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BVerwG Beschluss v. - 2 B 40.24

Dienstvergehen durch Annahme von Essenseinladungen

Leitsatz

§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlangt, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt. Diese materiell-rechtliche Pflicht kann auch verfahrensrechtliche Bedeutung entfalten. Dies gilt in besonderer Weise für die Berücksichtigung entlastender Gesichtspunkte bei der Bemessung disziplinarischer Maßnahmen. Die Verwaltungsgerichte dürfen Milderungsgründe nicht als nebensächlich oder geringfügig "abtun".

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: 81 D 1/23 Urteilvorgehend Az: 17 K 2710/18.OL Urteil

Gründe

1Der Beklagte wendet sich gegen seine disziplinarrechtliche Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

21. Der 19.. geborene Beklagte steht als Ministerialrat (Besoldungsgruppe A 16 LBesO) im Dienst des klagenden Landes. Er war von 2002 bis Dezember 2013 Leiter des für das ... des Landes zuständigen Referats im ...ministerium, das bis zu einer Summe von 500 Millionen € Kreditgeschäfte ohne Zustimmung des Abteilungsleiters abschließen konnte. In den Jahren 2010 und 2011 nahm der Beklagte als Vertreter des ...ministeriums an zwei Reisen in den Nahen und Fernen Osten teil, die dem Ziel dienten, im Rahmen der weiteren Kreditaufnahme des Landes Kontakte zu neuen Investoren zu knüpfen und bestehende Kontakte zu vertiefen (sog. Roadshows). Diese Reisen, die dem Beklagten als Dienstreisen genehmigt worden waren, wurden von einer Bank organisiert. Es war abgesprochen, dass sich das Land für die Teilnahme des Beklagten und eines weiteren Mitarbeiters des ...ministeriums pauschal mit 10 000 € an den Kosten für jede der beiden Reisen beteiligt. Die von der Bank getragenen tatsächlichen Kosten der beiden Reisen lagen wesentlich höher (ca. 22 000 € für die Reise im Jahr 2010 und ca. 17 000 € für die Reise im Jahr 2011). Während der ersten Reise vom 30. Oktober bis zum nahm der Beklagte sechs Bewirtungseinladungen der Bank an; die Gesamtkosten dieser Einladung beliefen sich auf ca. 730 €. Im Verlauf der zweiten Reise vom 1. bis ließ sich der Beklagte viermal von Mitarbeitern der Bank zum Essen einladen (Gesamtkosten ca. 560 €). Auch vor der ersten Reise ließ sich der Beklagte im Rahmen der Geschäftsbeziehungen mit der Bank von dieser mehrfach bewirten (Gesamtkosten ca. 450 €). Nach der erfolgreichen Platzierung der Anleihe des Landes am Kapitalmarkt regte der Beklagte gegenüber der für die Organisation der Reisen zuständigen Bank ein Abendessen an (sog. Commemorative Dinner); auch hier trug die Bank die auf den Beklagten entfallenden Kosten in Höhe von 124 €. Darüber hinaus fanden in den Jahren 2008 bis 2011 jeweils einmalig Geschäftsessen statt, zu denen der Beklagte von der Bank eingeladen wurde.

3Im Juli 2015 verurteilte das Amtsgericht den Beklagten wegen Vorteilsannahme in 16 Fällen nach § 331 Abs. 1 StGB zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen. Der Beklagte habe in 16 Fällen Leistungen angenommen oder gefordert, auf die er keinen Anspruch gehabt habe und die er auch nicht ohne Genehmigung habe annehmen dürfen.

4Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Allerdings hat sich das Verwaltungsgericht vollständig von den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts gelöst. Auch das Oberverwaltungsgericht hat die Lösung von den Feststellungen beschlossen und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5Die Disziplinarklage sei ordnungsgemäß durch die oberste Dienstbehörde erhoben worden. Auch sei die Gleichstellungsbeauftragte ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Möglichkeit der Gleichstellungsbeauftragten nach § 22 Abs. 2 Satz 3 LGG BB, eine schriftliche Stellungnahme beizufügen, gelte nur für hier nicht relevante Maßnahmen. Im Übrigen wäre der unterstellte Mangel nicht wesentlich. Die Gleichstellungsbeauftragte habe keine eigene Stellungnahme abgegeben, sondern lediglich auf dem ihr übersandten Formular angekreuzt, dass sie von der Maßnahme Kenntnis genommen habe und nicht widerspreche. Zudem wäre die erstmalig in der Berufungsverhandlung erhobene Rüge verspätet. Der Mangel wäre behebbar gewesen, wenn der Personalvertretung das Ergebnis der Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten mitgeteilt worden wäre. Auch die Mitwirkung des Personalrats sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Hinsichtlich des Commemorative Dinner habe der Beklagte eine Straftat nach § 331 Abs. 1 StGB in der Variante des "Forderns eines Vorteils", hinsichtlich der sonstigen Bewirtungen außerhalb der beiden Reisen jeweils eine Straftat nach § 331 Abs. 1 StGB in der Variante der "Annahme eines Vorteils" begangen. Im Hinblick auf die Bewirtungen während der beiden Reisen habe der Beklagte zwar nicht gegen § 331 StGB verstoßen, wohl aber gegen § 42 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände habe der Beklagte schuldhaft ein schweres Dienstvergehen begangen, das seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erfordere. Durch sein Dienstvergehen sei das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in einem Ausmaß zerstört, das eine Weiterverwendung des Beklagten ausschließe.

62. Die zulässige Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision führt zur Aufhebung der angegriffenen Berufungsentscheidung. Die Beschwerde hat zwar weder eine grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 70 des Disziplinargesetzes des Landes Brandenburg in der bis zum geltenden Fassung - LDG BB a. F. - i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) dargelegt (a) noch eine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (§ 70 LDG BB a. F. i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) aufgezeigt (b). Die Berufungsentscheidung leidet aber an einem Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl. § 70 LDG BB a. F. i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und nach § 133 Abs. 6 VwGO zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht (c).

7a) Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst (§ 70 LDG BB a. F. und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

8Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 B 70.17 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 68 Rn. 3 und vom - 2 B 21.24 - juris Rn. 10).

9aa) Die Beschwerde des Beklagten macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zunächst hinsichtlich folgender Rechtsfragen zur Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten geltend:

"Hat die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten gemäß § 22 Abs. 2 Satz 4 LGG BB nur in den Fällen des § 5 Abs. 2, 4, 5 und 6 (Erstellung von Gleichstellungsplänen) oder § 23 Abs. 2 LGG BB zwingend vor dem Personalrat, in dringenden Fällen gleichzeitig zu erfolgen?"

"Bezieht sich demnach § 23 Abs. 2 Satz 4 LGG BB nur auf § 22 Abs. 2 Satz 3 LGG BB und nicht auf § 22 Abs. 2 Satz 1 und 2 LGG BB?"

"Ist ein Verstoß gegen § 22 Abs. 2 Satz 4 LGG BB dadurch heilbar, dass dem Personalrat die Stellungnahme der Gleichstellungsbeauftragten nachträglich zur Kenntnis gegeben wird?"

10Hinsichtlich dieser zu § 22 Abs. 2 Satz 4 LGG BB aufgeworfenen Fragen ist die Beschwerde bereits unzulässig. Der Berufung auf die rechtsgrundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Fragen steht entgegen, dass der Beklagte im Hinblick auf die Vorschrift des § 22 Abs. 2 Satz 4 LGG BB, hinsichtlich derer nunmehr die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird, der ihm nach § 66 Abs. 1 und § 56 Abs. 1 LDG BB a. F. obliegenden Pflicht zur Rüge in den Tatsacheninstanzen nicht nachgekommen ist. Die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO scheidet aus, wenn der Beamte im gerichtlichen Disziplinarverfahren den nunmehr in Gestalt der Grundsatzrüge beanstandeten Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nicht entsprechend der ordnungsgemäßen Belehrung des Gerichts geltend gemacht hat ( 2 B 1.16 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 10 Rn. 9). Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision unter Berufung auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinsichtlich eines Aspekts des behördlichen Verfahrens ist kein Mittel, um Versäumnisse eines anwaltlich vertretenen Beteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren.

11Nach § 56 Abs. 1 LDG BB a. F. hat der Beamte bei einer Disziplinarklage wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens innerhalb zweier Monate nach Zustellung der Klage geltend zu machen. Damit hat der Gesetzgeber dem Beamten in Bezug auf solche Mängel eine Rügeobliegenheit auferlegt (Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand November 2024, § 55 BDG Rn. 19; Weiß, in: GKÖD, Band II, Stand Januar 2025, § 55 BDG Rn. 19), deren Verletzung nach § 56 Abs. 2 LDG BB a. F. die Nichtberücksichtigung nicht oder nicht rechtzeitig vorgebrachter Mängelrügen zur Folge haben kann. Dies gilt nach § 66 Abs. 1 LDG BB a. F. auch für das Berufungsverfahren. Ist der Beamte dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, kann er nicht mehr geltend machen, ein Aspekt des behördlichen Disziplinarverfahrens vermittle der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.

12Die Voraussetzung des § 56 Abs. 2 LDG BB a. F., dass der Beamte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist, ist erfüllt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist der Beklagte vom Verwaltungsgericht über die Verpflichtung aus § 56 LDG BB a. F. zutreffend belehrt worden (vgl. auch Verfügung des Verwaltungsgerichts vom , S. 23 f. der Gerichtsakte).

13Die von der Beschwerde zur Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten aufgeworfenen Fragen beziehen sich auf den Geltungsbereich des § 22 Abs. 2 Satz 4 LGG BB, wonach die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten vor dem Personalrat erfolgt, in dringenden Fällen zeitgleich. Insbesondere geht es der Beschwerde um den Aspekt, ob die Vorgabe zum zeitlichen Verhältnis der Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten und des Personalrats nur für die Fälle des Satzes 3 gilt oder auch für die Konstellationen der Sätze 1 und 2. Allerdings hat der Beklagte im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht ausweislich des Protokolls über die Berufungsverhandlung vom lediglich die Verletzung des § 22 Abs. 2 Satz 3 LGG BB gerügt. In den vorangegangenen Schriftsätzen im Klageverfahren wie auch zur Begründung der Berufung ist seitens des Beklagten eine mögliche Verletzung der Vorgaben für die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten dagegen nicht thematisiert worden.

14§ 22 Abs. 2 Satz 3 LGG BB bestimmt, dass die Gleichstellungsbeauftragte, soweit die Maßnahme nach § 5 Abs. 2, 4, 5 und 6 oder § 23 Abs. 2 LGG BB einer anderen Dienststelle zur Entscheidung vorgelegt wird, eine schriftliche Stellungnahme beifügen kann. Ein Fall des § 22 Abs. 2 Satz 3 LGG BB ist hier nicht gegeben. Mit der erstmals in der Berufungsverhandlung vorgebrachten Rüge der Verletzung des § 22 Abs. 2 Satz 3 LGG BB, weil die Personalvertretung bereits vor Abschluss des Verfahrens nach dem Landesgleichstellungsgesetz beteiligt worden sei, hat sich das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil eingehend befasst (UA S. 18 f.). Einerseits hat es die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf die Erhebung der Disziplinarklage gegen den Beklagten zutreffend verneint und zum anderen hat es die Rüge für den Fall eines unterstellten Mangels als nach § 66 Abs. 2 und § 56 Abs. 2 LDG BB a. F. verspätet bewertet. Unzutreffend ist die Darstellung in der Beschwerdebegründung, das Oberverwaltungsgericht habe ausdrücklich entschieden, die zeitliche Vorgabe des § 22 Abs. 2 Satz 4 LGG BB gelte nur für die Fälle des Satzes 3 und beziehe sich nicht auf Satz 1 und Satz 2.

15bb) Auch die zur Beteiligung des Personalrats von der Beschwerde des Beklagten aufgeworfenen Fragen

"Genügt es zu einer Erörterung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 PersVG BB a. F., dass der Dienststellenleiter dem Personalrat schriftlich die Maßnahme mitteilt und der Personalrat die Gelegenheit hat, schriftlich Stellung zu nehmen, oder ist eine mündliche Erörterung zu fordern?"

"Kann eine unterbliebene mündliche Erörterung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 PersVG BB a. F. nach Durchführung der nach § 68 Abs. 1 PersVG BB a. F. mitwirkungspflichtigen Maßnahme auch nach Durchführung der Maßnahme noch geheilt werden, indem die Erörterung nachgeholt wird?"

begründen nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

16Die beiden Fragen, die jeweils vom Erfordernis einer mündlichen Erörterung mit dem Personalrat ausgehen, lassen sich mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens im Sinne des Berufungsurteils beantworten.

17Nach dem hier maßgeblichen § 68 Abs. 1 Nr. 7 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Brandenburg vom (GVBl. I/93, Nr. 20 S. 358 - PersVG BB a. F.) wirkt der Personalrat bei der Entscheidung über die Erhebung der Disziplinarklage mit. Für den Fall der Mitwirkung schreibt § 67 Abs. 1 Satz 1 PersVG BB a. F. vor, dass die beabsichtigte Maßnahme vor Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und umgehend mit dem Personalrat zu erörtern ist. Auf welche Art und Weise der für die Unterrichtung des Personalrats nach § 7 PersVG BB a. F. grundsätzlich verantwortliche Leiter der Dienststelle diese Verpflichtung erfüllt, wird im Gesetz nicht vorgegeben. Maßgeblich ist, dass der Personalrat von der Dienststelle die für die Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgabe erforderlichen Informationen erhält ( 2 B 42.22 - juris Rn. 12).

18Die Dienstbehörde muss den örtlich zuständigen Personalrat zutreffend in kurzer und knapper Form über die beabsichtigte Maßnahme unterrichten. Die Unterrichtung muss konkret genug sein und Art und Umfang der beabsichtigten Maßnahme erkennen lassen. Eine irreführende oder auf Täuschung beruhende Unterrichtung durch die Dienststelle entspricht diesen Anforderungen nicht und führt, auch wenn sich der Personalrat nicht auf Täuschung berufen sollte, zur Anfechtbarkeit der getroffenen Maßnahme ( 2 C 22.87 - BVerwGE 82, 356 <362> m. w. N.). Gegenstand der Mitwirkung des Personalrats nach § 68 Abs. 1 Nr. 7 PersVG BB a. F. ist die Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten. Damit ist Gegenstand der Mitwirkung lediglich das "Ob" der Klageerhebung; der genaue Inhalt der Klageschrift, insbesondere der konkrete Sachantrag des Dienstherrn oder die Entscheidung, welcher Bedienstete des Dienstherrn die Disziplinarklage zu erheben hat, sind nicht mehr Gegenstand der Mitwirkung des Personalrats (vgl. 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <254 f.> zu § 55 BDG und Beschluss vom - 2 B 3.20 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 73 Rn. 9).

19Der Entwurf einer Disziplinarklageschrift, die den Anforderungen des § 53 Abs. 1 LDG BB a. F. genügt, erfüllt die Anforderungen an die Information des Personalrats. Denn sie gibt, wie hier der dem Anschreiben an den Personalrat vom beigefügte Entwurf, Auskunft über den persönlichen und beruflichen Werdegang des betroffenen Beamten sowie über den Gang des behördlichen Disziplinarverfahrens, schildert die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und stellt die anderen Tatsachen und Beweismittel dar, die für die Entscheidung bedeutsam sind. Hält der Personalrat die Mitteilung durch die Dienststelle für unzureichend, so obliegt es allein ihm, weitere Informationen einzuholen ( 2 B 42.22 - juris Rn. 17).

20In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch geklärt, dass ein etwaiger Mangel der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens durch eine nachträgliche Durchführung des Mitwirkungsverfahrens geheilt werden kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 DB 30.88 - BVerwGE 86, 140 <143 f.>, vom - 2 B 44.12 - Rn. 27 und vom - 2 B 41.19 - juris Rn. 10).

21cc) Auch die weitere Frage,

ob eine offenkundige Unrichtigkeit von Feststellungen im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 2 LDG BB a. F. dann vorliegt, wenn die Feststellungen des Strafgerichts kursorisch und lückenhaft sind,

führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, weil sie auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet werden kann und ein darüberhinausgehender Bedarf an einer gerichtlichen Klärung nicht dargelegt wird.

22Die in § 58 Abs. 1 Satz 1 LDG BB a. F. grundsätzlich angeordnete Bindung an tatsächliche Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren dient der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz. Sie soll verhindern, dass zu ein- und demselben Geschehensablauf durch verschiedene Gerichte unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden (BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 76.16 - juris Rn. 8 und vom - 2 B 79.18 - NVwZ-RR 2020, 749 Rn. 8 m. w. N.; Weiß, GKÖD, Band II, Stand Januar 2025, M § 57 BDG Rn. 9). Daher sind die Verwaltungsgerichte nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten "sehenden Auges" auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten ( 2 C 6.19 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 81 Rn. 10 ff.). Dies ist etwa der Fall, wenn die Tatsachenfeststellungen des Strafurteils im Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen oder aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig sind. Darüber hinaus kommt eine Lösung in Betracht, wenn neue Beweismittel vorgelegt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen die Tatsachenfeststellungen jedenfalls auf erhebliche Zweifel stoßen. Die Bindungswirkung entfällt aber auch bei Strafurteilen, die in einem ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind (vgl. 1 D 13.99 - BVerwGE 112, 243 <245> und vom - 2 WD 3.06 - BVerwGE 128, 189 Rn. 25; Beschlüsse vom - 2 B 65.07 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 4 Rn. 11, vom - 2 B 43.10 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 3 Rn. 5, vom - 2 B 78.12 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 20 Rn. 6 f., vom - 2 B 18.17 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 54 Rn. 28 und vom - 2 B 75.18 - juris Rn. 17).

23Ausgehend vom dargelegten Zweck der Bindung an tatsächliche Feststellungen eines Strafurteils und den Voraussetzungen für die Lösung von diesen nach § 58 Abs. 1 Satz 2 LDG BB a. F. liegt es auf der Hand, dass das Disziplinargericht eine erneute Prüfung von solchen Feststellungen zu beschließen hat, die nach seiner Einschätzung "kursorisch und lückenhaft" sind. Denn diese tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils sind offenkundig unrichtig und können aus rechtsstaatlichen Gründen im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht zugrunde gelegt werden.

24dd) Schließlich führt auch die Frage,

"ob die Annahme von Essenseinladungen zu Kosten zwischen rund 50 € und 173 € für einen Amtsträger sozialadäquat ist",

nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht rechtsgrundsätzlich geklärt werden könnte. Als "sozialadäquat" gelten nur solche Vorteile, die gewohnheitsmäßig anerkannte, relativ geringwertige Aufmerksamkeiten aus gegebenen Anlässen nicht übersteigen (vgl. - NStZ 2005, 334 <335> m. w. N. und 2 B 44.12 - juris Rn. 23). Die Frage, wann diese Grenze bei der Bewirtung eines Amtsträgers durch einen Dritten, der zum Dienstherrn des Amtsträgers im geschäftlichen Kontakt steht oder diesen anstrebt, überschritten ist, ist eine Frage der Würdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls und entzieht sich damit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.

25b) Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenz (§ 70 LDG BB a. F. und § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

26Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungs- oder ein anderes divergenzfähiges Gericht - im Bereich des Beamtenrechts auch ein anderes Oberverwaltungsgericht (§ 127 Nr. 1 BRRG i. V. m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG) - in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht. Das Revisionszulassungsrecht kennt - anders als die Vorschriften über die Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) – den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Berufungsurteils nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3, vom - 2 B 45.22 - NVwZ-RR 2024, 519 Rn. 16 und vom - 2 B 33.23 - juris Rn. 9).

27aa) In Bezug auf die Annahme einer Vorteilsannahme gemäß § 331 StGB in Form der Tathandlung des "Forderns" durch das Oberverwaltungsgericht in Bezug auf Nr. 12 des Vorwurfs (Commemorative Dinner) genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Zwar verweist die Beschwerde auf das - 1 D 14.02 - wohl Rn. 62), legt aber nicht dar, dass das Berufungsgericht einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem vom Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil formulierten Rechtssatz abweicht.

28bb) Auch im Hinblick auf das Merkmal einer "Unrechtsvereinbarung" wird in der Beschwerdebegründung keine rechtssatzmäßige Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt.

29Mit dem Verweis auf das - (NStZ 2006, 628 <629>) hat das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20 a. E.) lediglich zum Ausdruck gebracht, dass in der Tatbestandsvariante des "Forderns" eines Vorteils die Bestechungstatbestände bereits dann vollendet sind, wenn der Erklärungsempfänger von dem Verlangen des Amtsträgers Kenntnis erlangt. Dass aber der Erklärungsempfänger den Zusammenhang zwischen Vorteil und Amtshandlung erkennt oder wenigstens nach seiner Auffassungsgabe erkennen kann, ist nicht erforderlich ( - BGHSt 10, 237 <241> und vom - 3 StR 301/03 - BGHSt 49, 275 <282>). Erst recht wird nicht vorausgesetzt, dass der Empfänger der Erklärung die Forderung im Sinne einer Unrechtsvereinbarung akzeptiert ( - NStZ 2006, 628 <629>). Den von der Beschwerde herangezogenen Entscheidungen des 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 und Beschluss vom - 2 B 89.13 - BeckRS 2014, 47388) ist nicht der Rechtssatz zu entnehmen, dass für die Tatbestandsvariante der Vorteilsannahme, in der der Amtsträger für die Dienstausübung einen Vorteil für sich fordert, entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Zustandekommen einer Unrechtsvereinbarung zwischen dem Amtsträger und dem Empfänger der Erklärung in dem Sinne vorausgesetzt wird, dass der Empfänger den Zusammenhang zwischen dem Vorteil und der Amtshandlung erkennt oder erkennen kann.

30c) Das Berufungsurteil leidet aber an einem Verfahrensmangel (§ 70 LDG BB a. F. i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

31aa) Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich allerdings nicht, dass das Berufungsgericht die Beweisanträge vom verfahrensfehlerhaft abgelehnt hätte. Die Ablehnung eines förmlichen (unbedingt gestellten) Beweisantrags ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. 2 B 36.24 - juris Rn. 23). Das Berufungsgericht hat die Anträge, wie nach § 86 Abs. 2 VwGO erforderlich, noch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich und begründet beschieden.

32Auch inhaltlich ist die jeweilige Ablehnung nicht zu beanstanden. Ein Beweisantrag kann unter anderem dann abgelehnt werden, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, nicht hinreichend bestimmt ist. Ferner kennt auch der vom Untersuchungsgrundsatz bestimmte Verwaltungsprozess die Möglichkeit, einen Beweisantrag durch "Wahrunterstellung" abzulehnen. Diese Verfahrensweise setzt voraus, dass die behauptete Beweistatsache im Folgenden so behandelt wird, als wäre sie wahr (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 3 StPO in analoger Anwendung); dies kommt regelmäßig nur für nicht entscheidungserhebliche Behauptungen in Frage (stRspr, vgl. 9 C 47.85 - BVerwGE 77, 150 <155 ff.> und vom - 9 C 91.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 204; Beschluss vom - 2 B 7.18 - NVwZ 2019, 1675 Rn. 60).

33(1) Nach diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht den Beweisantrag Nr. 1 ohne Rechtsverstoß abgelehnt. Zum einen bleibt die Bedeutung des Begriffs der "hier streitgegenständlichen Besprechungen" unbestimmt. Zum anderen ist die Ablehnung wegen Unerheblichkeit der zu beweisenden Tatsache rechtmäßig, wenn die Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit der Begriffe "hier betroffenen Branche" sowie "hier streitgegenständlichen Besprechungen" zurückgestellt werden. Denn der zu beweisende Umstand, es entspreche den Gepflogenheiten in der Bankenbranche, dass die Besprechungen während eines Abendessens stattfinden, ist für die Frage, welches Verhalten eines Amtsträgers im Hinblick auf Einladungen eines Mitarbeiters einer Geschäftsbank, die zu dem Dienstherrn des Beamten bedeutende Geschäftsbeziehungen unterhält, an deren Zustandekommen der Beamte beteiligt war, ohne Bedeutung. Maßgeblich sind die Vorgaben des klagenden Landes in der Verwaltungsvorschrift über die Annahme von Belohnungen und Geschenken durch Beschäftigte des Landes Brandenburg vom . Diese war dem Beklagten nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 26 unter Verweis auf die Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts, UA S. 48) aufgrund seiner bereits achtjährigen Tätigkeit als Referatsleiter mit Personalvertretung im Ministerium der ... mehrfach zur Kenntnis gegeben worden.

34(2) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch den Beweisantrag Nr. 2 wegen Unerheblichkeit der zu beweisenden Tatsachen abgelehnt. Die konkreten zeitlichen Umstände der beruflichen Tätigkeit des Bankmitarbeiters D. am in Bezug auf Gespräche mit Mitarbeitern des klagenden Landes und die Üblichkeit von Bewirtungen der Geschäftspartner durch die Bank sind für die Frage, welches Verhalten für den Beklagten als Amtsträger geboten ist, wegen der genannten speziellen Vorgaben für Beamte nicht relevant. Das Entsprechende gilt für die unbedingten Beweisanträge Nr. 3 und 4. Die durch die Vernehmung des Bankmitarbeiters D. zu beweisenden Tatsachen, sind für das von Amtsträgern im Umgang mit Geschäftspartnern des Dienstherrn zu fordernde Verhalten nicht maßgeblich. Dies gilt zum einen für die behauptete Tatsache, die Kosten einer "Roadshow" trügen üblicherweise die Kunden, sodass die im Jahr 2010 gewählte Form der "Roadshow" ungewöhnlich gewesen sei, weil die Kosten zum Vorteil des klagenden Landes von der Geschäftsbank getragen worden seien, und zum anderen für die Behauptung, das Commemorative Dinner auf Schloss K. sei eine marktübliche Veranstaltung gewesen, deren Kosten wie üblich aus den von den führenden Banken eingenommenen Anleihegebühren gedeckt würden.

35(3) Nicht zu beanstanden ist schließlich die Ablehnung des Antrags Nr. 5 im Wege der Wahrunterstellung, den Bankmitarbeiter D. als Zeugen zu der Tatsache zu vernehmen, dass auch andere Bundesländer, beispielsweise das Land ..., in der Vergangenheit an Commemorative Dinner mitgewirkt hätten. Denn die Vorgaben über die Annahme von Belohnungen und Geschenken ergaben sich aus der auch vom Beklagten zu beachtenden Verwaltungsvorschrift des klagenden Landes Brandenburg aus dem Jahr 1996, sodass es auf die Verhältnisse in anderen Bundesländern nicht ankommt.

36bb) Die Beschwerde hat allerdings Erfolg, soweit sie rügt, dass das Oberverwaltungsgericht gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen hat, weil es den festgestellten Sachverhalt seiner Würdigung nicht vollständig zugrunde gelegt hat.

37Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Vorschrift verlangt damit, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt (vgl. 2 B 24.23 - NVwZ 2024, 1938 Rn. 12). Daraus folgt auch die Verpflichtung, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (vgl. bereits 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339> und vom - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.> sowie zuletzt etwa Beschluss vom - 2 B 39.24 - juris Rn. 16).

38Diese materiell-rechtliche Pflicht kann auch verfahrensrechtliche Bedeutung entfalten. Dies gilt in besonderer Weise für die Berücksichtigung entlastender Gesichtspunkte bei der Bemessung disziplinarischer Maßnahmen. Die Verwaltungsgerichte dürfen Milderungsgründe nicht als nebensächlich oder geringfügig "abtun". Sie verstoßen gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wenn der im Streitfall festgestellte Sachverhalt bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte als mildernder Umstand auf einzelne Sachverhaltsmomente reduziert und damit verkürzt wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 35.13 - NVwZ-RR 2014, 314 Rn. 18 ff. und vom - 2 B 60.14 - NVwZ-RR 2015, 50 Rn. 40 ff.).

39Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil nicht, weil es die Annahme eines mildernden Umstands aus der verspäteten Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht ernsthaft in Erwägung zieht, obwohl es selbst die "über einen längeren Zeitraum hinweg" andauernde Dienstpflichtverletzung festgestellt hat (UA S. 30). Es übergeht damit zugleich einen für das Vorbringen des Beklagten maßgeblichen Gesichtspunkt.

40Wie der Beklagte in der Nichtzulassungsbeschwerde (S. 32) zutreffend ausführt, ist bereits in der Berufungsbegründung vom (S. 24 f.) darauf hingewiesen worden, dass es zu den "Roadshows" und damit zum Großteil der disziplinarrechtlichen Vorwürfe (voraussichtlich) nicht gekommen wäre, wenn ein Disziplinarverfahren frühzeitig nach den Essenseinladungen vom November 2008 oder Dezember 2009, "spätestens" aber nach der Bewirtung vom März 2010 eingeleitet worden wäre. Der Beklagte hat dabei auch darauf hingewiesen, dass die Übernahme der Verpflegungskosten beim Abendessen in dem Dienstreiseantrag angegeben worden war. Anhaltspunkte dafür, dass von der für die Bearbeitung des Dienstreiseantrags zuständigen Stelle oder von anderer Seite "des Dienstherrn" irgendwie geartete Fragen gestellt oder Hinweise erteilt worden wären, sind vom Oberverwaltungsgericht weder festgestellt worden noch sonst ersichtlich. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil hat vielmehr auch der Leiter der Abteilung ... an den "Roadshows" vom Oktober und November 2010 teilgenommen und im Hinblick auf den eigens geschaffenen Haushaltstitel von der Einreichung eines Reisekostenerstattungsantrags abgesehen (UA S. 3). Unabhängig von der Frage, ob und warum es sich bei den Essenseinladungen für den damaligen Abteilungsleiter "um einen nicht vergleichbaren Sachverhalt" handeln soll (UA S. 31), ergibt sich aus den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts jedenfalls, dass die praktizierte Verfahrensweise in der Dienststelle des Beklagten üblich war und nicht beanstandet worden ist (vgl. hierzu auch die Feststellungen im Urteil des Verwaltungsgerichts, UA S. 64 ff.).

41Insbesondere aber trifft die Annahme nicht zu, dass "gestufte Disziplinarmaßnahmen nicht in Betracht" gekommen wären (UA S. 31). Dies gilt umso mehr, als das Oberverwaltungsgericht dem Beklagten gerade vorhält, seine dienstpflichtwidrigen Handlungen "über einen längeren Zeitraum hinweg" gezeigt zu haben (UA S. 30). Es ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die Verpflichtung zur frühzeitigen Einleitung von Disziplinarverfahren - hier aus § 18 Abs. 1 Satz 1 LDG BB - (gerade) auch in der Konstellation einer Vielzahl gleichartiger, zeitlich aufeinanderfolgenden Dienstpflichtverletzungen besteht und ein Verstoß hiergegen als mildernder Umstand zu berücksichtigen sein kann (vgl. 2 C 20.21 - NVwZ 2023, 1586 Rn. 29 und 32). Geklärt ist im Übrigen auch, dass dem Beklagten nicht vorgehalten werden darf, seine Auffassung "beharrlich und ohne das gebotene Unrechtsbewusstsein" vertreten zu haben (vgl. 2 B 32.14 - NVwZ-RR 2015, 622 Rn. 30).

42Das Berufungsurteil ist daher gemäß § 133 Abs. 6 VwGO aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:300625B2B40.24.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-97492