Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 71 KLs 3/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bankrotts in vier Fällen, Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 25 Fällen sowie vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Die Verfahrensbeanstandungen haben aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen keinen Erfolg. Hinzu kommt, dass die Beweisanträge, deren rechtsfehlerhafte Ablehnung die Revision rügt, entgegen § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO schon keine hinreichend konkreten Beweisbehauptungen enthielten.
II.
31. Die Verurteilung des Angeklagten wegen vierfachen Bankrotts hält allein im Fall II. 2. b) Tat 3 der Urteilsgründe sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. In den Fällen II. 2. a), II. 2. b) Tat 2 und II. 3. b) der Urteilsgründe hat der Schuldspruch hingegen keinen Bestand. Im Einzelnen:
4a) Taten bei der D. GmbH
5aa) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe im Fall II. 2. a) der Urteilsgründe entgegen § 283 Abs. 1 Nr. 5 Var. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB die gesetzlich vorgeschriebenen Handelsbücher nicht geführt, ist rechtsfehlerhaft.
6(1) Diese von der Strafkammer herangezogene Tatvariante des Bankrotts setzt voraus, dass der GmbH-Geschäftsführer die ihm obliegende Buchführung ganz unterlässt, also überhaupt keine Handelsbücher im Sinne von § 238 Abs. 1 HGB führt (vgl. Rn. 9; Urteil vom – 2 StR 452/52, BGHSt 4, 270, 274 [zu § 239 Abs. 1 Nr. 4 KO]; Brand in LK-StGB, 13. Aufl., § 283 Rn. 79 mwN; Fischer/Lutz, StGB, 72. Aufl., § 283 Rn. 22 f.; Biletzki, NStZ 1999, 537, 538). Dies ist nicht festgestellt. Nach den Urteilsgründen war der Angeklagte der faktische Geschäftsführer der D. GmbH, die – wie er spätestens im Oktober 2017 wusste – zahlungsunfähig war und über deren Vermögen im Februar 2019 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Für die Monate Oktober bis Dezember 2017 sowie ab April 2018 bis zur Aufgabe der Geschäftstätigkeit im Dezember 2018 wurde für das Unternehmen keine Finanzbuchhaltung erstellt. Hingegen erstellte ein beauftragter Steuerberater in der gesamten Zeit die Lohnbuchhaltung der Gesellschaft. Damit unterblieb die Buchführung nicht in Gänze.
7(2) Den Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte die vorgesehenen Handelsbücher so geführt hat, dass die Übersicht über den Vermögensstand der Gesellschaft erschwert wurde (§ 283 Abs. 1 Nr. 5 Var. 2 StGB). Denn an einer erschwerten Übersicht kann es fehlen, falls der Kaufmann bzw. Geschäftsführer zwar nichts oder nicht vollständig gebucht, wohl aber sämtliche Belege geordnet aufbewahrt hat, da die fehlenden Bücher auf der Basis einer solchen Belegsammlung zumeist ohne größere Schwierigkeiten rekonstruierbar sind (vgl. Rn. 13; Brand in LK-StGB, 13. Aufl., § 283 Rn. 98 mwN; Fischer/Lutz, StGB, 72. Aufl., § 283 Rn. 23). Ebendies legen die Urteilsgründe nahe, denn den eingeschalteten (jedoch nicht vergüteten) Steuerberatern sind für diverse Monate des Tatzeitraums auch Stehordner mit den Finanzbuchhaltungsunterlagen der Gesellschaft übergeben worden. Deshalb kann der Schuldspruch nicht auf einer anderen rechtlichen Grundlage bestehen bleiben.
8bb) Ebenso wenig hat der Schuldspruch wegen Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB durch das Unterlassen einer fristgerechten Bilanzaufstellung für das Geschäftsjahr 2016 Bestand. Nach dieser Vorschrift ist die verspätete oder – wie hier – überhaupt unterlassene Bilanzierung nur dann strafbar, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die Bilanz spätestens zu erstellen war, Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit oder zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit vorlag (vgl. Rn. 9; Beschluss vom – 2 StR 462/97 Rn. 8; Brand in LK-StGB, 13. Aufl., § 283 Rn. 137 mwN). Gemäß § 242, § 264 Abs. 1 Satz 4, § 267 Abs. 1 HGB hätte die Bilanz für das Geschäftsjahr 2016 spätestens zum vorliegen müssen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Gesellschaft aber nach den Feststellungen des Landgerichts noch nicht (sicher) in der Krise. Vielmehr geht die Strafkammer in den Urteilsgründen von einer Zahlungsunfähigkeit „spätestens zum “ aus. Die Voraussetzungen eines früheren anderen Insolvenzgrundes, auf den die Strafkammer auch nicht abgestellt hat, sind den Urteilsgründen ebenfalls nicht ohne Weiteres zu entnehmen.
9cc) Hingegen hat das Landgericht den Angeklagten als faktischen Geschäftsführer im Fall II. 2. b) Tat 3 der Urteilsgründe ohne Rechtsfehler wegen Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB im Hinblick auf die nicht aufgestellte Bilanz der Gesellschaft für das Geschäftsjahr 2017 verurteilt. Für den Zeitpunkt des , bis zu dem die Bilanz 2017 aufzustellen gewesen wäre, belegen die Urteilsgründe auch die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft.
10Allerdings ist die Beweiswürdigung zu deren Zahlungsunfähigkeit ab spätestens – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. nur Rn. 9 mwN) – durchgreifend rechtsfehlerhaft. Zahlungsunfähigkeit ist das nach außen in Erscheinung tretende, auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, voraussichtlich dauernde Unvermögen des Unternehmens, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu befriedigen (vgl. Rn. 27 mwN). Das Landgericht hat eine solche Krise der GmbH im Ausgangspunkt ohne Rechtsfehler anhand wirtschaftskriminalistischer Beweisanzeichen beurteilt (vgl. dazu näher Rn. 15; Urteil vom – 1 StR 668/98 Rn. 28). Jedoch steht der Annahme des Landgerichts, die GmbH habe zum genannten Zeitpunkt nicht mehr über hinreichende Finanzmittel zur Tilgung ihrer Verbindlichkeiten verfügt, unerörtert entgegen, dass ihr von Gläubigern Zahlungsfristen eingeräumt und Ratenzahlungen bewilligt wurden. Das auch diese „häufig“ nicht eingehalten und „höhere Schulden“ aufgehäuft wurden, vermag – in Abgrenzung zu einer bloßen Zahlungsstockung – eine Zahlungsunfähigkeit im vorgenannten Sinn noch nicht zu belegen.
11Jedoch ist eine – dem Angeklagten bekannte – Zahlungsunfähigkeit der von ihm geleiteten Gesellschaft nach der Gesamtheit der Urteilsgründe hier zumindest ab März 2018 durch die vom Landgericht herangezogenen Beweisanzeichen belegt, womit der für die Tat im Fall II. 2. b) Tat 3 der Urteilsgründe maßgebliche Zeitpunkt erfasst ist. Insoweit traten nicht nur zusätzlich Zahlungsrückstände gegenüber den Sozialversicherungsträgern ein, sondern der Angeklagte intensivierte auch seine Bemühungen, mithilfe neuer finanzkräftiger Investoren den Unternehmensgegenstand in eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft zu überführen.
12b) Tat bei der A. GmbH
13Im Fall II. 3. b) der Urteilsgründe hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft den Tatbestand des Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 StGB durch Vortäuschen von Rechten anderer bejaht. Die Vorschrift sanktioniert nur Verhaltensweisen des Schuldners oder Geschäftsführers, die – anders als hier geschehen – den Passivenbestand zum Schein erhöhen (vgl. Petermann/Sackreuther in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 283 Rn. 32; Brand in LK-StGB, 13. Aufl., § 283 Rn. 34; jew. mwN).
14Nach den Feststellungen – soweit hier relevant – hatte sich der Angeklagte, der als faktischer Geschäftsführer der A. GmbH agierte, einen Kassenbestand der Gesellschaft von 66.823,78 € zu eigenen Zwecken verschafft. Dem am bestellten Insolvenzverwalter der A. GmbH legte er zwei vermeintlich von Baufirmen stammende Rechnungsbelege vor, in denen diese für Bauleistungen erhaltene Zahlungen in etwa der vorgenannten Höhe bestätigten. Hierzu erklärte der Angeklagte dem Insolvenzverwalter, er habe die in den jeweiligen Auflistungen genannten Teilbeträge den Rechnungsausstellern mit den vom Geschäftskonto der GmbH abgehobenen Beträgen jeweils in bar bezahlt. Bei den Rechnungsbelegen handelte es sich um gefälschte Schreiben, mit deren Hilfe der Angeklagte die eigenen Entnahmen verschleiern und seine persönliche Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter verhindern wollte.
15Durch diese Tathandlungen hat der Angeklagte keine erhöhten Passiva der Gesellschaft vorgetäuscht, sondern vielmehr die Erfüllung vermeintlicher Forderungen behauptet. Dadurch ist der Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 4 StGB entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts nicht erfüllt (vgl. Petermann/Sackreuther in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 283 Rn. 34; TK-StGB/Schuster, 31. Aufl., § 283 Rn. 25).
16c) Aufhebungsumfang
17Die aufgezeigten Rechtsfehler bedingen die Aufhebung des Urteils in den in der Beschlussformel genannten Fällen. Der Senat hebt auch die betroffenen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
18Von der Teilaufhebung unberührt bleibt – anders als der notwendig ebenfalls in Wegfall geratende Gesamtstrafausspruch – der Strafausspruch im Fall II. 2. d) der Urteilsgründe. Insoweit hat das Landgericht den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung bei der D. GmbH gemäß § 15a Abs. 1 und 4 InsO verurteilt. Bei der Strafzumessung hat es zum Nachteil des Angeklagten den langen Zeitraum berücksichtigt, in dem er pflichtwidrig keinen Insolvenzantrag stellte. Die vom Landgericht daraus abgeleitete besondere Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen lag aber auch bei einem – erst belegten – Beginn der Zahlungsunfähigkeit ab März 2018 vor, zumal der im November 2018 gestellte Fremdantrag die Pflicht des Angeklagten zu eigener Antragstellung bis zur Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht entfallen ließ (vgl. , BGHSt 53, 24 Rn. 21 ff.; Reinhart in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 3. Aufl., § 15a InsO Rn. 120 mwN). Der Senat vermag daher auszuschließen (§ 337 StPO), dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreiem Vorgehen insoweit eine mildere Einzelstrafe verhängt hätte.
192. Im Übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere ist die Beweiswürdigung zu seiner faktischen Geschäftsführung bei beiden Gesellschaften nicht zu beanstanden.
203. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
21a) Für die erneute Prüfung von Bankrottstraftaten bei der D. GmbH wird das neue Tatgericht aufgrund der bestehen gebliebenen Fälle II. 2. b) Tat 3 und II. 2. d) der Urteilsgründe von einer dem Angeklagten als dem faktischen Geschäftsführer bekannten Zahlungsunfähigkeit dieser Gesellschaft ab zumindest März 2018 auszugehen haben. Diese Feststellungen kann es – neben anderen Insolvenzgründen – auch um eine zu einem früheren Zeitpunkt eingetretene und erkannte Zahlungsunfähigkeit ergänzen. Hierin läge kein Widerspruch zu bindend gewordenen Feststellungen, welche das neue Tatgericht zudem im Übrigen ergänzen kann. Sollte es noch keine Krise am feststellen, kommt im Fall II. 2. b) Tat 2 der Urteilsgründe eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB in Betracht (vgl. zum Zusammenhang mit dem Unternehmenszusammenbruch , BGHSt 28, 231, 232).
22b) Im Fall II. 3. b) der Urteilsgründe ist eine Strafbarkeit des Angeklagten etwa wegen versuchten Betruges und Urkundenfälschung in den Blick zu nehmen. Angesichts der Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO wegen insoweit angeklagter Untreuetaten zum Nachteil der Gesellschaft wird eine Betrugsstrafbarkeit auch nicht unter dem Gesichtspunkt der mitbestraften Nachtat ausscheiden (vgl. hierzu , BGHSt 39, 233, 235; Beschluss vom – 5 StR 517/92, BGHSt 38, 366, 368 f.; Scholze in LK-StGB, 14. Aufl., Vorbem. zu den §§ 52 bis 55 Rn. 189 ff. mwN).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:150725B4STR541.24.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-98684