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BGH Beschluss v. - 5 StR 59/25

Instanzenzug: LG Berlin I Az: 509 KLs 8/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freispruch im Übrigen – wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 19 Fällen, davon in 14 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 23 Fällen, davon in 19 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Sachrüge sowie auf Verfahrensbeanstandungen gestützten Revision.

21. Der Senat hat das Verfahren hinsichtlich der Fälle 17, 30 und 36 der Urteilsgründe auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen eingestellt. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

Das Verfahren kann in den Fällen 17, 30 und 36 gemäß § 154 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO eingestellt werden. Die Verurteilung des Angeklagten in diesen Fällen wegen eines jeweils tateinheitlich zusammentreffenden sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB in der Fassung vom ) und eines sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Fassung vom ) begegnet Bedenken. Beide Tatbestände verlangen die Vornahme sexueller Handlungen „vor“ dem Kind. Das würde nach § 184g Nr. 2 StGB in der Fassung vom voraussetzen, dass das Kind die sexuelle Handlung tatsächlich wahrgenommen hätte.

(…)

Zwar soll die sexuelle Handlung in den Fällen 17 und 30 jeweils „vor den Augen“ (UA S. 10, 12) und im Fall 36 „im Beisein“ (UA S. 13) des Kindes erfolgt sein. Dass es diese wahrgenommen hätte, bleibt jedoch insbesondere deshalb fraglich, weil das Kind in den Fällen 17 und 30 anderweitig beschäftigt gewesen war (UA S. 10, 12) und im Fall 36 zu dessen Verhalten keine näheren Feststellungen getroffen sind (UA S. 13). Damit lässt sich zugleich nicht ersehen, ob der Angeklagte das Kind in der Weise in das jeweilige sexuelle Geschehen einbezogen hatte, dass für ihn gerade die Wahrnehmung der sexuellen Handlung durch das Kind von Bedeutung gewesen wäre (vgl. dazu , Rn. 4).

3Dem schließt sich der Senat an. Die Einstellung des Verfahrens zieht die aus der Beschlussformel ersichtliche Umstellung des Schuldspruchs nach sich. Die Einstellung führt zum Wegfall der in den Fällen 17, 30 und 36 verhängten Einzelstrafen, lässt aber die Gesamtstrafe unberührt, da angesichts der verbleibenden Einzelstrafen – darunter jeweils fünf Freiheitsstrafen von sechs, fünf und vier Jahren – und des engen Zusammenzugs der Einzelstrafen bei der Bildung der Gesamtstrafe auszuschließen ist, dass das Landgericht ohne die weggefallenen Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.

42. Die weitergehende Revision des Angeklagten dringt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen nicht durch. Ergänzend bemerkt der Senat, dass die Strafzumessung entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keinen Rechtsfehler aufweist:

5Es stellt keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar (§ 46 Abs. 3 StGB), dass die Strafkammer in den Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs die Umstände des ungeschützten Oralverkehrs und einer Ejakulation (vgl. Fischer, StGB, 72. Aufl., § 177 Rn. 143) sowohl bei der Prüfung eines minder schweren Falls nach § 176a Abs. 4 StGB aF als auch bei der konkreten Strafbemessung berücksichtigt hat.

6Die für eine Nebenklägerin und die Angehörigen der Opfer belegten Tatfolgen durften zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden. Denn diese waren vorhersehbar und nicht Ergebnis eines atypischen Kausalverlaufs (vgl. , NStZ-RR 2006, 372).

7Sie sind allein bei der Bildung der Gesamtstrafe eingestellt worden. Das Landgericht hat diese Folgen nach den für die Bemessung der Einzelstrafen relevanten Umständen abschließend erwähnt. Es hat diese mithin – entgegen ihrem sonstigen Vorgehen bei der Darstellung strafzumessungsrelevanter Umstände – nicht den einzelnen Taten zugeordnet; daraus ergibt sich, dass es diese Erwägung allein bei der anschließenden Gesamtstrafenbildung berücksichtigt hat.

8Die Strafzumessung im Fall 4 der Urteilsgründe erweist sich als rechtsfehlerfrei. Die Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falls ist nicht zu beanstanden. Zwar hat die Strafkammer durch die von ihr gewählte Darstellungsform allein für den Angeklagten sprechende Umstände angeführt. Sie hat zuvor aber ausdrücklich ausgeführt, die Tat weiche nicht so erheblich von den üblicherweise vorkommenden Fällen des schweren Kindesmissbrauchs ab, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen sei. Weitere Ausführungen zur Abwägung waren angesichts der fernliegenden Annahme eines minder schweren Falls nicht angezeigt.

93. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:170625B5STR59.25.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-97644