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BGH Urteil v. - III ZR 53/24

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 5 U 46/21vorgehend Az: 312 O 162/20

Tatbestand

1    Die Parteien streiten über Kündigungs- und Verlängerungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verträge über die kostenpflichtige Nutzung des Online-Partnervermittlungsportals "P.      ".

2    Der Kläger ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein. Die Beklagte betreibt unter "www.p.            .de" das Online-Partnervermittlungsportal "P.        ". Sie bietet ihren Kunden den Zugriff auf eine Online-Datenbank an, über die ein gemeinsames Kennenlernen ermöglicht wird. Die Nutzer von P.         haben die Wahl zwischen einer kostenlosen Basis-Mitgliedschaft und einer kostenpflichtigen Premium-Mitgliedschaft. Im Rahmen der Premium-Mitgliedschaft bot die Beklagte den Abschluss von Verträgen mit einer Erstlaufzeit von sechs, zwölf oder 24 Monaten zu - bei Klageerhebung im Juni 2020 - folgenden Standardpreisen an:

sechs Monate für 449,40 € (74,90 € monatlich),

zwölf Monate für 838,80 € (69,90 € monatlich),

24 Monate für 1.197,60 € (49,90 € monatlich).

3    Im Rahmen der kostenpflichtigen Premium-Mitgliedschaft verwendete die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen hinsichtlich der Frist für die ordentliche Kündigung auf die "produktbezogenen Vertragsinhalte" verwiesen wurde. Im Rahmen des Bestellvorgangs mussten diese vom Kunden bestätigt werden. Sie enthielten unter anderem folgende Regelungen:

"Kündigungsfrist

Die Premium-Mitgliedschaft ist ordentlich kündbar, und zwar spätestens zwölf Wochen vor Laufzeitende.

Verlängerung Ihrer Premium-Mitgliedschaft und Konditionen

Ihre Premium-Mitgliedschaft verlängert sich künftig automatisch jeweils um weitere zwölf Monate zum Preis von […], es sei denn, Sie kündigen ordentlich entsprechend der vorbenannten Kündigungsfrist zum Laufzeitende."

4    Auf ihrer Webseite warb die Beklagte unter anderem mit der Aussage "9 von 10 P.        -Paaren bleiben zusammen", in sogenannten "City-Light-Spots" mit dem Slogan "Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single auf P.        ", darüber hinaus bei "YouTube" mit Erfolgsgeschichten von Paaren, die eine langjährige Beziehung eingingen und anschließend heirateten.

5    In seit dem geschlossenen Neu-Verträgen verwendet die Beklagte die hier in Rede stehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mehr.

6    Der Kläger hat beantragt, es der Beklagten zu untersagen, die vorgenannten Kündigungs- und Verlängerungsklauseln oder inhaltsgleiche Klauseln in Verträge mit Verbrauchern einzubeziehen sowie sich auf diese Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen. Daneben hat er die Erstattung von Abmahnkosten nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Aufrechterhaltung der Verurteilung zur Zahlung der Abmahnkosten nebst Zinsen das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert, die Beklagte zur Unterlassung nur bei Verträgen mit bei Vertragsschluss gewählten Laufzeiten von sechs und von zwölf Monaten verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, insgesamt auf Klageabweisung zu erkennen.

Gründe

7    Die Revision der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache teilweisen Erfolg.

I.

8    Das Berufungsgericht hat - soweit in der Revisionsinstanz von Bedeutung - zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

9    Die Klage sei zulässig - insbesondere seien die gestellten Klageanträge hinreichend bestimmt - und teilweise begründet. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG in Verbindung mit § 307 BGB insoweit zu, als er sich gegen die Verwendung der streitgegenständlichen Klauseln in Verträgen mit ursprünglicher Laufzeit von sechs und zwölf Monaten wende. Zwar verstießen die Bestimmungen der sechs- und zwölfmonatigen Laufzeitmodelle nicht gegen - die auf Online-Partnervermittlungsverträge wie hier anwendbare Vorschrift des - § 309 Nr. 9 Buchst. b und c BGB in der bis zum gültigen Fassung (aF), wohl aber gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

10    In den Fällen der ursprünglich sechs- und der zwölfmonatigen Verträge liege in der Vertragsverlängerung um ein Jahr bei nicht rechtzeitiger Kündigung zwölf Wochen vor Laufzeitende eine erhebliche finanzielle Belastung mit der Folge, dass die Interessenabwägung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB eröffnet sei. Eine finanzielle Belastung sei dann als erheblich anzusehen, wenn sie dem Volumen des ursprünglichen Vertrags entspreche oder dem nahe komme. Den Verlängerungsklauseln sei zu entnehmen, dass sich die Verträge jeweils zu den bisherigen Konditionen mit den entsprechenden Monatsbeiträgen verlängerten. Bei einer Verlängerung des Zwölf-Monats-Vertrags um weitere zwölf Monate erreiche die Verlängerung das finanzielle Volumen des ursprünglichen Vertrags, im Falle des Sechs-Monats-Vertrags gehe die auf die Verlängerung um zwölf Monate insgesamt entfallende finanzielle Belastung sogar über die mit dem ursprünglich nur für sechs Monate eingegangenen Vertrag verbundene finanzielle Belastung hinaus.

11    Die vorzunehmende Abwägung der wechselseitigen Interessen der Vertragspartner führe zur Bewertung der streitgegenständlichen Klauseln als treuwidrig. Die durch die Verlängerung drohende erhebliche Belastung liege nicht im Interesse der Nutzer. Die Kunden hätten ein besonderes Interesse daran, dass sich die Verträge nicht frühzeitig nach der Hälfte der Laufzeit oder nach Dreivierteln der Laufzeit um ein Jahr verlängere. Denn das Geschäftsmodell der Beklagten weise auch eine gewisse Erfolgskomponente auf. Zwar handele es sich bei den Verträgen nicht um Werkverträge. Die Beklagte vermarkte ihren Dienst jedoch mit guten Erfolgschancen bei der Partnersuche und werbe mit den langfristigen Erfolgen ihrer Vermittlung, wie sich aus den Slogans "9 von 10 P.         -Paaren bleiben zusammen" und "Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single mit P.          " ergebe. Diese öffentlichen Aussagen seien als Wertungshintergrund zu berücksichtigen; sie würden typischerweise das Vertragsverständnis des Kunden mitbestimmen. Es sei daher zugrunde zu legen, dass der von der Beklagten zur Verfügung gestellte Dienst im Regelfall gerade auf die erfolgreiche Partnerfindung gerichtet sei.

12    Diese Kombination aus der gewissen "Erfolgsbezogenheit" des Vertrags mit der Beklagten und der Notwendigkeit, sehr frühzeitig die Entscheidung über die Verlängerung zu treffen, missachte die Interessen der Nutzer und stelle die eigenen wirtschaftlichen Interessen der Beklagten über diese. Ein Kunde, der vor der Überlegung stehe, ob er den Vertrag kündigen möchte oder dessen Verlängerung in Kauf nehme, müsse diese Entscheidung bereits knapp drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Vertrags treffen. Er müsse mithin abwägen, ob er innerhalb dieser knapp drei Monate noch einen Partner finden werde. Verneine er dies und finde er doch noch vor Ablauf des Vertrags einen Partner, sei er mindestens zwölf weitere Monate an den Vertrag gebunden. Für die Aufrechterhaltung einer eingegangenen Paarbeziehung sei der Dienst der Beklagten bestenfalls wirkungslos, wenn nicht sogar kontraproduktiv und daher erheblich abweichend von Fitnessstudioverträgen oder BahnCard-Abonnements.

13    Die schutzwürdigen Interessen, die aufseiten der Beklagten einzustellen seien, überwögen die gewichtigen Interessen der Kunden nicht. Sie erschöpften sich vielmehr primär in dem monetären Interesse an einer langfristigen Kundenbindung und der damit einhergehenden Beitragszahlung.

14    Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr sei zu bejahen. Aus der vertraglichen Einbeziehung rechtswidriger Vertragsbedingungen in der Vergangenheit resultiere die tatsächliche Vermutung ihrer zukünftigen Verwendung und ihrer Anwendung bei der Vertragsdurchführung. Die Beklagte habe zwar dargelegt, dass sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Hinblick auf die Neufassung (nF) des § 309 Nr. 9 BGB durch das Gesetz für faire Verbraucherverträge vom (BGBl I S. 3433) geändert habe und dass die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nunmehr bei Vertragsschluss einbezogen würden. Sie habe aber nicht dargelegt, dass sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch für Bestandskunden geändert habe. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte weiterhin durchgehend die nach ihrer Ansicht bestehende Rechtmäßigkeit ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach der alten Rechtslage verteidige.

15    Soweit die Verträge der Beklagten eine Laufzeit von 24 Monaten hätten, verstießen die angegriffenen Klauseln hingegen nicht gegen das bis zum Zeitpunkt der Rechtsänderung geltende Recht.

II.

16    Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

17    Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der erhobenen Klage frei von Rechtsfehlern bejaht (1). Zu Recht hat es einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UKlaG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bezogen auf das Vertragsmodell mit einer bei Vertragsschluss gewählten Laufzeit von sechs Monaten angenommen, soweit es um die Abwicklung von vor dem geschlossenen Verträgen geht (2). Beträgt die Erstlaufzeit zwölf Monate, stellt sich die Verlängerung um weitere zwölf Monate bei Nichtkündigung des Vertrags bis spätestens zwölf Wochen vor dem Ablauf der Erstlaufzeit hingegen nicht als unangemessene Benachteiligung dar (3).

181.    Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Feststellung des Berufungsgerichts, die Anträge des Klägers genügten den Anforderungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG. Zu Recht verweist die Revision zwar darauf, dass bei Klagen nach § 1 UKlaG der Klageantrag gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG die beanstandeten Bestimmungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Wortlaut enthalten muss und die Klage anderenfalls unzulässig ist (zB , BGHZ 194, 208 Rn. 9 und vom - XI ZR 260/15, NJW 2017, 3222 Rn. 18; MüKo/Micklitz/Rott, ZPO, 6. Aufl., § 8 UKlaG Rn. 3; Witt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl., § 8 UKlaG Rn. 4 und 9). Daraus folgt jedoch nicht, dass stets die vollständige Wiedergabe der angegriffenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen notwendig wäre. Die Regelung in § 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG konkretisiert das allgemeine Erfordernis eines "bestimmten Antrags" in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und dient insoweit der zweifelsfreien Festlegung des Streitgegenstands ( aaO; Witt aaO Rn. 4). Gibt der Kläger die Gesamtbestimmung verkürzt wieder, ohne ihren Sinngehalt zu verändern, steht dies der Zulässigkeit nicht entgegen (vgl. aaO Rn. 10). Die Beschränkung der Klage auf einige Absätze, Sätze und Teilsätze der Bedingungen kann dazu dienen, den Streitgegenstand in zulässiger Weise einzugrenzen (vgl. BGH aaO Rn. 11).

19    So verhält es sich hier. Der Kläger gibt die von ihm beanstandeten Teile der Klausel im Wortlaut wieder. Unschädlich ist, dass er hierbei nicht die weiteren Sätze der Klausel zitiert, aus denen sich die Preisgestaltung ergibt. Er beanstandet die Klauseln bei sämtlichen Vertragsmodellen und hebt zur Begründung der Unwirksamkeit nicht maßgeblich auf die Preisgestaltung ab. Ob der Verweis auf beigefügte Anlagen den Zulässigkeitsanforderungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG für sich genommen genügte (str., bejahend Lindacher in

20    von vor dem geschlossenen Verträgen geht, auch rechtsfehlerfrei Wiederholungsgefahr angenommen.

21    a) Das Vertragsmodell fällt in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 BGB aF. Ein Vertrag über die Nutzung einer Online-Plattform zur Partnersuche hat - wie auch ein herkömmlicher Partnervermittlungsvertrag - die regelmäßige Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand (vgl. zu herkömmlichen Partnervermittlungsverträgen MüKo/Wurmnest, BGB, 9. Aufl., § 309 Nr. 9 Rn. 9; BeckOGK/Weiler, BGB [], § 309 Nr. 9 Rn. 68; zur Online-Partnervermittlung Haberl, Rechtliche Aspekte des Online-Datings, S. 293). Eine Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 309 Nr. 9 Buchst. b BGB aF liegt nur bei einer Vertragsverlängerung von mehr als einem Jahr vor, die hier nicht gegeben ist. Auch steht die vorgesehene Kündigungsfrist von zwölf Wochen vor Ablauf der zunächst vorgesehenen Vertragsdauer im Einklang mit § 309 Nr. 9 Buchst. c BGB aF.

22    b) Regelungen über Kündigungen und Vertragslaufzeiten, die einer Prüfung nach § 309 Nr. 9 BGB aF standhalten, sind nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom - III ZR 351/17, BGHZ 219, 51 Rn. 20) einer Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB unterworfen. Fehlt es - wie hier - an einem gesetzlichen Leitbild für den in Rede stehenden Vertragstyp, ist die Angemessenheit nicht am Maßstab des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu prüfen, sondern anhand einer Interessenabwägung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu ermitteln (vgl. Xa ZR 89/09, NJW 2010, 2942 Rn. 17).

23    Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (Senat, Urteile vom - III ZR 126/15, BGHZ 209, 52 Rn. 17 und vom aaO Rn. 23; aaO Rn. 18; vom - I ZR 104/17, NJW 2019, 757 Rn. 49 und vom - IV ZR 144/21, BGHZ 232, 344 Rn. 43). Die Anwendung dieses Maßstabs setzt eine Ermittlung und Abwägung der wechselseitigen Interessen voraus. Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders, die von einigem Gewicht sein muss (Senat, Urteile vom - III ZR 179/20, BGHZ 230, 347 Rn. 54 und vom - III ZR 12/21, NJW-RR 2022, 625 Rn. 43), durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist ( aaO).

24    Ist die Bestimmung nach dem spezielleren § 309 BGB aF wirksam, kann sich die Unangemessenheit allerdings nur aus besonderen, von der Verbotsnorm nicht erfassten Gründen ergeben (vgl. , BGHZ 100, 373, 378 f und vom - XII ZR 193/95, NJW 1997, 739, 740; Versäumnisurteil vom - XII ZR 42/10, NJW 2012, 1431 Rn. 25). Es ist unzulässig, aufgrund allgemeiner Überlegungen, die sich nicht aus den Besonderheiten des konkret zu beurteilenden Vertragstyps ergeben, über die Generalklausel die gesetzgeberische Regelungsabsicht geradezu "auf den Kopf zu stellen" ( und vom ; Versäumnisurteil vom , jew. aaO). Gesichtspunkte, die der Gesetzgeber bei Aufstellung der Regelwertung bereits berücksichtigt hat, können für sich genommen bei einer Beurteilung nach § 307 BGB keine gegenteilige Bewertung tragen (Staudinger/Wendland, BGB, Neubearbeitung 2022, § 307 Rn. 12). Die Einschränkung der Dispositionsfreiheit, die mit einer einjährigen Verlängerungsklausel einhergeht und die der Gesetzgeber im Blick hatte, ist deshalb für sich allein kein hinreichender Grund, die Regelung nach der Generalklausel für unwirksam anzusehen (vgl. aaO; Versäumnisurteil vom aaO). Das Gleiche gilt für die Gefahr, dass die Vertragsverlängerung übersehen und daher die Kündigung vergessen wird; auch diesen Aspekt hat der Gesetzgeber bereits in seine Entscheidung einbezogen ( aaO Rn. 23; Regierungsentwurf zu einem Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz), BT-Drucks. 7/3919 S. 37).

25    Aus § 309 Nr. 9 BGB aF kann nicht ein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend abgeleitet werden, nur im Verhältnis zur Erstlaufzeit erheblich kürzere Verlängerungszeiten seien gerechtfertigt (vgl. aaO Rn. 21). Es trifft zwar zu, dass das Interesse des Kunden am Erhalt seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit und am Schutz vor ungewollten finanziellen Belastungen bei der Beurteilung von Verlängerungsklauseln grundsätzlich stärker ins Gewicht fällt als bei der Prüfung der Angemessenheit der Erstlaufzeit. Hieraus folgt, dass in der Regel nur eine hinter der Erstlaufzeit zurückbleibende Verlängerungszeit angemessen ist. Ist jedoch die Erstlaufzeit deutlich kürzer als ein Jahr, ist eine über die Erstlaufzeit hinausgehende Verlängerungszeit nicht in jedem Fall als unwirksam anzusehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Verlängerung nicht über die in § 309 Nr. 9 Buchst. b BGB aF genannte und auch außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift als Richtschnur anzusehende Höchstgrenze von einem Jahr hinausgeht (BGH aaO). Das erhellt, dass eine Verlängerungsklausel zwar nicht stets schon dann unangemessen ist, wenn das Volumen der mit ihr einhergehenden finanziellen Belastung dem Volumen des ursprünglichen Vertrags entspricht oder dem nahekommt. Unbeschadet dessen und trotz des Umstands, dass Vereinbarungen über das zu zahlende Entgelt nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen (BGH aaO Rn. 22), kann sich das Unangemessenheitsverdikt einer Verlängerungsklausel allerdings aus der Höhe der mit ihr verbundenen finanziellen Belastung ergeben ( aaO).

26    c) Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, nach der sich eine Premium-Mitgliedschaft mit einer bei Vertragsschluss gewählten Laufzeit von sechs Monaten um weitere zwölf Monate verlängert, sofern nicht spätestens zwölf Wochen vor Ablauf der sechsmonatigen Erstlaufzeit gekündigt wird, die Vertragspartner der Beklagten unangemessen benachteiligt im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und daher unwirksam ist.

27    aa) Hierbei ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts aufseiten der Vertragspartner der Beklagten zu berücksichtigen, dass das Volumen der mit der Vertragsverlängerung um ein Jahr einhergehenden finanziellen Belastung doppelt so hoch ist wie dasjenige der Erstlaufzeit von sechs Monaten und diese finanzielle Belastung, die außerdem höher ist als die Vergütung bei einem Zwölf-Monats-Vertrag, ersichtlich nicht im Interesse der typischen Premium-Kunden der Beklagten liegt. Denn ihnen geht es bei der Nutzung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Dienstes um die Partnerfindung im Sinne eines einmaligen Erfolgs; ist der Partner gefunden und die Paarbeziehung eingegangen, ist deren Interesse an der (Weiter-)Nutzung des Dienstes der Beklagten erloschen, weil der Dienst für die Aufrechterhaltung einer eingegangenen Paarbeziehung bestenfalls wirkungslos, eher sogar kontraproduktiv ist. Das wiederum führt dazu, dass die typischen Premium-Kunden, die vor der Frage stehen, ob sie kündigen oder den Vertrag weiterlaufen lassen, gegebenenfalls abschätzen müssen, ob sie während der zwölfwöchigen Kündigungsfrist voraussichtlich noch einen Partner finden werden oder nicht. Diese Prognose ist bei typisierter Betrachtung umso schwieriger zu treffen, je kürzer der Zeitraum zwischen Vertragsbeginn und Kündigungszeitpunkt bemessen ist - am schwierigsten somit beim Vertragsmodell mit einer Erstlaufzeit von sechs Monaten, weil man hier nur gut drei Monate lang den Dienst der Beklagten testen und mit potentiellen Partnern Erfahrungen sammeln kann.

28    (1) Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht den typischen Premium-Kunden der Beklagten und damit den typischen Vertragszweck rechtsfehlerfrei bestimmt. Das gilt insbesondere, soweit es sich darauf gestützt hat, die Beklagte vermarkte ihren Dienst mit guten Erfolgschancen bei der Partnersuche, indem sie ihn mit den Slogans "Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single mit P.              " und "9 von 10 P.         -Paaren bleiben zusammen" sowie mit anderen Erfolgsgeschichten von Paaren, die eine langjährige Beziehung eingingen und anschließend heirateten, und damit mit langfristigen Erfolgen ihrer Vermittlung bewerbe, und daran anschließt, nach dem objektiv erkennbaren Vertragszweck des typischen Kunden der Beklagten müsse diese sich daran festhalten lassen, wie sie selbst mit der von ihr angebotenen Dienstleistung an die Öffentlichkeit trete und den typischen Kunden portraitiere, so dass zugrunde zu legen sei, dass ihr Dienst im Regelfall auf "die" erfolgreiche Partnerfindung gerichtet sei.

29    (2) Mit der Heranziehung der "konkreten Werbepraktiken" der Beklagten hat das Berufungsgericht - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht auf den Vertragsschluss begleitende Umstände im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB abgestellt. Vielmehr steht außer Frage, dass eine Werbung, die sich - wie hier - an die breite Öffentlichkeit richtet, den Kreis der von dem beworbenen Angebot regelmäßig und typischerweise angesprochenen Personen (mit-)bestimmt. Ihre Heranziehung bei der Entscheidung (§ 286 Abs. 1 ZPO) ist daher, nachdem der Kläger einschlägigen Tatsachenvortrag schon erstinstanzlich gehalten hat, nicht zu beanstanden. Dass die Werbeinhalte den Adressaten keinen bestimmten Erfolg versprechen und es sich bei den Verträgen daher nicht um Werkverträge handelt, hat das Berufungsgericht gesehen und beachtet.

30    (3) Anders als die Revision geltend macht, lässt sich revisionsrechtlich nicht mit Erfolg argumentieren, der Kunde, der sich vor Ablauf der Kündigungsfrist außerstande sehe zu prognostizieren, ob er innerhalb der nächsten zwölf Wochen einen Partner finden werde, könne und werde die Premium-Mitgliedschaft kündigen und bei Ausbleiben des gewünschten Erfolgs einen neuen Vertrag mit der Beklagten schließen. Diese Sichtweise berücksichtigt nicht, dass der Kunde nicht sicher sein kann, dass der Abschluss eines Neuvertrags mit denselben Konditionen möglich sein werde und sich ein Neuvertrag nahtlos und ohne besonderen Aufwand an den gekündigten Vertrag (etwa im Hinblick auf die Angaben im rund 80 Fragen umfassenden P.         -Fragebogen, die Partnerschafts-Persönlichkeit auf der Plattform und bereits angebahnte Kontakte) anschließen könne.

31    (4) Soweit die Revision Art. 103 Abs. 1 GG als verletzt bezeichnet, begründet sie ihre Rüge(n) nicht. Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör ist auch nicht erkennbar; er ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass das Berufungsgericht - entgegen der Revision - nicht zu dem Ergebnis gekommen ist, das Interesse an der fortgesetzten Nutzung der Plattform sei das einzig typisierungsfähige Interesse der Nutzergemeinschaft und daher für die Abwägung im Rahmen des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB allein maßgeblich, die von den Nutzern mit der Kontaktaufnahme verfolgten Zwecke seien derart heterogen, dass sie sich jeder Typisierung entzögen, und P.          als Plattform zur Kontaktaufnahme nutzen zu können, sei somit das allein maßgebliche Kundeninteresse, das auch durch Eingehung einer langfristigen Beziehung nicht beeinträchtigt werde. Das Berufungsgericht hat dieses Vorbringen der Beklagten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt einer Partei weder einen Anspruch darauf, dass sich das Gericht nur in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst (, MarkenR 2014, 343 Rn. 2), noch umfasst es einen Anspruch darauf, dass das Gericht dem Vorbringen eines Beteiligten folgt (BVerfGE 115, 166, 180).

32    bb) Aufseiten der Beklagten ist nach den ebenfalls rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts primär deren Interesse an einer langfristigen Kundenbindung und der damit einhergehenden Beitragszahlung zu berücksichtigen. Dabei versteht es sich von selbst, dass die Beklagte sich als Wirtschaftsunternehmen in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen zugunsten einer vertraglichen Gestaltung entscheidet und bei der Ausgestaltung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf achtet, ihre Dienstleistung - wie sie selbst vorträgt - zu vertretbaren wirtschaftlichen Bedingungen dauerhaft am Markt anbieten zu können. Aufgrund des von ihr zu bestreitenden Personal- und Sachaufwands führt sie - mit Recht (vgl. , BGHZ 223, 225 Rn. 22) - auch "Planungssicherheit" als einen weiteren zu ihren Gunsten sprechenden Belang ins Feld. Darüber hinaus ist die für sie mit erhöhtem finanziellen Aufwand verbundene besondere Leistungsdichte zu Vertragsbeginn zu veranschlagen, auf die sie in anderer Stelle aufmerksam gemacht hat; gemeint sind hier erhebliche "Anlaufarbeiten", namentlich die ausführliche Analyse der Partnerschafts-Persönlichkeit und der "Profil-Check".

33    cc) Wägt man die gewichtigen Interessen der Beklagten und ihrer Kunden gegeneinander ab, so ergibt sich, dass bei dem Vertragsmodell mit einer Erstlaufzeit von sechs Monaten die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltene Regelung, nach der sich diese Verträge um weitere zwölf Monate verlängern, falls nicht spätestens zwölf Wochen vor Ablauf der Erstlaufzeit gekündigt wird, die Vertragspartner der Beklagten unangemessen benachteiligt im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und daher unwirksam ist. Bei diesem Vertragsmodell ist die finanzielle Belastung für alle Kunden, die nicht (fristgerecht) kündigen, während der Vertragsverlängerung doppelt so hoch als während der Erstlaufzeit des Vertrags. Ausschlaggebend kommt hinzu, dass die Beklagte bei diesen Verträgen von denjenigen Kunden, die nicht schon relativ kurz nach Vertragsbeginn unter Einhaltung der zwölfwöchigen Kündigungsfrist kündigen, ihr somit für das aktuelle und gegebenenfalls auch für das folgende Geschäftsjahr "Planungssicherheit" verschaffen und die die vorbeschriebenen "Anlaufarbeiten" nur einmal verursachen, insgesamt mehr verlangt als von denjenigen Kunden, die fristgerecht kündigen - die Beklagte dadurch zunächst in finanzieller Ungewissheit lassen - und erst bei Ablauf der sechsmonatigen Erstlaufzeit mit ihr einen zweiten Vertrag mit einer (weiteren) Erstlaufzeit von zwölf Monaten zu den vorgenannten Konditionen schließen, bei dem nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die "Anlaufarbeiten" dann ein weiteres Mal zu leisten sind. Diejenigen Kunden, für die es - wie unter Doppelbuchstabe aa dargelegt - am schwierigsten ist zu prognostizieren, ob sie während der zwölfwöchigen Kündigungsfrist voraussichtlich noch einen langfristigen Partner finden werden oder nicht, und die nicht kündigen, werden hier "über Gebühr" benachteiligt, ohne dass dies durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen der Beklagten gerechtfertigt wäre.

34    d) Der Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG setzt als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr voraus, für deren Vorliegen bei der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine tatsächliche Vermutung spricht (Senat, Urteile vom - III ZR 199/01, NJW 2002, 2386; vom - III ZR 73/09, BeckRS 2009, 89259 Rn. 9 f und vom - III ZR 173/12, BGHZ 196, 11 Rn. 12; , BGHZ 215, 359 Rn. 69; jew. mwN). An deren Beseitigung sind strenge Anforderungen zu stellen. Regelmäßig reichen weder die Änderung der beanstandeten Klausel noch die bloße Absichtserklärung des Verwenders, sie nicht weiter zu verwenden, aus, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Demgegenüber spricht es für das Fortbestehen dieser Gefahr, wenn der Verwender noch im Rechtsstreit die Zulässigkeit der früher von ihm benutzten Klausel verteidigt und nicht bereit ist, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben (Senat, Urteile vom , und , jew. aaO; aaO). Allerdings ist für das Wettbewerbsrecht und für Unterlassungsansprüche der hier in Rede stehenden Art anerkannt, dass die vorbezeichnete tatsächliche Vermutung entfällt, wenn der Gesetzgeber bei zuvor zweifelhafter Rechtslage die Rechtsfrage eindeutig im Sinne des zuvor streitigen Verbots entschieden und der Verwender daraufhin seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen der neuen - veränderten - Rechtslage angepasst hat, wobei ihm eine angemessene kurze Umstellungsfrist zuzubilligen ist (vgl. Senat, Urteil vom aaO Rn. 11 bis 13).

35    Vor diesem Hintergrund ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Kündigungs- und Verlängerungsklauseln - nach einer ihr zuzugestehenden kurzen Umstellungsfrist von einem Monat - zum grundlegend geändert hat im Hinblick auf die mit Wirkung zum erfolgte Neufassung des § 309 Nr. 9 BGB durch das Gesetz für faire Verbraucherverträge vom (BGBl I S. 3433). Sie hat für Neu-Verträge die Klauseln der neuen Rechtslage angepasst und - unwidersprochen - vorgetragen, die im vorliegenden Verfahren zur Überprüfung gestellten (bisherigen) Allgemeinen Geschäftsbedingungen in seit dem geschlossenen Neu-Verträgen nicht mehr zu verwenden. Das genügt, um hinsichtlich der Neu-Verträge die Vermutung, sie werde die bisherigen, nach der nunmehrigen Gesetzeslage eindeutig unwirksamen Klauseln weiterhin verwenden, entfallen zu lassen (vgl. Senat aaO Rn. 12).

36    Die für einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG erforderliche Wiederholungsgefahr besteht jedoch insoweit, als es um die Abwicklung von vor dem mit Verbrauchern geschlossenen (Alt-)Verträgen geht. Denn insoweit beruft sich die Beklagte gegenüber ihren Bestandskunden, wie ihrer Revisionsbegründung unschwer entnommen werden kann, nach wie vor auf ihre alten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ihrer Auffassung gemäß nach alter Rechtslage wirksam gewesen seien.

373.    Beim vorliegenden Vertragsmodell mit einer Erstlaufzeit von zwölf Monaten lässt sich eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB hingegen nicht feststellen. Das Volumen der mit der Vertragsverlängerung um ein Jahr einhergehenden finanziellen Belastung ist hier nicht höher als dasjenige während der Erstlaufzeit von einem Jahr. Des Weiteren sind diejenigen Kunden, die nicht fristgerecht zum Ende des ersten Jahres kündigen, der Beklagten somit "Planungssicherheit" verschaffen und die die vorbeschriebenen "Anlaufarbeiten" nur einmal verursachen, finanziell nicht schlechter gestellt als diejenigen Kunden, die fristgerecht kündigen und erst bei Ablauf der zwölfmonatigen Erstlaufzeit mit der Beklagten einen zweiten Vertrag mit einer (weiteren) Erstlaufzeit von zwölf Monaten zu den vorgenannten Konditionen schließen. Für diejenigen Kunden, die Gelegenheit hatten, den Dienst der Beklagten über neun Monate zu testen und mit potentiellen Partnern Erfahrungen zu sammeln, ist es zudem weit weniger schwierig abzuschätzen, ob sie in den letzten zwölf Wochen der Erstlaufzeit noch einen langfristigen Partner finden werden oder nicht. In Anbetracht der dargestellten gewichtigen Interessen der Beklagten ist deswegen hier eine unangemessene Benachteiligung zu verneinen.

III.

38    Auf die Revision der Beklagten ist das angefochtene Urteil daher insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht die Verurteilung zur Unterlassung (auch) auf Verträge mit einer bei Vertragsschluss gewählten Laufzeit von einem Jahr und auf nach dem geschlossene Neu-Verträge mit einer bei Vertragsschluss gewählten Laufzeit von sechs Monaten bezogen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil diese aufgrund des festgestellten Sachverhalts zur Endentscheidung reif ist und keine weiteren Feststellungen erforderlich sind.

Herrmann                        Arend                        Böttcher

                      Herr                            Liepin

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:170725UIIIZR53.24.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-96549