Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Gesundheit – Richtlinie 2014/40/EU – Art. 7 Abs. 12 – Art. 11 Abs. 6 – Delegierte Richtlinie (EU) 2022/2100 – Gültigkeit – Herstellung, Aufmachung und Verkauf von Tabakerzeugnissen – Übertragung von Befugnissen auf die Europäische Kommission – Neuartige Tabakerzeugnisse – Erhitzte Tabakerzeugnisse – Befugnis zur Rücknahme der Ausnahmen in Bezug auf das Verbot von Aromastoffen und in Bezug auf Kennzeichnungspflichten – Wesentliche Änderung der Umstände
Leitsatz
Die Prüfung der Vorlagefragen des High Court (Hohes Gericht, Irland) hat nichts ergeben, weshalb die Delegierte Richtlinie (EU) 2022/2100 der Kommission vom zur Änderung der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Rücknahme bestimmter Ausnahmen in Bezug auf erhitzte Tabakerzeugnisse ungültig wäre.
Gesetze: RL 2014/40/EU Art. 7 Abs. 12, Delegierte RL (EU) 2022/2100 Art. 11 Abs. 6
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit der Delegierten Richtlinie (EU) 2022/2100 der Kommission vom zur Änderung der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Rücknahme bestimmter Ausnahmen in Bezug auf erhitzte Tabakerzeugnisse (ABl. 2022, L 283, S. 4).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der PJ Carroll & Company Ltd und der Nicoventures Trading Ltd auf der einen Seite und dem Minister of Health (Minister für Gesundheit, Irland), Ireland (Irland) und dem Attorney General (Irland) auf der anderen Seite über die Gültigkeit der European Union (Manufacture, Presentation and Sale of Tobacco and Related Products) (Amendment) Regulations 2023 (Verordnung betreffend die Europäische Union [Herstellung, Aufmachung und Verkauf von Tabak und verwandten Erzeugnissen] [Änderung] von 2023) (im Folgenden: Verordnung von 2023), mit der die Delegierte Richtlinie 2022/2100 in irisches Recht umgesetzt wird.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2014/40/EU
3 In den Erwägungsgründen 19, 26 und 34 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. 2014, L 127, S. 1) heißt es:
In Anbetracht dessen, dass der Schwerpunkt dieser Richtlinie auf jungen Menschen liegt, sollten Tabakerzeugnisse mit Ausnahme von Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen von bestimmten Anforderungen in Bezug auf die Inhaltsstoffe ausgenommen werden, solange es keine wesentliche Änderung der Umstände bezüglich der Verkaufsmengen oder der Konsumgewohnheiten bei jungen Menschen gibt.
…
Es sollte weiterhin möglich sein, Rauchtabakerzeugnisse, mit Ausnahme von Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen, die hauptsächlich von älteren Verbrauchern und kleinen Bevölkerungsgruppen konsumiert werden, von bestimmten Kennzeichnungsbestimmungen auszunehmen, solange es keine wesentliche Änderung der Umstände bezüglich der Verkaufsmengen oder der Konsumgewohnheiten bei jungen Menschen gibt. Für die Kennzeichnung dieser anderen Tabakerzeugnisse sollten eigene Regeln gelten. Die Sichtbarkeit von gesundheitsbezogenen Warnhinweisen auf rauchlosen Tabakerzeugnissen sollte gewährleistet sein. Die gesundheitsbezogenen Warnhinweise sollten daher auf den beiden Hauptflächen der Verpackungen von rauchlosen Tabakerzeugnissen angebracht werden. In Bezug auf Wasserpfeifentabak, der häufig als weniger schädlich als herkömmliche Rauchtabakerzeugnisse gilt, sollte die Kennzeichnungsregelung vollständig Anwendung finden, um eine Irreführung der Verbraucher zu vermeiden.
…
Alle Tabakerzeugnisse können Todesfälle, Morbidität und Behinderungen verursachen. Daher sollte ihre Herstellung, ihr Vertrieb und ihr Konsum geregelt werden. Es ist daher wichtig, Entwicklungen im Zusammenhang mit neuartigen Tabakerzeugnissen zu beobachten. Den Herstellern und Importeuren neuartiger Tabakerzeugnisse sollte daher – unbeschadet der Befugnis der Mitgliedstaaten, diese neuartigen Tabakerzeugnisse zu verbieten oder zuzulassen – eine Meldepflicht für neuartige Tabakerzeugnisse auferlegt werden.“
4 Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2014/40 sieht vor:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
‚Tabakerzeugnis‘ ein Erzeugnis, das konsumiert werden kann und das, auch teilweise, aus genetisch verändertem oder genetisch nicht verändertem Tabak besteht;
…
‚neuartiges Tabakerzeugnis‘ ein Tabakerzeugnis, das
nicht in eine der nachstehenden Kategorien fällt: Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen, Pfeifentabak, Wasserpfeifentabak, Zigarren, Zigarillos, Kautabak, Schnupftabak und Tabak zum oralen Gebrauch; und
nach dem in Verkehr gebracht wird;
…
‚wesentliche Änderung der Umstände‘ einen Anstieg der Absatzmengen in einer Erzeugniskategorie um mindestens 10 % in mindestens fünf Mitgliedstaaten, belegt durch Verkaufsdaten, die gemäß Artikel 5 Absatz 6 zu übermitteln sind, oder einen Anstieg des Niveaus der Verbreitung der Verwendung in der Verbrauchergruppe der unter 25-Jährigen um mindestens fünf Prozentpunkte in mindestens fünf Mitgliedstaaten in der jeweiligen Erzeugniskategorie, belegt durch den Eurobarometer-Sonderbericht 385 vom Mai 2012 oder durch gleichwertige Prävalenzstudien; eine wesentliche Änderung der Umstände gilt als nicht eingetreten, wenn die Verkaufsmenge der Erzeugniskategorie auf Einzelhandelsebene nicht mehr als 2,5 % des Gesamtverkaufs von Tabakerzeugnissen in der Union ausmacht;
…“
5 Art. 5 („Meldung von Inhaltsstoffen und Emissionen“) Abs. 5 und 6 der Richtlinie 2014/40 bestimmt:
„(5) Mittels Durchführungsrechtsakten bestimmt und – nötigenfalls – aktualisiert die [Europäische] Kommission das Format für die Bereitstellung und Verfügbarmachung der in den Absätzen 1 und 6 dieses Artikels und in Artikel 6 genannten Informationen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 25 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
(6) … Die Mitgliedstaaten verpflichten die Hersteller und Importeure außerdem, ab dem jährlich die Verkaufsmengendaten je Marke und Art (in Stück oder Kilogramm) und je Mitgliedstaat zu melden. Die Mitgliedstaaten stellen zusätzliche Verkaufsmengendaten bereit, die für sie verfügbar sind.“
6 Vor seiner Änderung durch die Delegierte Richtlinie 2022/2100 hieß es in Art. 7 („Regelung der Inhaltsstoffe“) der Richtlinie 2014/40:
„(1) Die Mitgliedstaaten verbieten das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aroma.
…
(7) Die Mitgliedstaaten verbieten das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen, die in irgendwelchen ihrer Bestandteile Aromastoffe enthalten, etwa in Filtern, Papieren, Packungen, Kapseln, oder die sonstige technische Merkmale enthalten, mit denen sich der Geruch oder Geschmack der betreffenden Tabakprodukte oder deren Rauchintensität verändern lassen. Filter, Papier und Kapseln dürfen weder Tabak noch Nikotin enthalten.
…
(12) Tabakerzeugnisse mit Ausnahme von Zigaretten und von Tabak zum Selbstdrehen sind von den Verboten in den Absätzen 1 und 7 ausgenommen. Die Kommission erlässt gemäß Artikel 27 delegierte Rechtsakte zur Rücknahme dieser Ausnahme für eine bestimmte Erzeugniskategorie, falls es eine wesentliche Änderung der Umstände gibt, die in einem Kommissionsbericht festgestellt wird.
…“
7 Art. 9 der Richtlinie 2014/40 betrifft den allgemeinen Warnhinweis und die Informationsbotschaft, die auf jeder Packung und jeder Außenverpackung von Rauchtabakerzeugnissen angebracht sein müssen. Art. 10 der Richtlinie 2014/40 regelt die Verpflichtungen in Bezug auf die gesundheitsbezogenen Warnhinweise, die auf jeder Packung und jeder Außenverpackung dieser Erzeugnisse anzugeben sind.
8 Vor seiner Änderung durch die Delegierte Richtlinie 2022/2100 bestimmte Art. 11 (damals: „Kennzeichnung von Rauchtabakerzeugnissen mit Ausnahme von Zigaretten, von Tabak zum Selbstdrehen und von Tabak für Wasserpfeifen“) der Richtlinie 2014/40:
„(1) Die Mitgliedstaaten können Rauchtabakerzeugnisse mit Ausnahme von Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen und Tabak für Wasserpfeifen von der Verpflichtung ausnehmen, die Informationsbotschaft gemäß Artikel 9 Absatz 2 und den kombinierten gesundheitsbezogenen Warnhinweis gemäß Artikel 10 zu tragen. …
…
(6) Die Kommission erlässt gemäß Artikel 27 delegierte Rechtsakte zur Rücknahme der Möglichkeit, Ausnahmen nach Absatz 1 für bestimmte Erzeugniskategorien zu gewähren, falls es eine wesentliche Änderung der Umstände gibt, die in einem Kommissionsbericht hinsichtlich der betreffenden Kategorie von Erzeugnissen festgestellt wird.“
9 Art. 19 („Meldung neuartiger Tabakerzeugnisse“) der Richtlinie 2014/40 sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten schreiben Herstellern und Importeuren von neuartigen Tabakerzeugnissen vor, bei den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten jedes derartige Erzeugnis zu melden, das sie in dem Mitgliedstaat in Verkehr zu bringen beabsichtigen. Die Meldung muss in elektronischer Form sechs Monate vor dem beabsichtigten Inverkehrbringen erfolgen und eine detaillierte Beschreibung des betreffenden neuartigen Tabakerzeugnisses sowie eine Gebrauchsanweisung dafür und Informationen über Inhaltsstoffe und Emissionen gemäß Artikel 5 enthalten. Hersteller und Importeure, die ein neuartiges Tabakerzeugnis melden, stellen den zuständigen Behörden außerdem Folgendes bereit:
…
(2) Die Mitgliedstaaten schreiben den Herstellern und Importeuren neuartiger Tabakerzeugnisse vor, ihren zuständigen Behörden neue oder aktualisierte Informationen gemäß Absatz 1 Buchstaben a bis c zu übermitteln. Die Mitgliedstaaten können den Herstellern oder Importeuren neuartiger Tabakerzeugnisse vorschreiben, zusätzliche Tests durchzuführen oder zusätzliche Informationen vorzulegen. Die Mitgliedstaaten stellen der Kommission alle gemäß diesem Artikel erhaltenen Informationen zur Verfügung.
(3) Die Mitgliedstaaten können ein System für die Zulassung neuartiger Tabakerzeugnisse einführen. Die Mitgliedstaaten können für diese Zulassung bei den Herstellern und Importeuren eine angemessene Gebühr erheben.
(4) Neuartige Tabakerzeugnisse, die in Verkehr gebracht werden, müssen den Anforderungen dieser Richtlinie genügen. Welche der Bestimmungen dieser Richtlinie auf neuartige Tabakerzeugnisse anwendbar sind richtet sich danach, ob diese Erzeugnisse unter die Definition der rauchlosen Tabakerzeugnisse oder des Rauchtabakerzeugnisses fallen.“
10 In Art. 28 („Bericht“) der Richtlinie 2014/40 heißt es:
„(1) Spätestens fünf Jahre nach dem und danach bei Bedarf legt die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat [der Europäischen Union], dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie vor.
…
(2) In dem Bericht gibt die Kommission insbesondere an, welche Elemente der Richtlinie angesichts des aktuellen Stands der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse überprüft oder angepasst werden müssten – einschließlich der Entwicklung international vereinbarter Vorschriften und Normen über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse. Die Kommission legt dabei besonderes Augenmerk auf
…
Entwicklungen des Marktes in Bezug auf neuartige Tabakerzeugnisse, unter Berücksichtigung unter anderem der gemäß Artikel 19 eingegangenen Notifizierungen;
Marktentwicklungen, die eine wesentliche Änderung der Umstände darstellen;
…
Die Mitgliedstaaten unterstützen die Kommission und übermitteln ihr alle verfügbaren Informationen, damit sie die Bewertung vornehmen und den Bericht erstellen kann.
(3) Dem Bericht folgen gegebenenfalls Vorschläge zur Änderung dieser Richtlinie, die von der Kommission für nötig erachtet werden – soweit dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist – um die Richtlinie an Entwicklungen im Bereich der Tabakerzeugnisse und der verwandten Erzeugnisse anzupassen und um alle wissenschaftlich gesicherten neuen Entwicklungen sowie Entwicklungen in Bezug auf international vereinbarte Normen für Tabakprodukte und verwandte Produkte zu berücksichtigen.“
Delegierte Richtlinie 2022/2100
11 Art. 1 der Delegierten Richtlinie 2022/2100 sieht vor:
„Die Richtlinie [2014/40] wird wie folgt geändert:
Artikel 7 Absatz 12 erhält folgende Fassung:
,(12) Tabakerzeugnisse mit Ausnahme von Zigaretten, von Tabak zum Selbstdrehen und von erhitzten Tabakerzeugnissen sind von den Verboten in den Absätzen 1 und 7 ausgenommen. Die Kommission erlässt gemäß Artikel 27 delegierte Rechtsakte zur Rücknahme dieser Ausnahme für eine bestimmte Erzeugniskategorie, falls es eine wesentliche Änderung der Umstände gibt, die in einem Kommissionsbericht festgestellt wird.
Für die Zwecke von Unterabsatz 1 ist mit einem ’erhitzten Tabakerzeugnis’ ein neuartiges Tabakerzeugnis gemeint, das erhitzt wird, um Nikotin und andere Chemikalien freizusetzen, die dann von dem oder den Nutzer(n) inhaliert werden, und das je nach seinen Eigenschaften den rauchlosen Tabakerzeugnissen oder den Rauchtabakerzeugnissen zugerechnet wird.‘
Artikel 11 wird wie folgt geändert:
Die Überschrift erhält folgende Fassung:
‚Artikel 11
’Kennzeichnung von Rauchtabakerzeugnissen mit Ausnahme von Zigaretten, von Tabak zum Selbstdrehen, von Tabak für Wasserpfeifen und von erhitzten Tabakerzeugnissen’‘;
Absatz 1 Unterabsatz 1 erhält folgende Fassung:
‚Die Mitgliedstaaten können Rauchtabakerzeugnisse mit Ausnahme von Zigaretten, von Tabak zum Selbstdrehen, von Tabak für Wasserpfeifen sowie von erhitzten Tabakerzeugnissen im Sinne des Artikels 7 Absatz 12 Unterabsatz 2 von der Verpflichtung ausnehmen, die Informationsbotschaft gemäß Artikel 9 Absatz 2 und den kombinierten gesundheitsbezogenen Warnhinweis gemäß Artikel 10 zu tragen. In diesem Fall muss jede Packung und jede Außenverpackung dieser Erzeugnisse zusätzlich zum allgemeinen Warnhinweis gemäß Artikel 9 Absatz 1 einen der textlichen Warnhinweise gemäß Anhang I tragen. Der allgemeine Warnhinweis gemäß Artikel 9 Absatz 1 muss einen Verweis auf die in Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b genannten Raucherentwöhnungsangebote enthalten.‘“
Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2186
12 Art. 2 Abs. 1 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/2186 der Kommission vom zur Festlegung eines Formats für die Bereitstellung und Verfügbarmachung von Informationen über Tabakerzeugnisse (ABl. 2015, L 312, S. 5) bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Hersteller und Importeure von Tabakerzeugnissen die Informationen über Inhaltsstoffe, Emissionen und Verkaufsmengen gemäß Artikel 5 der Richtlinie [2014/40] unter Verwendung des im Anhang festgelegten Formats übermitteln, auch bei Änderungen und Rücknahmen vom Markt.“
Irisches Recht
13 Mit der Verordnung von 2023 wird die Delegierte Richtlinie 2022/2100 in irisches Recht umgesetzt. Diese Verordnung wurde am im Iris Oifigiúil (Irisches Amtsblatt) kundgemacht. Sie trat am in Kraft.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
14 PJ Carroll & Company und Nicoventures Trading (im Folgenden zusammen: PJ Carroll) sowie Philip Morris, Philip Morris Products und Philip Morris Manufacturing & Technology Bologna (im Folgenden zusammen: Philip Morris) vermarkten in der gesamten Europäischen Union erhitzte Tabakerzeugnisse, die in ihren Bestandteilen „charakteristische Aromen“ oder Aromastoffe enthalten, oder planen dies zu tun.
15 Nach Ansicht von PJ Carroll war die Kommission nicht berechtigt, die Delegierte Richtlinie 2022/2100 zu erlassen. Folglich sei diese Richtlinie ungültig und die Verordnung von 2023, mit der sie in irisches Recht umgesetzt werde, dementsprechend rechtswidrig.
16 Am ließ der High Court (Hohes Gericht, Irland), das vorlegende Gericht, die Einleitung eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens („judicial review“) durch PJ Carroll zu, das auf die Nichtigerklärung der Verordnung von 2023 gerichtet war. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es nicht befugt sei, einen Rechtsakt der Union für nichtig zu erklären, und es daher erforderlich sei, vorab den Gerichtshof zu befassen. PJ Carroll habe nämlich Argumente dafür vorgetragen, dass die Kommission mit dem Erlass der Delegierten Richtlinie 2022/2100 in unzulässiger Weise – unter Verstoß gegen Art. 290 AEUV – die Zuständigkeiten des Unionsgesetzgebers ausgeübt habe. Darüber hinaus habe die Kommission nicht ordnungsgemäß beurteilt, ob eine „wesentliche Änderung der Umstände“ im Sinne von Art. 2 Nr. 28 der Richtlinie 2014/40 vorliege.
17 Im Hinblick auf die Gültigkeit der Delegierten Richtlinie 2022/2100 hat die Kommission nach Auffassung des vorlegenden Gerichts im Wesentlichen mit der Definition einer neuen Kategorie von Tabakerzeugnissen – nämlich erhitzten Tabakerzeugnissen – und der Entscheidung, die in Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 vorgesehenen Ausnahmen für diese neue Erzeugniskategorie zurückzunehmen, in unzulässiger Weise eine politische Entscheidung getroffen. Es falle in die alleinige Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers und nicht der Kommission, eine Kategorie von Tabakerzeugnissen aufgrund der Verkaufsmengen zu verbieten, die bei Erlass dieser Richtlinie weder existiert habe, noch Gegenstand einer gesonderten Beurteilung dieses Gesetzgebers unter strategischen und gesundheitlichen Aspekten gewesen sei.
18 Nach der Struktur der Richtlinie 2014/40 regele der Unionsgesetzgeber das Inverkehrbringen neuartiger Tabakerzeugnisse im Lichte eingetretener wissenschaftlicher und technischer Entwicklungen. Das vollständige Verbot solcher Erzeugnisse sei nach Maßgabe der politischen Entscheidungen dieses Gesetzgebers im Hinblick darauf, wie diese neuartigen Erzeugnisse am besten geregelt werden könnten, dem Basisgesetzgebungsakt vorbehalten. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn diese neuartigen Erzeugnisse nicht ohne Weiteres als rauchlose Tabakerzeugnisse oder Rauchtabakerzeugnisse eingestuft werden und einen anderen Tabakgehalt als vorhandene Erzeugnisse aufweisen könnten.
19 Somit verstoße die Definition einer neuen Erzeugniskategorie für sowohl rauchlose als auch Rauchtabakerzeugnisse zum Zweck des sofortigen Verbots einer aromatisierten Version dieser neuartigen Erzeugnisse möglicherweise gegen Art. 290 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV. Mit dem Erlass einer solchen Definition habe die Kommission nämlich einen „wesentlichen Aspekt“ der Richtlinie 2014/40 geregelt, da der Geltungsbereich, der Inhalt und das Ziel, die einer solchen Definition zugrunde lägen, nicht ausdrücklich in dieser Richtlinie festgelegt worden seien. Für die Gültigkeit der Delegierten Richtlinie 2022/2100 hätte der Kommission die Befugnis übertragen sein müssen, die in Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 vorgesehenen Ausnahmen für alle aromatisierten neuartigen Tabakerzeugnisse zurückzunehmen, die die in Art. 2 Nr. 28 dieser Richtlinie festgelegten Verkaufsmengen erreichten, unabhängig von ihrem Tabakgehalt oder ihren gesundheitlichen Auswirkungen im Vergleich zu vorhandenen Erzeugnissen.
20 In Bezug auf die Feststellung einer „wesentlichen Änderung der Umstände“ im Sinne von Art. 2 Nr. 28 der Richtlinie 2014/40 ist das vorlegende Gericht der Auffassung, die Kommission habe bei ihrer quantitativen Analyse der Verkaufsmengen Elemente verglichen, die nicht miteinander vergleichbar seien, als sie geprüft habe, ob der Grad der Marktdurchdringung erhitzter Tabakerzeugnisse so hoch gewesen sei, dass er ein Verbot solcher Erzeugnisse rechtfertige, wenn sie aromatisiert seien.
21 Eines der Hauptziele der Richtlinie 2014/40 sei der Schutz der Gesundheit angesichts der schädlichen Auswirkungen von Tabak. Daher sei der Tabakgehalt von Tabakerzeugnissen ein zentraler Gesichtspunkt, der den regulatorischen Maßnahmen dieser Richtlinie zugrunde liege. Ein Ansatz, der sich auf den Gesamtgehalt an Tabak in Erzeugnissen konzentriere und darin bestanden hätte, die Verkaufsmengen auf dieser Grundlage zu ermitteln, wäre daher besser mit diesem Ziel vereinbar gewesen. Bei der Ausarbeitung ihrer Methode habe die Kommission keinen Versuch unternommen, die Maßstäbe hinsichtlich des Tabakgehalts von erhitzten Tabakerzeugnissen, Zigaretten und anderen Tabakerzeugnissen anzugleichen. Eine solche Angleichung wäre indes erforderlich gewesen, um zu gewährleisten, dass sich der vorzunehmende Vergleich auf Vergleichbares beziehe.
22 Unter diesen Umständen hat der High Court (Hohes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist die Delegierte Richtlinie 2022/2100 ungültig, weil sie im Licht von Art. 290 AEUV und unter Berücksichtigung von Art. 2 Nr. 14, Art. 19 und Art. 28 der Richtlinie 2014/40, über die durch Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 eingeräumten Befugnisse hinausgeht?
Ist die Delegierte Richtlinie 2022/2100 ungültig, weil die Kommission nicht zu dem Schluss hätte kommen dürfen, dass eine wesentliche Änderung der Umstände im Sinne von Art. 7 Abs. 12 und/oder Art. 11 Abs. 6 und/oder Art. 2 Nr. 28 der Richtlinie 2014/40/EU vorlag?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
23 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Delegierte Richtlinie 2022/2100 ungültig ist, weil die Kommission die ihr durch Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 eingeräumten Befugnisse im Licht von Art. 290 AEUV sowie von Art. 2 Nr. 14 und der Art. 19 und 28 dieser Richtlinie überschritten hat.
24 Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 ermächtigen die Kommission, delegierte Rechtsakte zur Rücknahme der Ausnahmen für bestimmte, in diesen Bestimmungen genannte Tabakerzeugnisse zu erlassen, falls es eine wesentliche Änderung der Umstände gibt. Diese Ausnahmen betreffen zum einen das Verbot der Verwendung charakteristischer Aromen in diesen Erzeugnissen und das Verbot von Aromastoffen in ihren Bestandteilen sowie zum anderen die Verpflichtung, eine Informationsbotschaft und gesundheitsbezogene Warnhinweise auf den Packungen oder Außenverpackungen dieser Erzeugnisse anzubringen.
25 PJ Carroll und Philip Morris machen im Wesentlichen geltend, dass sich diese Übertragung von Befugnissen auf die in dieser Richtlinie aufgeführten „bestimmten Erzeugniskategorien“ beschränke. Sie beziehe sich daher nicht auf „neuartige Tabakerzeugnisse“ im Sinne von Art. 2 Nr. 14 dieser Richtlinie. Daraus folge, dass die Kommission die ihr in Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 übertragenen Befugnisse überschritten habe, indem sie durch den Erlass der Delegierten Richtlinie 2022/2100 eine neue Erzeugniskategorie eingeführt und definiert habe.
26 Hierzu ist festzustellen, dass der Kommission nach Art. 290 Abs. 1 AEUV in Gesetzgebungsakten die Befugnis übertragen werden kann, Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsakts zu erlassen. Nach Unterabs. 2 dieser Bestimmung müssen in dem Gesetzgebungsakt, mit dem diese Delegation vorgenommen wird, Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich festgelegt werden. Nach ständiger Rechtsprechung impliziert dieses Erfordernis, dass die Übertragung einer delegierten Befugnis dem Erlass von Vorschriften dient, die sich in einen rechtlichen Rahmen einfügen, wie er durch den Basisgesetzgebungsakt definiert ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Kommission/Parlament und Rat, C‑427/12, EU:C:2014:170, Rn. 38, vom , Parlament/Kommission, C‑286/14, EU:C:2016:183, Rn. 30, sowie vom , Tschechische Republik/Kommission, C‑696/15 P, EU:C:2017:595, Rn. 49).
27 Darüber hinaus handelt es sich nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung bei denjenigen Aspekten eines Basisrechtsakts um wesentliche Aspekte, deren Erlass politische Entscheidungen erfordert, die in die eigene Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers fallen, da sie eine Abwägung der widerstreitenden Interessen auf der Grundlage einer Beurteilung zahlreicher Gesichtspunkte einschließen, oder die Eingriffe in die Grundrechte der betroffenen Personen in einem Umfang erlauben, der das Tätigwerden des Unionsgesetzgebers erforderlich macht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Parlament/Rat, C‑355/10, EU:C:2012:516, Rn. 65, 76 und 77, sowie vom , Tschechische Republik/Kommission, C‑696/15 P, EU:C:2017:595, Rn. 78).
28 Was die Richtlinie 2014/40 betrifft, beruht der Regelungsrahmen, in den sich die der Kommission in Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 dieser Richtlinie übertragenen Befugnisse einzufügen haben, auf den politischen Entscheidungen, die der Unionsgesetzgeber in Art. 7 Abs. 1 und 7, in den Art. 9 und 10 sowie in Art. 19 Abs. 4 der Richtlinie 2014/40 zum Ausdruck gebracht hat.
29 Mit diesen Bestimmungen hat der Unionsgesetzgeber erstens entschieden, eine allgemeine Regelung für die Verwendung von Aromastoffen und für Kennzeichnungspflichten zu schaffen, indem er die Verwendung charakteristischer Aromen in Tabakerzeugnissen sowie von Aromastoffen in deren Bestandteilen verboten und die Anbringung einer Informationsbotschaft und kombinierter gesundheitsbezogener Warnhinweise auf den Packungen oder Außenverpackungen von Rauchtabakerzeugnissen vorgeschrieben hat.
30 Zweitens sind bestimmte Tabakerzeugnisse, die hauptsächlich von älteren Verbrauchern und kleinen Bevölkerungsgruppen konsumiert werden, nach Auffassung des Unionsgesetzgebers von dieser allgemeinen Regelung ausgenommen. Er hat jedoch entschieden, dass die Kommission diese Ausnahmen zurückzunehmen hat, wenn es bezüglich der Verkaufsmengen eines der betreffenden Tabakerzeugnisse oder der Konsumgewohnheiten bei jungen Menschen im Hinblick auf ein solches Erzeugnis eine „wesentliche Änderung der Umstände“ gibt, wie sie in Art. 2 Nr. 28 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 19 und 26 der Richtlinie 2014/40 definiert ist.
31 Drittens hat sich der Unionsgesetzgeber dafür entschieden, „neuartige Tabakerzeugnisse“ den Anforderungen der Richtlinie 2014/40 zu unterwerfen, wobei die Voraussetzungen für die Feststellung, ob ein „neuartiges Tabakerzeugnis“ vorliegt, in Art. 2 Nr. 14 dieser Richtlinie festgelegt sind.
32 Indem die Kommission die Delegierte Richtlinie 2022/2100 erlassen hat, um die in Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 vorgesehenen Ausnahmen für neuartige Tabakerzeugnisse, bei denen es sich um erhitzte Tabakerzeugnisse handelt, zurückzunehmen, hat sie im Rahmen des in den Rn. 28 bis 31 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Rechtsrahmens gehandelt und keine politische Entscheidung getroffen, die in die eigene Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers fällt.
33 Erstens beruhen die Feststellungen, dass es solche Erzeugnisse gibt und sich ihr Konsum verändert hat, nämlich auf den in den Art. 2 Nrn. 14 und 28 der Richtlinie 2014/40 genannten objektiven Kriterien.
34 Zweitens hat die Kommission auf der Grundlage dieser Feststellungen auf diese Erzeugnisse die Bestimmungen dieser Richtlinie zur Anwendung gebracht, die die vom Unionsgesetzgeber getroffenen politischen Entscheidungen rechtlich konkretisieren, nämlich zum einen, die Verwendung charakteristischer Aromen in Tabakerzeugnissen und von Aromastoffen in deren Bestandteilen zu verbieten, und zum anderen, die Anbringung einer Informationsbotschaft und kombinierter gesundheitsbezogener Warnhinweise auf Packungen oder Außenverpackungen vorzuschreiben.
35 Keines der vor dem Gerichtshof vorgebrachten Argumente kann die Gültigkeit der Delegierten Richtlinie 2022/2100 in Frage stellen.
36 Zwar hat die Kommission erhitzte Tabakerzeugnisse außerhalb der in Art. 2 der Richtlinie 2014/40 enthaltenen Liste der Begriffsbestimmungen definiert. Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 verweisen in Bezug auf die Rücknahme dieser Ausnahmen jedoch nicht auf die in Art. 2 Nr. 14 dieser Richtlinie enthaltenen Erzeugniskategorien. Darüber hinaus hatte die Kommission keine andere Wahl als das „neuartige Tabakerzeugnis“, das den Gegenstand der Delegierten Richtlinie 2022/2100 darstellt, zu definieren, da die Kategorie der „neuartigen Tabakerzeugnisse“ naturgemäß offen und nach Maßgabe des Auftretens und der Entwicklung dieser neuartigen Erzeugnisse auf dem Markt zu präzisieren ist.
37 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 87 und 91 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ermöglicht es die Ausübung der der Kommission übertragenen Befugnisse in Bezug auf „neuartige Tabakerzeugnisse“ außerdem, dem mit der Richtlinie 2014/40 verfolgten zweifachen Ziel zu entsprechen, das darin besteht, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse zu erleichtern und dabei einen hohen Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen, zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Philip Morris Brands u.a., C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 143 und 220, sowie vom , Swedish Match, C‑151/17, EU:C:2018:938, Rn. 67).
38 Insoweit kann PJ Carroll in ihrem Vorbringen nicht gefolgt werden, soweit sie sich, um zu begründen, dass die Delegierte Richtlinie 2022/2100 ungültig sei, auf Art. 168 Abs. 5 AEUV beruft, wonach es dem Unionsgesetzgeber verwehrt sei, die Gesundheitspolitik in Bezug auf Tabak zu harmonisieren, woraus sich ergebe, dass die Zuständigkeit für die Zulassung bestimmter neuartiger Tabakerzeugnisse zum Verkauf – insbesondere solcher, die im Vergleich zu anderen Tabakerzeugnissen geringere Gesundheitsrisiken bergen würden – den Mitgliedstaaten vorbehalten sei.
39 Zwar darf der Unionsgesetzgeber nach dem Wortlaut dieser Bestimmung u.a. Maßnahmen erlassen, die unmittelbar den Schutz der öffentlichen Gesundheit in Bezug auf Tabak zum Ziel haben, jedoch ist dabei jegliche Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ausgeschlossen.
40 Allerdings ist die Richtlinie 2014/40 nicht auf diese Bestimmung, sondern auf Art. 114 AEUV gestützt, der die Angleichung der Vorschriften ermöglicht, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben. Nach ständiger Rechtsprechung kann sich der Unionsgesetzgeber, wenn die Voraussetzungen für die Heranziehung dieses Artikels als Rechtsgrundlage erfüllt sind, auf diese Grundlage stützen, auch wenn dem Gesundheitsschutz bei den zu treffenden Entscheidungen maßgebliche Bedeutung zukommt (Urteile vom , British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 62, vom , Deutschland/Parlament und Rat, C‑380/03, EU:C:2006:772, Rn. 39, sowie vom , Philip Morris Brands u.a., C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 60).
41 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 168 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und ‑maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt wird, und Art. 114 Abs. 3 AEUV ausdrücklich verlangt, dass bei Harmonisierungen ein hohes Gesundheitsschutzniveau gewährleistet wird (Urteile vom , British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 62; vom , Deutschland/Parlament und Rat, C‑380/03, EU:C:2006:772, Rn. 40, sowie vom , Philip Morris Brands u.a., C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 61).
42 Nichts anderes kann für die Delegierte Richtlinie 2022/2100 gelten, da die Kommission diese auf der Grundlage einer in Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 vorgesehenen Übertragung von Befugnissen durch den Unionsgesetzgeber gemäß Art. 290 AEUV erlassen hat.
43 Infolge der Wechselwirkung der beiden mit der Richtlinie 2014/40 verfolgten Ziele durfte die Kommission die ihr übertragene Befugnis ausüben, um „erhitzte Tabakerzeugnisse“ der allgemeinen Regelung für die Verwendung von Aromastoffen sowie den Kennzeichnungspflichten zu unterwerfen, die die Richtlinie 2014/40 vorschreibt (vgl. entsprechend Urteil vom , Philip Morris Brands, u.a., C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 222).
44 Außerdem hat die Kommission dadurch, dass sie erhitzte Tabakerzeugnisse in der Richtlinie 2022/2100 dem Verbot von Aromastoffen und den Kennzeichnungspflichten unterworfen hat, die die Richtlinie 2014/40 vorschreibt, in keiner Weise der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in Bezug auf „neuartige Tabakerzeugnisse“ vorgegriffen, wie sie in Art. 19 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2014/40 definiert ist. Insbesondere bleibt es diesen Staaten unbenommen, diese Erzeugnisse einem System der vorherigen Zulassung zu unterwerfen.
45 Was schließlich die in Art. 28 der Richtlinie 2014/40 festgelegte Verpflichtung der Vorlage eines Bewertungsberichts betrifft, trifft es zu, dass die Kommission nach Art. 28 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b und c dieser Richtlinie u.a. besonderes Augenmerk auf die Entwicklungen des Marktes in Bezug auf neuartige Tabakerzeugnisse und auf Marktentwicklungen, die eine wesentliche Änderung der Umstände darstellen, legen muss.
46 Diese Bestimmung steht jedoch nicht im Widerspruch zu Art. 19 Abs. 4 der Richtlinie 2014/40, wonach neuartige Tabakerzeugnisse, die in Verkehr gebracht werden, den Anforderungen dieser Richtlinie bereits jetzt und somit unabhängig von einem allfälligen Vorschlag der Kommission im Anschluss an einen Bewertungsbericht genügen müssen. Unter diesen Umständen kann Art. 28 der Richtlinie 2014/40 nicht dahin ausgelegt werden, dass er die Ausübung der der Kommission in Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 dieser Richtlinie übertragenen Befugnisse beschränkt.
47 Nach alledem hat die Prüfung der ersten Frage nichts ergeben, weshalb die Delegierte Richtlinie 2022/2100 ungültig wäre.
Zur zweiten Frage
48 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Delegierte Richtlinie 2022/2100 ungültig ist, weil sich die Kommission bei der Feststellung des Vorliegens einer „wesentlichen Änderung der Umstände“ im Sinne von Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 in Verbindung mit Art. 2 Nr. 28 der Richtlinie 2014/40 auf den Gesamtgehalt an Tabak hätte stützen müssen, den erhitzte Tabakerzeugnisse aufweisen, und nicht auf die Anzahl der verkauften Einheiten.
49 Das Vorliegen einer „wesentlichen Änderung der Umstände“ ist eine Voraussetzung für die Auslösung der übertragenen Befugnisse der Kommission, die sowohl in Art. 7 Abs. 12 als auch in Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 vorgeschrieben ist.
50 Diese Wendung wird in Art. 2 Nr. 28 dieser Richtlinie unter Bezugnahme auf die Absatzmengen der betreffenden Kategorie von Tabakerzeugnissen definiert. In keiner Weise erwähnt diese Bestimmung das Gewicht des Tabaks oder ganz allgemein die in einer gegebenen Erzeugniskategorie enthaltene Tabakmenge. Dagegen verweist sie auf die Verkaufsmengendaten, die gemäß Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 mitgeteilt werden. Aus dem Wortlaut der letztgenannten Bestimmung geht hervor, dass die Mitgliedstaaten die Hersteller und Importeure verpflichten müssen, jährlich die Verkaufsmengendaten je Marke und Art (in Stück oder Kilogramm) zu melden.
51 Wie der Generalanwalt in Nr. 111 seiner Schlussanträge erläutert hat, verweist der Durchführungsbeschluss 2015/2186, der näher ausführt, welche Beschaffenheit die von den Mitgliedstaaten zu übermittelnden Informationen aufweisen müssen, in Bezug hierauf in dem verpflichtenden Format, das dieser Beschluss in seinem Art. 2 vorsieht, ebenfalls auf die Verkaufsmengen von Tabak nach Einheiten oder Gewicht.
52 Unter diesen Umständen ist die Kommission durch nichts daran gehindert, das Vorliegen einer „wesentlichen Änderung der Umstände“ in Bezug auf eine bestimmte Kategorie von Tabakerzeugnissen unter Heranziehung der Verkaufsmengen dieser Kategorie zu berechnen – sei es auf der Grundlage der verkauften Einheiten des betreffenden Erzeugnisses oder des Gewichts der darin enthaltenen Tabakmenge.
53 Jedenfalls steht es im Einklang mit dem konkreten Ziel, das den in Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 vorgesehenen Ausnahmen zugrunde liegt, die „wesentliche Änderung der Umstände“ nach Maßgabe der je Produkteinheit berechneten Verkaufsmengen zu bewerten; gleichzeitig wird dadurch ein hoher Schutz der menschlichen Gesundheit gewährleistet.
54 Zum einen geht nämlich aus den Erwägungsgründen 19 und 26 dieser Richtlinie hervor, dass in Anbetracht dessen, dass ihr Schwerpunkt auf jungen Menschen liegt, diese Ausnahmen keine Anwendung mehr finden sollten, sollte eine wesentliche Änderung der Umstände bezüglich der Verkaufsmengen oder der Konsumgewohnheiten dieser Bevölkerungsgruppe festgestellt werden. Zum anderen ergibt sich aus dem 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/40 in Verbindung mit der Definition von „Tabakerzeugnissen“ in ihrem Art. 2 Nr. 4, dass nach Ansicht des Unionsgesetzgebers jedes – auch nur teilweise – aus Tabak bestehende Erzeugnis Todesfälle, Morbidität und Behinderungen verursachen kann.
55 Unter diesem Blickwinkel kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Bezugnahme auf das Gewicht des in einem Erzeugnis enthaltenen Tabaks bei der Bewertung der Änderung der Konsumgewohnheiten bei jungen Menschen die einzig zulässige Methode ist. Daraus folgt, dass sich die Kommission nicht notwendigerweise auf den Gesamtgehalt an Tabak stützen musste, den erhitzte Tabakerzeugnisse aufweisen, um auf das Vorliegen einer „wesentlichen Änderung der Umstände“ im Sinne von Art. 7 Abs. 12 und Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2014/40 zu schließen.
56 Nach alledem hat die Prüfung der zweiten Frage nichts ergeben, weshalb die Delegierte Richtlinie 2022/2100 ungültig wäre.
Kosten
57 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Die Prüfung der Vorlagefragen des High Court (Hohes Gericht, Irland) hat nichts ergeben, weshalb die Delegierte Richtlinie (EU) 2022/2100 der Kommission vom zur Änderung der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Rücknahme bestimmter Ausnahmen in Bezug auf erhitzte Tabakerzeugnisse ungültig wäre.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:477
Fundstelle(n):
SAAAJ-96213