1. Ein Aufenthaltsrecht aus Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 wegen des Schulbesuchs eines Kindes setzt eine Eingliederung des Kindes in das Schulsystem des Aufnahmemitgliedstaates voraus, die über die formale Anmeldung an der Schule, das gelegentliche Aufsuchen des Schulgebäudes oder die seltene Teilnahme am Unterricht hinausgeht. Es muss eine tatsächliche und echte Teilnahme am allgemeinen Unterricht stattgefunden haben.
2. Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht aus Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 steht nicht nur dem Elternteil zu, das die elterliche Sorge für das Schulkind tatsächlich wahrnimmt, sondern auch jüngeren, betreuungsbedürftigen Geschwisterkindern, deren tatsächliche Sorge ebenfalls durch dieses Elternteil ausgeübt wird.
3. Das Berufen auf einen Arbeitnehmerstatus und ein darauf beruhendes Recht nach Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn Unionsbürger die Arbeitnehmerfreizügigkeit allein zu dem Zweck ausüben, in einem anderen Staat Sozialleistungen zu erhalten. Dieser Missbrauchstatbestand ist grundsätzlich eng auszulegen. Allein die Inanspruchnahme von Bürgergeld bzw Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die aufstockend zu einer tatsächlichen und echten Arbeitnehmertätigkeit oder zur (weiteren) Integration in den Arbeitsmarkt gewährt werden, rechtfertigt für sich genommen grundsätzlich noch nicht die Annahme eines Missbrauchs des Freizügigkeitsrechts. Erforderlich ist das Hinzutreten weiterer objektiver Umstände, die den Rechtsmissbrauch belegen.
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LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 23.07.2025 - L 2 AS 177/25 B ER