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BGH Beschluss v. - 4 StR 233/24

Instanzenzug: Az: Ws Reha 12/22vorgehend LG Meiningen Az: Reha 35/20

Gründe

I.

1Der Betroffene hat am – erneut – seine Rehabilitierung nach dem Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz – StrRehaG) wegen einer Einweisung in ein Spezialkinderheim und einer Einweisung in einen Jugendwerkhof beantragt. Das Landgericht Meiningen hat den Antrag mit Beschluss vom als unzulässig zurückgewiesen, weil nach § 1 Abs. 6 Satz 1 StrRehaG ein erneuter Rehabilitierungsantrag unzulässig sei, soweit nach dem über einen auf denselben Sachverhalt gestützten zulässigen Antrag auf Rehabilitierung rechtskräftig entschieden wurde. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Das Landgericht habe bereits durch rechtskräftig gewordenen Beschluss vom über einen Rehabilitierungsantrag des Betroffenen vom , der unter anderem auch die beiden genannten Einweisungen zum Gegenstand gehabt habe, in der Sache entschieden.

2Das Thüringer Oberlandesgericht beabsichtigt, die gegen den Beschluss des Landgerichts Meiningen vom gerichtete Beschwerde des Betroffenen als unbegründet zurückzuweisen, soweit das Landgericht den Rehabilitierungsantrag des Betroffenen als nach § 1 Abs. 6 Satz 1 StrRehaG unzulässigen sogenannten Zweitantrag abgelehnt hat. Hieran sieht es sich durch Entscheidungen des Oberlandesgerichts Dresden, des Brandenburgischen Oberlandesgerichts sowie des Kammergerichts gehindert, die Zweitanträge Betroffener nach § 1 Abs. 6 Satz 2 StrRehaG in der bis zum geltenden Fassung als zulässig erachtet hatten. Das Thüringer Oberlandesgericht hat die Sache daher mit Beschluss vom gemäß § 13 Abs. 4 StrRehaG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über folgende Frage vorgelegt:

„Ist ein ‚Zweitantrag’ gemäß § 1 Abs. 6 StrRehaG derjenigen zulässig, die in die gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 StrRehaG genannten Heime und Einrichtungen eingewiesen wurden und deren Rehabilitierungsanträge vor der Einführung dieser Vorschrift mit dem ‚Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes’ vom (BGBl. I S. 1752) mit Wirkung vom , rechtskräftig wegen Nichtfeststellbarkeit eines Rehabilitierungsgrundes zurückgewiesen worden waren.“

3Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat sich im Ergebnis dem vorlegenden Thüringer Oberlandesgericht angeschlossen und beantragt zu beschließen, dass ein Zweitantrag gemäß § 1 Abs. 6 StrRehaG unzulässig ist, soweit über einen auf denselben Sachverhalt gestützten zulässigen Antrag auf Rehabilitierung rechtskräftig auf der Grundlage des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes – auch in früheren Fassungen – bereits entschieden worden ist.

II.

4Die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzugeben. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 GVG sind nicht mehr erfüllt. Die vorgelegte Rechtsfrage hat sich durch die Neufassung von § 1 Abs. 6 Satz 2 StrRehaG durch den am in Kraft getretenen Artikel 3 des Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung weiterer Vorschriften vom (BGBl. 2025 I Nr. 63 vom ) erledigt.

51. Gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 StrRehaG in der seit dem geltenden Fassung ist ein erneuter Rehabilitierungsantrag nicht nach § 1 Abs. 6 Satz 1 StrRehaG unzulässig, soweit dargelegt wird, dass der frühere Antrag nach den Vorschriften des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes in der zum Zeitpunkt der Entscheidung über den erneuten Antrag geltenden Fassung Erfolg gehabt hätte. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung ausdrücklich ein Zweitantragsrecht einführen, um Personen, deren Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung unter der Geltung einer früheren – für den Betroffenen ungünstigeren – Rechtslage rechtskräftig abgelehnt wurde, zu ermöglichen, bei späteren gesetzlichen Änderungen im StrRehaG zugunsten des Betroffenen erneut einen Antrag auf Rehabilitierung zu stellen (vgl. BT-Drucks. 20/14744 S. 25).

62. Die Neufassung von § 1 Abs. 6 Satz 2 StrRehaG ist in strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene – wie hier – den erneuten Antrag vor dem gestellt hat und das Verfahren am noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war.

7Mangels einer ausdrücklichen Regelung zur Anwendung des neuen Rechts auf anhängige Verfahren sind gemäß § 15 StrRehaG die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozessordnung entsprechend heranzuziehen. Nach allgemein anerkannten Grundsätzen des Strafverfahrensrechts ist neues Verfahrensrecht, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, auch auf bereits anhängige Verfahren anzuwenden. Es erfasst die Verfahren in der Lage, in der sie sich beim Inkrafttreten der neuen Vorschriften befinden; laufende Verfahren sind nach den neuen Vorschriften weiterzuführen. Dies gilt auch für Bestimmungen, welche die Stellung von Verfahrensbeteiligten im Prozess, ihre Befugnisse und ihre Pflichten betreffen, sowie für Vorschriften über die Vornahme und Wirkungen von Prozesshandlungen Beteiligter, soweit nichts Abweichendes geregelt ist und es sich nicht um ein bereits beendetes prozessuales Geschehen handelt (vgl. , NStZ-RR 2025, 55 Rn. 8 ff.; Urteil vom – 3 StR 342/08, BGHSt 53, 64 Rn. 13 und Beschluss vom – 4 StR 357/68, BGHSt 22, 321, 325; Kühne/Gössel/Lüderssen in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., Einleitung E.IV. Rn. 17; Schmitt in Schmitt/Köhler, StPO, 68. Aufl., § 354a Rn. 4).

83. Das vorlegende Oberlandesgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob der Antrag des Betroffenen vom nach Maßgabe von § 1 Abs. 6 Satz 2 StrRehaG in der seit dem geltenden Fassung zulässig ist.

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ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:020725B4STR233.24.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-97907