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BFH Beschluss v. - X B 111/24

Wiedereinsetzung, wenn ein Prozessbevollmächtigter erst unmittelbar vor Fristablauf gefunden werden kann

Leitsatz

1. NV: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist ist zu gewähren, wenn der Beteiligte erst unmittelbar vor Ablauf der Begründungsfrist einen Prozessbevollmächtigten gefunden hat und es diesem wegen der Komplexität des Streitstoffs nicht möglich ist, bis zum Fristablauf eine Beschwerdebegründung einzureichen, der Beteiligte aber entsprechend den Anforderungen, die für die Bestellung eines Notanwalts (§ 78b der Zivilprozessordnung) gelten, darlegt, dass er zuvor rechtzeitig mehr als vier zur Vertretung berechtigte Personen um die Übernahme des Mandats gebeten hat und diese aus anderen Gründen als der Nichtzahlung eines Vorschusses das Mandat abgelehnt haben.

2. NV: Eine Rechtsfrage hat mangels Klärungsfähigkeit keine grundsätzliche Bedeutung, wenn das Finanzgericht (FG) seine Entscheidung kumulativ auf mehrere Gründe gestützt hat, von denen jeder für sich gesehen die Entscheidung trägt, die Beschwerdebegründung jedoch nur auf einen der das FG-Urteil tragenden Gründe eingeht.

Gesetze: FGO § 56; ZPO § 78b

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bezieht eine Altersversorgung nach der Versorgungsordnung einer zwischenstaatlichen Organisation. Er war seit 1986 mit E verheiratet; vor der Hochzeit hatten die künftigen Eheleute einen Ehevertrag mit umfassendem Unterhaltsausschluss vereinbart, der auch eine Regelung zum Versorgungsausgleich enthielt. Die Ehe wurde durch einen der hinsichtlich des Scheidungsausspruchs am rechtskräftig geworden ist, geschieden. Zum Versorgungsausgleich heißt es in dem Beschluss, die ehevertragliche Vereinbarung zum Versorgungsausgleich sei materiell unwirksam. Das Versorgungsanrecht des Klägers sei nach § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) nicht ausgleichsreif, weil es bei einem Versorgungsträger bestehe, der nicht der deutschen Gesetzgebung unterliege. Im Hinblick darauf finde gemäß § 19 Abs. 3 VersAusglG in Bezug auf die —geringfügige— Rentenanwartschaft der E kein Wertausgleich statt, weil dies für E unbillig wäre. In dem Beschluss wurde der Kläger ferner verpflichtet, an E ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse in Höhe von 5.500 € monatlich zu zahlen. Hiergegen legte der Kläger Beschwerde ein.

2 In einem anderen Beschwerdeverfahren wegen der Abänderung des Trennungsunterhalts setzte das den vom Kläger an E zu leistenden Trennungsunterhalt für die Zeit von Februar bis Dezember 2018 auf 3.460 € monatlich und für die Zeit ab Januar 2019 auf 4.062 € monatlich herab.

3 Im Beschwerdeverfahren gegen den wegen des nachehelichen Unterhalts richtete das OLG am einen rechtlichen Hinweis an die Parteien. Darin hieß es, der ehevertragliche Unterhaltsverzicht sei zwar nicht sittenwidrig und daher wirksam. Im Rahmen der auf § 242 BGB gestützten Ausübungskontrolle ergebe sich allerdings, dass der Kläger sich nicht auf den Unterhaltsausschluss berufen könne, da die Hinnahme der dadurch hervorgerufenen evident einseitigen Lastenverteilung für E unzumutbar sei. Allerdings seien in einem solchen Fall für die Höhe des nachehelichen Unterhaltsanspruchs nicht die ehelichen Lebensverhältnisse maßgeblich; vielmehr sei der Anspruch auf die Höhe der Einkünfte aus der erlernten beruflichen Tätigkeit der E zu begrenzen. Daher dürfte der Anspruch deutlich unterhalb der vom AG festgelegten 5.500 € monatlich liegen. Andererseits dürfte im Hinblick auf die lange Dauer der Ehe keine Befristung des Unterhaltsanspruchs in Betracht kommen.

4 In diesem Verfahren kam es in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG am zu einem Vergleich. Danach verpflichtete der Kläger sich, an E ab Januar 2022 nachehelichen Unterhalt einschließlich Vorsorgeunterhalt von 2.700 € monatlich auf Lebenszeit der E zu zahlen. Bei einer Veränderung des Lebenshaltungskostenindex sollte dieser Betrag entsprechend angepasst werden. Weitere Abänderungen (außer im Fall der Wiederverheiratung der E) waren ausgeschlossen; eigene Einkünfte der E waren nicht anzurechnen. E hatte überzahlten Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt in Höhe von insgesamt 8.500 € ab Januar 2022 in monatlichen Raten von 200 € an den Kläger zurückzuzahlen. Beide Parteien verzichteten auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht. Etwaige Ansprüche der E auf Grundlage der Versorgungsordnung sollten unberührt bleiben.

5 Im Streitjahr 2021 zahlte der Kläger insgesamt 48.304,90 € an E. Diesem Gesamtbetrag lag in den meisten Monaten des Jahres ein monatlicher Zahlbetrag von 4.062 € zugrunde, der im ausgewiesen war. Die für einen einkommensteuerrechtlichen Abzug dieser Beträge als Unterhaltsleistungen (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG—) oder Ausgleichsleistungen zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs (§ 10 Abs. 1a Nr. 3 EStG) erforderliche Zustimmung hat E nicht erteilt.

6 Der Kläger begehrte im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung 2021 den Abzug der an E gezahlten Beträge unter dem Gesichtspunkt der Ausgleichszahlungen im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs (§ 10 Abs. 1a Nr. 4 EStG). Der vor dem OLG erklärte Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs habe sich nur auf den „klassischen“ Versorgungsausgleich bezogen. Hier handele es sich aber um einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, da die Versorgungsordnung keine Teilung von Anrechten vorsehe. Auch die Finanzverwaltung gehe davon aus, dass im Falle von Anrechten bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger der schuldrechtliche Versorgungsausgleich durchzuführen sei (, BStBl I 2023, 611, Rz 24).

7 Der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) lehnte einen Sonderausgabenabzug ab und zog die an E geleisteten Zahlungen lediglich in Höhe von 9.744 € als außergewöhnliche Belastungen (Unterhaltszahlungen nach § 33a Abs. 1 EStG) ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, es handele sich nicht um Ausgleichszahlungen im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs. Die Höhe der vom Kläger im Streitjahr an E geleisteten monatlichen Zahlungen entspreche in den meisten Monaten des Jahres mit 4.062 € genau dem im als Trennungsunterhalt ausgewiesenen Betrag. Auch im Scheidungsbeschluss des sei die der E zugesprochene laufende Geldleistung als nachehelicher Unterhaltsanspruch bezeichnet worden. Regelungen zu einem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich seien in diesem Beschluss ausdrücklich nicht getroffen, sondern lediglich vorbehalten worden.

8 Aus dem vor dem OLG am geschlossenen Vergleich ergebe sich ebenfalls kein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich. Zum einen befasse sich der Vergleich nicht mit den Zahlungen, die der Kläger bis einschließlich Dezember 2021 geleistet habe. Ihr Rechtsgrund sei nicht rückwirkend geändert worden. Zum anderen sei die im gerichtlichen Vergleich für die Zeit ab Januar 2022 ausgesprochene Zahlungsverpflichtung als nachehelicher Unterhalt und Vorsorgeunterhalt bezeichnet worden. Beides seien juristische Fachbegriffe, die sich vom Versorgungsausgleich unterschieden. Auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs hätten die Parteien ausdrücklich verzichtet. Eine Auslegung des Vergleichs gegen seinen Wortlaut sei nicht möglich, da er nicht missverständlich formuliert sei und eindeutige juristische Fachbegriffe verwendet worden seien.

9 Gegen das dem Kläger am zugestellte Urteil hat der früher prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt (R) des Klägers rechtzeitig Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Für die Begründung wurde ihm eine Fristverlängerung bis zum gewährt. Am legte R das Mandat nieder. Am meldete sich ein neuer Prozessbevollmächtigter (P) für den Kläger und beantragte eine weitere Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist, die die Senatsvorsitzende ablehnte. Am reichte P die Beschwerdebegründung sowie einen Wiedereinsetzungsantrag ein.

10 Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen eines Verfahrensmangels.

11 Das FA hält die Beschwerde für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.

Gründe

II.

12 Die Beschwerde ist zulässig.

13 Zwar ist die Beschwerdebegründung erst am —und damit nach Ablauf der bis zum verlängerten Begründungsfrist— eingegangen. Dem Kläger ist auf seinen Antrag aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

14 1. Gemäß § 56 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist auf Antrag —nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag— Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich (§ 85 Abs. 2 der ZivilprozessordnungZPO— i.V.m. § 155 Satz 1 FGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Im Fall der Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).

15 2. Entgegen der Auffassung des FA ist der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig gestellt und die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden. Das Hindernis —das Fehlen eines zur Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten— ist am mit der Übernahme des Mandats durch P weggefallen. Die Monatsfrist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags endete damit zunächst am . Da dieser Tag auf einen Sonntag fiel, ist für den Fristablauf der nachfolgende Montag () maßgebend, an dem der Kläger den Wiedereinsetzungsantrag und die Beschwerdebegründung beim Bundesfinanzhof (BFH) eingereicht hat.

16 3. Der Kläger war auch ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist gehindert.

17 a) Er hat durch Vorlage des umfangreichen Schriftverkehrs zwischen ihm und R sowie von Nachweisen zu den Kontaktaufnahmen zu mehreren von ihm angefragten Rechtsanwälten und Steuerberatern glaubhaft gemacht, dass er sich vom Zeitpunkt der Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils an intensiv um die Beauftragung eines zur Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten bemüht hat, damit aber zunächst erfolglos geblieben ist. R hat dem Kläger schon am Tag der Zustellung des FG-Urteils () deutlich gemacht, ein Verfahren vor dem BFH nicht führen zu können. Bereits am hat der Kläger daraufhin Kontakt mit einer Steuerberatungsgesellschaft aufgenommen und sich in der Folgezeit bis zur tatsächlichen Mandatierung des P durchgehend um das Finden eines zur Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten bemüht. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass die Mandatierung eines Prozessbevollmächtigten für eine Nichtzulassungsbeschwerde im vorliegenden Verfahren nicht einfach war, weil dies fundierte Kenntnisse sowohl im Familienrecht als auch im Einkommensteuerrecht erforderte.

18 Insgesamt hat der Kläger fünf erfolglose Anfragen an Prozessbevollmächtigte glaubhaft gemacht:


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-
T Steuerberatungsgesellschaft mbH & Co. KG: Gespräche seit dem ; diese Gesellschaft hat dem Kläger für ihre Bemühungen sogar eine Rechnung gestellt;
-
Rechtsanwalt O: telefonische Kontaktaufnahme am ;
-
R Steuerberatungs-GmbH, die nach Kenntnis des Senats auf die Betreuung von Mitarbeitern zwischenstaatlicher Organisationen spezialisiert ist: erste Kontaktaufnahme am , nachfolgend umfangreicher Schriftwechsel und mehrere Gespräche; Ablehnung der Mandatsübernahme erst am ;
-
Rechtsanwalt B, vermittelt vom …-Service-Team am ;
-
Rechtsanwalt H: Kontaktaufnahme am , die letztlich zur Empfehlung des P führte.

19 Damit hat der Kläger dargelegt, dass —vorbehaltlich der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung— bereits die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts (§ 78b ZPO i.V.m. § 155 Satz 1 FGO) erfüllt waren. Insoweit muss der Beteiligte nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung substantiiert vortragen, welche —mehr als vier— zur Vertretung berechtigten Personen er um die Übernahme des Mandats gebeten hat, und dass diese aus anderen Gründen als der Nichtzahlung eines Vorschusses das Mandat abgelehnt haben (vgl. zum Ganzen BFH-Beschlüsse vom  - VIII S 20/12, BFH/NV 2013, 219 und vom  - X S 13/14, BFH/NV 2014, 1565, Rz 6, m.w.N. auch auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

20 b) Zwar wird einem Beteiligten, der bis zum Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist keinen zur Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten findet, im Allgemeinen nur dann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden können, wenn er bis zum Fristablauf einen Antrag auf Bestellung eines Notanwalts stellt (vgl. auch Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 56 Rz 62, für den vergleichbaren Fall, dass bis zum Ablauf der Rechtsmitteleinlegungsfrist kein Prozessbevollmächtigter gefunden werden konnte), was hier nicht geschehen ist.

21 Der Streitfall ist aber insoweit anders gelagert, als der Kläger am letzten Tag der bereits verlängerten Beschwerdebegründungsfrist tatsächlich einen zur Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten gefunden hatte, das Hindernis der fehlenden Vertretung also beseitigt war. Dementsprechend wäre der Antrag auf Bestellung eines Notanwalts seit diesem Zeitpunkt ins Leere gegangen. Angesichts des Umstands, dass der Mandatsvertrag nach dem glaubhaften Vorbringen des Klägers erst am Nachmittag jenes Tages zustande kam und der Streitfall sowohl steuer- als auch familienrechtlich komplex ist, ist es jedoch nicht als —dem Kläger zuzurechnendes— Verschulden des P anzusehen, die Beschwerdebegründung nicht bereits bis zum Ablauf des Tages der Mandatsübernahme fertiggestellt zu haben.

22 c) Wenn ein Kläger ordnungsgemäß im Sinne des § 78b ZPO darlegt, dass er trotz rechtzeitiger umfangreicher Bemühungen zunächst keinen zur Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten gefunden hat, aber am letzten Tag der Begründungsfrist einen solchen Prozessbevollmächtigten findet, der jedoch nicht in der Lage ist, noch am selben Tage eine vollständige Beschwerdebegründung zu verfassen, dann trifft den Kläger auch kein Verschulden im Sinne des § 56 FGO an der durch das Fehlen eines zur Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten hervorgerufenen Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist. Dieses Ergebnis ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen geboten.

23 Auf die Überlegungen des FA zum Verschulden in Fällen der Mandatsniederlegung kommt es im Streitfall nicht an. Denn die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beruht nicht auf der —gegenüber dem Kläger mit dreimonatigem Vorlauf und damit überaus rechtzeitig angekündigten— Mandatsniederlegung des R, sondern auf der Schwierigkeit, einen zur Vertretung bereiten neuen Prozessbevollmächtigten zu finden.

III.

24 Die Beschwerde ist allerdings unbegründet.

25 Keiner der vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe ist tatsächlich gegeben.

26 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

27 a) Der Kläger formuliert hierzu die Rechtsfrage, „ob im Falle von Zahlungen, die geleistet werden, weil eine ausgleichsberechtigte Person von der ausgleichspflichtigen Person den Ausgleichswert in Form einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente verlangen kann, wenn ein Anrecht bei der Scheidung noch nicht ausgleichsreif im Sinne des § 19 VersAusglG ist, weshalb nach Auffassung der Finanzverwaltung die Ausgleichsreife eines Anrechts beispielsweise fehle, wenn es bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger besteht (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG), so dass insoweit schuldrechtliche Ausgleichszahlungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG vorliegen“.

28 Dabei handelt es sich schon nicht um einen vollständigen Satz und auch nicht um eine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage. Bei Heranziehen der weiteren Erläuterungen in der Beschwerdebegründung versteht der Senat das Vorbringen des Klägers allerdings dahingehend, dass er eine Klärungsbedürftigkeit daraus ableitet, dass das FG in Bezug auf die Auslegung des Vergleichs vom eine andere Auffassung als die Finanzverwaltung in Rz 24 des (BStBl I 2023, 611, Rz 24) vertreten habe.

29 b) An der genannten Stelle gibt das BMF jedoch nur den Inhalt der gesetzlichen Bestimmung des § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG wieder. Dass das Bestehen eines Anrechts bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger Anlass für die Vornahme eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs sein kann —so der Inhalt der genannten Norm und der vom Kläger herangezogenen Passage aus dem BMF-Schreiben—, ist auch vom FG an keiner Stelle seiner Entscheidung in Zweifel gezogen worden. Vielmehr hat das FG lediglich die im Einzelfall des Klägers und der E ergangenen familiengerichtlichen Entscheidungen und den geschlossenen Vergleich dahingehend ausgelegt, dass darin kein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich, sondern eine Unterhaltszahlungspflicht geregelt worden sei.

30 c) Vor allem aber wäre eine vom Kläger im Zusammenhang mit dem genannten BMF-Schreiben formulierte Rechtsfrage im Streitfall nicht klärungsfähig. An der Klärungsfähigkeit fehlt es insbesondere, wenn das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere Gründe gestützt hat, von denen jeder für sich gesehen die Entscheidung trägt, die Beschwerdebegründung jedoch nur auf einen der das FG-Urteil tragenden Gründe eingeht (Senatsbeschluss vom  - X B 28, 29/13, BFH/NV 2013, 1800, Rz 10). Hier hat das FG seine —vom Kläger beanstandete— Auffassung, aus dem vor dem OLG geschlossenen Vergleich ergebe sich kein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich, nur in zweiter Linie auf eine an den klaren Wortlaut des Vergleichstextes anknüpfende Auslegung gestützt. In erster Linie hat es ausgeführt, der erst für ab Januar 2022 zu leistende Zahlungen wirksame Vergleich habe sich nicht mit den im Streitjahr 2021 erbrachten Zahlungen des Klägers befasst und deren Rechtsgrund nicht rückwirkend geändert. Diese Begründung trägt das angefochtene Urteil selbständig, ohne dass in Bezug auf sie ein Zulassungsgrund vorgebracht wird.

31 2. Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) liegen nicht vor.

32 a) Der Kläger rügt eine Divergenz zu drei näher bezeichneten BFH-Entscheidungen, denen er den Rechtssatz entnimmt, dass atypischer Unterhalt nicht unter § 33a Abs. 1 EStG falle (Folge: Begrenzung des Abzugs auf einen Höchstbetrag), sondern unter § 33 EStG (Folge: zwar Abzug der zumutbaren Belastung; im Übrigen aber keine Begrenzung der Höhe des Abzugs). Er bezeichnet jedoch keinen abweichenden Rechtssatz aus dem angefochtenen vorinstanzlichen Urteil. Das FG ist auf die Frage der Abgrenzung zwischen typischen und atypischen Unterhaltszahlungen vielmehr nicht eingegangen, zumal für ein solches Eingehen weder nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beteiligten noch nach dem zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt Anlass bestand.

33 b) Im Übrigen befasst sich das vom Kläger genannte (BFHE 87, 613, BStBl III 1967, 246) mit der Nachzahlung von Unterhalt für frühere Jahre und ordnet solche Zahlungen dem § 33 EStG zu. Damit ist der Streitfall —wie das FA in seiner Beschwerdeerwiderung zu Recht vorträgt— von vornherein nicht vergleichbar, weil weder der Kläger vorträgt noch sonstige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er im Jahr 2021 in nennenswertem Umfang Unterhalt für frühere Jahre nachgezahlt hat.

34 In den beiden weiteren vom Kläger angeführten vermeintlichen Divergenzentscheidungen (, BFHE 101, 384, BStBl II 1971, 325 und vom  - III R 57/05, BFHE 222, 338, BStBl II 2009, 365, unter II.1.a) ist ausgesprochen, dass nicht typischer Unterhaltsaufwand (zum Beispiel infolge schwerer Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit) unter der Voraussetzung, dass zusätzlich auch laufender Unterhalt geleistet wird, nach § 33 EStG abgezogen werden kann, wobei in den beiden konkreten Fällen jeweils das Vorliegen nicht typischer Unterhaltszahlungen verneint wurde. Auch damit ist der Streitfall nicht vergleichbar, weil der Kläger im Streitjahr 2021 lediglich laufenden und typischen Unterhalt, aber keinen atypischen Unterhalt geleistet hat.

35 3. Die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind schon nicht ausreichend dargelegt und liegen jedenfalls nicht vor.

36 a) Der Kläger bringt vor, das FG habe das zwischenstaatliche Recht —hier: in Gestalt der Versorgungsordnung— nicht hinreichend ermittelt. Er legt aber nicht dar (zu den für eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge geltenden Darlegungsanforderungen vgl. Senatsbeschluss vom  - X B 23/24, BFH/NV 2025, 294, Rz 9), welche entscheidungserheblichen Tatsachen —hier: welche Inhalte des zwischenstaatlichen Rechts— sich bei einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Sachaufklärungspflicht ergeben hätten.

37 b) Auch die Rüge einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht bleibt ohne Erfolg. Der Kläger ist der Auffassung, das FG hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass es für die Auslegung des vor dem OLG geschlossenen Vergleichs nicht auf den von ihm wiederholt vorgetragenen Umstand ankomme, dass die Parteien des Vergleichs auch die Anwartschaften aus der Versorgungsordnung zugrunde gelegt hätten.

38 Für eine solche Hinweispflicht ist indes keine Rechtsgrundlage erkennbar. § 76 Abs. 2 FGO erfasst nur Hinweise zu Formfehlern und unterbliebenen wesentlichen Erklärungen. Hier begehrt der Kläger aber der Sache nach einen Hinweis des FG zu der vom Gericht beabsichtigten materiell-rechtlichen Beurteilung des Streitfalls, insbesondere zur Vertragsauslegung. Ein FG ist aber grundsätzlich nicht verpflichtet, seine vorläufige Beweiswürdigung oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung zahlreicher Einzelumstände offenzulegen (, BFH/NV 2014, 706, Rz 12, m.w.N.).

39 c) Soweit der Kläger unter dem Gesichtspunkt einer Verfahrensrüge auch Einwendungen gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der vom FG vorgenommenen Auslegung des gerichtlichen Vergleichs erhebt, kann damit die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreicht werden (, BFHE 259, 127, BStBl II 2018, 24, Rz 30).

IV.

40 Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

41 Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:B.090725.XB111.24.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-96560