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BVerwG Beschluss v. - 1 WB 19.24

Hinausschieben der Einplanung für eine Offizieranwärtercrew wegen früheren Dienstvergehens; Ermessensentscheidung über Festsetzung eines Bewährungszeitraums

Leitsatz

Die Einplanung in eine Offizieranwärtercrew ist eine dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO.

Gesetze: § 114 VwGO, § 17 Abs 1 WBO, § 17 Abs 3 WBO, § 19 Abs 3 WBO, § 23a Abs 2 S 1 WBO, § 19 Abs 1 S 3 WBO, § 8 WDO

Tatbestand

1Der Antragsteller wendet sich gegen seine Einplanung (erst) für die Offizieranwärtercrew 10/22.

2Der ... geborene Antragsteller ist seit ... Berufssoldat. Zuletzt wurde er im April 2025 zum Oberfähnrich ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 8 Z eingewiesen. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit dem Ablauf des September ... Derzeit wird er im ...amt der Bundeswehr auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt verwendet.

3Im Oktober 2018 wurde er zur Offizierausbildung zugelassen und nahm ab Dezember 2018 am 118. Offizieranwärterlehrgang für Offiziere des Truppendienstes der ... teil. Mit hier nicht streitgegenständlichem Bescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden: Bundesamt) vom wurde er mit Wirkung zum im Zuge des Laufbahnwechsels in die Laufbahn der Mannschaften zurückgeführt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass er am in einer Liegenschaft der Bundeswehr im Dienstanzug den "Hitlergruß" gezeigt habe. Außerdem habe er im Januar 2019 bei leicht überhöhter Geschwindigkeit mit seinem privaten Kraftfahrzeug einen Kasernenzaun beschädigt und den Unfall erst am Folgetag gemeldet. Durch sein Verhalten habe er die charakterliche Eignung für die Offizierlaufbahn verloren.

4Nachdem bereits die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsverfahren wegen der beiden Vorgänge mangels eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt hatte, wurde mit Einstellungsverfügung des ...kommandos der Bundeswehr vom auch das gegen den Antragsteller eingeleitete gerichtliche Disziplinarverfahren unter Feststellung eines Dienstvergehens eingestellt. Er habe seine Dienstpflichten fahrlässig verletzt. Dies wiege jedoch nicht so schwer, dass die weitere Fortführung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens geboten sei. Er bereue sein Fehlverhalten, hinter dem zu keinem Zeitpunkt eine rechtsextremistische Gesinnung gestanden habe und das nach dortiger Bewertung eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien Soldaten darstelle, zutiefst. Weiterhin sprächen zu seinen Gunsten seine Persönlichkeit und dienstlichen Leistungen.

5Das Fehlverhalten sei mit der Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme in Form einer Disziplinarbuße als tat- und schuldangemessen zu ahnden gewesen. Davon werde jedoch abgesehen, da es aufgrund des gegen ihn eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens und der damit einhergehenden Laufbahnnachteile, die ihm durch die Ablösung vom Offizierlehrgang erwachsen seien, nicht erforderlich sei, ihn mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme zu pflichtgemäßem Verhalten nach dem Soldatengesetz zu erziehen. Dies sei bei ihm insbesondere schon deswegen nicht notwendig, weil er trotz des laufenden Disziplinarverfahrens und der Ablösung vom Offizierlehrgang weiterhin überaus positive Leistungen zeige und sein soldatisches Auftreten ohne Fehl und Tadel sei.

6Auf Beschwerde des Antragstellers hob das Bundesministerium der Verteidigung den Bescheid des Bundesamts über dessen Rückführung in die Laufbahn der Mannschaften mit Bescheid vom auf. Es fehle unter anderem bereits an einer Rechtsgrundlage dafür.

7Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom , dem Antragsteller am eröffnet, ordnete das Bundesamt den Antragsteller der Offizieranwärtercrew 10/22 zu und plante ihn demgemäß zum "OffzAnwLehrg Beginn im Dezember 2022 (OL 122./3)" ein. Die Feststellung des Dienstvergehens im Oktober 2020 gebe dem Dienstherrn über das Beschwerdeverfahren hinaus die Möglichkeit, das Verhalten des Antragstellers als Teil von dessen Personalakte bei der weiteren Personalentwicklungsplanung zu berücksichtigen. Die Möglichkeit dazu ergebe sich aus § 8 Abs. 9 WDO, wonach Erkenntnisse über die Feststellung eines Dienstvergehens bis zu zwei Jahre in den Personalakten verblieben und verwertet werden dürften. Im Fall des Antragstellers sei aufgrund der besonderen Art und Schwere des Dienstvergehens eine spätestmögliche Wiederaufnahme der Ausbildung, hier zwei Jahre nach Ablauf der Rechtskraft und damit frühestens zum , geboten. Das Bundesamt und der gesamte Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums hätten sich selbst einer Null-Toleranz-Richtlinie hinsichtlich Dienstvergehen mit nationalsozialistischen Bezügen verpflichtet, die auch dem Antragsteller seit Beginn seiner Ausbildung bekannt sei.

8Dagegen legte der Antragsteller am Beschwerde ein und beantragte seine "Einsteuerung zum OffzAnwLehrg Beginn Oktober 2021". Durch die Aufhebung des Bescheids vom sei der Zustand wiederherzustellen, der vor der rechtswidrigen Rückführung in die Laufbahn der Mannschaften vorgelegen habe. Er habe folglich zum nächstmöglichen Zeitpunkt in die Laufbahn der Offiziere zurückgeführt werden müssen. Ein Ermessen, ob und wann dies geschehe, habe das Bundesamt nicht. Richtigerweise sei er aus diesen Gründen bereits für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes zugelassen.

9Die Tilgungsfristen des § 8 WDO ermächtigten das Bundesamt weder zu einer weiteren Ahndung von Dienstvergehen, noch räumten diese dem Bundesamt ein Ermessen ein, wann der Beschwerdeführer in die Laufbahn der Offiziere zurückzuführen sei. Der Bescheid sei aufzuheben und die dem Antragsteller entstandenen und noch entstehenden Schäden seien zu ersetzen.

10Am erhob der Antragsteller Untätigkeitsklage vor dem Verwaltungsgericht ... mit den Anträgen, den Bescheid vom aufzuheben, dem Beschwerdeführer sämtliche diesem durch den Vollzug des Bescheids entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen, und dem Beschwerdeführer insbesondere den materiellen Schaden durch die verspätete Zuordnung in die Offizierslaufbahn auszuzahlen.

11Im Zeitraum vom bis zum absolvierte er erfolgreich den 122. Offizierlehrgang für Offizieranwärter des Truppendienstes der ... Im Oktober ... wurde er zum Fahnenjunker befördert.

12Mit Beschluss vom hat das Verwaltungsgericht ... das Verfahren hinsichtlich des Anfechtungsantrags abgetrennt, den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und das Verfahren insoweit an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen, weil es sich dabei um eine truppendienstliche Angelegenheit handele. Das Bundesministerium der Verteidigung hat mit Schreiben vom Stellung genommen.

13Der Antragsteller beantragt,

den Bescheid vom aufzuheben,

hilfsweise,

festzustellen, dass der Bescheid vom rechtswidrig war.

14Das Bundesministerium der Verteidigung bittet,

den Antrag zurückzuweisen.

15Der Antrag sei wegen der Geltendmachung von Schadensersatz beim Verwaltungsgericht ... als Feststellungsantrag zulässig, aber nicht begründet. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Einsteuerung in eine andere Offizieranwärtercrew und eine damit verbundene zeitlich früher beginnende Wiederaufnahme seiner Laufbahnausbildung gehabt. Ein Soldat habe grundsätzlich keinen Anspruch auf Einsteuerung in konkrete Ausbildungslehrgänge bzw. zu einem konkreten Zeitpunkt. Vielmehr entscheide der zuständige Vorgesetzte über die Verwendung eines Soldaten nach pflichtgemäßem Ermessen.

16Auch unter der Annahme, dass das Zeigen eines "Hitlergrußes" keiner entsprechenden politischen Ideologie entsprungen sei und als bedauerliche Momentaufnahme des Verhaltens des Antragstellers anzusehen gewesen sei, hätten sich bereits aus diesem Einzelvorfall für die Personalverantwortlichen ernstliche Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Offizier des Truppendienstes ergeben. Auch ein solcher Umgang mit Symbolen des NS-Regimes lasse die nötige Sensibilität von Grund auf vermissen. Es komme an dieser Stelle aus personalführender Sicht weniger auf den objektiven Sinngehalt der Geste an als vielmehr auf die darin zum Ausdruck kommende Leichtfertigkeit, Unbekümmertheit und mangelnde Reife des Antragstellers.

17Erschwerend komme das im Rahmen des einheitlichen Dienstvergehens festgestellte zweite Vergehen hinzu. Dabei komme es nicht auf den fahrlässig herbeigeführten Unfall und die Beschädigung von Bundeseigentum an, sondern auf die Tatsache der eigenmächtigen Entfernung des Antragstellers vom Unfallort, ohne hierüber zeitnah Meldung zu machen. Diese sei erst am Folgetag erfolgt. Dieses Verhalten habe in erheblichem Maße die militärische Sicherheit der Liegenschaft gefährdet.

18Selbst mit Blick auf das in seinem bisherigen Werdegang gezeigte positive Verhalten in der Laufbahngruppe der Mannschaften blieben dadurch erhebliche Zweifel an der damaligen Eignung und aus damaliger Sicht prognostisch auch an einem Ausbildungserfolg in der Laufbahngruppe der Offiziere des Truppendienstes zurück.

19Die Zurückstellung von der Offizierausbildung für die Dauer der Tilgungsfrist von zwei Jahren habe dem Antragsteller zum einen die Möglichkeit gegeben, weiter zu reifen und sich entsprechend den Erwartungen an einen Offizier charakterlich weiterzuentwickeln bzw. nachzubewähren. Zum anderen gebe dies dem Dienstherrn die Gelegenheit, in der Zwischenzeit dieser begrenzten Ausbildungsressourcen nach Eignung, Befähigung und Leistung für den Offiziernachwuchs zweckmäßiger zu nutzen. Vor diesem Hintergrund sei die Zurückstellung des Antragstellers insbesondere auch willkürfrei und verhältnismäßig.

20Das Vorgehen des Bundesamts entspreche der bei Laufbahnwechseln üblichen Verwaltungspraxis von Bewährungszeiträumen im Sinne von Sperrfristen in den Fällen, in denen die personalbearbeitende Stelle bei der Beurteilung der charakterlichen Eignung eines Bewerbers Mängel feststelle, die sich jedoch nicht dauerhaft in der Person des Bewerbers manifestierten und deshalb (vor der neuen Entscheidung über die Zulassung) noch einer Bewährung zugänglich seien. Eine entsprechende Praxis sei bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dokumentiert.

Gründe

21Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat teilweise Erfolg.

221. Der vom Antragsteller in seiner Untätigkeitsklage gestellte Hauptantrag, den Bescheid vom aufzuheben, ist im Lichte seines Sachvortrags dahingehend umzudeuten (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3, § 88 VwGO, vgl. zur Möglichkeit der Umdeutung eines Anfechtungs- in einen Verpflichtungsantrag 4 C 55.70 - juris Rn. 17 und vom - 8 C 58.76 - BVerwGE 52, 167 <169>), dass damit unter diesbezüglicher Aufhebung des Bescheids die Verpflichtung begehrt wird, ihn für eine frühere Offizieranwärtercrew einzuplanen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut seines Beschwerdeantrags, der auf "Einsteuerung zum OffzAnwLehrg Beginn Oktober 2021" gerichtet war, wofür die Einplanung für die entsprechende Crew Voraussetzung ist. Anhaltspunkte für eine bewusste und gewollte andere Zielrichtung des Rechtsschutzbegehrens ergeben sich aus seinem weiteren Vortrag nicht. Insbesondere ergibt sich aus dem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom , dass er nicht die Wiederzulassung zur Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes beanstanden wollte. Dass der Antragsteller bei der Fassung des Klageantrags anwaltlich vertreten war, hindert deshalb die Umdeutung nicht (vgl. 9 B 56.11 - NVwZ 2012, 375 Rn. 8). In der Folge ist der hilfsweise gestellte Antrag, die Rechtswidrigkeit des Bescheids festzustellen, dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller seinem Hauptbegehren folgend die Feststellung begehrt, dass der Bescheid vom rechtswidrig war, soweit er damit erst für die Offizieranwärtercrew 10/22 eingeplant wurde.

232. Der Hauptantrag, mit dem die Verpflichtung begehrt wird, den Antragsteller für eine frühere Offizieranwärtercrew einzuplanen, ist unstatthaft geworden, weil sich das Verpflichtungsbegehren des Antragstellers erledigt hat (vgl. 1 A 1.21 - BVerwGE 175, 139 Rn. 17; Beschluss vom - 1 WB 21.23 - juris Rn. 17).

24a) Die vom Verwaltungsgericht ... an den Senat verwiesene Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) war als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 1 WBO grundsätzlich zulässig.

25aa) Die in dem Bescheid vorgenommene Einplanung für die Offizieranwärtercrew 10/22, die mehrere Einplanungsentscheidungen - insbesondere die für den jeweiligen Offizieranwärterlehrgang - bündelt, ist eine truppendienstliche Maßnahme (vgl. 1 WB 28.18 - Rn. 14 <allgemein zur Einplanung für einen Lehrgang>). Die Entscheidung über die Aufnahme, den Zeitpunkt, die Fortsetzung oder die Beendigung jeder Art einer soldatischen Ausbildung ist eine Verwendungsentscheidung (vgl. Eichen/​Metzger/​Sohm, Soldatengesetz, 4. Aufl. 2021, § 3 Rn. 82 <Fußnote 254>; Vogelsang, in: GKÖD Bd. 1, Teil 5a, Stand März 2025, Yk § 3 Rn. 1b) und damit eine truppendienstliche Maßnahme (vgl. 1 WB 5.24 - juris Rn. 50). Die Zuordnung zu einer Offizieranwärtercrew prägt den weiteren Werde- und Ausbildungsgang wesentlich vor und ist daher ein geeigneter Antragsgegenstand.

26bb) Der Antragsteller war auch antragsbefugt, weil er eine mögliche Verletzung seiner Rechte auf Chancengleichheit und Forderung entsprechend der Laufbahnzulassung geltend machen kann (§ 6 SG, Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2 GG).

27b) Das Begehren der Einplanung für eine frühere Offizieranwärtercrew hat sich jedoch durch Zeitablauf erledigt. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der für die begehrte Maßnahme bestimmte Zeitraum verstrichen ist (vgl. 6 C 22.05 - NVwZ-RR 2007, 330 Rn. 13 und vom - 2 C 2.22 - BVerwGE 179, 195 Rn. 11; Beschluss vom - 1 WB 21.20 - juris Rn. 24). Das ist hier gegeben, weil jedenfalls der Offizieranwärterlehrgang als unbedingt erforderlicher Ausbildungsabschnitt (vgl. Zentrale Dienstvorschrift <ZDv> A-1340/49 "Beförderung, Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Soldaten" <Version 2.1> Nr. 1036) einer früheren Crew mittlerweile beendet ist und deshalb eine Ausbildung im Rahmen einer früheren Crew faktisch nicht mehr umgesetzt werden kann.

283. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids ist zulässig (hierzu a)) und begründet (hierzu b)).

29a) Hat sich ein Antrag auf Verpflichtung zu einer truppendienstlichen Maßnahme, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO, ob das Unterlassen der Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese Bestimmung verlangt zwar von dem jeweiligen Antragsteller nicht mehr die förmliche Stellung eines Feststellungsantrages. Dieser muss aber das Feststellungsinteresse substantiiert geltend machen (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 42.09 - NZWehrr 2010, 161 <161 f.> m. w. N. und vom - 1 WB 25.24 - juris Rn. 14). Vorliegend hat der Antragsteller den Verpflichtungsantrag zulässiger Weise auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt. Streitgegenstand eines solchen Fortsetzungsfeststellungsantrags kann aber nur die Frage sein, ob die Weigerung der Behörde, den Antragsteller in eine frühere Anwärtercrew einzuplanen, im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses rechtswidrig war (vgl. 4 C 33.13 - BVerwGE 151, 36 Rn. 21 und Beschluss vom - 1 WB 18.18 - juris Rn. 26). Dementsprechend ist der Hilfsantrag des Antragstellers dahingehend zu verstehen, dass er nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom begehrt, soweit er darin erst für die Offizieranwärtercrew 10/22 eingeplant worden ist. Für dieses Begehren ergibt sich das Feststellungsinteresse ohne Weiteres aus der beim Verwaltungsgericht ... anhängigen, auf Schadensersatz wegen der Folgen des Bescheids gerichteten Klage.

30Die Erledigung ist auch vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 13.11 - Rn. 21, vom - 1 WB 54.13 - juris Rn. 19 und vom - 1 WB 24.18 - juris Rn. 24), weil das Klage- bzw. Antragsbegehren bereits mit Erhebung der Untätigkeitsklage am und damit noch vor dem Abschluss von Ausbildungsabschnitten einer früheren Offizieranwärtercrew, insbesondere des Offizieranwärterlehrgangs, rechtshängig war (vgl. § 90 VwGO). Nach § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG bleiben nach einer rechtskräftigen Verweisung die Wirkungen der Rechtshängigkeit bestehen. Ist die Rechtshängigkeit - wie hier - nach Maßgabe der vor dem angerufenen Gericht geltenden Verfahrensvorschriften eingetreten, hat es für die weitere rechtliche Beurteilung damit sein Bewenden. Für die Annahme, der Eintritt der Rechtshängigkeit und deren Wirkungen müssten einer neuen Prüfung am Maßstab der für das Verfahren vor dem aufnehmenden Gericht geltenden Regelungen unterzogen werden, ist kein Raum (vgl. 7 C 12.18 - NVwZ 2020, 1189 Rn. 12).

31b) Der Antrag ist auch begründet. Die Einplanung des Antragstellers für die Offizieranwärtercrew 10/22 war aufgrund eines Ermessensdefizits rechtswidrig.

32aa) Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung oder auf eine Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 30.02 - juris Rn. 8 m. w. N. und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32 m. w. N.).

33Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32).

34Grundsätzlich hatte der Antragsteller aus der erteilten Zulassung zum Laufbahnaufstieg einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Einsteuerung in eine Offizieranwärtercrew (Art. 3 Abs. 1 GG). Es stellt jedoch einen sachlichen Grund für eine zeitliche Zurückstellung eines Offizieranwärters dar, wenn er zum Beginn der Laufbahnausbildung noch nicht die notwendige persönliche, insbesondere charakterliche Eignung für die Offizierlaufbahn aufweist.

35Nach Nr. 245 Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) A-1340/49 "Beförderung, Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Soldaten" (Version 2.1) kann jedes Dienstvergehen Auswirkungen auf eine mögliche Förderung eines Soldaten haben, da er grundsätzlich durch jedes Dienstvergehen seine Eignung infrage stellt. Wird ein Dienstvergehen - wie hier - durch die Einleitungsbehörde festgestellt, ohne das wegen des zugrundeliegenden Sachverhalts eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme verhängt wird, kann eine Beförderung erfolgen, wenn die zuständige Dienststelle zu dem Ergebnis kommt, dass trotz des Dienstvergehens die uneingeschränkte persönliche Eignung für eine Beförderung vorliegt (Nr. 254 ZDv A-1340/49). Gemäß Nr. 257 ZDv A-1340/49 ist es für andere förderliche Maßnahmen als die Beförderung ebenfalls erforderlich festzustellen, dass trotz des Dienstvergehens die uneingeschränkte persönliche Eignung hierfür vorliegt.

36Diese Grundsätze konkretisieren in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG an die persönliche Eignung eines Soldaten für förderliche Maßnahmen nach einem Dienstvergehen. Stellt die zuständige personalbearbeitende Stelle bei der Beurteilung der charakterlichen Eignung eines Bewerbers für eine bestimmte Verwendung Mängel oder Defizite fest, die sich nicht dauerhaft in der Person des Bewerbers manifestieren und deshalb einer Bewährung zugänglich sind, kann sie im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens für den Nachweis der charakterlichen Eignung einen gewissen Bewährungszeitraum in Gestalt einer Sperrfrist vor einer neuen, gegebenenfalls positiven Verwendungsentscheidung verlangen. Die Dauer dieser Sperrfrist richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. 1 WB 23.16 - juris Rn. 38).

37bb) Hiernach überschreitet das Bundesamt seinen Beurteilungsspielraum zwar nicht, wenn es aus dem Dienstvergehen eines Soldaten Zweifel an dessen charakterlicher Eignung für die Offizierlaufbahn ableitet und vor dem Beginn der Laufbahnausbildung eine Bewährungszeit verlangt. Jedoch setzt die ermessensfehlerfreie Entscheidung über "ob" und Dauer des Bewährungszeitraumes eine Auseinandersetzung auch mit den für den Betroffenen sprechenden Aspekten des Einzelfalls voraus.

38Eine solche fehlerfreie Ermessensentscheidung hat zum Zeitpunkt der Erledigung nicht vorgelegen. Das Bundesamt hat die Verhängung der nach seiner Auffassung längstmöglichen Sperrfrist im vorliegenden Einzelfall mit der "besonderen Art und Schwere des Dienstvergehens" und der "Null-Toleranz-Richtlinie hinsichtlich Dienstvergehen mit nationalsozialistischen Bezügen" begründet. Die so getroffene Ermessensentscheidung ist fehlerhaft, weil für die Entscheidung im Einzelfall wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt geblieben sind (vgl. 1 WB 27.17 - juris Rn. 41).

39Das Bundesamt hat hinsichtlich des Schweregrads des Dienstvergehens die Bewertung in der Einstellungsverfügung außer Acht gelassen, dass der Antragsteller seine Dienstpflichten lediglich fahrlässig verletzt habe und dass das Fehlverhalten mit der Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme in Form einer Disziplinarbuße als tat- und schuldangemessen zu ahnden gewesen wäre. Auch hätte berücksichtigt werden müssen, dass von einer Maßnahme abgesehen wurde, weil es aufgrund des gegen den Antragsteller eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens und der damit einhergehenden Laufbahnnachteile, die ihm durch die Ablösung vom Offizierlehrgang erwachsen seien, nicht für erforderlich gehalten werde, ihn mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme zu pflichtgemäßem Verhalten nach dem Soldatengesetz zu erziehen.

40Hinsichtlich der Einstufung als "Dienstvergehen mit nationalsozialistischen Bezügen" hat das Bundesamt zum einen nicht berücksichtigt, dass ausweislich der Einstellungsverfügung der Militärische Abschirmdienst bestätigt hat, dass der Antragsteller sich nicht an extremistischen Bestrebungen gegen den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung beteilige und derartige Bestrebungen nicht unterstütze. Zum anderen geht auch die Einleitungsbehörde selbst davon aus, dass hinter dem Fehlverhalten des Antragstellers zu keinem Zeitpunkt eine rechtsextremistische Gesinnung gestanden habe und es sich um eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien Soldaten gehandelt habe.

41Schließlich hat der Antragsteller laut der Einstellungsverfügung vom selbst unter dem Eindruck des eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens und der Ablösung vom Offizierlehrgang weiterhin überaus positive Leistungen mit einer beispielgebenden Einstellung zum Soldatenberuf gezeigt. Auch dieser Umstand wäre bei der Entscheidung über die (faktische) Verhängung einer Sperrfrist bzw. über deren Dauer im Juni 2021 - acht weitere Monate nach dem Datum der Einstellungsverfügung und zweieinhalb Jahre nach dem festgestellten Dienstvergehen - im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen gewesen.

42cc) Zwar hätte eine Einplanung des Antragstellers erst für die Offizieranwärtercrew 10/22 mit den vom Bundesministerium der Verteidigung in seiner Stellungnahme vom angestellten Erwägungen gerechtfertigt werden können. Zu diesem Zeitpunkt war eine Heilung des Ermessensfehlers aber nicht mehr möglich. Für die Entscheidung über einen Feststellungsantrag kommt es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erledigung des ursprünglichen Begehrens - hier mit dem Abschluss des Offizieranwärterlehrgangs der früheren Offizieranwärtercrew im Jahr 2022 - an (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 84.92 - juris Rn. 6 und vom - 1 WB 35.07 - BVerwGE 132, 1 Rn. 32). Nach dem Eintritt des erledigenden Ereignisses ist eine Ergänzung von Ermessenserwägungen ausgeschlossen, weil die Maßnahme mit ihrer Erledigung ihre Wirksamkeit verloren hat und die Ermessensergänzung begrifflich notwendigerweise eine noch wirksame Maßnahme voraussetzt, auf die sie sich beziehen kann (vgl. 8 BV 10.182 - juris Rn. 14 und vom - 10 B 17.1996 - juris Rn. 34, 47; OVG Bautzen, Urteil vom - 2 B 461/07 - juris Rn. 33; - juris Rn. 37 ff.; Stuhlfauth, in: Bader/​Funke-Kaiser/​Stuhlfauth/​von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl. 2021, § 114 Rn. 63; Riese, in: Schoch/​Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2024, VwGO § 113 Rn. 152).

43Darüber hinaus hätte es sich vorliegend nicht nur um eine bloße Ergänzung von Ermessenserwägungen gehandelt, sondern um eine unzulässige Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe (vgl. 1 WB 40.21 - BVerwGE 175, 53 Rn. 35). Zum einen stellt das Bundesministerium der Verteidigung nicht mehr wie noch das Bundesamt auf ein "Dienstvergehen mit nationalsozialistischen Bezügen" ab, sondern darauf, dass auch ein nur "scherzhafter" Umgang mit Symbolen des NS-Regimes die nötige Sensibilität im Hinblick auf die nationalsozialistische Vergangenheit von Grund auf vermissen lasse und es weniger auf den objektiven Sinngehalt der Geste ankomme, sondern vielmehr auf die darin zum Ausdruck kommende Leichtfertigkeit, Unbekümmertheit und mangelnde Reife des Antragstellers. Zum anderen bezieht das Ministerium auch die verspätete Meldung des Unfalls in seine Gesamtschau mit ein, die für die Entscheidung des Bundesamts keine erkennbare Rolle gespielt hat.

44Nach allem hätte der Antragsteller im Zeitpunkt der Erledigung zwar eine erneute Verbescheidung, nicht aber eine Verpflichtung zur Einplanung in eine frühere Offizieranwärtercrew erreichen können.

454. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO. Dem Bund wurden die Kosten insgesamt auferlegt, weil das prozessuale Unterliegen des Antragstellers im Hauptantrag nicht wesentlich ins Gewicht fällt (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:220525B1WB19.24.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-96260