Tatbestand
1Die Klägerin begehrt im Überprüfungsverfahren eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung von in Österreich zurückgelegten Zeiten der Kindererziehung.
2Die 1950 geborene Klägerin war bis April 1972 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Von August 1975 bis November 1979 lebte sie mit ihrem beigeladenen Ehemann und den im Juli 1970 (Y), April 1975 (T) und April 1977 (S) geborenen Kindern in Österreich. Der Beigeladene war dort erwerbstätig und leistete Beiträge zur österreichischen Rentenversicherung. Die Klägerin widmete sich in dieser Zeit ausschließlich der Kindererziehung. Nach Rückkehr der Familie nach Deutschland war die Klägerin selbstständig tätig, ohne hierfür Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten. Sie zahlte für Januar 2011 einen freiwilligen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung, um die Wartezeit für die Regelaltersrente zu erfüllen.
3Der österreichische Rentenversicherungsträger erkannte bei der Klägerin die Zeiten von August 1975 bis November 1979 (52 Kalendermonate) als Kindererziehungszeiten nach österreichischem Recht an. Die Gewährung einer Altersrente lehnte er unter Verweis auf die nichterfüllte Mindestversicherungszeit von 180 Kalendermonaten ab.
4Die Beklagte bewilligte der Klägerin ab Februar 2016 Regelaltersrente (Bescheide vom und ). Dabei berücksichtigte sie für die Tochter Y Kindererziehungszeiten von August 1970 bis Juli 1971 sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung von Juli 1970 bis Juli 1975 und von Dezember 1979 bis Juli 1980. Für den S T berücksichtigte die Beklagte Kindererziehungszeiten von Mai 1975 bis Juli 1975 sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung von April 1975 bis April 1985 - wieder mit Ausnahme der Zeit von August 1975 bis November 1979 - und für die Tochter S Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung von Dezember 1979 bis April 1987.
5Auf den im November 2016 gestellten Überprüfungsantrag der Klägerin berechnete die Beklagte die Regelaltersrente neu und berücksichtigte unter teilweiser Aufhebung der vorgenannten Bescheide für die Tochter Y nunmehr eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung von August 1975 bis November 1979, weil die Klägerin vor Beginn der Erziehungszeit eine Beschäftigung in Deutschland ausgeübt und dadurch ein direkter Bezug zur deutschen Arbeitswelt vorgelegen habe. Für die Kinder T und S lehnte sie die Berücksichtigung der in Österreich zurückgelegten Zeiten als Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ab (Bescheide vom und ; Widerspruchsbescheid vom ).
6Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom zur Neufeststellung der Regelaltersrente der Klägerin unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Kinder T und S im Zeitraum von August 1975 bis November 1979 verurteilt (Urteil vom ). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Erziehung in Österreich stehe einer inländischen Erziehung nicht nach § 56 Abs 3 Satz 2 SGB VI gleich. Auch auf Unionsrecht könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg stützen. Mangels einer Erwerbstätigkeit zum Zeitpunkt der Geburten der Kinder T und S sei Art 44 Abs 2 EGV Nr 987/2009 nicht anwendbar. Das Recht auf Freizügigkeit nach Art 21 AEUV gebiete keine Berücksichtigung der streitbefangenen Zeiten. Es fehle an einer "Umrahmung" der in Österreich zurückgelegten Kindererziehungszeiten durch inländische Versicherungszeiten. Weder die selbstständige Tätigkeit der Klägerin noch die Zahlung des freiwilligen Beitrags nach ihrer Rückkehr stelle die notwendige hinreichende Verbindung zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung her (Urteil vom ).
7Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von Art 21 AEUV und Art 44 EGV Nr 987/2009. Aufgrund der ausgeübten selbstständigen Erwerbstätigkeit und der Entrichtung des freiwilligen Beitrags nach ihrer Rückkehr aus Österreich bestehe eine hinreichende Verbindung zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Ihrem Begehren stehe auch nicht entgegen, dass Österreich die Kindererziehung grundsätzlich als rentenrechtliche Versicherungszeit anerkannt habe, weil sie aus ihr keine Leistung vom dortigen Rentenversicherungsträger beziehe.
8Die Klägerin beantragt,das aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Detmold vom mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom verpflichtet wird, die Bescheide vom und zurückzunehmen und die Regelaltersrente der Klägerin für die Zeit ab dem bis zum unter Anrechnung von Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Kinder T und S im Zeitraum vom bis zum neu festzusetzen, sowie die Beklagte zur Zahlung einer entsprechend höheren Rente zu verurteilen.
9Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
10Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
11Der Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.
Gründe
12A. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Zu Unrecht hat das LSG einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente im Wege des Überprüfungsverfahrens unter Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für ihre Kinder T und S von August 1975 bis November 1979 verneint.
13I. Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung ist im Verfahren nach § 44 SGB X das Begehren der Klägerin, die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom zu verpflichten, die bestandskräftigen Bescheide vom und zu ändern und ihre Regelaltersrente unter Berücksichtigung von weiteren Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Kinder T und S von August 1975 bis November 1979 neu festzusetzen sowie die Beklagte zu verurteilen, eine entsprechend höhere Rente zu zahlen. In zeitlicher Hinsicht ist die Überprüfung entsprechend dem Antrag der Klägerin im Revisionsverfahren auf den Zeitraum vom bis zum beschränkt. Zutreffende Klageart für das Begehren der Klägerin ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG; vgl hierzu - SozR 4-2600 § 254d Nr 1 RdNr 11 mwN).
14II. Die Bescheide der Beklagten vom und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom (§ 95 SGG) sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin daher in ihren Rechten (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG). Diese hat Anspruch auf Festsetzung eines höheren Rentenzahlbetrags für den Zeitraum von Februar 2016 bis Februar 2021 unter teilweiser Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide vom und . Ihr steht eine Regelaltersrente unter Anrechnung von Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Kinder T und S im Zeitraum von August 1975 bis November 1979 zu.
15Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X in der hier maßgeblichen Fassung der Neubekanntmachung vom (BGBl I 130) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Beklagte hat bei Erlass der Rentenbescheide vom und , dh zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe iS des § 37 SGB X (vgl hierzu - SozR 4-2600 § 254d Nr 1 RdNr 15), das Recht insoweit unrichtig angewandt, als sie bei der Regelaltersrente der Klägerin die Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Kinder T und S im Zeitraum von August 1975 bis November 1979 nicht berücksichtigt hat. Ein Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung der hier streitgegenständlichen Zeiten der Kindererziehung in Österreich als Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung folgt zwar nicht aus den einschlägigen Regelungen des SGB VI (dazu unter 1.) Die Klägerin kann sich für ihr Begehren aber auf Unionsrecht stützen (dazu unter 2.).
161. Aus den einschlägigen Regelungen im SGB VI ergibt sich kein Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung der streitbefangenen Zeiten als Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung.
17a) § 56 Abs 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung der Neubekanntmachung vom (BGBl I 754) definiert Kindererziehungszeiten als Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren (Satz 1, mit Sonderregelungen für vor dem geborene Kinder in § 249 SGB VI). Für einen Elternteil wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn 1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, 2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und 3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist (Satz 2). Nach § 57 Satz 1 SGB VI, der hier ebenfalls in der Fassung der Neubekanntmachung vom gilt, ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen.
18b) Diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin nicht. Zwar erzog sie die Kinder T und S im streitgegenständlichen Zeitraum nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) überwiegend iS des § 56 Abs 2 Satz 8 SGB VI, sodass ihr die Erziehungszeit zuzuordnen war. Auch war sie nicht gemäß § 56 Abs 4 SGB VI von der Anrechnung ausgeschlossen. Die Erziehung der Kinder erfolgte aber weder im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (§ 56 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Alt 1 iVm Abs 3 Satz 1 SGB VI) noch stand sie einer solchen gemäß § 56 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Alt 2 iVm Abs 3 Satz 2 oder 3 SGB VI gleich.
19Eine Gleichstellung nach § 56 Abs 3 Satz 2 SGB VI kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin während ihres Aufenthalts in Österreich nicht wegen einer Erwerbstätigkeit versicherungspflichtig in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung war. In Österreich übte sie weder eine Beschäftigung noch eine selbstständige Tätigkeit aus.
20Auch eine Gleichstellung nach § 56 Abs 3 Satz 3 SGB VI über eine - fortbestehende - Integration des Beigeladenen in das inländische Arbeits- und Erwerbsleben scheidet aus (vgl hierzu - BSGE 133, 64 = SozR 4-2600 § 56 Nr 11, RdNr 24). Dies folgt bereits daraus, dass dieser im streitgegenständlichen Zeitraum keine Pflichtbeitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung hatte (vgl hierzu - juris RdNr 19; Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP vom zum Rentenreformgesetz 1992, BT-Drucks 11/4124 S 166). Vielmehr leistete er während seiner Erwerbstätigkeit in Österreich ausschließlich Beiträge zur dortigen Rentenversicherung.
212. Der Anspruch der Klägerin, bei Festsetzung ihrer Regelaltersrente die streitbefangenen Zeiten als Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen, folgt aber aus Unionsrecht. Zwar kommt Art 44 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl 2009, L 284 - EGV Nr 987/2009) hier nicht zur Anwendung (dazu unter a). Die Beklagte war aber nach Art 21 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der Fassung vom (ABl 2016 C 202) verpflichtet, die streitbefangenen Zeiten der Kindererziehung in Österreich als Kindererziehungszeiten (dazu unter b) und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (dazu unter c) in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 267 AEUV vorzulegen (dazu unter d).
22a) Die Klägerin kann sich für ihr Begehren nicht auf Art 44 Abs 2 EGV Nr 987/2009 stützen.
23aa) Damit nach Art 44 Abs 2 EGV Nr 987/2009 für den (Rentenversicherungs-)Träger eines Mitgliedstaats die Verpflichtung besteht, von der betreffenden Person in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegte Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen, müssen drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein, und zwar erstens, dass die Kindererziehungszeiten nach den Rechtsvorschriften des zuletzt genannten Mitgliedstaats - hier Österreich - nicht berücksichtigt werden, zweitens, dass die Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats - hier von Deutschland - zuvor auf die betreffende Person anwendbar waren, weil sie in diesem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübte, und drittens, dass für diese Person wegen dieser Tätigkeit die Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats - hier die deutschen Rechtsvorschriften - zu dem Zeitpunkt fortgalten, zu dem nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats die Berücksichtigung der Kindererziehungszeit für das betreffende Kind begann (vgl - juris RdNr 34 unter Bezugnahme auf die Schlussanträge des Generalanwalts beim - BeckRS 2023, 26856 RdNr 31).
24bb) Die Klägerin erfüllte die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art 44 Abs 2 EGV Nr 987/2009 im streitbefangenen Zeitraum schon deshalb nicht, weil sie zu dem Zeitpunkt, ab dem für die Kinder T und S eine Kindererziehungszeit nach deutschen Rentenrecht begann (vgl zum maßgeblichen Zeitpunkt - juris RdNr 35), in Deutschland weder eine Beschäftigung noch eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt hatte. Die Kindererziehungszeit beginnt in Deutschland nach § 56 Abs 5 Satz 1 SGB VI nach Ablauf des Monats der Geburt. Der Sohn T wurde im April 1975 und die Tochter S im April 1977 geboren. Weder im Mai 1975 noch im Mai 1977 war die Klägerin berufstätig.
25b) Die Beklagte war aber nach Art 21 AEUV verpflichtet, die streitbefangenen Zeiten als Kindererziehungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen.
26aa) Gemäß Art 21 Abs 1 AEUV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.
27Nach der Rechtsprechung des EuGH ( - juris RdNr 44; - juris RdNr 44, 62) regelt Art 44 Abs 2 EGV Nr 987/2009 die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten im EU-Ausland nicht abschließend. Vielmehr ist auch für Sachverhalte, auf die die genannte Verordnung grundsätzlich anwendbar ist, anerkannt, dass Art 21 AEUV den für die Rente leistungspflichtigen Mitgliedstaat verpflichtet, die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten bei einer Person, die nicht sämtliche Voraussetzungen des Art 44 Abs 2 EGV Nr 987/2009 erfüllt, so zu berücksichtigen, als seien sie im Inland zurückgelegt worden, sofern nachweislich eine hinreichende Verbindung zwischen diesen Kindererziehungszeiten und den Versicherungszeiten besteht, die die betreffende Person aufgrund einer Berufstätigkeit in dem für die Rente leistungspflichtigen Mitgliedstaat zurückgelegt hat (vgl zuletzt - juris RdNr 46). Eine solche hinreichende Verbindung besteht, wenn die betreffende Person ausschließlich in dem für ihre Rente leistungspflichtigen Mitgliedstaat gearbeitet und Beiträge entrichtet hat, und zwar sowohl vor als auch nach der Verlegung ihres Wohnsitzes aus rein familiären Gründen in den anderen Mitgliedstaat, in dem sie sich der Erziehung ihrer Kinder gewidmet hat ( - juris RdNr 59, 65 f; - juris RdNr 35, 45). Diese Rechtsprechung hat der ) bekräftigt und dahin weiterentwickelt, dass das Bestehen einer solchen hinreichenden Verbindung ebenfalls als erwiesen zu betrachten ist, wenn die betreffende Person Versicherungszeiten für Ausbildungs- oder Beschäftigungszeiten ausschließlich in dem für ihre Rente leistungspflichtigen Mitgliedstaat zurückgelegt hat, und zwar "sowohl vor als auch nach" den in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten ( - juris RdNr 47; vgl weitergehend die Schlussanträge des Generalanwalts beim - BeckRS 2023, 26856 RdNr 72: "vor <aber nicht notwendigerweise nach> der Erziehung", vgl auch die Verbindliche Entscheidung des Bundesvorstands der Beklagten aus November 2024, RVaktuell Sonderausgabe 1/2025 vom <“vor, während oder nach der Erziehung“> und die Gemeinsamen Rechtlichen Anweisungen <GRA> der Deutschen Rentenversicherung zu Art 44 EGV Nr 987/2009, Anm 5, Stand: : <"vor oder (…) nach der Erziehungszeit">). Die Verpflichtung zur Berücksichtigung dieser Zeiten trifft den zuständigen Rentenversicherungsträger des leistungspflichtigen Mitgliedstaats (vgl - juris RdNr 45).
28bb) Der nach der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH erforderliche Nachweis einer hinreichenden Verbindung zwischen den in Österreich zurückgelegten Kindererziehungszeiten und den in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten ist im Fall der Klägerin gegeben. Sie legte sowohl vor als auch nach den streitbefangenen Kindererziehungszeiten ausschließlich Versicherungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurück (sog Umrahmung).
29Nach den bindenden Feststellungen des LSG hat die Klägerin abgesehen von den streitbefangenen Kindererziehungszeiten keine Versicherungszeiten in der österreichischen Rentenversicherung erworben. Sie war vor ihrem Umzug nach Österreich in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Sie legte auch nach den streitbefangenen Kindererziehungszeiten Versicherungszeiten ausschließlich in Deutschland zurück. Zwar entrichtete sie nach ihrer Rückkehr aus Österreich keine Pflichtbeiträge in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung mehr. Die Klägerin verfügt aber über eine Beitragszeit bei der Beklagten, weil sie zur Erfüllung der Wartezeit der Regelaltersrente einen freiwilligen Beitrag zahlte. Dieser reicht zur Herstellung einer hinreichenden Verbindung der Kindererziehungszeiten in Österreich zu den in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten aus. Denn bei dem Monat Beitragszeit aufgrund freiwilliger Beitragszahlung handelt es sich um eine Versicherungszeit iS des Art 1 Buchst t der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 166 vom - EGV Nr 883/2004).
30Nach dieser Vorschrift sind Versicherungszeiten, wie sie auch im Zusammenhang mit einer Auslegung von Art 21 AEUV relevant sind (vgl - juris RdNr 48), Beitragszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt worden sind oder als zurückgelegt gelten, als Versicherungszeiten bestimmt oder anerkannt sind, sowie alle gleichgestellten Zeiten, soweit sie nach diesen Rechtsvorschriften als den Versicherungszeiten gleichwertig anerkannt sind (vgl hierzu auch - juris RdNr 48 und allgemein Hummer in Fuchs/Janda, Europäisches Sozialrecht, 8. Aufl 2022, Art 1 EGV Nr 883/2004 RdNr 35). Ob eine solche Versicherungszeit besteht, richtet sich nach dem nationalen Recht des zuständigen Mitgliedstaats (vgl - juris RdNr 48).
31Nach Maßgabe dieser unionsrechtlich vorgegebenen Begriffsbestimmung sind in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegte Beitragszeiten aufgrund freiwilliger Beitragszahlung Versicherungszeiten iS von Art 1 Buchst t EGV Nr 883/2004 (vgl ebenso die GRA der Deutschen Rentenversicherung zu Art 44 EGV Nr 987/2009, Anm 5, Stand: ). Nach § 55 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB VI sind Zeiten, für die freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (vgl zur Berechtigung § 7 SGB VI), Beitragszeiten. Sie gehören damit ebenso wie Pflichtbeitragszeiten zu den rentenrechtlichen Zeiten iS des § 54 Abs 1 Nr 1 SGB VI. Zeiten freiwilliger Beitragszahlung werden - wie auch bei der Klägerin erfolgt - auf die allgemeine Wartezeit der Regelaltersrente angerechnet (§ 50 Abs 1 Nr 1, § 51 Abs 1 SGB VI - vgl zu diesem Aspekt des - Behrend, jurisPR-SozR 12/2024 Anm 3 D). Sie wirken sich zudem auf die Rentenhöhe aus, indem für sie auf gleiche Weise wie bei Pflichtbeitragszeiten (persönliche) Entgeltpunkte ermittelt werden (§ 66 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 70 Abs 1 Satz 1 SGB VI).
32cc) Der rentenwertsteigernden Berücksichtigung der hier streitgegenständlichen Kindererziehungszeiten durch die Beklagte steht nicht entgegen, dass der österreichische Rentenversicherungsträger im dortigen Versicherungsverlauf der Klägerin die Zeiten nach seinen Rechtsvorschriften als rentenrechtliche Versicherungszeiten aufgeführt hat. Dieser Umstand ändert nichts daran, dass Deutschland für die Gewährung einer Rente wegen Alters an die Klägerin ausschließlich zuständig ist (dazu unter <1>). Die nach der Rechtsprechung des EuGH unmittelbar aus Art 21 AEUV abgeleitete Verpflichtung zur Berücksichtigung von in einem anderem Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten besteht gerade für den Rentenversicherungsträger des für die Rente ausschließlich zuständigen Mitgliedstaats (dazu unter <2>).
33 (1) Für die Klägerin, die bereits eine Regelaltersrente von der Beklagten bezieht, ist Deutschland der für die Gewährung einer Rente wegen Alters ausschließlich zuständige Mitgliedstaat. Die Klägerin hat keinen Altersrentenanspruch gegen den österreichischen Rentenversicherungsträger. Es kommt daher auch nicht zu einer "doppelten" Berücksichtigung der streitbefangenen Kindererziehungszeiten bei der Rentengewährung.
34Zwar hat der österreichische Rentenversicherungsträger die Zeiten nach seinen Rechtsvorschriften als Versicherungszeiten dem Grunde nach anerkannt. Nach den bindenden Feststellungen des LSG sind in den dortigen Versicherungsverlauf der Klägerin 52 Monate Versicherungszeiten für Kindererziehungszeiten aufgenommen worden. Hieraus kann aber aus Rechtsgründen keine Rentenzahlung des österreichischen Rentenversicherungsträgers folgen. Die Klägerin erfüllt nicht die Mindestversicherungszeit von 180 Monaten, die nach den bindenden Feststellungen des LSG für eine österreichische Altersrente erforderlich sind. Dies gilt selbst dann, wenn sie zukünftig sämtliche in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten nach Art 6 EGV Nr 883/2004 und Art 12 EGV Nr 987/2009 mit den Zeiten der Kindererziehung in Österreich zusammenrechnen lassen wollte. Denn auch dann wäre die Wartezeit zur Zahlbarmachung einer Altersrente nach österreichischem Recht nach der vom LSG eingeholten Auskunft des österreichischen Rentenversicherungsträgers nicht erfüllt (vgl zur Bindungswirkung insoweit - BSGE 107, 206 = SozR 4-4200 § 7 Nr 22, RdNr 19). Freiwillige Beiträge zur Erfüllung der Wartezeit für eine österreichische Altersrente hat die Klägerin nicht entrichtet. Die Versichertenbiografie der Klägerin ist mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze und dem Bezug der deutschen Regelaltersrente seit Februar 2016 abgeschlossen.
35 (2) Dass Deutschland als einziger Mitgliedstaat für die Gewährung einer Rente wegen Alters an die Klägerin zuständig ist, begründet aber gerade die unionsrechtliche Verpflichtung der Beklagten, die streitbefangenen Kindererziehungszeiten bei der Rentengewährung zu berücksichtigen, als wären sie im Inland zurückgelegt worden. Denn andernfalls blieben diese rentenrechtlichen Zeiten gänzlich unberücksichtigt.
36Die Mitgliedstaaten sind mangels Harmonisierung für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit zuständig. Nach der Rechtsprechung des EuGH haben sie dabei jedoch Unionsrecht und damit auch die durch Art 21 AEUV jedem Unionsbürger zuerkannte Freizügigkeit zu beachten (vgl - juris RdNr 49; - juris RdNr 38; - SozR 3-2600 § 56 Nr 14 - juris RdNr 33). Die Koordinierung des Rentenrechts der Mitgliedstaaten ist hieran geknüpft und dient dem Ausgleich der sozialrechtlichen Nachteile, die insbesondere Arbeitnehmern durch die Wahrnehmung der Freizügigkeit (Art 45 AEUV) entstehen können (Janda in Fuchs/Janda, Europäisches Sozialrecht, 8. Aufl 2022, Vorbem Art 50 ff EGV Nr 883/2009 RdNr 4 mwN; s hierzu auch den Erwägungsgrund 23 der EGV Nr 987/2009, wonach die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit darauf abzielt, dass "das Recht auf Freizügigkeit wirksam ausgeübt werden kann"; zur Prägung des Koordinierungsrechts durch das Unionsrecht der Freizügigkeit Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, 13. Ergänzungslieferung, Stand: November 2024, Das europäische koordinierende Sozialrecht - von den Anfängen bis zur Gegenwart, RdNr 89 f).
37Im europäischen Koordinierungsrecht ist in Bezug auf das Entstehen von Versicherungszeiten generell nur ein Mitgliedsstaat zuständig, nämlich der Staat, dessen Rechtsvorschriften nach den Art 11 ff EGV Nr 883/2004 anwendbar sind. Nur dieser Staat hat ggf auch die Gleichstellung von Leistungen und Sachverhalten vorzunehmen. Andernfalls könnten aufgrund desselben Sachverhalts in mehreren Mitgliedstaaten Versicherungszeiten derselben Art entstehen. Das würde sowohl dem in Art 6 EGV Nr 883/2004 geregelten Grundsatz der Zusammenrechnung von Versicherungszeiten (vgl auch Erwägungsgrund 10 der EGV Nr 883/2004) als auch dem in Art 10 EGV Nr 883/2004 normierten grundsätzlichen Verbot des Zusammentreffens von Leistungen (vgl auch Erwägungsgrund 12 der EGV Nr 883/2004) zuwiderlaufen (vgl zum Ganzen: Otting in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 4. Aufl 2024, Art 5 EGV Nr 883/2004 RdNr 10, Stand: ; Weber in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, 13. Ergänzungslieferung, Stand: November 2024, Art 5 EGV 883/2004 RdNr 11 und 19, Stand: September 2021). Ein solches Ergebnis könnte im Einzelfall auch über das hinausgehen, was Art 21 AEUV jedem Unionsbürger gewährleistet, nämlich das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Denn dann könnte die betreffende Person einen Vorteil gegenüber denjenigen erlangen, deren Leben auf das Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats beschränkt gewesen ist (vgl auch die Schlussanträge des Generalanwalts beim - BeckRS 2023, 26856 RdNr 41).
38Die nach der Rechtsprechung des EuGH unmittelbar aus Art 21 AEUV abgeleitete Verpflichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen, wenn eine hinreichende Verbindung zwischen diesen Kindererziehungszeiten und den inländischen Versicherungszeiten besteht, vermeidet eine "doppelte" Berücksichtigung von Versicherungszeiten. Eine solche Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers im leistungspflichtigen Mitgliedstaat setzt stets voraus, dass dieser im konkreten Einzelfall für die in Rede stehende Rente ausschließlich zuständig ist. Dementsprechend hat der EuGH in einer Konstellation, in der die in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten bei einer im Streit stehenden Rente wegen voller Erwerbsminderung mangels Erfüllung der dortigen Anspruchsvoraussetzungen nicht berücksichtigt werden konnten, die ausschließliche Zuständigkeit des eine solche Rente gewährenden Mitgliedstaats betont (vgl - juris RdNr 42). Besteht aber nur die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für die Gewährung einer bestimmten Art von Rente, können die streitbefangenen Kindererziehungszeiten auch nur in diesem Mitgliedstaat Berücksichtigung finden.
39Würde die Beklagte hingegen unter Verweis auf die außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland erfolgte Kindererziehung die Berücksichtigung der streitigen Kindererziehungszeiten ablehnen, käme es zu einer faktischen Nichtberücksichtigung der betroffenen Kindererziehungszeiten in beiden Mitgliedstaaten und damit zum vollständigen Verlust dieser Versicherungszeiten. Sie blieben ohne Wert, nur weil die Klägerin, die vor und nach diesen Kindererziehungszeiten ausschließlich in Deutschland rentenrechtliche Versicherungszeiten erwarb, temporär von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hatte, indem sie mit dem in Österreich berufstätigen Beigeladenen und den gemeinsamen Kindern in Österreich lebte und die Kinder dort erzog. Dies hätte zur Folge, dass Deutschland als ausschließlich zuständiger Mitgliedstaat eine eigene Staatsangehörige, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit in der Union Gebrauch gemacht hat, benachteiligen und damit gegen Art 21 AEUV verstoßen würde (vgl zu diesem Aspekt - juris RdNr 53 mwN).
40c) Die danach zur Wahrung des Freizügigkeitsrechts nach Art 21 AEUV notwendige Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten gemäß § 56 SGB VI führt entsprechend zu der Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nach § 57 Satz 1 SGB VI im streitgegenständlichen Zeitraum für die Kinder T und S.
41d) Der Senat hat keinen Anlass gesehen, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 267 AEUV vorzulegen. Eine solche Verpflichtung besteht nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (zB - juris RdNr 79 f; - juris RdNr 33) nur dann, wenn sich in dem Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, die nicht bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war und wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die im Fall der Klägerin entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind vom EuGH bereits geklärt.
42B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits. Gegenüber dem Beigeladenen ist die Beklagte nicht zur Erstattung etwaiger außergerichtlicher Kosten verpflichtet. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass der Beigeladene sich während des gesamten Verfahrens nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt hat (vgl hierzu - BSGE 90, 127 = SozR 3-5795 § 10d Nr 1 - juris RdNr 44).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:270325UB5R1623R0
Fundstelle(n):
OAAAJ-97704