Kostenerstattung für Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH nach EuGH-Vorlage des BFH
Leitsatz
1. § 38 RVG führt dazu, dass das Vorabentscheidungsverfahren und das Verfahren, in dem die Vorlage an den EuGH veranlasst
wurde, gebührenrechtlich als verschiedene Rechtszüge gelten. Das Vorabentscheidungsverfahren wird wegen seiner besonderen
Bedeutung gebührenrechtlich als eigenständiger Rechtszug behandelt, der gesonderte Gebühren für die daran beteiligten Rechtsanwälte
entstehen lässt.
2. Die Erstattungsfähigkeit der Gebühren setzt nicht voraus, dass die Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens im Tenor oder
in den Entscheidungsgründen der mitgliedstaatlichen Entscheidung ausdrücklich erwähnt wurden. Die Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens
sind Bestandteil der Kosten(grund-)entscheidung des Ausgangsverfahrens und von dieser mitumfasst.
3. Das Fehlen einer gesonderten Gegenstandswertfestsetzung für das Vorabentscheidungsverfahren steht der Erstattungsfähigkeit
der Rechtsanwaltsgebühren nicht entgegen. Einer speziellen Gegenstandswertfestsetzung bedarf es dementsprechend nur dann,
wenn dies ausdrücklich beantragt wurde, weil der Gegenstandswert des Vorabentscheidungsverfahren vom Streit- bzw. Gegenstandswert
des Ausgangsverfahrens abweicht.
4. Nach § 38 Abs. 3 1. Halbsatz RVG ist die Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens – hier: Revisionsverfahren beim BFH –
auf diejenige des Verfahrens vor dem EuGH anzurechnen, wenn nicht nach § 38 Abs. 3 2. Halbsatz RVG vor dem EuGH eine schriftliche
Stellungnahme erfolgt. Dabei kann sich ergeben, dass der Rechtsanwalt für das Vorabentscheidungsverfahren keine weitere Verfahrensgebühr
als für das Ausgangsverfahren erhält.
5. Der Anrechnung der Verfahrensgebühr des Revisionsverfahrens beim BFH auf diejenige des Verfahrens vor dem EuGH steht auch
nicht entgegen, dass auf die Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens (Revisionsverfahrens) gemäß Nr. 3506 Abs. 2 VV RVG bereits
die Verfahrensgebühr für ein der Revision vorangegangenes Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren anzurechnen ist. Dies gilt auch
bei Beauftragung von verschiedenen Anwälten für das Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren beim BFH einerseits
und für das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH andererseits, wenn im Vorabentscheidungsverfahren tatsächlich keine schriftliche
Stellungnahme beim EuGH eingereicht wurde.
6. Eine Terminsgebühr für das Vorabentscheidungsersuchen ist nicht entstanden, wenn der EuGH im vereinfachten Verfahren nach
Art. 99 VerfO EuGH neue Fassung, für das eine mündliche Verhandlung weder vorgeschrieben noch vorgesehen ist, durch Beschluss
entschieden hat.