Zu den Anforderungen an eine Rechnung im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG
Leitsatz
1. Die Anforderungen an eine Rechnung im Sinne des § 14c Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) erfüllt ein Dokument jedenfalls dann, wenn es den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und Angaben zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält (Bestätigung der Rechtsprechung; s. z.B. , BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734; vom - XI R 4/15, BFHE 255, 340, BStBl II 2021, 106).
2. Auch im Anwendungsbereich des § 14c Abs. 2 UStG sind Bezugnahmen auf andere Dokumente sowie vom Steuerpflichtigen beigebrachte zusätzliche Informationen vom Finanzamt zu berücksichtigen (Anschluss an die , BFHE 257, 462; vom - XI R 5/18, BFHE 266, 67, BStBl II 2023, 521).
3. Ein Dokument, das trotz der in Bezug genommenen ergänzenden Unterlagen mit seinen überflüssigen und widersprüchlichen Angaben bei einem Empfänger den Anschein erweckt, dass über steuerpflichtige Leistungen abgerechnet wird, so dass die Gefahr eines unberechtigten Steuerausweises nicht ausgeschlossen werden kann, ist eine Rechnung im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG.
Gesetze: UStG § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5; UStG a.F. § 14c Abs. 2; MwStSystRL Art. 203; FGO § 126a
Instanzenzug:
Tatbestand
A.
1 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, führte für pharmazeutische Unternehmen Beobachtungsstudien (Studien) durch.
2 In den Jahren 2014 bis 2016 (Streitjahre) war die Klägerin insoweit für die Auftraggeber . GmbH (F) und . GmbH (G) tätig. Die vertraglich festgelegten Aufgaben der Klägerin umfassten dabei Projektkoordination, Datenmanagement, Honorarverwaltung und die Erstellung von Statusberichten sowie weitere Leistungen nach Absprache. Die Auftraggeber schlossen daneben mit jedem an den Studien teilnehmenden Arzt einen sogenannten „Prüfarztvertrag“ ab, wonach dem Arzt jeweils ein Honorar für seine Leistungen, insbesondere für dessen Dokumentationsaufwand, zustand. Die Klägerin, die mit den an den Studien teilnehmenden Ärzten selbst keine Verträge abgeschlossen hatte, zahlte im Rahmen der mit den Auftraggebern vereinbarten Honorarverwaltung die Honorare der Ärzte im Auftrag und Namen der Auftraggeber an die Ärzte aus. Hierfür erteilte die Klägerin den Ärzten entsprechende Gutschriften mit Steuerausweis. Die für die Zahlung erforderlichen Geldbeträge stellten F beziehungsweise G der Klägerin zur Verfügung.
3 In den Streitjahren übersandte die Klägerin ihren Auftraggebern im Rahmen der Honorarverwaltung sogenannte „Abforderungsschreiben“ für Honorare, in denen sie jeweils unter Angabe einer fortlaufenden „Abforderungs-Nr.“, einer „Angebots-Nr.“ der Klägerin, einer „Bestell-Nr.“ des jeweiligen Auftraggebers, einer Kurzbeschreibung des „Projekts“ und eines „Lieferdatums“ sowie offen ausgewiesener Umsatzsteuer zur Überweisung der abgeforderten Beträge auf ein von ihrem sonstigen Konto abweichendes „Honorarkonto“ aufforderte. Hatte die Klägerin höhere Beträge abgefordert als sie nach erfolgter Endabrechnung mit den Ärzten zur Auszahlung an die Ärzte benötigt hatte, erstellte sie zum Abschluss der jeweiligen Studien eine „Storno-Abforderung“ an ihre Auftraggeber, in der sie von ihr zu viel abgeforderte Beträge als „Stornobetrag“ auswies. Die Klägerin erfasste die von ihren Auftraggebern abgeforderten Geldbeträge als durchlaufende Posten.
4 Im Rahmen einer Außenprüfung gelangten die Prüfer zu der Auffassung, dass der in den „Abforderungsschreiben“ vorgenommene Steuerausweis unberechtigt erfolgt sei und die Klägerin die ausgewiesene Steuer gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) schulde. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt —FA—) schloss sich den Feststellungen der Prüfer an und erließ unter dem dementsprechende Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für die Streitjahre, in denen die Umsatzsteuer entsprechend höher festgesetzt wurde. Während des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens setzte das FA aus nicht mehr streitigen Gründen die Umsatzsteuer für 2015 mit einem weiteren Umsatzsteuer-Änderungsbescheid herab und wies sodann die Einsprüche als unbegründet zurück.
5 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 628 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Die „Abforderungsschreiben“ erfüllten die Voraussetzungen für Rechnungen im Sinne des § 14c UStG. Es könne dahinstehen, ob sich aus der Bezugnahme auf die Angebote der Klägerin und die Bestellungen der Auftraggeber, die nicht ersichtlich machten, auf welche konkreten Leistungen welcher Ärzte die „Abforderungsschreiben“ sich bezögen, eine im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG hinreichende Leistungsbeschreibung entnehmen lasse. Jedenfalls durch den Aufbau, den Umsatzsteuerausweis und den Hinweis auf die ergänzenden Dokumente habe die abstrakte Gefahr bestanden, dass die Auftraggeber —wie es zumindest bei F auch der Fall gewesen sei— die „Abforderungsschreiben“ für Zwecke des Vorsteuerabzugs nutzen könnten, zumal die Auftraggeber für die Leistungen, die die an den Studien teilnehmenden Ärzte erbracht haben, über keine anderen Abrechnungspapiere verfügt hätten, aus denen sie die Vorsteuerbeträge hätten geltend machen können. Für die Abforderung der an die Ärzte weiterzuleitenden Honorare wäre die Angabe des insgesamt zu überweisenden Betrags ausreichend gewesen. Unmaßgeblich sei, ob die Auftraggeber tatsächlich Vorsteuerbeträge aus den „Abforderungsschreiben“ geltend gemacht oder einen „doppelten Vorsteuerabzug“ in Anspruch genommen haben. Die von der Klägerin mit den von ihr erteilten „Abforderungsschreiben“ geschaffene abstrakte Gefahr des Vorsteuerabzugs reiche aus, eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG entstehen zu lassen.
6 Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Ihren Auftraggebern stehe der Vorsteuerabzug zwar nicht aus den „Abforderungsschreiben“, aber aus den Gutschriften, die sie den Ärzten in deren Namen und Auftrag für die im Rahmen der Studien erbrachten und bezahlten Leistungen erteilt habe, materiell-rechtlich zu. Die Auftraggeber hätten den Vorsteuerabzug auch tatsächlich nur einmal im Ergebnis zutreffend geltend gemacht. Mit den „Abforderungsschreiben“, bei denen es sich um keine Rechnungen gehandelt habe, sei sie, die Klägerin, lediglich ihren vertraglichen Pflichten nachgekommen, Dokumente des Zahlungsverkehrs gegenüber ihren Auftraggebern zu erstellen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bereits entschieden, dass die Anforderungen an eine Leistungsbeschreibung gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG und die an eine Leistungsbeschreibung nach § 14c UStG identisch seien. Eine ausreichende Leistungsbeschreibung erfordere die Angabe der Menge und der Art der gelieferten Gegenstände oder des Umfangs und der Art der sonstigen Leistungen. Tatsächliche Angaben zur Identifizierung der Leistung müssten eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der abgerechneten Leistung ermöglichen. Dies setze voraus, dass die Rechnung entweder selbst eine hinreichende Leistungsbeschreibung enthalte oder auf andere eindeutig gekennzeichnete Unterlagen Bezug nehme. Soweit dagegen in der Literatur vertreten werde, dass für die Anwendung des § 14c UStG auf das Element der „Leistungsbeschreibung“ zu verzichten sei und auch Abrechnungspapiere ohne Leistungsbeschreibung unter die Vorschrift fielen, sei dem nicht zu folgen. Diese Auffassung verkenne, dass Abrechnungspapiere keine Rechnungen seien und eine Leistungsbeschreibung ein essenzielles und begriffsnotwendiges Element einer Rechnung sei. An Leistungsbeschreibungen für die Anwendung des § 14c UStG dürften keine geringeren Anforderungen als nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG gestellt werden. Das FG habe aber gerade nicht festgestellt, dass die „Abforderungsschreiben“ Leistungsbeschreibungen enthielten, so dass es an einem wesentlichen Rechnungselement fehle. Selbst wenn für eine Leistungsbeschreibung eine Bezugnahme auf andere vertragliche Unterlagen genüge, ergebe sich im Streitfall, dass nicht eigene Leistungen der Klägerin, sondern Leistungen der Ärzte an die Auftraggeber in Bezug genommen worden seien, so dass sie, die Klägerin, mit den „Abforderungsschreiben“ gerade keine eigenen Leistungen gegenüber den Auftraggebern abgerechnet habe. Aus den möglicherweise in Bezug genommenen Unterlagen ergebe sich, dass es lediglich darum gegangen sei, die Auftraggeber darüber zu unterrichten, welche Honorarbeträge über die Klägerin an die Ärzte zu überweisen waren. Es sei weiter auch von der Finanzverwaltung (Abschn. 14.1. Abs. 1 Satz 4 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) anerkannt, dass es Dokumente des Zahlungsverkehrs gebe, die keine Rechnungen seien, selbst wenn sie einen gesonderten Steuerausweis enthielten. Zudem sei die gesonderte Nennung der Umsatzsteuer als bloße Information über die finanziell endgültige Belastung der Auftraggeber in Höhe der Netto-Honorare sinnvoll gewesen. Die Abgrenzung zwischen einem bloßen Abrechnungspapier, das keine Rechnung sei, und einer Rechnung werde letztlich danach vorgenommen, ob das Papier der Abrechnung einer Leistung diene, was bei den „Abforderungsschreiben“ nicht der Fall gewesen sei. Vorliegend sei kein Abrechnungspapier geschaffen worden, das als „Rechnung“ zu Unrecht den Vorsteuerabzug ermöglicht habe. Soweit der Empfänger eines Abrechnungspapiers, das nicht als Rechnung qualifiziert werden könne, dies zum Vorsteuerabzug nutze, schulde der Ersteller dieses Papiers, der kein Risiko gesetzt habe, keine Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG. Die Klägerin bringt ferner vor, dass sie sich nicht auf das Berichtigungsverfahren verweisen lassen müsse, in dem mangels Rückwirkung ein Zinsnachteil drohe. Zudem sei eine Berichtigung ausgeschlossen, wenn eine Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs ausscheide, wie es hier für den Besteuerungszeitraum 2014 der Fall sei.
7 Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide vom für 2014 und 2016 sowie den Umsatzsteuerbescheid für 2015 vom dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2014 auf . €, für 2015 auf . € und für 2016 auf . € herabgesetzt wird.
8 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
9 Ein Abrechnungsdokument könne in Fällen eines unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 UStG auch ohne Leistungsbeschreibung den Anschein erwecken, dass über eine Leistung abgerechnet werde, die zum Vorsteuerabzug berechtige. An eine Leistungsbeschreibung dürften bei einem unberechtigten Steuerausweis keine allzu großen Anforderungen gestellt werden. Gegenstand der Regelung sei die abstrakte Gefährdung des Steueraufkommens durch Abrechnungsdokumente, die elementare Merkmale einer Rechnung aufwiesen oder —wie im Streitfall— den Schein einer solchen erweckten und den Empfänger zum Vorsteuerabzug verleiten würden, unabhängig von einem materiell-rechtlichen Anspruch auf Vorsteuerabzug. Zudem genüge, dass die Klägerin als Ausstellerin an der Erstellung des Dokuments mitgewirkt habe.
Gründe
B.
10 I. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Wechsel in der Richterbank bei der Beschlussfassung gegenüber der Beratung steht der Anwendung des § 126a FGO nicht entgegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom - XI R 12/21 (XI R 25/19), BFHE 274, 317, BStBl II 2022, 417, Rz 21; vom - V R 10/20, BFHE 276, 445, Rz 9; vom - XI R 22/20, BFH/NV 2024, 182, Rz 18).
11 II. Die Entscheidung des FG, wonach die streitgegenständlichen „Abforderungsschreiben“ die Voraussetzungen für Rechnungen im Sinne des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG erfüllen und die Klägerin die dort unberechtigt gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge nach § 14c Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 UStG schuldet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
12 1. Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Die Mehrwertsteuer wird danach von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.
13 a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des BFH soll Art. 203 MwStSystRL der Gefährdung des Steueraufkommens entgegenwirken, die sich unter anderem aus dem Recht auf Vorsteuerabzug ergeben könnte (vgl. zusammenfassend , BFHE 282, 113, BStBl II 2024, 302, Rz 102 ff.; EuGH-Urteile Schmeink & Cofreth und Strobel vom - C-454/98, EU:C:2000:469, Rz 57 und 61; Karageorgou u.a. vom - C-78/02 bis C 80/02, EU:C:2003:604, Rz 50 und 53; Stadeco vom - C-566/07, EU:C:2009:380, Rz 28; Stroy trans vom - C-642/11, EU:C:2013:54, Rz 32; LVK - 56 vom - C-643/11, EU:C:2013:55, Rz 36; Rusedespred vom - C-138/12, EU:C:2013:233, Rz 23 f.; Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) vom - C-378/21, EU:C:2022:968, Rz 20; Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Lublinie (Betrug eines Mitarbeiters) vom - C-442/22, EU:C:2024:100, Rz 24). Der Aussteller einer Rechnung, in der ein Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen ist, schuldet diesen Betrag unabhängig von einem Verschulden, wenn eine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt (EuGH-Urteil Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Lublinie (Betrug eines Mitarbeiters) vom - C-442/22, EU:C:2024:100, Rz 25).
14 b) Folglich kommt Art. 203 MwStSystRL zur Anwendung, wenn die Mehrwertsteuer zu Unrecht in Rechnung gestellt wurde und eine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil der Adressat der in Rede stehenden Rechnung sein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen kann (vgl. EuGH-Urteile Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) vom - C-378/21, EU:C:2022:968, Rz 21; Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Lublinie (Betrug eines Mitarbeiters) vom - C-442/22, EU:C:2024:100, Rz 24). Die Gefährdung des Steueraufkommens ist nicht vollständig beseitigt, solange der Adressat einer Rechnung, in der die Mehrwertsteuer zu Unrecht ausgewiesen ist, diese noch dazu nutzen kann, das Recht zum Vorsteuerabzug auszuüben (vgl. EuGH-Urteil Stadeco vom - C-566/07, EU:C:2009:380, Rz 29). Ist dagegen eine solche Gefährdung ausgeschlossen, findet Art. 203 MwStSystRL keine Anwendung (vgl. EuGH-Urteile Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) vom - C-378/21, EU:C:2022:968, Rz 24; Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Lublinie (Betrug eines Mitarbeiters) vom - C-442/22, EU:C:2024:100, Rz 25).
15 c) Der im Sinne des § 14c Abs. 1 UStG unrichtige und der im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG unberechtigte Steuerausweis setzen nicht voraus, dass die Rechnung alle in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Pflichtangaben aufweist (, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734, Leitsatz 1 und Rz 19; vom - V R 68/17, BFHE 265, 1, BStBl II 2020, 65, Rz 14; vom - XI R 4/15, BFHE 255, 340, BStBl II 2021, 106, Rz 26 und 27; vom - V R 3/21, BFHE 282, 101, Rz 24). Die Anforderungen an einen unberechtigten Steuerausweis erfüllt eine Rechnung jedenfalls bereits dann, wenn sie den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und Angaben zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält (vgl. , BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734, Rz 25; vom - V R 29/14, BFH/NV 2015, 706, Rz 16; vom - XI R 4/15, BFHE 255, BFHE 255, 340, BStBl II 2021, 106, Rz 27).
16 aa) Soweit im Streitfall zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die „Abforderungsschreiben“ eine Leistungsbeschreibung enthalten, hat der BFH bereits entschieden, dass —wie bei der Prüfung, ob eine Rechnung hinreichende Angaben enthält, die zum Vorsteuerabzug berechtigen— auch im Anwendungsbereich des § 14c UStG Bezugnahmen in der Rechnung auf andere Dokumente zu berücksichtigen sind (, BFHE 266, 67, BStBl II 2023, 521, Rz 27 und vom - V R 27/16, BFHE 257, 462, Rz 12).
17 bb) Eine Berücksichtigung derartiger Bezugnahmen ist auch unionsrechtlich geboten. Kann der tatsächliche Inhalt einer Rechnung durch Bezugnahmen geklärt und die Gefahr eines unberechtigten Steuerausweises ausgeschlossen werden, entfällt die missbilligte Gefährdung des Steueraufkommens. Unionsrechtlich ist zudem zu berücksichtigen, dass sich die Steuerverwaltung nach dem EuGH-Urteil Barlis 06 vom - C-516/14, EU:C:2016:690, Rz 44 nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken darf, sondern auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen hat (, BFHE 257, 462, Rz 13; vom - XI R 5/18, BFHE 266, 67, BStBl II 2023, 521, Rz 28).
18 cc) Falls das FG dahin gehend verstanden werden sollte, dass das FA ergänzende Unterlagen gar nicht oder nur im Wege der oberflächlichen Betrachtung berücksichtigen müsse, könnte der Senat dieser Auffassung nicht folgen. Ist eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen, findet Art. 203 MwStSystRL keine Anwendung (vgl. EuGH-Urteile Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) vom - C-378/21, EU:C:2022:968, Rz 24; Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Lublinie (Betrug eines Mitarbeiters) vom - C-442/22, EU:C:2024:100, Rz 25; s.a. EuGH-Urteile Schmeink & Cofreth und Strobel vom - C-454/98, EU:C:2000:469, Rz 58; GST-Sarviz Germania vom - C-111/14, EU:C:2015:267, Rz 33, 36 und 39; EN.SA. vom - C 712/17, EU:C:2019:374, Rz 34 und 35; , BFHE 257, 462, Rz 13). Die bloß theoretische Gefahr, dass aus einem Dokument, das nicht die Anforderungen an eine Rechnung im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG erfüllt, bei nur oberflächlicher Betrachtung des Dokuments der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden könnte, genügt für sich genommen nicht, wenn nicht die Tatbestandsmerkmale des § 14c Abs. 2 UStG erfüllt sind. Die mit § 14c Abs. 2 UStG verbundene Gefährdungshaftung kommt nur dann zum Tragen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen.
19 2. Danach hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass nach den Verhältnissen des Streitfalls die „Abforderungsschreiben“ die Voraussetzungen einer Rechnung im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG erfüllten.
20 a) Zutreffend hat das FG festgestellt, dass die „Abforderungsschreiben“, die die Klägerin unter ihrem im geschäftlichen Verkehr verwendeten Briefkopf an ihre Auftraggeber erstellt hat, selbst keine Leistungsbeschreibung enthielten.
21 b) Die „Abforderungsschreiben“ nahmen jedoch Bezug auf andere Unterlagen. Sie enthielten im Betreff eine fortlaufende „Abforderungs-Nr.“, eine „Angebots-Nr.“ der Klägerin, eine „Bestell-Nr.“ des jeweiligen Auftraggebers, eine Kurzbeschreibung des „Projekts“ und ein „Lieferdatum“.
22 aa) Aus den in Bezug genommenen Unterlagen ergibt sich, dass die Klägerin im Hinblick auf die Auszahlung der Honorare der Ärzte „als Zahlstelle“ im Namen und im Auftrag ihrer Auftraggeber im Rahmen der mit ihren Auftraggebern vereinbarten Honorarverwaltung fungieren sollte. Weiter ergibt sich aus den in Bezug genommenen Unterlagen, dass die Honorare an die Ärzte für deren Dokumentationsleistungen gezahlt werden sollten, die die Ärzte aufgrund einer gesonderten Vereinbarung mit den Auftraggebern der Klägerin zu erbringen hatten. Danach forderte die Klägerin mit den „Abforderungsschreiben“ Honorare an, um —wie auch aus den vom FG in Bezug genommen „Prüfarztverträgen“ ersichtlich— die Leistungen der Ärzte im Namen und im Auftrag der Auftraggeber im Gutschriftswege abzurechnen. Eine Gefährdung des Steueraufkommens wäre dadurch an sich nicht zu besorgen (gewesen).
23 bb) Allerdings kann nach den Verhältnissen des Streitfalls eine Gefährdung des Steueraufkommens nicht verneint werden, weil es die Klägerin dabei nicht belassen, sondern trotz dieser Gegebenheiten Umsatzsteuer offen ausgewiesen hat. Diese Angabe war, worauf das FG in Rz 52 der Vorentscheidung vom - 8 K 1057/20 abgestellt hat, für ein Zahlungspapier überflüssig und in sich widersprüchlich. Die Klägerin ist danach —entgegen ihrem Revisionsvorbringen— mit den „Abforderungsschreiben“, die sie selbst gestaltet, formuliert und um einen Steuerausweis ergänzt hat, nicht lediglich ihren vertraglichen Pflichten nachgekommen, Dokumente des Zahlungsverkehrs gegenüber ihren Auftraggebern zu erstellen. Ebenso wenig trifft es zu, dass es sich um ein nicht von der Klägerin gesetztes Risiko handele. Mit dem überflüssigen Steuerausweis und den damit verbundenen widersprüchlichen Angaben hat die Klägerin das Risiko gesetzt. Zumindest bei einem Teil der Empfänger der „Honorarabforderungen“ hat sich dieses Risiko auch realisiert, indem die Klägerin bei ihnen im Ergebnis die Fehlvorstellung hervorgerufen hat, dass mit den „Abforderungsschreiben“ über steuerpflichtige Leistungen der Ärzte im Rahmen der durchgeführten Studien abgerechnet werde, so dass bereits mit den „Honorarabforderungen“ ein Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt werden könne und die Erteilung der Gutschriften durch die Klägerin nicht abgewartet werden müsse. Dieser Teil der Empfänger der „Abforderungsschreiben“ hat den Vorsteuerabzug beansprucht, obwohl sie sämtliche ergänzenden Unterlagen, aus denen etwas anderes hätte abgeleitet werden können, kannten. Sie haben nicht die Erteilung der Gutschriften an die Ärzte abgewartet, mit denen sie ihr Recht auf Vorsteuerabzug (einzeln für jede Gutschrift) hätten ausüben können.
24 Danach kann in einer Situation wie im Streitfall, in der der Empfänger eines in sich widersprüchlichen Dokuments mit überflüssigen Angaben —trotz genauer Kenntnis der ergänzenden Unterlagen— das Dokument als Rechnung versteht und deshalb mit dem Dokument objektiv zu Unrecht den Vorsteuerabzug geltend macht, weder davon gesprochen werden, dass aufgrund der ergänzenden Unterlagen feststeht, dass keine Rechnung vorliegt, noch davon, dass nicht die Gefahr besteht, dass mit dem Papier ein nicht bestehendes Recht auf Vorsteuerabzug geltend gemacht wird.
25 cc) Auch die von der Klägerin in den „Abforderungsschreiben“ formulierte Bitte, die Gesamtsumme, also das Entgelt nebst gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer, auf ein von ihrem sonstigen Konto abweichendes „Honorarkonto“ zu überweisen, schließt die Annahme einer Rechnung im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG nicht aus. Als Rechnung im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG kommt jedes Dokument in Betracht, mit dem über eine vorgebliche Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet ist.
26 3. Steuerschuldner der nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldeten Steuer ist die Klägerin, wovon das FG auch ausgegangen ist. Steuerschuldner in den Fällen des § 14c Abs. 2 UStG ist nach § 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG der Aussteller der Rechnung. Dies ist vorliegend die Klägerin, da sie auf ihrem Geschäftspapier die „Abforderungsschreiben“ erstellt hat. Es kommt nicht in Betracht, die Ärzte als Steuerschuldner im Sinne des § 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG anzusehen. Sie haben weder an der Erstellung der „Abforderungsschreiben“ mitgewirkt noch sonst auf deren Erstellung hingewirkt. Sie konnten vielmehr davon ausgehen, dass die Klägerin (nur) mit den ihnen gegenüber erteilten Gutschriften für sie abrechnete. Dass die Ärzte gegen irgendwelche ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen hätten, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht feststellbar (vgl. hierzu etwa EuGH-Urteil Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Lublinie (Betrug eines Mitarbeiters) vom - C-442/22, EU:C:2024:100).
27 4. Die Einwendung der Klägerin, die Gefährdung des Steueraufkommens sei beseitigt, greift im vorliegenden Verfahren nicht durch; denn die Berichtigung eines nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG geschuldeten Steuerbetrags ist nach Maßgabe des § 14c Abs. 2 Satz 3 bis 5 UStG möglich und die Klägerin hat eine solche Berichtigung gemäß § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG beim FA beantragt. Der Antrag ist für den als zutreffend erachteten Berichtigungszeitraum als Antrag auf Änderung der betreffenden Steuerfestsetzung auszulegen (vgl. , BFHE 274, 175, BStBl II 2024, 237, Rz 36). Ein Änderungsantrag ist neben einem laufenden Klageverfahren möglich (vgl. allgemein , BFHE 201, 416, BStBl II 2003, 505). Über den Änderungsantrag ist daher im (derzeit ruhenden) Berichtigungsverfahren zu entscheiden, ohne dass der Senat zu einer Aussetzung des Revisionsverfahrens gemäß § 74 FGO verpflichtet wäre (vgl. , BFHE 274, 175, BStBl II 2024, 237, Rz 28). Die Berichtigung wirkt zu dem Zeitpunkt, zu dem eine gegebenenfalls bestehende Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom - V R 43/19, BFHE 274, 175, BStBl II 2024, 237, Rz 18 ff.; vom - V R 38/20, BFH/NV 2022, 146, Rz 17 f.). Das FA kann seine Zustimmung durch eigenständigen Verwaltungsakt oder durch Erlass eines Änderungsbescheids erklären (vgl. , BFHE 274, 175, BStBl II 2024, 237, Rz 36).
28 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:B.190325.XIR4.22.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-97585