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BGH Urteil v. - 3 StR 24/25

Instanzenzug: LG Kleve Az: 170 KLs 10/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen, Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Schriften, Verbreitung pornographischer Schriften in drei Fällen sowie Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen und festgestellt, dass das Ermittlungsverfahren hinsichtlich eines Teils der Taten rechtsstaatswidrig verzögert wurde. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

31. Das Landgericht Kleve ordnete im Juni 2015 Führungsaufsicht gegen den Angeklagten nach Vollverbüßung einer zweijährigen Gesamtfreiheitsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen und sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in sechs Fällen an. Es erteilte ihm unter anderem die näher konkretisierte Weisung, keinen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren aufzunehmen und zu pflegen. Zudem führte es in den Beschlussgründen aus, das Kontaktverbot beruhe auf § 68b Abs. 1 Nr. 3 StGB. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten verwarf das Oberlandesgericht Düsseldorf am unter Hinweis auf dieselbe Rechtsgrundlage. Nachdem der Angeklagte im Zuge eines Programms für rückfallgefährdete Sexualstraftäter auf die Strafbewehrung des Kontaktverbots hingewiesen und im Jahr 2017 anderweitig wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen verurteilt worden war, stand er im Juli 2020 in Kontakt mit dem damals elfjährigen Nebenkläger und fragte diesen im Rahmen eines Chatverkehrs, ob er zu einer Kanutour und zum Camping mitkomme (Tat 1 der Urteilsgründe). Ferner hatte der Angeklagte Kontakt zu einem 14jährigen, an den er an acht Tagen im Juli 2020 Chatnachrichten versandte und mit dem er zudem einmal telefonierte (Taten 2 bis 10 der Urteilsgründe).

42. Im August 2020 übermittelte der Angeklagte dem 14jährigen eine Bilddatei, die ihn nackt bei der Manipulation seines erigierten Penis zeigt (Tat 11 der Urteilsgründe).

53. Ende August 2020 befanden sich auf einer Festplatte des Computers des Angeklagten zwei Videodateien, die jeweils unter 14jährige, ihren Penis manipulierende Jungen abbilden. Ferner befanden sich 13 Videos im Datenbestand, die noch nicht 18jährige bei sexuellen Handlungen darstellen (Tat 12 der Urteilsgründe).

64. Zwischen Oktober 2022 und Mai 2024 übermittelte der Angeklagte dem unter 16 Jahre alten Nebenkläger zwei Videos mit Geschlechtsverkehr zwischen erwachsenen Männern (Taten 13 und 14 der Urteilsgründe).

75. Im November 2023 folgte der Angeklagte dem Nebenkläger in einem Schnellimbiss auf die Toilette, manipulierte dessen Penis und brachte den von der Situation überforderten 15jährigen Nebenkläger dazu, ihn manuell zu befriedigen (Tat 15 der Urteilsgründe).

II.

8Die Revision des Angeklagten hat eine Klarstellung des Schuldspruchs zur Folge und ansonsten keinen Erfolg.

91. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen werden durch die Beweiswürdigung belegt, deren Prüfung nach den zu beachtenden revisionsrechtlichen Maßstäben (vgl. etwa , NZWiSt 2024, 187 Rn. 41 mwN) keinen Rechtsfehler ergeben hat. Insbesondere hat die Strafkammer tragfähig die Einlassung des Angeklagten entkräftet, er habe einen der Kontaktierten für 18 Jahre alt gehalten. Dessen Zeugenaussage hat das Landgericht sogar besonders kritisch gewürdigt, da es eine „Aussage-gegen-Aussage-Konstellation“ angenommen hat, obschon die Beweiswürdigung nicht allein auf den Angaben des damals Jugendlichen, sondern etwa auch auf Chatverkehr beruht.

102. a) Der Schuldspruch ist klarstellend zu ändern, soweit das Landgericht die Taten 13 und 14 der Urteilsgründe als Verbreitung pornographischer Schriften nach § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB gewertet hat. Da die Taten nach dem begangen wurden, ist der Straftatbestand entsprechend der gesetzlichen Überschrift in der anzuwendenden Fassung als Verbreitung pornographischer Inhalte zu bezeichnen (vgl. § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO). Dies berührt die zutreffend dem Rahmen des § 184 Abs. 1 StGB entnommenen Einzelstrafen ebenso wenig wie die Gesamtstrafe.

11b) Die weitergehende Nachprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Dies gilt – entgegen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, seinem in der Revisionshauptverhandlung gestellten Antrag entsprechend – auch in Bezug auf die Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a Satz 1 StGB.

12aa) Die Strafbarkeit nach der Blankettvorschrift des § 145a Satz 1 StGB setzt voraus, dass die den Inhalt des Tatbestands genauer bestimmende Führungsaufsichtsweisung rechtsfehlerfrei ist und sich die Strafbewehrung der Weisung nach § 68b Abs. 1 StGB aus dem zugrundeliegenden Beschluss selbst ergibt. Dafür ist zwar einerseits eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 68b Abs. 1 StGB nicht erforderlich; sie reicht aber andererseits ohne weitere Erläuterungen in der Regel nicht aus, um dem Verurteilten die notwendige Klarheit zu verschaffen (s. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 275/15, BGHR StGB § 145a Satz 1 Verstoß gegen Weisungen 3 Rn. 5 f.; vom – 3 StR 362/20, NStZ 2021, 733; Urteil vom – 4 StR 312/22, StV 2023, 529 Rn. 17; jeweils mwN). Hintergrund hierfür ist das Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB (, NStZ 2021, 733). Wegen der Gefahr von Missverständnissen und Unklarheiten kann die Klarstellung des Charakters der Weisungen im Führungsaufsichtsbeschluss nicht durch eine mündliche Belehrung (§ 268a Abs. 3 Satz 2 StPO bzw. §§ 453a, 463 Abs. 1 StPO), Ermahnungen von Polizeibeamten oder Hinweise des Bewährungshelfers ersetzt werden (s. , BGHR StGB § 145a Satz 1 Verstoß gegen Weisungen 3 Rn. 7).

13Der erforderlichen Klarstellung kommt die Funktion zu, dass die Strafbarkeit eines etwaigen Weisungsverstoßes in objektiver Hinsicht aus dem Beschluss ohne Weiteres zweifelsfrei zu entnehmen ist und sie in subjektiver Richtung dem Angeklagten unmissverständlich vermittelt wird. Danach deutet die ausdrückliche Nennung des im Straftatbestand des § 145a Satz 1 StGB zitierten § 68b Abs. 1 StGB in einem Beschluss über die Führungsaufsicht zwar für einen sachkundigen Empfänger naheliegend darauf hin, dass die sich hierauf stützenden bestimmten Weisungen strafbewehrt sind. Allerdings ergibt sich ein solcher Schluss für die der Führungsaufsicht unterliegende Person nicht ohne Weiteres. Somit reicht der Hinweis auf die Norm des § 68b Abs. 1 StGB für sich genommen im Regelfall nicht aus, um die Strafbarkeit darzutun. Jedoch kann er ausnahmsweise unter Berücksichtigung der konkreten Umstände genügen, insbesondere, wenn über die Strafbewehrung einer Weisung sowohl abstrakt als auch für den Betroffenen Gewissheit besteht. Dies fügt sich in die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein, die lediglich „in der Regel“ mehr als eine solche Bezugnahme für erforderlich hält.

14bb) Hieran gemessen genügte der die Weisungen enthaltende Beschluss, um allgemein ebenso wie für den Angeklagten die Strafbarkeit von Verstößen gegen das Kontaktverbot ersichtlich darzulegen. Da der Straftatbestand des § 145a Satz 1 StGB auf Weisungen „der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art“ Bezug nimmt, ergibt sich durch die ausdrückliche Nennung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals („§ 68b Abs. 1“) objektiv betrachtet kein Zweifel daran, dass es sich um eine im Sinne des § 145a Satz 1 StGB strafbewehrte Weisung handelt. Zudem waren die Formulierungen in den Beschlüssen des Land- und des Oberlandesgerichts hier ersichtlich ausreichend, um auch dem Angeklagten vor seinen Taten die Strafbarkeit eines Verstoßes gegen die Kontaktweisung zu verdeutlichen. Dies folgt aus der Zusammenschau der Umstände. Der Angeklagte war nicht nur durch seinen Betreuer aus dem Programm für Sexualstraftäter auf die Strafbarkeit hingewiesen worden. Maßgeblich kommt hinzu, dass sich für ihn die Kenntnis des Normgefüges in nachdrücklicher Weise aufgrund einer neuen gerichtlichen Entscheidung aktualisiert hatte, indem er bereits wegen eines Verstoßes gegen Weisungen während der laufenden Führungsaufsicht in zwei Fällen rechtskräftig zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden war. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass er durch den Beschluss nicht über die Strafbarkeit der Weisungen informiert war und es dort neben der Nennung des § 68b Abs. 1 StGB noch des ausdrücklichen Hinweises auf die Strafbarkeit bedurft hätte, um diese dem Angeklagten zu verdeutlichen.

15cc) Schließlich bestehen keine sonstigen Bedenken gegen die Bestimmtheit und Rechtmäßigkeit der Weisung.

163. Der Rechtsfolgenausspruch enthält keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten.

Schäfer                                    Hohoff                                    Anstötz

                           Voigt                                        Munk

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:120625U3STR24.25.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-96032