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BGH Urteil v. - V ZR 150/24

Überfahrtbaulast: Duldungspflicht des Eigentümers des belasteten Grundstücks hinsichtlich des Begehens und Überfahrens

Leitsatz

Gesetze: § 242 BGB, § 1004 Abs 1 S 2 BGB, § 85 BauO NW

Instanzenzug: Az: I-9 U 27/23vorgehend LG Kleve Az: 1 O 33/22

Tatbestand

1    Der Beklagte zu 1, Vater der Beklagten zu 2 und 3, war Eigentümer eines Grundstücks, welches er in die drei Flurstücke teilte. zugunsten des dahinterliegenden Flurstücks 180.Die Klägerin ist die entstandene Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Das benachbarte Flurstück 180, das im gemeinsamen Eigentum der Beklagten zu 2 und 3 steht, ist von der öffentlichen Straße über eine Zuwegung erreichbar, die auf dem Flurstück 179 entlang der Grenze zu dem an der öffentlichen Straße gelegenen Flurstück 178 des Beklagten zu 2 verläuft. Die Beklagten nutzen die Zuwegung, um zu den Flurstücken 178 und 180 zu gelangen. In einem Parallelverfahren vor dem Senat nehmen die Beklagten zu 2 und 3 die Wohnungseigentümer Einräumung eines Wegerechts in Form einer Grunddienstbarkeit zugunsten der Flurstücke 178 und 180 und zu Lasten des Flurstücks 179, hilfsweise eines Notwegrechts zugunsten des Flurstücks 180 (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 143/25, zur Veröffentlichung bestimmt).

2    Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten in der Hauptsache, es zu unterlassen, den Zufahrtsweg über das Flurstück 179 zu nutzen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht sie abgewiesen

Gründe

I.

3    Das Berufungsgericht meint, dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB stehe jedenfalls der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen, soweit das Grundstück der Klägerin mit einer Baulast belastet sei. Grundsätzlich vermittele eine Baulast zwar keine privaten Rechte. Der Arglisteinwand könne dem Unterlassungsanspruch des Eigentümers aber entgegengehalten werden, wenn das Verlangen baulastwidrig sei und keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Baubehörde die Baulast nicht durchsetzen oder auf sie verzichtet werde. Die Einheit der Rechtsordnung verbiete es, mit Mitteln des Privatrechts ein Verhalten zu verlangen, das öffentlich-rechtlichen Vorgaben zuwiderlaufe. Die Baulast solle die Erschließung der Zufahrt zum Flurstück 180 über das Flurstück 179 sichern. Mit der Baulast übernehme der Belastete im Sinne des § 85 BauO NRW die (durchsetzbare) Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten. Gründe, der Verpflichtung aus der Baulast nicht mehr zu entsprechen, seien nicht ersichtlich.

II.

4    Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Unterlassung der Nutzung des über das Flurstück 179 verlaufenden Zufahrtswegs nicht verneint werden.

5    1

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7    a)

8    aa

9    bb

10    b

11    aa Baulast stellt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung im Verhältnis zu der Baubehörde dar, um bestimmte baurechtliche Anforderungen abzusichern (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 4/94, NJW 1995, 53, 54; Urteil vom - V ZR 204/82, BGHZ 88, 97, 99 ff.; Urteil vom - V ZR 152/83, BGHZ 94, 160, 165). In einem konkreten Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn kannin Wegerecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch kann außerhalb des Grundbuchs nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB entstehen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 155/18, NJW 2020, 1360 Rn. 10).

12    bbSoweit sich das Urteil des Senats vom () dahin verstehen lassen sollte, dass die Arglisteinrede nicht nur einem Herausgabeanspruch, sondern auch dem baurechtswidrigen Abwehranspruch des Eigentümers auf Unterlassung der Grundstücksnutzung entgegengesetzt werden kann, hält der Senat daran nicht fest.

III.

13    (§ 562 Abs. 1 ZPO).

14    die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, den zu ihrem Grundbesitz, Flurstück 179, gehörenden Zufahrtsweg zu nutzen, um zu dem Flurstück 178 zu gelangen, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung der Beklagten ist insoweit zurückzuweisen, weil sie sich nicht auf ein Notwegrecht berufen können. Das Flurstück 178 liegt an der öffentlichen Straße; folgerichtig haben die ist (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 139/05, NJW-RR 2006, 1160 Rn. 6), in dem Parallelverfahren V ZR 143/24 auf das Flurstück 180 beschränkt

15    Im Hinblick auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch im Übrigen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann insoweit in der Sache nicht selbst entscheiden, weil sie mangels Feststellungen zu einem Notwegrecht der Beklagten im Hinblick auf das Flurstück 180 nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu der Verbindungslosigkeit des Flurstücks 180 getroffen.

                                                                

                                                                     

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:270625UVZR150.24.0

Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 8 Nr. 33
FAAAJ-96547