Instanzenzug: Az: I-10 U 187/21vorgehend LG Wuppertal Az: 1 O 371/20
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Februar 2018 einen Gebrauchtwagen des Typs Audi Q5 3,0 Liter TDI Quattro mit einem Dieselmotor. Er hat mit der Klage im Wesentlichen verlangt, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen, und festzustellen, dass der Zahlungsanspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrühre. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge im tenorierten Umfang weiter.
Gründe
2Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
3Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:
4Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich nicht aus §§ 826, 31 BGB. Die von der Beklagten im Dezember 2017 erteilte Anweisung an ihre Vertragshändler, potentielle Kunden über den Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) und das anstehende Update zu informieren, stehe dem Vorwurf eines sittenwidrigen Handelns entgegen. Hinsichtlich des verbauten "Thermofensters" fehle es an der Darlegung von Umständen, die eine besondere Verwerflichkeit begründeten. Die Beklagte hafte auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liege nicht im Schutzbereich dieser Bestimmungen.
II.
5Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
61. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insofern auch keine Einwände.
72. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angegriffenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
8Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
9Die Berufungsentscheidung ist (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:300725UVIAZR1383.22.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-97119