohl die Aufgaben nach dem Umweltrahmengesetz als auch diejenigen nach dem Bundes- und Landesumweltrecht. Zu berücksichtigen ist, dass der Bund nach dem Verwaltungsabkommen 75 % bzw. 60 % der Kostenlast für die ökologische Altlastensanierung zu tragen hatte. Diese Kostenquote wurde auch der Ermittlung der Höhe der pauschalierten Einmalzahlung als Bundesanteil zugrunde gelegt (Anlage 4/1 zum Generalvertrag). Damit lag bis 1999 die Hauptkostenlast für den Aufgabenvollzug beim Bund. Dies gilt vor allem für die hier gegenständlichen Großprojekte. Die Vereinbarung einer Ausschlussfrist von 10 Jahren nach Wirksamwerden des Generalvertrags für die Geltendmachung von 20%igen Mehrausgaben gegenüber den im Vertrag geschätzten Gesamtkosten durch den Kläger ist vor diesem Hintergrund nicht willkürlich und deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger finanziert nach Ablauf der Ausschlussfrist im Februar 2009, also beinahe 19 Jahre nach der Deutschen Einheit, keine Kosten außerhalb seiner umwelt- und ordnungsrechtlichen Aufgabenzuständigkeit.
34cc) Die Gebote der föderativen Gleichbehandlung und der Bundestreue (Art. 20 Abs. 1 GG) verpflichten die Beklagte zu 1 nicht, in allen Generalverträgen mit den einzelnen Ländern identische Revisionsklauseln zu vereinbaren. Vielmehr besteht beim Abschluss dieser koordinationsrechtlichen Vereinbarungen (vgl. § 54 Satz 1 VwVfG) zunächst eine Vertragsautonomie sowohl der einzelnen Länder als auch der BvS als Hoheitsträger. Zudem ist eine unterschiedliche Behandlung einzelner Länder zulässig, wenn sie durch Sachgründe gerechtfertigt ist. Das entspricht der Sache nach einem Willkürverbot (vgl. u. a. - BVerfGE 150, 1 Rn. 212).
35Auf Anlage 8 Nr. 4 zum Generalvertrag kann sich der Kläger insoweit nicht mit Erfolg berufen. Dort heißt es: "Nach dem Verständnis der BvS ist der Freistaat gegenüber Vertragsabschlüssen mit anderen Ländern selbstverständlich nicht dadurch benachteiligt und wird dies auch nicht werden, dass hier zum ersten Mal eine umfassende Pauschalisierungsvereinbarung mit einem Bundesland abgeschlossen wird. Der Bund und damit auch die BvS sind an das Gebot der Gleichbehandlung entsprechend den verfassungsrechtlichen Bestimmungen gebunden". Diese in einem gemeinsamen Vermerk niedergelegte Absprache dient lediglich der Klarstellung der Geltung des verfassungsrechtlichen Gebots und erweitert die Rechte des Klägers nicht.
36Einen Verstoß gegen das Willkürverbot hat der Kläger aber nicht dargelegt. Für den Freistaat Sachsen besteht zwar insofern eine unterschiedliche Regelung, als die BvS mit diesem zusätzlich in § 2.7 GV Sachsen (Anlage K 35) die Aufnahme von Nachverhandlungen vereinbart hat, sofern nach Ablauf der 10-Jahresfrist die Voraussetzungen für den Eintritt in die Verhandlungen noch nicht erfüllt sind, jedoch dann feststeht, dass diese Voraussetzungen in absehbarer Zeit eintreten werden. Dies ist hier aber schon deshalb unerheblich, weil nach dem Vorbringen des Klägers die Voraussetzungen des § 2.7 GV Sachsen am ebenfalls nicht erfüllt gewesen wären. Ein Erreichen der 120%-Grenze mehr als acht Jahre nach Ablauf der Ausschlussfrist ist jedenfalls nicht mehr absehbar. Unabhängig davon ist die unterschiedliche Vereinbarung mit dem Freistaat Sachsen im Rahmen der Revisionsklausel nicht willkürlich. So hat die BvS den Interessen des Klägers etwa dadurch entsprochen, dass bekannte Risiken, nämlich Laugeneinbrüche im Bereich Kali und Salz, in Anlage 8 Nr. 2 zum Generalvertrag als nicht erwartete neue Risiken i. S. d. § 2.6 Abs. 2 GV fingiert werden, während sie mit dem Freistaat Sachsen eine geringfügige Überschreitung der Ausschlussfrist vereinbarte. Hinsichtlich § 2.6 des Generalvertrags mit dem Land Sachsen-Anhalt (Anlage K 76) haben die Beklagten plausibel dargelegt, dass es dort um die von den großen Chemiekombinaten Buna, Leuna und Bitterfeld verursachten gravierenden Umweltschäden mit deutlich länger prognostizierten Sanierungslaufzeiten und den höchsten Sanierungsaufwendungen in allen neuen Bundesländern geht. Deshalb habe sich die BvS mit Nachverhandlungen bereits dann einverstanden erklärt, wenn die Mehrausgaben wegen neuer Risiken nach 10 Jahren nicht die prognostizierten Gesamtausgaben, sondern den Betrag von 3 Mrd. DM um 20 % überschreiten bzw. wenn in diesem Zeitraum feststeht, dass die Kosten die Gesamtsumme von 7,8 Mrd. DM überschreiten werden. Dem liegt nach der Erläuterung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung die nachvollziehbare Annahme zugrunde, dass eine derartige Summe voraussichtlich nicht innerhalb von 10 Jahren abfließen kann. Diesen Ausführungen ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Bereits nach dem eigenen Vorbringen des Klägers ist in dem Generalvertrag mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern eine Revisionsklausel vereinbart worden, die derjenigen im Generalvertrag mit dem Freistaat Thüringen entspricht, so dass auch insoweit eine Verletzung des Willkürverbots nicht dargetan ist. Aus dem Gebot der föderativen Gleichbehandlung ergibt sich im Übrigen kein Anspruch des Klägers auf die von ihm dennoch angeregte Vorlage dieses Generalvertrags durch die Beklagten (vgl. u. a. - BVerfGE 167, 59 Rn. 69, 72).
37Schließlich würde selbst ein Verstoß gegen das Willkürverbot durch die BvS bei den Vereinbarungen mit den einzelnen Ländern in den Generalverträgen nicht zu der vom Kläger geforderten unbefristeten Kostenteilung bei der Sanierung der ökologischen Altlasten führen. In keinem der genannten Generalverträge ist eine Sperrfrist und nach deren Ablauf ein zeitlich unbegrenzter Anspruch auf Nachverhandlungen und Vertragsanpassung mit dem Ziel einer Kostentragung durch die BvS entsprechend dem Finanzierungsschlüssel des Verwaltungsabkommens vereinbart worden.
38c) Für sein Nachverhandlungsbegehren kann sich der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.
39Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert haben, dass dieser Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Allerdings haben die Vertragsparteien hier in § 2.5 Satz 6 Halbs. 1 GV auf die Geltendmachung des Wegfalls der Geschäfts- oder Vergleichsgrundlage verzichtet. Dieser Verzicht ist vorliegend wirksam.
40Spezielle vertragliche Anpassungsklauseln, die von den Beteiligten gerade für den Fall der wesentlichen Änderung der Verhältnisse vereinbart wurden, gehen der gesetzlichen Regelung in § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG vor. Sofern die Vertragsparteien das Risiko sich verändernder Umstände erkennen, sich eingehend damit auseinandersetzen und entsprechende Regelungen zu Anpassungsrechten schaffen, hat § 60 VwVfG keinen eigenen Anwendungsbereich (vgl. 3 C 21.93 - BVerwGE 97, 331 <343>; - juris Rn. 963; Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 25. Aufl. 2024, § 60 Rn. 9; Spieth/Hellermann, in: BeckOK VwVfG, § 60 Rn. 4a ff.). Ausgehend hiervon haben der Kläger und die BvS spezielle vertragliche Anpassungsregelungen in § 2.6 GV getroffen. Ansprüche des Klägers auf Nachverhandlungen bzw. Vertragsanpassung richten sich demnach allein nach dem Generalvertrag. Von den Parteien nicht erwartete Steigerungen der Sanierungskosten sollen danach ausschließlich gemäß der Revisionsklausel des § 2.6 GV berücksichtigt werden. Dies gilt auch für erst nach Ablauf der 10-Jahresfrist entstandene Mehrausgaben. Diesen Fall haben die Vertragsparteien ebenfalls geregelt. Denn § 2.6 Abs. 2 Satz 3 GV verweist für alle nicht erfassten Fälle ("im Übrigen") auf die abschließende Regelung nach § 2.5 GV. In § 2.5 Satz 6 Halbs. 2 GV wird nochmals klargestellt, dass lediglich für den Fall von unerwarteten neuen Risiken in § 2.6 eine abschließende Ausnahmeregelung vereinbart wurde. Dem gesamten Inhalt des Generalvertrags ist überdies zu entnehmen, dass den Beteiligten das Risiko von langfristigen erheblichen Kostensteigerungen im Rahmen der ökologischen Altlastensanierung bei Vertragsschluss bewusst war. In Kenntnis dieses Risikos haben sie vertraglich eine "Generalbereinigung" durch eine pauschalierte Einmalzahlung der BvS vereinbart und eine zeitnahe Korrektur lediglich unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen einer 10-Jahresfrist vorgesehen.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:260625U10A6.23.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-98847