Gründe
I.
1Mit Antragsschrift vom hat der Generalbundesanwalt bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main die selbständige Einziehung einer Kontokorrentforderung der Einziehungsbeteiligten gegen die kontoführende Bank als Drittschuldnerin in Höhe von circa 723 Millionen Euro beantragt, weil der hinreichende Verdacht bestehe, dass die Forderung insoweit Tatobjekt einer Straftat nach dem Außenwirtschaftsgesetz gewesen sei. Unbekannte Verantwortliche der Einziehungsbeteiligten hätten versucht, über deren nach einer unionsrechtlichen Russland-Embargo-Verordnung eingefrorenes Kontovermögen in der genannten Höhe zu verfügen.
2Mit Schriftsatz ihrer rechtsanwaltlichen Vertreterin vom hat die Drittschuldnerin beantragt, sie als Nebenbetroffene an dem selbständigen Einziehungsverfahren zu beteiligen und die Akten zur Einsicht zu überlassen. Zur Begründung hat sie vorgebracht, ihr stehe ein vertragliches Pfandrecht an der Kontokorrentforderung zu, dessen Erlöschen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB im Fall der Einziehung angeordnet werden könnte. Gemäß § 438 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO sei daher ihre Beteiligung als Nebenbetroffene geboten. Aufgrund dieser Stellung stehe der anwaltlichen Vertreterin das Recht zu, die Akten einzusehen (§ 438 Abs. 3, § 428 Abs. 1 Satz 2, § 147 StPO).
3Das Oberlandesgericht hat beide Anträge durch Beschluss vom (8 St 1/23) abgelehnt, weil die gebotene Prüfung ergeben habe, dass die Anordnung des Erlöschens des Pfandrechts nicht ernsthaft in Betracht komme. Deshalb lägen nicht die Voraussetzungen des § 438 Abs. 1 Satz 1 StPO und damit ebenso wenig diejenigen des § 438 Abs. 3 i.V.m. § 428 Abs. 1 Satz 2, § 147 StPO vor.
4Gegen den Beschluss wendet sich die Drittschuldnerin insgesamt mit der „sofortigen Beschwerde“. Sie macht im Wesentlichen geltend, für die Beteiligung als Nebenbetroffener gemäß § 438 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO genüge es, wenn das sonstige Recht des Dritten im Sinne von § 75 Abs. 2 Satz 2 oder 3 StGB abstrakt für eine Löschungsanordnung geeignet sei.
II.
5Die Rechtsmittel, die einerseits das Begehren der Verfahrensbeteiligung, andererseits dasjenige der Akteneinsicht betreffen, sind gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 StPO nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.
61. Soweit die Beschwerdeführerin die Ablehnung ihrer Beteiligung am selbständigen Einziehungsverfahren als Nebenbetroffene beanstandet, richtet sich die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde nicht allein nach § 438 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 424 Abs. 4 Satz 2 StPO als allgemeine Bestimmungen über das Beschwerderecht. Vielmehr findet darüber hinaus die Vorschrift des § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO Anwendung (s. BT-Drucks. V/4086 S. 11), die das Rechtsmittel hier nicht zulässt.
7Nach deren Halbsatz 1 ist gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte grundsätzlich eine (sofortige) Beschwerde nicht statthaft. Der Halbsatz 2 führt allerdings eine Reihe von Entscheidungen auf, bei denen das Rechtsmittel in Sachen eröffnet ist, in denen das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug zuständig ist. Zu dem Katalog zählen nach Halbsatz 2 Nummer 5 zwar Entscheidungen, welche „die Einziehung ... nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 [StPO] ... betreffen“. Diese Regelung bezieht sich aber auf die sofortige Beschwerde gegen ein durch Beschluss ergangenes Erkenntnis (§ 434 Abs. 2, § 436 Abs. 2 StPO) über die selbständige Einziehung im selbständigen Einziehungsverfahren (§ 76a StGB, § 435 StPO). Sie erfasst die die Instanz abschließende Anordnung oder Nichtanordnung dieser Maßnahme, nicht dagegen sämtliche Entscheidungen, die zur Durchführung des entsprechenden objektiven Verfahrens getroffen werden. Demgemäß verweist diese Regelung nicht auf § 438 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO. Sie erstreckt sich mithin nicht auf die Ablehnung der Beteiligung als Nebenbetroffener (zum vormaligen selbständigen Verfallsverfahren s. , BGHR StPO § 304 Abs. 4 Verfall 1 Rn. 7; vgl. ferner , NStZ-RR 2019, 123; BeckOK StPO/Cirener, 55. Ed., § 304 Rn. 17).
8Da § 304 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 StPO – neben Satz 3 i.V.m. § 138d Abs. 6 StPO – eine den Grundsatz der Unanfechtbarkeit oberlandesgerichtlicher Beschlüsse und Verfügungen durchbrechende, die Anfechtungsmöglichkeit abschließend regelnde Ausnahmevorschrift darstellt, kommt eine analoge Anwendung (näher dazu BGH, Beschlüsse vom – StB 22/19, juris Rn. 4 mwN; vom – StB 32/20, juris Rn. 6) regelmäßig, wie auch hier, nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom – StB 19/22, StV 2025, 38 Rn. 3; vom – StB 31/24, juris Rn. 3).
92. Soweit die Beschwerdeführerin die Versagung der Akteneinsicht beanstandet, ist das Rechtsmittel gemäß § 300 StPO als (einfache) Beschwerde (§ 304 Abs. 1 StPO) auszulegen. Die Voraussetzungen für deren Statthaftigkeit nach § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO liegen allerdings ebenfalls nicht vor.
10Halbsatz 2 Nr. 4 dieser Vorschrift eröffnet die Beschwerde gegen von einem erstinstanzlich tätigen Oberlandesgericht erlassene Beschlüsse und Verfügungen betreffend die Akteneinsicht lediglich insoweit, als einem Verfahrensbeteiligten durch deren (teilweise) Versagung die sachgerechte Interessenwahrnehmung in dem Strafverfahren erschwert wird (s. , BGHSt 59, 183 Rn 5). Grund hierfür ist, dass sich die Aufnahme von Entscheidungen über die Gewährung von Akteneinsicht in den Katalog des Halbsatzes 2 nur aus der besonderen Bedeutung rechtfertigt, welche die Aktenkenntnis für die Verfahrensbeteiligten hat. Bei der notwendigen restriktiven Auslegung der Vorschrift verbietet es sich daher, die Beschwerde auch in solchen Fällen als statthaft anzusehen, bei denen die sachgerechte Verteidigung oder Mitwirkung des Beschwerdeführers im anhängigen Verfahren nicht in Rede steht (s. BGH, Beschlüsse vom – KRB 4/89, BGHSt 36, 338, 339; vom – StB 6/04, BGHR StPO § 304 Abs. 4 Akteneinsicht 3; vom – StB 47/22 u.a., NStZ-RR 2023, 26 f.; vom – StB 46/22, NStZ-RR 2023, 25). So liegt es im zu beurteilenden Fall, weil die Beteiligung der Drittschuldnerin als Nebenbetroffene bestandskräftig abgelehnt worden ist.
Schäfer Berg Voigt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:100725BSTB21.25.0
Fundstelle(n):
LAAAJ-96626