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BGH Beschluss v. - 6 StR 133/25

Instanzenzug: Az: 31 KLs 8/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freispruch im Übrigen – wegen sexuellen Übergriffs in zwei Fällen sowie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen.

3a) Am bestieg der Angeklagte einen Bus des öffentlichen Nahverkehrs und setzte sich neben die 16 Jahre alte Zeugin P.         , der er zunächst seine Hand auf den Oberschenkel legte. Sodann fuhr er mit der Hand über deren Oberschenkelinnenseite hin zu ihrem bekleideten Vaginalbereich, den er über mehrere Minuten hinweg mit Druck berührte. Ihr Versuch, die Hand des Angeklagten wegzuschieben, blieb erfolglos. Erst als sie aufstand und aus dem Bus stieg, ließ er von ihr ab (Fall II.1 der Urteilsgründe). Zu einer gleichgelagerten Tat kam es am zum Nachteil der 25 Jahre alten Zeugin E.      (Fall II.2 der Urteilsgründe). Am saß der Angeklagte in einer S-Bahn gegenüber der im Jahr 2002 geborenen Zeugin U.      . Er starrte die Zeugin fortlaufend an, „während er für die Dauer von 20 Minuten über der Hose an seinem Glied manipulierte, wodurch die Zeugin derart verängstigt wurde, dass sie weinend den Zug verließ“ (Fall II.3 der Urteilsgründe).

4b) Sachverständig beraten ist die Strafkammer zu dem Ergebnis gekommen, dass der Angeklagte spätestens seit dem 31. Lebensjahr an Chorea Huntington erkrankt sei. Die damit einhergehende leichte, jedoch kontinuierlich fortschreitende Demenz führe bei ihm zu einem sexuell enthemmten Verhalten. Infolgedessen sei seine Steuerungsfähigkeit bei den Taten im Sinne des § 21 StGB erheblich eingeschränkt gewesen.

52. Die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

6Die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeit des Täters ist nicht tragfähig begründet. Sie ist nur dann gegeben, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass er infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Diese Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat zu entwickeln (vgl. , Rn. 5; Beschluss vom – 2 StR 341/23, Rn. 14; Urteil vom – 4 StR 195/18, NStZ-RR 2019, 41, 42). Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte hierfür in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 115/20, Rn. 5; vom – 2 StR 436/19, Rn. 5; vom – 5 StR 336/18, Rn. 7).

7An diesen Anforderungen gemessen erweist sich die Gefahrenprognose des Landgerichts als lückenhaft. Es hat maßgeblich darauf abgestellt, dass der Angeklagte seit dem Jahr 2021 ein eingeschliffenes Verhaltensmuster zeige. Zwar ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass der Angeklagte wegen sexueller Belästigung in zehn Fällen, die er im Zeitraum von Juni 2021 bis Februar 2022 beging, zu Geldstrafe verurteilt worden ist. Indes hat es nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte seit der letzten Tat im Juli 2023 bis zu seiner Festnahme im Oktober 2024 keine weiteren Straftaten begangen hat. Dieser Umstand, der gegen die Annahme eines eingeschliffenen Verhaltensmusters sprechen könnte, hätte erörtert werden müssen. Zudem wäre erörterungsbedürftig gewesen, ob und gegebenenfalls wie sich der Angeklagte in der dann folgenden einstweiligen Unterbringung (§ 126a StPO) auf eine Behandlung eingelassen und welchen Verlauf sie genommen hat.

83. Die Versagung der Strafaussetzung hat ebenfalls keinen Bestand, weil die Strafkammer diese Rechtsfolge nicht erörtert hat. Unabhängig von der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO sind aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung jedenfalls dann erforderlich, wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist (BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 5/22; vom – 4 StR 111/11; vom – 2 StR 63/97; MüKo-StPO/Wenske, 2. Aufl., § 267 Rn. 401). Dies ist hier der Fall, weil angesichts der genannten Umstände des Falles eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht so fern liegt, dass eine ausdrückliche Erörterung der Aussetzungsfrage von vornherein entbehrlich erscheint.

94. Der Senat hebt die zum Maßregelausspruch und zur Aussetzungsentscheidung getroffenen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht eine widerspruchsfreie neue Entscheidung zu ermöglichen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:270525B6STR133.25.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-97990