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BGH Beschluss v. - 6 StR 623/24

Instanzenzug: Az: 210 KLs 17/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des besonders schweren räuberischen Diebstahls (§ 252, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB) freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

21. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung nach Wiedergabe des Anklagevorwurfs folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3a) Am gegen 10:34 Uhr betraten zwei Personen den Bürobereich der Firma H.   T.                in G.                 . Sie nahmen dort zwei Geldkassetten mit insgesamt 198.065 Euro an sich, um sie für sich zu behalten. Sie liefen mit der Beute aus dem Büroraum, verloren dabei jedoch eine der Kassetten, so dass ein sie verfolgender Mitarbeiter sie einholen konnte. In diesem Moment sprühte einer der Täter dem Verfolger Pfefferspray in das Gesicht, um sich im Besitz der Beute zu erhalten. Der Mitarbeiter brach aufgrund des sofort eintretenden brennenden Schmerzes die Verfolgung ab. Die Täter liefen sodann mit der gesamten Beute zu einem nahebei stehenden Pkw und konnten damit flüchten. Die Geldkassetten wurden kurz nach 11 Uhr aufgebrochen und entleert aufgefunden. An der äußeren Unterseite der einen Kassette sowie an der Plombe der anderen Kassette wurden DNA-Spuren sichergestellt. Diese entsprachen in allen 16 Merkmalssystemen der in der DNA-Analysedatei unter dem Namen des Angeklagten hinterlegten DNA. Ausweislich der Angaben der dazu gehörten Sachverständigen lag die Wahrscheinlichkeit „eines gleichen DNA-Inhabers ... bei 1 zu 57 Trilliarden“.

4b) Das Landgericht vermochte sich von der Täterschaft des schweigenden Angeklagten nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit zu überzeugen. Zwar komme – so die Strafkammer – den DNA-Spuren ein hoher Beweiswert zu. Allerdings sei dabei zu beachten, dass es sich bei der Merkmalswahrscheinlichkeit lediglich um einen statistischen Wert handele. Denn dieser gebe keine empirische Auskunft darüber, wie viele Menschen tatsächlich eine identische Merkmalskombination aufwiesen. Zudem habe die konkrete Art der Sicherung der Spuren nicht weiter geklärt werden können. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die DNA-Spuren auch durch einen „indirekten Transfer“ verursacht worden seien, sei es durch Täterhandschuhe oder ein Schmuckkästchen, das neben den aufgebrochenen Kassetten gefunden wurde. Auch das auf Grundlage von Bildern einer Überwachungskamera erstellte anthropologische Gutachten stufe die Identität des Angeklagten mit einem der Täter als (lediglich) „wahrscheinlich“ ein. Schließlich sei den Entlastungszeugen, die zu einem möglichen Aufenthalt des Angeklagten zur Tatzeit in Polen vernommen worden seien, ein hoher Beweiswert zuzusprechen.

52. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Urteils. Die Beweiswürdigung hält – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 633/24, Rn. 6; vom – 4 StR 428/23, Rn. 13; vom – 1 StR 109/21, Rn. 10) – sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt; zudem ist die Beweiswürdigung lückenhaft.

6a) Das Landgericht hat den DNA-Spuren zwar zutreffend einen hohen Beweiswert für die Täterschaft des Angeklagten beigemessen. Denn schon bei einem Seltenheitswert im Millionenbereich kann wegen der inzwischen erreichten Standardisierung der molekulargenetischen Untersuchung das Ergebnis der DNA-Analyse für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts dahin, dass eine am Tatort oder an der Tatbeute gesicherte DNA-Spur vom Täter herrührt, ausreichen (vgl.  − 6 StR 109/22, NStZ 2022, 698; Beschluss vom – 1 StR 722/08, NStZ 2009, 285, 286). Ob sich das Tatgericht allein aufgrund dessen von der Täterschaft zu überzeugen vermag, ist vorrangig ihm selbst überlassen. Es ist aber auch in diesen Fällen – wie bei der Beweiswürdigung ansonsten – gehalten, die in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise sorgfältig und umfassend zu würdigen. Erweist sich die Beweiswürdigung danach als rechtsfehlerfrei, ist es im Einzelfall revisionsrechtlich sowohl hinzunehmen, dass sich das Tatgericht eine entsprechende Überzeugung bildet, als auch, dass es sich dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in der Lage sieht (vgl. , Rn. 5; vom – 3 StR 247/12, Rn. 9, BGHSt 58, 212, 215 f.).

7Ein Rechtsfehler liegt indes darin, dass das Landgericht den Beweiswert der Spuren durch nicht tragfähige Erwägungen relativiert hat. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die DNA-Spuren nicht auf eine Täterschaft des Angeklagten hindeuten, sondern im Wege einer Sekundärübertragung entstanden sind, lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Es fehlt jeder Bezugspunkt dafür, dass DNA des Angeklagten in anderer Weise, etwa über die Handschuhe der Täter, auf die Geldkassetten gelangt sein kann. Gleiches gilt für das aufgefundene Schmuckkästchen, zumal sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass daran überhaupt DNA-Spuren festgestellt worden sind. Das Landgericht hat insoweit vielmehr Zweifeln Raum gegeben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen.

8Die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit den DNA-Spuren ist zudem lückenhaft. Das Landgericht setzt sich in den Urteilsgründen nicht damit auseinander, dass es sich ausweislich der Angaben der Sachverständigen bei der Spur 01.5, die an der Plombe der einen Geldkassette gefunden worden ist, um eine „kräftige Spur“ handelt, mithin um einen Umstand, der gegen eine Sekundärübertragung sprechen könnte (vgl.  − 5 StR 273/23, Rn. 18, NStZ 2024, 505, 506; vom – 5 StR 434/22, Rn. 26).

9b) Soweit das Landgericht den Angaben der Entlastungszeugen „einen hohen Beweiswert“ zugesprochen hat, ist dies anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar. Die Zeugen P.           , R.             und B.      bekundeten zwar, den Angeklagten zu kennen und mit ihm in der Vergangenheit bzw. „Anfang 2018“ in Kontakt gestanden oder ihn getroffen zu haben. An ein konkretes Treffen am Tattag konnte sich indes keiner dieser Zeugen erinnern. Darüber hinaus gab die Zeugin K.             an, den Angeklagten am in ihrer psychotherapeutischen Praxis behandelt zu haben und sich an ihn zu erinnern, weil sie ihn gebeten habe, seine Ärmel hochzukrempeln, um sich die Tätowierungen an den Händen genauer ansehen zu können. Danach ist zwar plausibel, dass sich die Zeugin an das erste Zusammentreffen mit dem Angeklagten an sich zu erinnern vermochte; indes gibt es keinen aus dem Urteil ersichtlichen Anhalt dafür, aus welchem Grund sich die Zeugin nach mehr als sechs Jahren an das genaue Datum des Treffens zu erinnern vermochte. Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang allgemein darauf hinweist, dass die Erinnerungen der Zeugen durch die in der Hauptverhandlung vorgehaltenen „Dokumente“ rekonstruiert worden seien, teilt sie nicht mit, welches konkrete Dokument der Zeugin vorgehalten wurde.

103. Von der Aufhebung des Urteils sind auch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO). Bei Aufhebung eines freisprechenden Urteils durch das Revisionsgericht können Feststellungen, deren rechtsfehlerfreies Zustandekommen der Angeklagte mangels Beschwer nicht überprüfen lassen konnte, regelmäßig nicht als Grundlage einer möglichen Verurteilung bestehen bleiben (vgl. , Rn. 10; vom – 2 StR 218/23, Rn. 25; vom – 1 StR 727/97, NStZ-RR 1998, 204; Schmitt/Köhler, StPO, 68. Aufl., § 353 Rn. 15a).

Bartel                           Feilcke                           Wenske

           von Schmettau                      Arnoldi

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:140525B6STR623.24.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-96397