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BVerwG Beschluss v. - 2 WDB 11.23

Tatbestand

1Die Beschwerde richtet sich insbesondere gegen eine vorläufige Dienstenthebung unter Einbehaltung von Dienstbezügen.

21. Der ... geborene Beschwerdeführer ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Stabsfeldwebels und war bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung als Materialbewirtschaftungsfeldwebel in der ...bataillon ... eingesetzt. Zum Leistungsbild führte sein Disziplinarvorgesetzter 2021 aus, der Soldat führe seine Aufträge zufriedenstellend und auf adäquatem Niveau aus. Der Soldat war zuletzt dienstunfähig geschrieben.

32. Am nahm die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des ...kommandos Vorermittlungen gegen den Soldaten wegen des "Aufrufs zu Anti-Corona-Maßnahmen via Facebook sowie Verstoßes gegen Corona-Befehle" auf. In Absprache mit der Wehrdisziplinaranwaltschaft verhängte der Disziplinarvorgesetzte eine Disziplinarbuße in Höhe von 3 200 €. Der dem zugrundeliegende Facebook-Post (Einleitungsverfügung Nr. 1a) bildete die Grundlage eines am vom Kommandeur des ...bataillons ... ausgesprochenen Dienstausübungs- und Uniformtrageverbotes gemäß § 22 SG.

43. Der Kommandeur des ...kommandos leitete nach Anhörung des Soldaten mit Verfügung vom ein gerichtliches Disziplinarverfahren ein, enthob ihn gleichzeitig vorläufig des Dienstes und verhängte ein Uniformtrageverbot. Die Vorwürfe in der Einleitungsverfügung lauten:

"1. Sie haben sich im Zeitraum Ende Mai bis Anfang August 2020 in diversen - von jedem Facebook-Nutzer einsehbaren - Facebook-Posts und Kommentaren zu Anti-Corona Schutzmaßnahmen wie folgt geäußert und damit wissentlich und willentlich gegen die Ihnen bekannte Unterweisung SARS-COV-2/COVID 19 FAS ...Btl ... vom über die Sie am aktenkundig belehrt wurden, verstoßen:

a. Sie äußerten sich im Facebook-Post vom : '[...] Wer jetzt immer noch nicht kapiert hat, was hier läuft bzw. nicht läuft, dem kann ich leider nicht mehr helfen. Gute Nacht und immer schön 'Weiterappen'. Ja watt denn nu. Mir ist es eigentlich egal, denn seit März fahre ich, wohin ich will, mache ich, was ich will und treffe mich, mit wem und mit wie vielen ich will, und trage so gut wie nie (Maskensmiley).'

b. Sie kommentierten am den Beitrag mit der Überschrift 'Polizei löst Demo in Berlin auf!' folgendermaßen: 'Wer jetzt immer noch der linken Lügenpresse das Märchen von 20.000 Demoteilnehmern glaubt, dem kann man nicht mehr helfen. Geschätzt ca. 1 Million. 1989 hat die Aktuelle Kamera die Montagsdemos auch totgeschwiegen. Das Ende ist bekannt. Der Staat wurde aufgelöst.'

c. Ebenfalls veröffentlichten Sie am folgenden Facebook-Post: 'Seit heute in Bayern. Hier herrscht Kaiser Söder. Also höchste Vorsicht geboten, denn seine Frau betreibt einen florierenden Handel mit Masken. Also muss das Volk mit aller Macht gezwungen werden, diese sinnlosen Dinger zu tragen. Dank der tollen dienstlich gelieferten Stofffetzen habe ich ja zum Glück genug Kostenlose davon. Mund und Nase werde ich auch hier nicht bedecken. Deswegen heißt es ab sofort: Kusn = Kinn und sonst nix. Hat bisher schon drei Mal funktioniert. Läuft.'

d. In einem auf Facebook veröffentlichten Video vom äußerten Sie: '[...] Haben am Platz ihren Kasper angezogen. Sind ein Meter zur Tür gelaufen, zur Tür raus und haben draußen das Ding wieder ausgezogen: Also an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Aber so ist es ja gewollt in unserem diktatorischen Staat [...], [...] So jetzt frag ich mal den Herrn Söder und seine ganzen ausgefressenen Fettsäue in München. Die sollen einfach mal Ihren fetten Arsch da hoch bewegen und sich mit der Frau unterhalten. Die arbeitet ihr ganzes Leben da oben. Hat wahrscheinlich mehr Antikörper in sich wie das ganze scheiß Parlament in München. Und die muss sich jetzt in ihren letzten Lebensjahren so was vorschreiben lassen. Sich in eine Zwangsmaske reinzwängen lassen. Nicht weil sie Angst hat vor einer Infektion, sondern weil sie Angst hat, dass sie angezeigt wird von Denunzianten, die hier erzogen worden sind in diesem scheiß Drecks Hygiene Staat.'

e. Zu dem unter Buchstabe d. veröffentlichten Video äußerten Sie in einem Post Folgendes: 'Heute bin ich richtig wütend. Hört es Euch an. Gerne teilen. Vielleicht erreicht es ja irgendwann diesen selbstherrlichen Diktator #antisöder.'

2. In einem Facebook-Post vom äußerten Sie: 'Bald bin ich weg aus dem verlogenen Zensur-Zuckerberg-Gleichschaltungsmedium. Ihr findet mich auf Telegram unter meiner Telefonnummer. Zeitenwende!!!' [Erläuterung der WDA: Als Konsequenz der Sperrung des Facebook-Accounts Donald Trumps.]

3. Am veröffentlichten und äußerten Sie in einem Facebook-Post: 'Verschwörungstheorie (Maskensmiley). Oder wer hätte vor einem Jahr gedacht, die Ausgangssperre usw. kommt. Und ich könnte wetten, die Schlafschafe werden auch DAS mit sich machen lassen. Übrigens: Morgen um 17 Uhr ist Demo in S. Für alle Aufgewachten.'

4. In einem am auf Ihrem Facebook-Account veröffentlichten Video äußerten Sie, zumindest sinngemäß: 'Jetzt wird's richtig ernst. Was die vier Restherrscher, die sich heute Nacht ins Kämmerlein verzogen haben und auf undemokratischste und diktatorischste Weise, was es jemals in der Bundesrepublik gegeben hat, beschlossen haben; das spottet jeder Beschreibung. Jetzt ist der demokratische Staat definitiv beerdigt. Man hat sogar die anderen 14 Ministerpräsidenten quasi ausgeschaltet, weil die vielleicht zu kritisch waren. Also gibt es nur noch die Frau Merkel und ein Herrn Scholz und den Bürgermeister von Berlin, den Kasper und den Söder. Die haben dann entschieden, dass das ganze deutsche Volk über Ostern eingesperrt wird. So etwas gab's in der Bundesrepublik Deutschland noch nie. Also ich glaub' noch nicht einmal im April 1945, als der Endkampf hier in Deutschland getobt hat. Noch nicht einmal da war den Bürgern verboten, Gottesdienste an Ostern zu besuchen. Durften die damals noch. Das wird jetzt verboten. Das ist ein Verbrechen. Das Endspiel hat begonnen. [...] Jetzt verbietet man den Angehörigen an Ostern ihre Eltern, Schwiegereltern, Omas, Opas im Altersheim zu besuchen. Das ist ein Verbrechen. Ein Verbrechen an der Menschlichkeit, Art. 1 Grundgesetz. Ein schlimmeres Verbrechen kann man nicht begehen. [...] Ich hab dann noch gesagt, 'ich beschwer mich, dann sagte Sie: 'ja beschweren Sie sich'. Meine Frau hat vorhin im Bürgermeisteramt in G. angerufen. Die schieben dann aufs Land. Das ist wie in der schlimmsten Diktatur. [...].'

5. In einem am in Ihrem Facebook-Account veröffentlichten Video äußerten Sie, zumindest sinngemäß ab Minute 2:08: 'Das Volk wird so für dumm verkauft. [...] Mittlerweile hab' ich Mitleid. [...] Die Frau [Erläuterung WDA: gemeint ist Bundeskanzlerin Dr. Merkel] ist psychisch krank. Wir hatten schon mehrere psychisch Kranke, die gemeint haben, irgendein' Staat zu führen. Ich sag' jetzt nicht wer. Das Ende dieser Regierung ist nahe. [...].'

6. Sie haben zu einem noch zu ermittelnden Zeitpunkt in der Zeit von Juni 2020 bis Januar 2021 in der ...bataillon ..., ..., ..., ... mehrfach, mindestens aber einmal gegenüber Ihren Untergebenen Ihren Unmut gegen Regierungshandeln zur Corona-Politik sowie gegen diesbezügliche Befehle des Verbandes und der Kompanie beeinflussend zum Ausdruck gebracht. Des Weiteren vertraten Sie gegenüber Untergebenen die Ansicht einer Verschwörung, hinter der sich Bill Gates verberge, sowie dass sich alle 'von denen da oben verarschen' ließen."

54. Am informierte das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) über weitere Aktivitäten des Soldaten: Aufruf zur und Teilnahme an einer Demonstration in S., Besuch von Veranstaltungen der Organisation "Querdenken 711", Aufruf zu einem "Kerzenspaziergang zur Stärkung des Immunsystems", Kommentar zu angeblich falschen Informationen zur Übersterblichkeit, Posts über Karl Lauterbach und Peter Altmeier sowie Post "Frieden, Freiheit, keine Diktatur". Bei einer Befragung durch das BAMAD am habe der Soldat die Bestellung von "Querdenken 711"-Artikeln und das Tragen einer Maske mit der Aufschrift "Diktatur" als ironischen Hinweis auf eine "Hygiene-Diktatur" eingeräumt.

6Nach Anhörung ordnete der Kommandeur des ...kommandos mit Verfügung vom die Einbehaltung von 50 % der Dienstbezüge des Soldaten an. Zur Begründung berief er sich auf die in der Einleitungsverfügung aufgeführten Vorwürfe. Darüber hinaus seien erhebliche weitere Dienstpflichtverletzungen aufgetreten. Aufgrund der kontinuierlichen Verletzung der Verfassungstreuepflicht sei zu erwarten, dass das Truppendienstgericht die Entfernung des Soldaten aus dem Dienstverhältnis aussprechen werde.

75. Bereits vor Zustellung stellte der Soldat am einen Antrag auf Aufhebung des geplanten anteiligen Einbehalts der Dienstbezüge. Mit Anwaltsschreiben vom beantragte er die Aufhebung aller Nebenentscheidungen. Ein Dienstvergehen sei nicht erkennbar. Die Äußerungen zu Mark Zuckerberg stellten bereits keine Kritik an staatlichen Entscheidungsträgern dar. Die übrigen Äußerungen seien als zulässige Kritik an Entscheidungsträgern von der Meinungsfreiheit gedeckt. Der letzte Punkt der Einleitungsverfügung sei unbestimmt, da jede Begründung, worin die Unmutsäußerung des Soldaten gelegen habe, fehle.

8Mit Bescheid vom lehnte der Kommandeur des ...kommandos die Anträge vom 11. September und ab. Neben den Vorwürfen in der Einleitungsverfügung wurden dem Soldaten folgende weitere Pflichtverletzungen zur Last gelegt:

"1. Sie riefen am um 14:30 Uhr von unbekanntem Ort über die Social-Media-Plattform 'Facebook' in einem Post, mit folgendem Wortlaut, 'Es wird spannend ... Mein Demo Plan die nächsten Tage:

:00 Uhr G. Schillerplatz

20.12. ab 17:00 Uhr G. Marktplatz

:00 Uhr W. (Kreis ...) Rathaus

Komm auch du! Nähere Infos per PN

ES REICHT (Emoji einer zuschlagenden Faust)',

welcher für sämtliche Personen wahrnehmbar war, u.a. zu einem sog. 'Kerzenspaziergang' für den in ... W. auf und traten damit, wie Sie wussten, als Leiter der Versammlung in Erscheinung. Diese Versammlung wurde nicht angemeldet und fand am zwischen 18:00 Uhr und 19:15 Uhr auf dem Rathausplatz der Gemeinde W. statt und zählte ca. 40-50 Teilnehmer.

Im sachgleichen Strafverfahren der Staatsanwaltschaft U., Az. ... wurde beim Amtsgericht G. der Erlass eines Strafbefehls wegen Abhaltung verbotener oder nicht angemeldeter Versammlungen oder Aufzüge gemäß §§ 26 Nr. 2, 14 VersG in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro insgesamt 1.600 Euro beantragt.

2. Sie hatten die Leitung der nicht angemeldeten, am zwischen 18:00 Uhr und 19:30 Uhr im Stadtgebiet in ... G. stattgefundenen, Versammlung 'Kerzenspaziergang' inne, obwohl Sie wussten zumindest hätten wissen können und müssen, dass Sie Versammlungen nicht ohne Anmeldung durchführen dürfen, indem Sie von Beginn der Versammlung an stetig im vorderen Bereich der Versammlung mitgelaufen sind und somit den Weg für die restlichen Teilnehmer vorgegeben haben sowie kurze Zeit nachdem der Versammlungszug den Bahnhofsvorplatz passiert hatte, haben Sie den anderen Teilnehmern im vorderen Bereich mitgeteilt, dass diese langsamer gehen sollten, damit der Zug nicht auseinanderreißt. Vor dem ... G. haben Sie zu einer Schweigeminute für die Pfleger, die der Maskenpflicht unterstanden, aufgerufen. Die Teilnehmer folgten jeweils Ihren Anweisungen.

Das sachgleiche Strafverfahren der Staatsanwaltschaft U., Az. ... wurde aus Opportunitätsgründen hinsichtlich einer weiteren Leitung einer unangemeldeten Versammlung am nach § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt.

3. Sie haben am im Innenstadtbereich der Stadt G. einen sogenannten 'Kerzenspaziergang' als Veranstalter oder Leiter durchgeführt, ohne diese vorher anzumelden, obwohl Sie wussten, dass Sie Versammlungen nicht ohne Anmeldung durchführen dürfen.

Das sachgleiche Strafverfahren der Staatsanwaltschaft U., Az. ... wurde aus Opportunitätsgründen hinsichtlich einer weiteren Leitung einer unangemeldeten Versammlung am nach § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt.

4. Sie führten am ab 17.30 Uhr in G. als alleiniger Anmelder die Veranstaltung 'Demo G. - für Frieden, Freiheit und eine Bewegung zum Wohle Deutschlands' durch, bei der bekannte Coronaleugner und Verschwörungstheoretiker, wie u.a Dr. ... L. und ... B., Redebeiträge hatten, wobei Sie wussten, dass diese Beiträge insbesondere auf eine Verunglimpfung der Bundesrepublik Deutschland abzielten sowie die Bundesrepublik Deutschland mit der Diktatur der Deutschen Demokratischen Republik gleichsetzten.

5. Weiterhin liegen durch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) folgende nachrichtendienstliche Erkenntnisse vor, aufgrund derer Sie als Verdachtsperson mit vorhaltbaren Erkenntnissen, die den Verdacht der fehlenden Verfassungstreue begründen, eingestuft werden.

a. Mit einem Facebook-Post riefen Sie zur Teilnahme an einer Demonstration in S. auf. Hier richteten Sie sich an alle 'Aufgewachten' und fügten einen Comic mit der Überschrift 'In naher Zukunft... - Wissenschaftler fanden heraus, dass die Übertragung der Viren ab einer Höhe von 70 cm stattfindet' bei sowie den Kommentar 'Verschwörungstheorie Lach-Smiley oder wer hätte vor einem Jahr gedacht die Ausgangssperre usw. kommt. Und ich könnte wetten die Schlafschafe würden auch DAS mit sich machen lassen. Übrigens. Morgen um 17 Uhr ist Demo in S. Für alle Aufgewachten Zeigefinger-Hoch-Smiley'.

b. Eine Verbindung von Ihnen zu der Organisation 'Querdenken 711' konnte vor allem in Form Ihrer Teilnahme an deren Veranstaltungen festgestellt werden.

c. In einer 'Story' auf Ihrem Instagram-Kanal riefen Sie unter dem Nutzernamen '...' offen zum Widerstand in Form eines 'Kerzenspaziergangs zur Stärkung des Immunsystems' auf.

d. Es konnte festgestellt werden, dass Sie mehrfach online Verschwörungstheorien sowohl im Hinblick auf die Arbeit der deutschen Presse als auch im Hinblick auf die Absichten der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Coronapandemie verbreiteten.

e. In dem Video 'POLIZEI LÖST DEMO IN BERLIN AUF' bezeichneten Sie die deutsche Presse als sog. 'Lügenpresse' und belegten dies mit vermeintlichen Beispielen. Auch in einem Facebook-Post griffen Sie diese These auf und unterstellten der Presse zu lügen ('Lügenpresse'). Hierbei bezogen Sie sich auf einen Beitrag von 'KenFM'.

f. In mehreren Ihrer Facebook-Posts sprachen Sie sich beleidigend gegenüber dem heutigen Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach und dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier aus: 'Jawohl. Solchen Menschen vertrauen wir. Zum Glück kann ich trotz 'Lockdown Light' weiterhin 4-mal die Woche pumpen und Sport treiben, wann immer ich will! Damit ich NIEMALS so aussehe wie dieses F*******k.'

'Lilalauterklabautermann erklärt uns den PCR-Test. Comedy pur. Wie kann man so einen geisteskranken überhaupt noch zu Wort kommen lassen. Er weiß: das Spiel ist aus.'

g. Sowohl in mehreren Facebook-Posts als auch in mehreren Videos (hier beispielhaft Anlage) verglichen Sie darüber hinaus die seitens der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie getroffenen Handlungsweisen mit denen in einer Diktatur.

h. Im Rahmen Ihrer Befragung durch das BAMAD gaben Sie am an, im Jahr 2020 mehrfach Demonstrationen - so u.a. in Berlin, Stuttgart und Leipzig - im Zusammenhang mit den damals geltenden Coronamaßnahmen besucht zu haben, sowie 'einen Hass' auf die Regierung und ihre Beschlüsse gehabt' hätten sowie die Theorie vertreten, dass 'die Regierung mit der Coronakrise den Mittelstand klein machen bzw. ganz vernichten wolle', 'die Regierung damit bezwecken wolle, dass das Bargeld abgeschafft werde. Noch wisse der Staat nichts über den Einzelnen, aber sofern das Bargeld abgeschafft und der digitale Impfpass eingeführt werde, würde sich dies umgehend ändern' und Sie 'vor dieser 'totalen Kontrolle' große Angst' hätten,

i. In einem Ihrer Videos trugen Sie eine Maske mit der Aufschrift 'Diktatur', wobei Sie diese 'einfach nur als Spaß' sehen würden und 'nur eine 'Hygiene-Diktatur' gemeint' sei.

6. Sie haben sich im Zeitraum Anfang Januar bis Mitte März 2023 in diversen von jedem Facebook-Nutzer einsehbaren - Facebook-Posts und Kommentaren mit dem öffentlich zugänglichen Account '...' von einem nicht mehr näher feststellbaren Ort innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu Anti-Corona Schutzmaßnahmen wie folgt geäußert, ohne dabei die notwendige Zurückhaltung insbesondere die Achtung der Rechte anderer, Besonnenheit, Toleranz und Sachlichkeit zu wahren:

a. Am posteten Sie zu einem Video des Aktionsbündnisses 'Oberlausitz Selbstbestimmt und Frei' und der Videounterschrift 'Yann Song King - Ri Ra Rutsch, wir fahren heut zum Putsch + Mahnw ...' den Kommentar 'Ri, ra, Rutsch ... wir fahren heut zum Putsch LachSmiley'.

b. Am posteten Sie über einem Video einer momentan unbekannten Rede 'Sie haben Angst und Panik vor dem Tag an dem alles ans Licht kommt. Der Tag wird kommen. Geduld Zeigefinger-Hoch-Smiley'.

c. Am posteten Sie zu einem Video 'Ist wohl schon ein paar Wochen alt und in der Mediathek von ARD gelöscht (warum wohl Lach-Smiley). DAS kam tätsächlich im BR. Wer waren eigentlich die Covidioten? - Der Erwachungsprozess ist in vollem Gange! Natürlich wird beim größten Verbrechen der Nachkriegszeit von Tätern noch alles bestritten...aber Abwarten...2023 wird das Jahr der Aufklärung'.

d. Am posteten Sie 'Das beste Mittel gegen den Woahnsinn: Sport Daumen-Hoch-Smiley. Kritisieren darf man ja in der 'besten Demokratie aller Zeiten' nichts mehr'.

e. Am posteten Sie über dem Bildnis oder eines Videos der ehemaligen Bundeskanzlerin Dr. Angela Dorothea Merkel und dem ehemaligen Regierungssprecher der deutschen Bundesregierung Steffen Seibert sowie der Unterschrift 'BILD Enthüllt! Geheim-Gipfel der Regierung mit Facebook und Goog...' posteten Sie 'Eine Zensur findet nicht statt... steht zumindest so im Grundgesetz Zeigefinge-Hoch-Smiley Besorgt-Smiley Ihr Lügner! Es kommt alles raus. ALLES!'

f. Am posteten Sie über einem Video mit dem Start-Bildnis auf dem Prof. Dr. Christian Drosten, der amtierende Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach, der damalige Präsident des Robert Koch-Instituts Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Lothar H. Wieler und Prof. Dr. med. Hendrik Streeck (alles Mitglieder im Covid-ExpertInnenrat der Bundesregierung) abgebildet sind, in der linken oberen Ecke ein rotes Quadrat mit weißer Schrift 'Bild' und mittiger Schrift am unteren Rand 'Es wird so getan, als sei NICHTS gewesen!' sowie dem Videotitel 'Corona-Politik in Deutschland: Alles MUSS aufgearbeitet werden! [...]' den Kommentar 'Ich habe von Beginn an alles hinterfragt und kritisiert. Deswegen habe ich sehr viel verloren und gelitten. Es ist so viel unfassbares Leid durch diese Figuren erzeugt worden'.

g. Am posteten Sie ein horizontal zweigeteiltes Bild, bei dem im oberen Bereich eine Gruppe von neun Personen, davon zwei Kinder, jeweils alle mit Mund-Nasen-Bedeckung, vier Personen mit Regenmänteln und Wasserspendern auf dem Kopf und Koffern neben sich sowie der Unterschrift 'Normale Bürger' und im unteren Bereich eine lachende Gruppe von acht Menschen verschiedenen Alters bei einem Gruppenfoto vor einem Sonnenaufgang sowie der Unterschrift 'Verschwörungstheoretiker'.

h. Am über einem Video mit Geldscheinen auf dem Start-Bild den Kommentar 'Hammer News aus England. Sie haben uns von Anfang an belogen, diese Dre ..schw...e Erbrechender-Smiley. Wenn das um die Welt geht, dann kann es endlich losgehen mit den Gerichtsprozessen gegen diese elendigen Lügner! ALLES KOMMT RAUS! Video unbedingt anschauen (nebenbei hören geht auch) und TEILEN TEILEN TEILEN damit auch das letzte Schlafschaf endlich aufwacht!!!'.

7. Neben der o.g. Teilnahme und Organisation der Veranstaltung am in G., bei welcher Sie auch Redebeiträge hatten, sowie weiteren Teilnahmen an Querdenker-Demonstrationen und Aufrufen zu sogenannten 'Spaziergängen' unter expliziter Nutzung des Hashtags 'Widerstand', ziehen Sie auf Ihrem öffentlich zugänglichen Facebook-Account sowie Instagram-Account (Benutzername: '...') kontinuierlich Vergleiche zwischen den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung und einer Diktatur. Damit verbreiten Sie wissentlich und gewollt sogenannte Verschwörungstheorien. Darüber hinaus werden staatliche Institutionen von Ihnen immer wieder verächtlich gemacht."

9Zur Begründung führte der Kommandeur aus, der vor Zustellung der Nebenentscheidung nach § 126 Abs. 2 WDO gestellte Antrag vom sei unzulässig, da verfrüht eingelegt. Der Folgeantrag sei unbegründet, da mit der Verhängung der Höchstmaßnahme zu rechnen sei. Von einer verfassungsfeindlichen Gesinnung des Soldaten sei insbesondere aufgrund des Verbreitens von Verschwörungstheorien, der fehlenden Distanzierung von Organisationen aus dem Querdenkerbereich, einem Gleichsetzen der politischen Ordnung mit einer Diktatur und der Diffamierung der staatlichen Entscheidungsträger auszugehen. Dieses Verhalten überschreite die Grenzen der Meinungsfreiheit. Der Einbehalt von 50 % der monatlichen Dienstbezüge sei verhältnismäßig, da der Familie des Soldaten nach Abzug aller laufenden Kosten ein monatlicher Betrag von 1 571,05 € verbleibe. Der Ablehnungsbescheid wurde dem Soldaten am zugestellt.

106. Am beantragte der Soldat beim Truppendienstgericht die Aufhebung der Nebenentscheidungen. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen den bisherigen Vortrag. Die Einbeziehung weiterer Vorwürfe im Bescheid vom sei unzulässig, da diese nicht mit der Begründung der vorläufigen Dienstenthebung sachgleich seien. Ferner handele es sich ebenfalls lediglich um Fälle, die von der Meinungsfreiheit erfasst seien. Auch habe eine Abwägung bei der Entscheidung nicht stattgefunden, so dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt worden sei. Zu Unrecht habe der Kommandeur seine Fürsorgepflicht aus § 10 Abs. 3 SG nicht hinreichend berücksichtigt. Da die Entscheidung erst sechs Monate nach Antragstellung ergangen sei, liege eine bewusste Verfahrensverzögerung und damit ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vor.

11Mit Beschluss vom hat das Truppendienstgericht den Antrag des Soldaten zurückgewiesen. Mit den in der Einleitungsverfügung aufgeführten Punkte 1 d, 1 e, 4 und 5 beschriebenen Äußerungen sowie mit den im Ablehnungsbescheid vom unter den Punkten 5 f, 6 a, 6 c bis e und 6 h beschriebenen Äußerungen habe der Soldat objektiv gegen seine Verfassungstreuepflicht verstoßen. Die Äußerungen seien vorsätzlich erfolgt und von einer verfassungsfeindlichen Gesinnung getragen. Die Hartnäckigkeit des Festhaltens an seinem Fehlverhalten in Verbindung mit der unverminderten Schärfe seiner Äußerungen spreche für eine tiefsitzende Verachtung des Staates und seiner Repräsentanten, die auch nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Die Verhängung der Höchstmaßnahme sei hinreichend wahrscheinlich. Der für die Anordnungen nach § 126 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO erforderliche besondere Grund liege somit vor. Der Beschluss wurde dem Verteidiger am zugestellt.

127. Mit seiner am erhobenen Beschwerde verfolgt der Soldat sein Anliegen weiter. Er habe nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung agitiert, sondern sich für die Geltung der Grundrechte eingesetzt. Ein Dienstvergehen liege somit nicht vor. Dies folge insbesondere aus dem Grundsatz "nulla poena sine lege scripta", da die Äußerungen zum Zeitpunkt der Tat keine Straftat dargestellt hätten. Der Straftatbestand der Beleidigung von Personen des politischen Lebens nach § 188 Abs. 1 StGB sei erst im April 2021 eingeführt worden. Bei mehrdeutigen Äußerungen sei ferner nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von der für den Betroffenen günstigeren Auslegung auszugehen. Bei den vom Truppendienstgericht angeführten Vorwürfen sei im Einzelnen zu berücksichtigen, dass er bei den beabsichtigten Kontaktverboten an Ostern unglaublich wütend gewesen sei, da Besuchsverbote im Altersheim bei seiner Mutter gedroht hätten. Die Aussage, die Bundeskanzlerin sei psychisch krank, sei zu seinen Gunsten auszulegen. Der Kommentar gegenüber Gesundheitsminister Lauterbach (Ablehnungsbescheid Punkt 5 f) sei zwar überspitzt, der Minister delegitimiere sich durch sein wirres Verhalten jedoch selbst. Der Vorwurf sei zudem mangels Datums der Kommentierung nicht hinreichend bestimmt. Das gepostete Video mit dem Lied "Ri-Ra-Rutsch, wir fahren heut' zum Putsch" falle unter den Satirebegriff. Die Äußerung "größtes Verbrechen der Nachkriegszeit" (Ablehnungsbescheid Punkt 6 c) sei von der Meinungsfreiheit gedeckt.

13Die Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft tritt der Beschwerde entgegen. Sie teilt die Einschätzung des Truppendienstgerichts, dass die disziplinare Höchstmaßnahme zu erwarten sei, und hält die Beschwerde für unbegründet.

148. Nach Auskunft der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des ...kommandos dauern die Ermittlungen im gerichtlichen Disziplinarverfahren noch an. Das Bundesamt für das Personalmanagement prüfe die Durchführung eines sachgleichen Entlassungsverfahren auf der Grundlage von § 46 Abs. 2a Nr. 1 Buchst. a SG.

15Das Amtsgericht G. hat den Soldaten mit Urteil vom wegen Abhaltung nicht angemeldeter Versammlungen oder Aufzüge gemäß § 26 Nr. 2 i. V. m. § 14 VersG zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen in Höhe von 50 € verurteilt. Die Berufung wurde vom Landgericht U. mit Urteil als unbegründet verworfen.

16Mit Schreiben vom teilte das BAMAD mit, der Soldat werde nunmehr als erkannter Extremist eingestuft. Übermittelt wurde insbesondere ein von ihm verfasster Leserbrief, in dem er die Berichterstattung über die "Montagsspaziergänge" mit dem Ende der DDR-Diktatur verglich. Weitere Posts des Soldaten wiesen ihn als Veranstalter von Demonstrationen aus.

Gründe

17Die zulässige Beschwerde ist begründet.

181. Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. An einem Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbots kann es zwar fehlen, wenn der Soldat nach eigenen, durch ärztliche Befunde auch glaubhaften Angaben auf unabsehbare Zeit dienstunfähig ist ( 2 WDB 16.21, 2 W-VR 2.21 - juris LS 1). Mit dem vom Soldaten vorgelegten ärztlichen Befund vom wurde aber nur eine vorläufige Dienstunfähigkeit festgestellt, keine Dienstunfähigkeit auf unabsehbare Zeit. Nach Aktenlage wurde auch kein Entlassungsverfahren aufgrund der Dienstunfähigkeit angestrebt. Es ist demnach zu erwarten, dass der Soldat wieder Dienst leisten kann, so dass ihn die Anordnungen weiterhin beschweren.

192. Die Beschwerde gegen die Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 50 % ist begründet. Voraussetzung für die Einbehaltung der Dienstbezüge ist nach § 126 Abs. 2 WDO, dass im gerichtlichen Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Maßgebend für diese Prognose ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Beschwerdeentscheidung (vgl. 2 WDB 6.05 - juris Rn. 24 m. w. N.). Bei der im vorläufigen Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 i. V. m. § 114 Abs. 3 Satz 2 WDO nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist im vorliegenden Verfahren aber nicht zu erwarten, dass gegen den Soldaten die disziplinare Höchstmaßnahme verhängt wird.

20a) Der Soldat hat in tatsächlicher Hinsicht das ihm in der Einbehaltensanordnung und im Ablehnungsbescheid vorgehaltene objektive Geschehen bei seinem außerdienstlichen Verhalten größtenteils nicht bestritten. Der Bevollmächtigte führt zwar aus, der Soldat habe keine Maske mit der Aufschrift "Diktatur" getragen (Ablehnungsbescheid 5 i). Der Ermittlungsakte ist jedoch ein entsprechendes Foto des Soldaten zu entnehmen (BA II 136), so dass auch dies voraussichtlich in objektiver Hinsicht nachgewiesen werden kann. Das in der Einbehaltensanordnung unter Nr. 6 vorgeworfene innerdienstliche Verhalten ist allerdings nach Zeit, Ort und Inhalt vage und kann mangels ausreichender Ermittlungen nicht als voraussichtlich objektiv erweislich angesehen werden. Auch der in Punkt 7 des Ablehnungsbescheides enthaltene zusammenfassende Vorwurf enthält keine konkreten neuen Vorhaltungen, so dass schon in objektiver Hinsicht der Nachweis weiteren vorwerfbaren Verhaltens nicht zu erwarten ist. In subjektiver Hinsicht kann davon ausgegangen werden, dass der Soldat bei dem ihm zum Vorwurf gemachten und voraussichtlich erweislichen außerdienstlichen Verhalten wissentlich und willentlich gehandelt hat.

21b) Das dem Soldaten vorgeworfene Verhalten ist teilweise pflichtwidrig und begründet insoweit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG.

22aa) Eine Verletzung der Verfassungstreuepflicht des § 8 SG liegt entgegen der Auffassung der Wehrdisziplinaranwaltschaft nur in wenigen Äußerungen, weil sich die öffentlichen Meinungskundgaben des Soldaten im Wesentlichen in umfangreichen Polemiken gegen die Corona-Politik der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung erschöpfen.

23(1) Die unabhängig vom Dienstgrad bestehende Verfassungstreuepflicht verlangt von einem Soldaten jedoch nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Bundesregierung oder der im Bundestag vertretenen Parteien zu identifizieren und sie zu unterstützen ( 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 22); ebenso zulässig ist, dass ein Soldat seine Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses (Art. 4 Abs. 1 GG) und seine Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) in Anspruch nimmt, um an Erscheinungen oder Entwicklungen in Staat und Gesellschaft Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse einschließlich - mit den verfassungsrechtlich zulässigen Mitteln des Verfassungsrechts - zu werben ( 2 WD 11.22 - BVerwGE 179, 118 Rn. 38). Vor diesem Hintergrund können die polemischen Facebook-Posts des Soldaten an den von der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung verordneten COVID-19-Schutzmaßnahmen größtenteils nicht als verfassungsfeindliche Äußerungen und seine Teilnahmen an Demonstrationen gegen diese Maßnahmen nicht pauschal als verfassungsfeindliche Betätigungen gewertet werden.

24§ 8 SG verpflichtet einen Soldaten jedoch, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes zum einen anzuerkennen und zum anderen, für ihre Erhaltung einzutreten ( 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 44). Dabei liegt eine Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht nur dann vor, wenn abstrakt eine Abschaffung zentraler Grundprinzipien gefordert wird, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind, wie etwa die Würde des Menschen, das Demokratieprinzip oder der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Vielmehr bezieht sich das Dienst- und Treueverhältnis von Soldaten, Beamten und anderen Hoheitsträgern nach Art. 33 Abs. 4 GG auch auf den konkreten Verfassungsstaat, seine gegenwärtigen Institutionen und seine demokratisch legitimierten Repräsentanten. Aus diesem Grund schulden aktive Beamte und Soldaten dem aus freien Wahlen hervorgegangenen Bundestag und der von ihm demokratisch legitimierten Bundesregierung Loyalität. Sie sind zur Verfassungs- und Staatstreue auch und gerade in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen verpflichtet. Darum muss ein Soldat aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Loyalitätspflicht feindselige Betätigungen gegen den konkreten Verfassungsstaat unterlassen. Er verletzt seine Verfassungstreuepflicht, wenn er die Staatsorgane nicht lediglich kritisiert, sondern ihre demokratisch gewählten Repräsentanten diffamiert, ihnen die Legitimation abspricht, ihre Absetzung in verfassungswidrigen Verfahren befürwortet oder gar zum gewaltsamen Sturz auffordert (vgl. - BVerfGE 39, 334 <348>; 2 WD 11.22 - BVerwGE 179, 118 Rn. 20 f.).

25(2) Nach diesen Maßstäben hat der Soldat mit den Äußerungen zu den Punkten 1 d, e und 5 der Einbehaltensanordnung sowie den Punkten 5 f und 5 i des Ablehnungsbescheids voraussichtlich seine Pflicht zur Verfassungstreue verletzt. Denn er hat dadurch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Rahmen einer polemisch überspitzten Kritik an den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung überschritten und ist zu einer Diffamierung und Delegitimierung des konkreten Staates und seiner demokratisch legitimierten Repräsentanten übergegangen. In diesen Posts werden der konkrete Staat und seine gewählten Repräsentanten pauschal diffamiert. Der Staat wird pauschal als "Diktatur" und als "Drecks Hygiene Staat" bezeichnet, der Bayerische Landtag als "scheiß Parlament" herabgewürdigt, Ministerpräsident Söder wird als "selbstherrlicher Diktator" diskreditiert und die ehemalige Kanzlerin als "psychisch krank" eingeordnet, womit ihr die Fähigkeit zur Lenkung der Staatsgeschäfte abgesprochen wird. Mit diesen öffentlichen Äußerungen hat der Soldat voraussichtlich seine Pflicht verletzt, durch sein gesamtes Verhalten für die Erhaltung der freiheitlich demokratischen Grundordnung einzutreten (§ 8 Alt. 2 SG).

26Demgegenüber erscheint ein Verstoß gegen die Pflicht, die freiheitlich demokratische Grundordnung anzuerkennen (§ 8 Alt. 1 SG), bislang nicht hinreichend wahrscheinlich. Dass der Soldat eine verfassungsfeindliche Gesinnung hat, ergibt sich aus den Vorwürfen nicht. Seine Posts sind insgesamt von Wut über die Maßnahmen gezeichnet, die nach seiner Aussage insbesondere auf den Auswirkungen der Corona-Verordnungen auf seine Familie beruhen. So konnte er seine gerade aus der Psychiatrie in ein Altersheim überwiesene Mutter zehn Wochen lang nicht besuchen, was zu einer extremen Belastung seiner Mutter und auch für ihn führte. Gleiches galt für die pflegebedürftigen im Haus lebenden Schwiegereltern, die nunmehr durch seine Frau gepflegt werden mussten. Auch sein bisher leistungsstarker Sohn sei durch das Home-Schooling abgefallen. Diese Wut zeigt sich in dem Post gegenüber Ministerpräsident Söder, in dem er ausdrücklich schreibt, heute "richtig wütend" zu sein. Es ist wahrscheinlich, dass diese Wut und eine gewisse Ohnmacht gegenüber der Unveränderlichkeit der Maßnahmen den Soldaten zu drastischen Äußerungen getrieben haben, um seine Gefühlslage zu unterstreichen. In diesem Sinn kann auch sein Bild mit Maske mit der Aufschrift "Diktatur" gewertet werden. Hingegen hat er immer betont, für Grundrechte einzustehen und seine Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit ausüben zu wollen, da auch der Staat an kritischen Soldaten ein Interesse haben müsse.

27Auch der Post, in dem das Lied von Yann Song King "Ri Ra Rutsch wir fahren heut zum Putsch" gelikt wird (Ablehnungsbescheid 6 a), lässt nicht auf eine verfassungsfeindliche Einstellung des Soldaten schließen. Bei der disziplinarrechtlichen Würdigung von Äußerungen ist von ihrem objektiven Erklärungsgehalt auszugehen, wie ihn ein unbefangener Dritter verstehen muss. Dabei sind alle Begleitumstände einschließlich des Kontextes und der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebene, auf der sich die Bekundung bewegt, zu berücksichtigen (vgl. - NJW 2022, 769 Rn. 17 m. w. N). Bei mehrdeutigen Bekundungen müssen andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor ihnen eine zu einer Sanktionierung führende Bedeutung zugrunde gelegt wird ( - NJW 1992, 2750 <2751>; 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 31).

28In dem Liedtext geht es um eine Gruppe von monarchistisch eingestellten Kleinbürgern, die mit der "Reichsbahn" zum "Reichstag" fahren, mit Stinkbomben, Knallerbsen und Stromabdrehen für Unruhe sorgen und am Abend gespannt den "Putsch"-Brennpunkt zu Hause im Fernsehen ansehen. Der Songtext hat satirisch-parodistische Elemente. Man kann ihn dahingehend deuten, dass der Liedermacher sich in Form einer Posse über die Reichsbürgerszene lustig macht. Dieses Verständnis kann jedenfalls nicht mit schlüssigen Argumenten ausgeschlossen werden. Dass der Soldat das Lied mit einem lachenden Emoji gelikt hat, spricht dafür, dass er es als scherzhafte Parodie verstanden hat. Jedenfalls kann der Facebook-Post bei der gebotenen objektiven Auslegung weder als ernsthafter Umsturzaufruf noch als Sympathisieren mit Putschüberlegungen ausgelegt werden. Er lässt darum auch keinen Rückschluss auf eine verfassungsfeindliche Einstellung des Soldaten zu.

29An dieser Einschätzung ändert auch die Einstufung des Soldaten als Extremist im Schreiben des BAMAD vom nichts. Dieser Einstufung kommt zwar als Behördenzeugnis die Bedeutung eines sekundären Beweismittels zu (vgl. 2 WD 13.23 - juris Rn. 35 m. w. N.). Das BAMAD stützt seine Einstufung aber nur auf die bereits angeführten Facebook-Posts, auf die Aufrufe des Soldaten, an Demonstrationen gegen COVID-19-Maßnahmen teilzunehmen, die es der Querdenker-Bewegung zuordnet, und einen Leserbrief.

30Der Leserbrief vom Juni/​Juli 2022 enthält jedoch keine verfassungsfeindlichen Inhalte, sondern eine Kritik an der Berichterstattung in der ... Zeitung über die "Montagsspaziergänge" in G. Der Soldat hat in dem von ihm als Post ins Internet gestellten Leserbrief im Wesentlichen seine Motive für die Teilnahme an COVID-19-kritischen Demonstrationen dargelegt und die mangelnde Berichterstattung über die Demonstrationen mit dem Schweigen der DDR-Medien über regimekritische Demonstrationen im Jahr 1989 verglichen. Es handelt sich dabei um eine grundsätzlich zulässige Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), die auch einem Soldaten offensteht, um seine Meinung einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen (vgl. 1 WB 159.71 - BVerwGE 46, 175 <181>).

31Auch der Auftritt als Veranstalter der angemeldeten Demonstrationen in G. vom 27. Juni und rechtfertigt voraussichtlich nicht den Rückschluss auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung. Der Soldat hat nicht bestritten, Corona-Maßnahmen kritisch gegenüberzustehen. Allein auf dieser Grundlage kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht auf eine Verfassungsfeindlichkeit der Veranstaltung geschlossen werden. Dass die Redebeiträge von ... G. und Dr. ... L. bei der Veranstaltung verfassungsfeindliche Inhalte gehabt hätten und dem Soldaten zugerechnet werden könnten, ist bislang weder detailliert dargelegt noch belegt worden. Soweit der Soldat vom BAMAD aufgrund seiner Angaben und seiner Kleidung bei einer Demonstration in Leipzig als Sympathisant der "Querdenken 711"-Bewegung eingeordnet wird, genügt dies nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen ebenfalls nicht für den Nachweis einer verfassungsfeindlichen Gesinnung. Die Bewegung wurde zwar vom Verfassungsschutz Baden-Württemberg laut Pressemitteilung vom als Beobachtungsobjekt geführt (https://www.verfassungsschutz-bw.de/,Lde/​Reaktion+von+​_Querdenken_+auf+die+Beobachtung+durch+den+Verfassungsschutz). Darin heißt es aber auch, dass es sich um eine äußerst heterogene Gruppe handele und die weit überwiegende Zahl der Demonstrationsteilnehmer keine verfassungsfeindliche Haltung habe.

32bb) Des Weiteren hat der Soldat bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage vorsätzlich gegen das in § 10 Abs. 6 SG enthaltene Zurückhaltungsgebot verstoßen.

33(1) Die Vorschrift verlangt von einem Unteroffizier und Offizier, bei seinen Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten. Denn Vorgesetzte brauchen das Vertrauen der Soldaten, die sie führen. Sie sollen ihren Soldaten auch durch Besonnenheit, Offenheit und sachliches Urteil ein Vorbild sein. Intolerantes Auftreten ist damit unvereinbar. Der Sinn der Vorschrift ist es regelmäßig nicht, bestimmte Meinungsäußerungen wegen ihres Inhalts zu verbieten. Den Vorgesetzten bleibt es unbenommen, ihre Meinung frei zu äußern. Sie müssen ihren Standpunkt aber zum Erhalt ihrer Autorität als Vorgesetzte besonnen, tolerant und sachlich vertreten ( - BVerfGE 28, 36 <47>; 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 14).

34§ 10 Abs. 6 SG erfasst alle "Äußerungen", die geeignet sind, das Vertrauen in Vorgesetzte zu erschüttern. Das Mäßigungsgebot gilt grundsätzlich innerhalb und außerhalb des Dienstes, auch im Wahlkampf und bei politischen Kundgebungen. § 10 Abs. 6 SG schränkt als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG die Meinungsäußerungsfreiheit zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr (Art. 17a Abs. 1 GG) ein (vgl. - BVerfGK 11, 82 <86 f.>). Zwischen Grundrechtsschutz und Grundrechtsschranken besteht aber eine Wechselwirkung. Gesetzliche Regelungen, die die Meinungsfreiheit beschränken, sind aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung der Meinungsfreiheit ihrerseits wieder einschränkend auszulegen (vgl. - BVerfGE 7, 198 <208 f.>). Daher kann bei einer außerdienstlichen politischen Betätigung auch eine polemisch überspitzte Kritik zulässig sein (vgl. 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 23 ff.).

35(2) Nach diesen Maßstäben hat der Soldat das Mäßigungsgebot des § 10 Abs. 6 SG durch mehrere extrem unsachliche und beleidigende Äußerungen in seinem Facebook-Auftritt verletzt. Dies gilt für die Äußerung "Herr Söder und seine ganzen ausgefressenen Fettsäue [...]" als Bezeichnung der Angehörigen der Bayerischen Staatsregierung (Einbehaltensanordnung 1 d) sowie die Beschimpfung des Ministerpräsidenten Söder als Diktator, die dessen demokratische Legitimation in Zweifel zieht (Einbehaltensanordnung 1 e). Mit der herabwürdigenden Behauptung vom , die Bundeskanzlerin sei psychisch krank, hat er ihr in unsachlicher Weise die Fähigkeit zur Führung des Landes abgesprochen (Einbehaltensanordnung 5). Dies wiederholte er in einem Facebook-Post vom gegenüber dem damaligen Abgeordneten und späteren Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (Ablehnungsbescheid 5 f) und setzte seine Herabwürdigungen am mit der Bezeichnung der früheren Regierung um Angela Merkel als "Lügner" fort (Ablehnungsbescheid 6 e). In ähnlicher Weise bezeichnet der Soldat in seinem Post vom im Hinblick auf angebliche Enthüllungen aus England Verantwortliche für Corona-Maßnahmen als "Drecksschweine" und "Lügner" (Ablehnungsbescheid 6 h). Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes mit der Aufschrift "Diktatur" stellt ebenfalls eine Aussage dar, die gegen die Pflicht zur Sachlichkeit und Zurückhaltung verstößt (Ablehnungsbescheid 5 i). Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung dafür, dass der Soldat als Staatsdiener bei seiner Kritik an anderen Amtsträgern die nötige Besonnenheit vermissen ließ, ist hierbei nicht erkennbar.

36Seine Pflicht zur Zurückhaltung hat der Soldat voraussichtlich auch mit den Kommentaren zur Demonstration in Berlin (Einbehaltensanordnung 1 b und Ablehnungsbescheid 5 e) verletzt. Soweit er die Berichterstattung über die Anzahl der Demonstrationsteilnehmer als unrichtig kritisiert und ausführt, dass in Wahrheit wesentlich mehr Demonstranten vor Ort gewesen seien, liegt darin eine unbedenkliche Meinungsäußerung mit einem bislang nicht widerlegten Tatsachenkern. Die Zuspitzung und Pauschalierung dieser Kritik mit dem Schlagwort "linke Lügenpresse", stellt zwar zumeist nur ein von Art. 5 Abs. 1 GG grundsätzlich geschütztes abwertendes Werturteil und keine Schmähkritik dar (vgl. - juris Rn. 67 ff.). Sie verletzt hier aber das Mäßigungsgebot des § 10 Abs. 6 SG, das von Unteroffizieren und Offizieren auch außer Dienst ein sachliches und besonnenes Auftreten erwartet. Mit dem Begriff der "Lügenpresse" greift der Soldat ein in extremistischen Kreisen verwendetes Schlagwort auf, mit dem allgemein und undifferenziert gegen Pressemedien Stimmung gemacht und suggeriert wird, die Presse verbreite vorsätzlich Unwahrheiten (vgl. .OVG - juris Rn. 112).

37Mit dem Post im Juli 2020: "Mir ist es eigentlich egal, denn seit März fahre ich, wohin ich will, mache ich, was ich will und treffe mich, mit wem und mit wie vielen ich will und trage so gut wie nie (Maskensmiley)" (Einbehaltensanordnung 1 a) hat der Soldat seine Pflicht zur Zurückhaltung ebenfalls nicht gewahrt. Damit hat er sich öffentlich dazu bekannt, die von Bund und Ländern beschlossenen Corona-Schutzmaßnahmen (z. B. BayMBl. 2020 Nr. 158) zu ignorieren und sich insbesondere an die ab März 2020 beschlossenen Kontaktbeschränkungen im öffentlichen und im privaten Bereich nicht zu halten. Das gleiche gilt für seinen Post am August 2020 (Einbehaltensanordnung 1 c), in dem er ebenfalls ausführt, Mund und Nase entgegen den Vorschriften (z. B. BayMBl 2020 Nr. 348) weiterhin nicht zu bedecken. Durch dieses öffentliche Bekenntnis zur Missachtung von verbindlichen Rechtsvorschriften hat der Soldat seinem Ansehen als rechtstreuer Vorgesetzter erheblich geschadet. Da damals im Dienst und außer Dienst dieselben COVID-19-Schutzvorschriften galten, hat er das Vertrauen erschüttert, dass er die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen im Dienst beachten und sie als Vorgesetzter durchsetzen wird. Da der Soldat sich öffentlich mit der Missachtung der Corona-Vorschriften gebrüstet und deren Sinn in Abrede gestellt hat, ist es ihm im Dienst nicht mehr möglich gewesen, als Vorgesetzter glaubwürdig die Einhaltung dieser Rechtsverordnungen von Untergebenen einzufordern.

38cc) Der wiederholte Verstoß gegen die Anmeldepflicht der von dem Soldaten veranstalteten öffentlichen Versammlungen (Ablehnungsbescheid 1-3) stellt einen Verstoß gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG dar. Zwar ist die Strafandrohung von § 26 Nr. 2 VersG mit einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe im unteren Bereich angesiedelt. Durch den wiederholten Verstoß sind jedoch zusätzliche Umstände hinzugetreten, die negative Rückschlüsse auf die Integrität des Soldaten zulassen (vgl. 2 WD 5.13 - BVerwGE 149, 224 Rn. 61).

39c) Die gegen den Soldaten erhobenen weiteren Vorwürfe stellen voraussichtlich keine Dienstpflichtverletzungen dar (Einbehaltensanordnung 2, 4 und 6; Ablehnungsbescheid 4, 5 a, b, c, d, g, h; 6 b, c, d, f, g und 7).

40Die Ankündigung, auf die Plattform Telegram zu wechseln (Einbehaltensanordnung 2), untergräbt die Stellung des Soldaten als Vorgesetzten nicht und stellt keine Dienstpflichtverletzung dar. Alleine das Verwenden des Begriffs "Verschwörungstheorie" (Einbehaltensanordnung 3), ohne weiteren Kontext, untergräbt ebenfalls nicht die Autorität des Soldaten.

41Auch Punkt 4 der Einbehaltensanordnung wirft zwar der Bundesregierung und anderen Politikern vor, "undemokratisch und diktatorisch" Corona-Schutzmaßnahmen zu Ostern 2021 beschlossen zu haben. Im Kontext wird jedoch deutlich, dass der Soldat eine scharfe Kritik an der Schließung der Kirchen und an den Besuchsverboten zu Ostern 2021 äußern wollte. Seine Äußerung bezieht sich sachlich ferner darauf, dass die überwiegende Zahl der Ministerpräsidenten bei der Entscheidung nicht einbezogen worden sei. Im Licht dieser Auslegung scheint die Äußerung eher auf den Umgang der Bundesregierung mit den Ländern bezogen zu sein, als ein Absprechen der demokratischen Legitimität. Nach vorläufiger Bewertung handelt es sich noch um eine von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckte zugespitzte Sachkritik.

42Punkt 4 des Ablehnungsbescheides verweist auf den Soldaten als Veranstalter einer Demonstration, bei der Dritte Redebeiträge gehalten hätten, die auf eine Verunglimpfung der Bundesrepublik abgezielt hätten. Mangels eigenen Beitrags scheidet eine Pflichtverletzung nach § 10 Abs. 6 SG aus. Das gleiche gilt für den unspezifischen Vorwurf, der Soldat habe an Veranstaltungen der Organisation "Querdenken 711" teilgenommen (Ablehnungsbescheid 5 b). Auch der Vorwurf des Verbreitens von Verschwörungstheorien im Internet unter Punkt 5 d des Ablehnungsbescheids kann ohne weitere Anhaltspunkte und Angaben schon nicht als hinreichend erwiesen gelten.

43Der gepostete Comic und der dazugehörige Kommentar (Ablehnungsbescheid 5 a) stellen eine satirische Auseinandersetzung mit einer unreflektierten Wissenschaftsgläubigkeit dar, die nicht geeignet ist, das Vertrauen in den Soldaten zu erschüttern.

44Der Veranstaltung eines "Spaziergangs" in G. mit dem Hashtag "Widerstand" (Ablehnungsbescheid 5 c) ist im Kontext des ganzen Beitrags zu sehen. Aufgerufen wird zu einem Kerzenspaziergang. Der Hashtag "Widerstand" ist in diesem Zusammenhang als ein solcher gegen Corona-Maßnahmen mit dem Mittel der Versammlung zu verstehen. Eine kritische Haltung gegenüber diesen Maßnahmen allein stellt jedoch keine Verletzung der Pflicht zur Zurückhaltung dar. Auch kann hieraus nicht geschlossen werden, dass der Soldat insgesamt zum Widerstand gegen die Regierung oder zu sonstigen verfassungswidrigen Zielen aufruft.

45Der Beitrag "Frieden, Freiheit, keine Diktatur!" (Ablehnungsbescheid 5 g) ist dienstrechtlich ebenfalls ohne Relevanz. Der genaue Kontext der Aussage ist nicht ermittelbar. Es liegen jedenfalls derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Soldat die Bundesregierung hier in Bezug setzen wollte.

46Die Äußerungen gegenüber dem BAMAD (Ablehnungsbescheid 5 h) sind von der Meinungsfreiheit gedeckt. Der Soldat hatte hierzu gegenüber dem BAMAD unterstrichen, dass es sich um eine Theorie von ihm handele, der Mittelstand solle klein gemacht und das Bargeld abgeschafft werden.

47Der Kontext der Aussage "Sie haben Angst und Panik vor dem Tag an dem alles ans Licht kommt. Der Tag wird kommen. Geduld Zeigefinger-Hoch-Smiley" ist unklar (Ablehnungsbescheid 6 b). Der Inhalt ist nicht geeignet, das Vertrauen in den Soldaten als Vorgesetzten zu erschüttern. Auch der Post "natürlich wird beim größten Verbrechen der Nachkriegszeit von Tätern noch alles bestritten", ist nicht geeignet das Vertrauen in den Soldaten als Vorgesetzten zu erschüttern. Unklar bleibt, wen er als Täter in diesem Zusammenhang versteht. Ein ausdrücklicher Bezug, beispielsweise auf die Staatsspitze, fehlt (Ablehnungsbescheid 6 c). Auch die ironische Äußerung, in der "besten Demokratie aller Zeiten" dürfe man nichts mehr kritisieren, stellt eine Meinungsäußerung des Soldaten dar, die nicht geeignet ist, seine Autorität zu untergraben (Ablehnungsbescheid 6 d). Die Bezeichnung des Bundesgesundheitsministers als "Figur" (Ablehnungsbescheid 6 f) stellt noch keine Beleidigung dar und verletzt darum das Sachlichkeitsgebot des § 10 Abs. 6 SG noch nicht in disziplinarrechtlich ahndungswürdiger Weise.

48Auch das zweigeteilte Bild mit der Gruppe "normaler Personen" und den "Verschwörungstheoretikern" (Ablehnungsbescheid 6 g) stellt keine Dienstpflichtverletzung dar. Inhaltlich scheint der Soldat mit der Darstellung auszusagen, dass die "Verschwörungstheoretiker" die glücklichen und die eigentlich "normalen Personen" sind. Der Post kann als Kritik an einem blinden Befolgen von Anweisungen verstanden werden. Zwar deutet der Post darauf hin, dass sich auch der Soldat als "Verschwörungstheoretiker" versteht, der genaue Inhalt der vertretenen Theorie bleibt offen. Insgesamt überwiegt ein ironischer Ton, der nicht geeignet ist, das Ansehen als Vorgesetzten zu untergraben.

49d) Die voraussichtlichen Dienstpflichtverletzungen sind weder einzeln betrachtet noch in ihrer Gesamtheit so schwerwiegend, dass sie eine Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen können. Der Soldat hat zwar objektiv einige Repräsentanten des Staates diffamierende und delegitimierende Äußerungen getätigt, die mit der Pflicht zur Verfassungstreue unvereinbar sind. Da dies nach gegenwärtigem Ermittlungsstand aber nicht Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung ist, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen nicht die Höchstmaßnahme. Vielmehr kommt als Ausgangspunkt in diesen Fällen allenfalls eine Dienstgradherabsetzung in Betracht (vgl. 2 WD 11.22 - BVerwGE 179, 118 Rn. 45 f.). Seine wiederholte Verletzung der Pflicht zur Mäßigung und zur außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht mögen für sich betrachtet (ohne Berücksichtigung der Überlänge des Verfahrens) eine Degradierung um einen weiteren Dienstgrad rechtfertigen. Gegenwärtig ist aber jedenfalls nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit mit einer Entfernung aus dem Dienstverhältnis zu rechnen, so dass eine vorläufige Einbehaltung von Bezügen nach § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO ausscheidet.

503. Die Beschwerde ist nunmehr auch hinsichtlich der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbots begründet.

51a) Zwar kann die Einleitungsbehörde gegen einen Soldaten nach § 126 Abs. 1 WDO beide Maßnahmen auch verhängen, wenn die disziplinare Höchstmaßnahme nicht zu erwarten ist. Da die vorläufige Dienstenthebung und das Uniformtrageverbot bei Einleitung des Disziplinarverfahrens jedoch die Ausnahme und nicht die Regel sind, bedürfen sie eines besonderen rechtfertigenden Grundes. Ein besonderer Grund für Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn eine Dienstgradherabsetzung - als gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4, § 62 WDO zweitschwerste Disziplinarmaßnahme - voraussichtlich zu erwarten ist und der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde ( 2 WDB 3.19 - juris Rn. 17). Dabei dürfen dem Soldaten keine Nachteile zugefügt werden, die außer Verhältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, einen Soldaten, der eines schwerwiegenden Dienstvergehens hinreichend verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung dieses Vorwurfs von der Dienstausübung auszuschließen. Das Wehrdienstgericht ist insoweit auf eine Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung beschränkt und trifft - im Gegensatz zur späteren Disziplinarmaßnahme - keine originäre gerichtliche Entscheidung ( 2 WDB 3.19 - juris Rn. 26).

52Ein besonderer Grund für die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbotes folgte im vorliegenden Fall ursprünglich aus der Erwartung der Verhängung einer Dienstgradherabsetzung gegen den Soldaten und aus der nachvollziehbaren Befürchtung, dass der Soldat durch seine extrem ablehnende Haltung gegenüber COVID-19-Schutzmaßnahmen bei einem Verbleiben im Dienst den Dienstbetrieb empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet hätte. Auch ist die Erwägung nicht zu beanstanden, einen Soldaten bei Zweifeln an der Verfassungstreue vorübergehend bis zum Abschluss weiterer Ermittlungen nicht auf einem Dienstposten zu verwenden (vgl. 2 WDB 2.20 - juris Rn. 38).

53b) Die vorläufige Dienstenthebung und das Uniformtrageverbot sind nunmehr unverhältnismäßig geworden. Bei der Ausübung ihres Ermessens hinsichtlich des Erlasses und der Aufhebung einer Einbehaltungsanordnung hat die Einleitungsbehörde den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dieser sich als übergreifende Leitregel allen staatlichen Handelns aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Grundsatz besagt, dass das gewählte Mittel und der gewollte Zweck in einem vernünftigen Verhältnis zueinanderstehen müssen (vgl. 2 WDB 3.91 - BVerwGE 93, 69 <77>). Daraus folgt, dass ein solcher Eingriff in die Rechtsposition des Betroffenen nicht länger dauern darf, als er sachlich geboten erscheint. Die vorläufige Dienstenthebung entfaltet wie die Einbehaltung von Dienstbezügen mit zunehmender Dauer eine immer stärker werdende Belastungswirkung und ist daher nur bei einer unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes ordnungsgemäß durchzuführenden Disziplinarverfahrens eine im Allgemeinen verfassungsrechtlich unbedenkliche Maßnahme. Mit zunehmender Verzögerung des Abschlusses des Disziplinarverfahrens gerät sie immer stärker in einen Widerstreit mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Da innerhalb einer stetig verlaufenden zeitlichen Entwicklung der präzise Zeitpunkt, zu dem eine noch verhältnismäßige Belastung in eine unverhältnismäßige Belastung umschlägt, nicht feststellbar ist, bedarf es zur hinreichenden Begründung der Unverhältnismäßigkeit einer sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls ergebenden Evidenz (vgl. - NVwZ 1994, 574; BVerwG, Beschlüsse vom - 2 WDB 6.94 - BVerwGE 103, 222 <224 f.> und vom - 2 WD 12.23 - juris Rn. 35).

54Im vorliegenden Fall sind seit Aufnahme der Vorermittlungen am mehr als vier Jahre verstrichen und seit Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens am dreieinhalb Jahre. Rechnet man die Zeit des vorläufigen Dienstausübungsverbots nach § 22 SG und der vorläufigen Dienstenthebung zusammen, dauert die Suspendierung vom Dienst etwa vier Jahre an. Triftige Gründe dafür, dass das Dienstvergehen bei den Truppendienstgerichten bislang nicht angeschuldigt worden ist, liegen nicht vor. Zwar hat der Soldat mehr als zwei Jahre durch fortlaufend neue Äußerungen in seinem Facebook-Profil zusätzliche Ermittlungen veranlasst. Allerdings stammen die letzten dem Soldaten vorgehaltenen Äußerungen vom März 2023 und es erschließt sich daher nicht, warum das Verfahren in den folgenden eineinhalb Jahren nicht wenigstens bis zur Anschuldigung weiter gefördert worden ist. Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Einleitung eines sachgleichen Entlassungsverfahrens. Denn dieses Verfahren ist ebenfalls nicht weiter betrieben worden. Daher sprechen die Missachtung des Beschleunigungsgebots und die lange Gesamtdauer der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbots bereits mit Gewicht dafür, dass die Maßnahmen im vorliegenden Fall mittlerweile unverhältnismäßig geworden sind.

55Die notwendige Evidenz für diese Feststellung beruht ferner darauf, dass der rechtfertigende Grund für die Suspendierung entfallen ist. Zum einen liegen für die befürchtete verfassungswidrige Gesinnung des Soldaten nach den weiteren Ermittlungen keine überzeugenden Belege vor, so dass eine Wiedereingliederung in den Dienstbetrieb nicht mit dieser Begründung weiter abgelehnt werden kann. Zum anderen besteht auch die Gefahr, dass der Soldat durch seine extreme Ablehnung von COVID-19-Schutzmaßnahmen den Dienstbetrieb stören könnte, nicht mehr. Die letzten für die Gesamtbevölkerung geltenden Corona-Schutzmaßnahmen sind im April 2023 ausgelaufen. Auch bei der Bundeswehr gibt es seither weder Test- noch Maskenpflichtvorschriften. Der Bundesminister der Verteidigung hat im Juni 2024 die Duldungspflicht für COVID-19-Schutzimpfungen faktisch aussetzen und durch eine Impfempfehlung ersetzen lassen. Das Thema birgt daher aktuell kein die Suspendierung weiter rechtfertigendes Konfliktpotential mehr.

564. Einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bedurfte es nicht. Diese werden von der zur Hauptsache ergehenden Kostenentscheidung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens erfasst ( 2 WDB 4.09 - Rn. 17).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:210125B2WDB11.23.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-97050