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BSG Beschluss v. - B 11 AL 42/24 B

Gründe

1Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG), weil die Klägerin keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

2Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig.

3Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl 5b BJ 118/87 - SozR 1500 § 160a Nr 60). Die abstrakte Rechtsfrage ist so zu formulieren, dass an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung geprüft werden können (vgl Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap, RdNr 284). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (klärungsbedürftig) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (klärungsfähig) ist (vgl - SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist oder wenn sich für die Antwort in vorliegenden höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (vgl - RdNr 6 mwN), weshalb sich die Beschwerdebegründung mit diesem Punkt substantiiert auseinandersetzen muss. An dieser Auseinandersetzung fehlt es hier. Die Klägerin hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, "was unter Unzumutbarkeit zu verstehen ist" bzw "was einen zumutbaren Versuch darstellt". Aus ihren Darstellungen ergibt sich, dass sie diese Frage im Zusammenhang mit einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe (§ 159 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III) geklärt wissen will. Schon nach der Beschwerdebegründung liegt allerdings Rechtsprechung des BSG vor, nach der Umstände aus dem Beschäftigungsverhältnis nur dann einen wichtigen Grund für dessen Lösung begründen, wenn zu deren Beseitigung durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber ein zumutbarer Versuch möglich und unternommen worden ist. In diesem Zusammenhang hat das BSG den Rechtssatz aufgestellt, unzumutbar sei der Versuch, wenn die individuellen Umstände, insbesondere das Verhalten des Arbeitgebers, die Annahme rechtfertigen, eine Vorsprache habe keinerlei Aussicht auf Erfolg ( - SozR 4-4100 § 119 Nr 1 RdNr 12, juris RdNr 19). Inwieweit nach diesen Vorgaben für die Auslegung des Rechtsbegriffs der Unzumutbarkeit keine abstrakt-generellen Maßstäbe vorliegen, anhand derer sich die Rechtsprechung bei der Rechtsanwendung im Einzelfall orientieren kann, vermag der Senat nicht zu erkennen. Dass die Klägerin diese Maßstäbe im Kontext von ihr vorgebrachter Anfeindung, Diskriminierung oder Belästigung am Arbeitsplatz für verfehlt hält, genügt für die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung nicht.

4Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des BSG abweicht. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl - SozR 3-1500 § 160a Nr 34). Das ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht. Vielmehr geht aus den Ausführungen hervor, dass das LSG auch bei der Frage der Zumutbarkeit eines Abhilfeversuchs den vom BSG zur Auslegung dieses Merkmals aufgestellten Anforderungen gefolgt ist und sie im Fall der Klägerin für erfüllt gehalten hat. Die danach allenfalls dargelegte fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall kann eine Zulassung wegen Divergenz nicht rechtfertigen.

5Auch ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

6Die den Verfahrensfehler der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) begründenden Tatsachen werden in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend konkret bezeichnet. § 160 Abs 2 Nr 3 SGG fordert insoweit, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Da nach dem Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG das Übergehen eines Beweisantrags nur dann ein Verfahrensmangel ist, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht ("Warnfunktion", vgl ; zum erforderlichen Vorbringen bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach einem Erörterungstermin Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap, RdNr 322), muss in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung zu den konkreten Umständen des Beweisantrags ausgeführt werden. Diese enthält indes noch nicht einmal Angaben zum Zeitpunkt eines Beweisantrags.

7Soweit die Klägerin rügt, sie sei vom LSG nicht darauf hingewiesen worden, dass zur Frage der Unzumutbarkeit "weiterer" Vortrag zu erfolgen habe und weil die Frage der Unzumutbarkeit zuletzt nicht mehr aufgeworfen worden sei, liege hierin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG), ist das Vorbringen nicht konsistent. Zwar kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör iS einer Überraschungsentscheidung dann vorliegen, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrenslauf nicht zu rechnen braucht (vgl - juris RdNr 6). Das Abstellen auf erforderlichen "weiteren" Vortrag belegt indes, dass die Zumutbarkeit eines Abhilfeversuchs im gerichtlichen Verfahren thematisiert worden ist. Im Übrigen ist die Verletzung des rechtlichen Gehörs im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 547 ZPO). Es ist daher die Möglichkeit einer Beeinflussung der ergangenen Gerichtsentscheidung durch den Gehörsverstoß vorzutragen ( - juris RdNr 9). An entsprechenden Ausführungen fehlt es hier.

8Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

9Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:030625BB11AL4224B0

Fundstelle(n):
HAAAJ-98269