Instanzenzug: LG Bochum Az: II-8 KLs 4/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nachstellung in Tateinheit mit Verstoß gegen eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, Bedrohung und Hausfriedensbruch zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Seine hiergegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.
I.
2Nach den Feststellungen gelangte der Angeklagte am Morgen des gegen 03:30 Uhr durch ein Küchenfenster in die Wohnung der zu diesem Zeitpunkt schlafenden Zeugin, mit der er bis Oktober 2022 eine Beziehung führte. Das Fenster hatte er bereits am eingeschlagen, um sich gegen den Willen der Zeugin Zutritt zu ihrer Wohnung zu verschaffen. In der Folgezeit hatte die Zeugin über dreißig Mal die Polizei verständigt und wiederholt Anzeige gegen den Angeklagten u.a. wegen Ruhestörung, Sachbeschädigung und Körperverletzung erstattet; sämtliche daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Am hatte die Zeugin darüber hinaus eine einstweilige Anordnung des Amtsgerichts Recklinghausen erwirkt, in der es dem Angeklagten u.a. verboten worden war, die Zeugin zu bedrohen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln und sich deren Wohnung sowie ihr selbst weniger als 20 Meter anzunähern.
3Nachdem die erwachte Zeugin den Angeklagten erblickt hatte, floh sie zunächst aus ihrer Wohnung, kehrte schließlich jedoch ebenso wie der ihr nacheilende Angeklagte zurück, mit dem sie schließlich auf dem Sofa saß. Sodann ergriff der Angeklagte einen auf der Fensterbank in der Küche liegenden Schlosserhammer, schlug sich diesen als Geste der Drohung wiederholt in die eigene Hand und äußerte, er wolle 20.000 Euro dafür haben, dass er in der Vergangenheit eine Beziehung mit der Zeugin geführt und sie ertragen habe. Sollte sie ihm bis zum frühen Morgen kein „Angebot“ machen, wolle er ihr mit dem Schlosserhammer den Schädel zertrümmern und ihre Wohnung in Brand setzen; hätte er einen Führerschein, würde er ihre Leiche mit einem Auto an einen unbekannten Ort verbringen. Die Zeugin nahm die Drohung ernst und rechnete damit, dass der Angeklagte sie töten könnte. Dieser setzte sich wieder zu der Zeugin auf das Sofa, legte den Schlosserhammer auf dem Wohnzimmertisch ab und attackierte die Zeugin erneut verbal, bevor er sein Vorhaben aus dem Blick verlor und die Wohnung verließ.
II.
4Die Revision des Angeklagten ist begründet, da die Feststellungen die tateinheitliche Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz nicht tragen.
5Ein Schuldspruch nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG setzt voraus, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt; an die Entscheidung des Familiengerichts ist es insoweit nicht gebunden (vgl. BT-Drucks. 14/5429 S. 32, 42; Rn. 2; Beschluss vom – 3 StR 40/13, BGHSt 59, 94 Rn. 12). Dass eine solche Überprüfung der Anordnung auf der Grundlage eigenständig getroffener Feststellungen erfolgt ist, lässt sich den Urteilsgründen – die sich auf die auszugsweise Mitteilung der amtsgerichtlichen Entscheidungsformel beschränken – auch nach ihrem Gesamtzusammenhang nicht entnehmen. Damit können nicht nur der Schuldspruch nach § 4 Satz 1 GewSchG, sondern auch die tateinheitlich erfolgten Verurteilungen wegen Nachstellung, Bedrohung und Hausfriedensbruchs keinen Bestand haben (vgl. Rn. 37 mwN).
III.
6Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung. Dabei wird das neue Tatgericht sorgfältiger als bislang geschehen auch in den Blick zu nehmen haben, dass die in der seit dem geltenden Fassung des § 238 Abs. 1 StGB erfolgte Ersetzung des Wortes „beharrlich“ durch den Begriff „wiederholt“ dazu diente, ein Wiederholen der in § 238 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 StGB benannten Verhaltensweisen bereits dann unter Strafe zu stellen, wenn das Täterverhalten objektiv geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers nicht unerheblich zu beeinträchtigen, weshalb der Gesetzgeber an den demgegenüber im Begriff „beharrlich“ zusätzlich liegenden tatbestandlichen Anforderungen nicht mehr festgehalten hat. Wie vieler Wiederholungen es für ein Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „wiederholt“ bedarf, ist indes vom Einzelfall abhängig. Eine geringe einstellige Anzahl von Wiederholungen wird insoweit regelmäßig nur bei schwerer wiegenden Einzelhandlungen in Betracht kommen (vgl. BT-Drucks. 19/28679 S. 12). Eine entsprechende Bewertung lässt sich der Würdigung des Landgerichts – die sich auf die nur einmalige Wiederholung eines unbefugten Eindringens des Angeklagten in die Wohnung der Zeugin stützt – nicht entnehmen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:140725B4STR17.25.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-98633