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BGH Beschluss v. - 6 StR 66/25

Instanzenzug: Az: 24 KLs 7/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Das auf die allgemeine Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Während Schuld- und Strafausspruch sowie die Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, hält die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten abzusehen, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3a) Nach den Feststellungen konsumierten der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte R. in der Nacht vor der Tat gemeinsam Methamphetamin und entschlossen sich, eine Spielhalle zu überfallen, um dadurch „besser ihren Drogenkonsum finanzieren zu können“. Kurz vor der Tat konsumierte der Angeklagte noch ein Viertel Gramm Methamphetamin.

4Das Landgericht hat dem Sachverständigen folgend beim Angeklagten das Vorliegen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und eine leichte Substanzgebrauchsstörung in Bezug auf Stimulanzien festgestellt. Bei dem Angeklagten sei nur das Kriterium eines „starken Verlangens oder einer Art Zwang, die Substanz zu konsumieren“, erfüllt, allenfalls noch dasjenige der „verminderten Kontrolle über den Substanzgebrauch“. Der Angeklagte sei weder in seiner Leistungsfähigkeit noch in seiner Gesundheit oder Lebensgestaltung eingeschränkt; er habe „seinen Lebensalltag und seine Beziehungen gut in einem konsumbereiten Milieu angepasst“. Zudem fehle es an der Erfolgsaussicht. Der Sachverständige habe die allgemeine Behandlungsprognose als ungünstig eingeschätzt. Mit 24 Punkten beim „LSI-R“ bestehe für den Angeklagten ein „moderates Rückfallrisiko im unteren Bereich“.

5b) Die Ablehnung eines Hangs im Sinne von § 64 StGB ist nicht tragfähig begründet.

6aa) Nach der am in Kraft getretenen und hier maßgeblichen Neufassung des § 64 StGB (BGBl. I Nr. 203, S. 2) erfordert der Hang eine Substanzkonsumstörung, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert. Auch unter Zugrundelegung des seit der Neufassung des Gesetzes strengeren Maßstabs (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 44 f., 69; , Rn. 11; vom – 4 StR 136/23, NStZ-RR 2024, 13, 14) erweisen sich die äußerst knappen Ausführungen des Landgerichts, mit denen es das Vorliegen eines Hangs verneint hat, als unvollständig und für das Revisionsgericht nicht nachvollziehbar.

7bb) Nach den Feststellungen ging der 1987 geborene Angeklagte nach Kündigung seiner Ausbildungsstelle aufgrund erheblicher Fehlzeiten seit 2007 keiner geregelten Tätigkeit mehr nach. Seit seinem 22. Lebensjahr konsumierte er wöchentlich in der Regel ein bis eineinhalb, maximal aber fünf Gramm Methamphetamin, bei zwei- bis viertägigen Konsumpausen. Mit dem Konsum gingen „nächtliche Aktivitäten“ einher. Die langjährige Lebensgefährtin des Angeklagten war ebenfalls Drogenkonsumentin, die gemeinsamen drei minderjährigen Töchter waren anderweitig untergebracht. Der Angeklagte zahlte keinen Kindesunterhalt, lebte vom Bürgergeld und hielt sich fast täglich in Spielhallen auf. Zur Finanzierung seines Drogenkonsums machte er keine Angaben, über ihn verschaffte sich der nicht revidierende Mitangeklagte Betäubungsmittel.

8cc) Angesichts dieser Feststellungen liegt das Bestehen einer Substanzkonsumstörung in Form eines nicht nur einfachen beziehungsweise episodenhaften Missbrauchs (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 44 f.) und hieraus resultierenden Beeinträchtigungen der sozialen Funktionsfähigkeit, mithin das Bestehen eines Hangs nicht fern. Demgegenüber hat die Strafkammer die vermeintlich fehlenden Einschränkungen in den genannten Bereichen der Lebensführung lediglich mit dem Hinweis auf die Anpassung an das „konsumbereite Milieu“ unterlegt. Der einjährigen Abstinenz im Anschluss an die im Jahr 2019 durchgeführte Entwöhnungsbehandlung hat der Sachverständige insoweit keine Bedeutung beigemessen, weil sie in einem „annähernden Zwangskontext“ eingegangen worden sei.

9c) Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die abgeurteilte Tat überwiegend auf den möglichen Hang zurückgeht (zum symptomatischen Zusammenhang vgl. , Rn. 6). Es handelte sich um eine Beschaffungstat. Das Landgericht hat dem Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung zudem zugutegehalten, dass er unter einem „gewissen Suchtdruck“ gehandelt habe, und zum etwaigen Einfluss der kombinierten Persönlichkeitsstörung verhält sich das Urteil nicht. Die für die Anordnung der Maßregel erforderliche tatsachenbasierte Erfolgsaussicht (vgl. , Rn. 6) scheidet hier nicht von vornherein aus. Die vom Sachverständigen ermittelten statistischen Werte sind allenfalls am Rande von Bedeutung (vgl. , Rn. 14).

102. Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bedarf deshalb – naheliegend unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) – insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:100625B6STR66.25.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-97130