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BFH Beschluss v. - IV B 35/22

Voraussetzungen für eine Rechtsprechungsdivergenz

Leitsatz

NV: Eine Divergenz setzt voraus, dass das Finanzgericht in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und dass diese für beide Entscheidungen rechtserheblich (entscheidungserheblich) war. Zudem ist erforderlich, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (Bestätigung der Rechtsprechung).

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—) zuzulassen.

3 1. Eine Divergenz setzt voraus, dass das Finanzgericht (FG) in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich (entscheidungserheblich) war. Zudem ist erforderlich, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (z.B. , Rz 30, m.w.N.).

4 2. Das FG ist nicht in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von den BFH-Urteilen vom  - I R 157/86 (BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645) und vom  - IV R 27/13 sowie vom abgewichen.

5 a) Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) sieht eine Divergenz darin, dass die Vorinstanz die Rechtsfrage „Gibt es bei der Prüfung der Anforderungen an den Fremdvergleich ein notwendigerweise vorliegendes Kriterium, dessen Fehlen die Prüfung der weiteren objektiven Gegebenheiten entbehrlich macht?“ bejaht habe. Das FG habe die Klage allein deshalb abgewiesen, weil kein schriftlicher Vertrag vorgelegen habe. Demgegenüber werde diese Rechtsfrage in den zuvor genannten Divergenzentscheidungen verneint. Danach komme es entscheidend auf die weiteren objektiven Gegebenheiten an, insbesondere auf die tatsächliche Umsetzung des Vereinbarten. Einem einzelnen Merkmal des Fremdvergleichs könne keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden.

6 b) Der erkennende Senat vermag dem nicht zu folgen.

7 aa) Das FG hat seiner Entscheidung die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt, indem es die anzustellende Überprüfung anhand des Fremdvergleichs danach vorgenommen hat, ob die zwischen den Schwesterpersonengesellschaften getroffenen Vereinbarungen, die einer Verbindlichkeit oder einer Zahlung zugrunde liegen, zivilrechtlich wirksam, klar und eindeutig sind, ihrem Inhalt nach dem zwischen fremden Dritten Üblichen entsprechen und auch tatsächlich durchgeführt werden (Hinweis unter 2.c der Entscheidungsgründe auf das ). Damit hat es den zutreffenden rechtlichen Maßstab gewählt.

8 bb) Sodann hat die Vorinstanz —nach einer Abgrenzung von den Grundsätzen für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen in Fällen von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen (Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung, , BStBl I 2010, 774)— die Umstände des Einzelfalls dahingehend gewürdigt, dass etwaige konkludente Vereinbarungen über eine Lohnfertigung einschließlich einer Übernahme von Anlaufverlusten der A KG durch die Klägerin und etwaige konkludente Vereinbarungen zur Zahlung von Schadensersatz an die A KG sowie die schriftliche Vereinbarung zum Schadensausgleich vom .2008 den zuvor dargestellten Anforderungen des Fremdvergleichs nicht standhielten (unter 2.g der Entscheidungsgründe). Dabei hat das FG maßgeblich darauf abgestellt, dass fremde Dritte von vornherein —d.h. vor Beginn der Errichtung des Werks im Jahr 2005— vertragliche Vereinbarungen getroffen und zudem schriftliche Verträge über den Aufbau des Werks und das Lohnfertigungsverhältnis (mit den wesentlichen Rechten und Pflichten der Vertragspartner einschließlich der wesentlichen Risiken) abgeschlossen hätten. Damit hat die Vorinstanz nicht allein auf das Fehlen schriftlicher Vereinbarungen rekurriert, sondern sowohl den Umstand des Fehlens von im Vorhinein getroffenen Vereinbarungen als auch den Aspekt der fehlenden schriftlichen Fixierung der Abreden in die erforderliche Gesamtwürdigung eingestellt.

9 Vor diesem Hintergrund fehlt es vorliegend an der für eine Divergenz erforderlichen Abweichung im Grundsätzlichen (dazu Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 115 Rz 200; Hendricks/Wedel, Die Unternehmensbesteuerung 2019, 457, 458). Vielmehr hat die Vorinstanz die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze ihrer Entscheidung zugrunde gelegt und das Gesamtbild der Verhältnisse des Streitfalls einer tatsächlichen Würdigung unterzogen. Hierbei handelt es sich —entgegen der Ansicht der Klägerin— um einzelfallbezogene Rechtsausführungen. Soweit das FG dabei zu einem anderen Ergebnis gekommen ist als die Gerichte in den angeführten Divergenzentscheidungen (und als die Klägerin), vermag dies eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht zu rechtfertigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom  - III B 188/08, BFH/NV 2010, 667, unter II.1.a [Rz 5]; vom  - III B 148/12, Rz 4; Gräber/Ratschow, a.a.O., § 115 Rz 204). Darauf hat der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt) zu Recht hingewiesen.

10 3. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

11 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2023:B.080323.IVB35.22.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-96068