Suchen Barrierefrei
BSG Beschluss v. - B 10/12 R 5/24 B

Gründe

1I. In der Hauptsache streiten die Beteiligten um die Versicherungspflicht des Klägers als selbstständig tätiger Versicherungsvertreter.

2Mit dem angefochtenen Urteil hat das LSG wie vor ihm das SG und der Beklagte eine Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung bejaht. Der Kläger habe im streitgegenständlichen Zeitraum als Versicherungsvertreter keinen rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und sei auch im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit als Versicherungsvertreter im Wesentlichen, dh im Umfang von wenigstens 5/6 der Betriebseinnahmen, nur für einen Auftraggeber tätig gewesen (Urteil vom ).

3Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt, sei von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen und habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt.

4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder ein Verfahrensmangel noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder eine Divergenz ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

51. Der Kläger hat die gerügte Verletzung der Sachaufklärungspflicht des LSG (§ 103 SGG) nicht hinreichend bezeichnet. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Schon daran fehlt es hier. Denn soweit der Kläger rügt, das LSG habe "Sachaufklärung betreiben müssen, ob eine Beherrschungslage gegeben ist", verfehlt sein Vortrag die Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge. Damit legt er nicht in gebotenem Maße dar, einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 103 iVm § 118 Abs 1 Satz 1 SGG und § 373 ZPO gestellt und bis zuletzt vor dem LSG aufrechterhalten zu haben. Auch die Erwähnung eines Beweisantrags durch das LSG teilt der Kläger nicht mit.

62. Ebenso wenig hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (stRspr; zB BH - juris RdNr 11; BH - juris RdNr 6).

7Die Beschwerde hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig ob,"trotz des Vorliegensa) zweier rechtlich vollständig voneinander getrennter Firmen nach zivilrechtlichem Beurteilungsmaßstab (BGB, § 13 GmbHG) undb) der vollständig voneinander steuerlich getrennt veranlagter Gesellschaften nach den Maßstäben des öffentlichen Rechts (hier dem Steuerrecht)c) nach Maßstäben des Sozialrechts demgegenüber eine Gesamtbetrachtung dieser rechtlich getrennten juristischen Personen erfolgen darf bei der Ermittlung der Tatbestandsfrage, ob Sozialversicherungspflichtigkeit besteht oder nicht".

8Zu den Mindestanforderungen einer Grundsatzrüge gehört indes eine vollständige und aus sich heraus verständliche Schilderung des für die Entscheidung des LSG erheblichen Sachverhalts und der Verfahrensgeschichte (stRspr; zB - juris RdNr 10; - juris RdNr 12; - juris RdNr 11, jeweils mwN; zu den Darlegungsanforderungen an eine Grundsatzrüge s allgemein zB - juris RdNr 4 mwN). Schon daran fehlt es hier. Stattdessen verweist die Beschwerde weitgehend auf die Ausführungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils. Soweit sie im Zusammenhang mit ihren rechtlichen Einschätzungen auch einzelne Tatsachen mitteilt, bleibt unklar, inwieweit es sich dabei um den vollständigen und insbesondere um den vom LSG festgestellten, entscheidungserheblichen Sachverhalt handelt. Ohne die erforderliche umfassende und vollständige Wiedergabe des vom LSG festgestellten Sachverhalts kann das BSG aber nicht beurteilen, ob sich entscheidungserheblich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG stellt.

9Unabhängig davon hat es der Kläger auch versäumt, klar und eindeutig eine als solche erkennbare Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zu einem konkreten gesetzlichen Tatbestandsmerkmal einer revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) zu formulieren (vgl - juris RdNr 14 sowie allgemein zu diesem Erfordernis Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 160a RdNr 51 ff mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Allein der Hinweis auf die "Maßstäbe des Sozialrechts" oder den "Begriff der Sozialversicherungspflichtigkeit" genügen dafür nicht. Zwar benennt der Kläger zur Erläuterung der von ihm formulierten Fragen noch die Vorschrift des "§ 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI". Allerdings lässt dieses Normzitat offen, in welcher Tatbestandsvoraussetzung der Vorschrift - Nr 9a und/oder Nr 9b - er vermeintlich klärungsbedürftige Rechtsfragen verorten möchte. Folgerichtig setzt sich die Beschwerde auch nicht ausreichend damit auseinander, ob sich die aufgeworfenen Fragen nicht ohne Weiteres mithilfe des - von der Beschwerde nicht näher untersuchten - Gesetzeswortlauts und der vorhandenen Rechtsprechung des BSG beantworten lässt (vgl - juris RdNr 8 mwN). Die Beschwerde beschränkt sich in dieser Hinsicht auf die Mitteilung eigener Argumente in Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen LSG-Entscheidung, die im verständlichen Zusammenhang mitzuteilen sie indes, wie ausgeführt, versäumt hat.

103. Schließlich hat der Kläger auch keine Divergenz dargelegt.

11Eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus der Berufungsentscheidung und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen (stRspr; zB - juris RdNr 8 mwN).

12Eine Abweichung besteht dagegen nicht schon, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene, abweichende rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Denn nicht die behauptete Unrichtigkeit im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr; zB - juris RdNr 13 mwN).

13Entsprechende Darlegungen enthält die Beschwerde nicht, insbesondere bezeichnet sie keine konkreten Rechtssätze aus dem Urteil des LSG oder entgegenstehende Rechtssätze höchstrichterlicher Rechtsprechung. Diese unterlassene Darlegung kann sie nicht durch ihren Vorwurf ersetzen, das LSG habe offensichtlich nicht geprüft, ob möglicherweise eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder einer Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorliege. Soweit der Kläger meint, das LSG weiche "von der höchstrichterlich anerkannten Rechtslage ab, ein und denselben Sachverhalt nicht unterschiedlich behandeln zu dürfen", geht es ihm offensichtlich um die Rechtsanwendung in seinem Einzelfall. Diese kann aber von vornherein nicht zulässig mit der Divergenzrüge angegriffen werden (vgl stRspr; zB - juris RdNr 8; - juris RdNr 14).

14Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

154. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

165. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:020625BB1012R524B0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-96643