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StuB Nr. 16 vom Seite 1

Der XI. Senat des BFH und das Bilanzsteuerrecht – Abschied mit Wehmut!

WP/StB Prof. Dr. Ulrich Prinz

Der XI. Senat des BFH, der in den letzten Jahren neben der Umsatzsteuer vor allem auch für das Bilanzsteuerrecht zuständig war, wurde mit Ablauf des Juli 2025 wegen rückläufiger Streitfälle aufgelöst (Pressemitteilung des und Meldung auf S. VII dieser Ausgabe). In seine geschäftsplanmäßige Zuständigkeitsnachfolge für das Bilanzsteuerrecht tritt der IX. (Präsidenten-)Senat des BFH.

Aus diesem Anlass möchte ich dem XI. Senat für seine bilanzsteuerliche Rechtsprechung der vergangenen Jahre aus höchst subjektivem Blickwinkel Respekt und Lob zollen. Auch wenn das „Beraterherz“ mit den gewonnenen Rechtsergebnissen nicht immer glücklich war, hat der XI. Senat stets sehr analytisch auf Basis der positivistischen Rechtsgrundlagen, schnörkellos und ohne Umwege bilanzsteuerlich sachgerechte Ergebnisse gefunden. Zwei Beispiele aus jüngerer Zeit. Zum Ersten: Bahnbrechend und mit weitreichenden Folgen hat der BFH mit Beschluss XI R 25/21 vom die beitragsorientierte Leistungszusage ohne garantierte Mindestversorgung für Zwecke einer Pensionsrückstellung nach § 6a EStG in Orientierung am Teilwertverfahren anerkannt. Die Finanzverwaltung hatte dies bislang abgelehnt und muss sich nun neu orientieren. Ob der Gesetzgeber einschreitet, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat der XI. Senat die Diskussion um Pensionsrückstellungen für Direktzusagen bei betrieblicher Altersversorgung neu belebt. Zum Zweiten: Mit einem „Klassiker“ aus der Rückstellungswelt befasst sich der BFH in seiner NV-Entscheidung XI R 11/22 vom . Es geht um ein Eisenbahnverkehrsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH für die Streitjahre 2013/2014, das eine Verbindlichkeitsrückstellung für die künftige Wartung von Eisenbahnzügen aufwandswirksam in ihrer Steuerbilanz bilden wollte. Mit glasklarer Argumentation analysiert der XI. Senat basierend auf den finanzgerichtlichen Tatsachenfeststellungen die öffentlich-rechtliche und die privatrechtliche Wartungsverpflichtung des Unternehmens in ihrer kongruenten Ausgestaltung und lehnt im Ergebnis eine bilanzielle Vorsorge mittels einer Rückstellung ab. Die durch Festlegung einer zulässigen Betriebszeit indizierten Ermüdungs- und Abnutzungserscheinungen im Zusammenhang mit der Wartung der Triebwagen waren zum Bilanzstichtag nicht erfüllt, so dass die Wartungsverpflichtung sowohl nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung als auch nach dem abgeschlossenen Leasingvertrag – kein Erfüllungsrückstand aus einem schwebenden Geschäft – noch nicht wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht war. Der anstehende Wartungsaufwand weist Zukunfts- und nicht Vergangenheitsbezug auf. Eine Verbindlichkeitsrückstellung scheidet deshalb jedenfalls steuerbilanziell zu Recht aus. Der Bogen zur ständigen Rechtsprechung auch der anderen BFH-Senate wird geschlossen. Schulmäßig bereitet der XI. Senat die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die steuerliche Gewinnermittlung auf und nimmt eine Wertung der vorgefundenen rechtlichen Verpflichtungsstruktur des Unternehmens auf Basis des § 249 Abs. 1 HGB vor.

Die Auflösung des XI. Senats beim BFH ist eine Zäsur in der Rechtsentwicklung. Ungeachtet dessen ist zu erwarten, dass der seit auch für bestimmte Gewinnermittlungsthemen zuständige IX. Senat die bislang stets fachkundige und abgewogene Beurteilung vorgelegter Bilanzsteuerrechtsfragen ohne „systematische Bruchstellen“ fortsetzen wird.

Ulrich Prinz

Fundstelle(n):
StuB 16/2025 Seite 1
RAAAJ-97392