Instanzenzug: LG Krefeld Az: 22 Kls 27/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung (Fall II. 1 der Urteilsgründe) und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen in Tateinheit mit Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen in zwei Fällen (Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit der auf die Sachrüge gestützten Revision.
2Die materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe zur Änderung des Schuldspruchs sowie Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
31. Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen, hier maßgeblichen Feststellungen zu den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe fertigte die Nebenklägerin während einer mit dem Angeklagten in den Jahren 2017 bis 2019 geführten Beziehung in ihrem Schlafzimmer verschiedene Nacktfotos von sich an. Sie schickte die Aufnahmen dem Angeklagten zur eigenen Nutzung, der sie speicherte. Nach dem Ende der Beziehung kontaktierte er im Juni 2023 über soziale Medien zwei Bekannte von ihr. Dem einen übersandte er zwei der genannten Bilder, dem anderen einige Tage später acht Fotos.
4Die Strafkammer hat das Geschehen rechtlich dahin gewürdigt, dass es tateinheitlich jeweils sowohl den Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB als auch den des § 184k Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt. Sie hat den Angeklagten deshalb zu zwei Einzelfreiheitsstrafen von je acht Monaten verurteilt. In beiden Fällen hat sie strafschärfend in Rechnung gestellt, dass er zwei Straftatbestände tateinheitlich verwirklichte.
52. Diese Wertung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Denn bei den vorliegenden Geschehen ist allein der Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB, nicht aber derjenige des § 184k Abs. 1 Nr. 3 StGB, gegeben. Im Einzelnen:
6a) Zutreffend hat das Landgericht die Taten jeweils als Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten nach § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB gewürdigt. Die Norm schützt die Wohnung und den „gegen Einblick“ abgeschirmten räumlich-gegenständlichen Rückzugsbereich (s. etwa LK/Valerius, StGB, 13. Aufl., § 201a Rn. 31). Sie pönalisiert Fallkonstellationen, in denen die Bildaufnahme befugt hergestellt wurde, sodann aber unbefugt verwendet wird, und sanktioniert somit den nachträglichen Vertrauensbruch (Fischer/Anstötz, StGB, 72. Aufl., § 201a Rn. 27). Dass nicht der Angeklagte, sondern die Nebenklägerin die Fotos angefertigt hatte, steht der Strafbarkeit nicht entgegen, denn auch Selbstaufnahmen des Opfers können Gegenstand der unbefugten Weitergabe sein (, BGHR StGB § 201a Abs. 1 Nr. 4 Bildaufnahmen 1 Rn. 6 ff.). Bei Nacktfotos in normaler Bildqualität ist zudem ohne Weiteres der höchstpersönliche Lebensbereich der gezeigten Person betroffen (s. zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 563/18, juris Rn. 6; vom – 1 StR 299/24, NStZ-RR 2025, 20 Rn. 14 ff.).
7b) Die für eine Ahndung des Handelns des Angeklagten als Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen im Sinne des § 184k Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderlichen Voraussetzungen liegen dagegen nicht vor. Es fehlt an einer Bildaufnahme der in § 184k Abs. 1 Nr. 1 StGB bezeichneten Art. Die weitergeleiteten Fotos zeigten zwar die Genitalien, das Gesäß und die Brüste der Nebenklägerin. Die Vorschrift stellt die Herstellung von Bildern jedoch nur dann unter Strafe, wenn die genannten Körperbereiche „gegen Anblick“ geschützt sind. Dieses Tatbestandsmerkmal umfasst in Abgrenzung zu § 201a Abs. 1 StGB allein die Verdeckung der abgebildeten intimen Körperteile durch Kleidung oder sonstige am Leib getragene Sichtbarrieren, nicht aber den Sichtschutz durch einen Raum (so insbesondere LK/Berghäuser, StGB, 13. Aufl., § 184k Rn. 24 ff. mit der Faustformel „unter der Kleidung statt hinter der Tür“; s. auch MüKoStGB/Renzikowski, 5. Aufl., § 184k Rn. 16; BeckOK StGB/Ziegler, 65. Ed., § 184k Rn. 4; Seidl/Wittschursky, NStZ 2023, 392, 395).
8Für dieses Verständnis der Norm streitet bereits der Wortlaut von § 184k Abs. 1 Nr. 1 StGB. Denn die Formulierung „gegen Anblick geschützt“ bringt im Gegensatz zur in § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB gewählten Fassung („gegen Einblick besonders geschützt“) eher die zweidimensionale als die räumliche Perspektive zum Ausdruck: Wer seine intimen Körperteile dem „Anblick“ Fremder entziehen will, tut dies nach dem allgemeinen Sprachverständnis durch das Tragen von Oberbekleidung, nicht durch das Aufsuchen einer baulichen Vorrichtung. Den höchstpersönlichen Lebensbereich schützt man gegen „Einblick“, also den Blick von außen in etwas hinein, stattdessen in der Regel durch den Rückzug in einen Raum. Auch die Beschränkung der Strafbarkeit auf die Abbildung der von Blicken abgeschirmten Genitalien, des Gesäßes und der weiblichen Brust in § 184k Abs. 1 StGB deutet sprachlich an, dass vornehmlich die Überwindung der genau und nur diese drei Körperbereiche üblicherweise bedeckenden textilen Verhüllung gemeint ist, während § 201a Abs. 1 StGB im Gegensatz dazu die Person in ihrer Gesamtheit vor ungewollten Bildaufnahmen schützt.
9Für die dargelegte Auslegung des § 184k Abs. 1 Nr. 1 StGB sprechen aber vor allem Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte der Norm. Die Vorschrift wurde durch das 59. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom in dieses eingeführt (BGBl. I S. 2075). Der Gesetzgeber wollte mit ihr das sogenannte Upskirting und Downblousing unter Strafe stellen, also das Fotografieren unter einen Rock beziehungsweise in den weiblichen (Blusen-)Ausschnitt. Die Kamera nimmt dabei einen Winkel ein, den das menschliche Auge üblicherweise nicht oder jedenfalls nicht dauerhaft hat. Dadurch werden Genitalien, Gesäß oder Brust mit oder ohne sie bedeckende Unterwäsche optisch in einer Weise erfasst, wie sie die Person nicht zeigen will. Die Materialien sprechen insoweit von einer „durch die Bekleidung nach außen hin dokumentierte(n) Bestrebung des Opfers …, diese Körperteile fremden Anblicken zu entziehen … (,) beispielsweise durch das Tragen von Oberbekleidung … oder durch das Nutzen anderer Sichtschutz spendender Objekte wie Handtücher“ (BT-Drucks. 19/17795, S. 13). Die weitgehend parallelen Gesetzentwürfe der Bundesregierung und des Bundesrats zeigen ausdrücklich ein Strafbedürfnis für Fälle auf, in denen Täter in sexueller Motivation vor allem im öffentlichen Raum – etwa auf einer Rolltreppe – heimlich mittels Smartphone und gegebenenfalls Selfiestick unter den Rock oder in den Ausschnitt einer anderen Person fotografieren und auf diese Weise bildlich deren Scham oder Brüste einfangen. Im Folgenden führen die Entwürfe jeweils aus, dass § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB derartige Taten nicht umfasse, weil die Vorschrift nur unbefugte Bildaufnahmen in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum verbiete; diese Strafbarkeitslücke solle nunmehr geschlossen werden (s. BT-Drucks. 19/17795, S. 9 f., und 19/15825, S. 9 ff.).
10Der Gesetzgeber hatte somit ausdrücklich im Blick, dass Täter unbefugte Intimbilder einerseits erlangen können, indem sie das durch einen Raum bewirkte Sichthindernis umgehen, andererseits, indem sie die Bedeckung des Körpers mit Kleidung überwinden. Es war ihm bewusst, dass ersteres bereits strafbar war, während er – ausschließlich – letzteres neu unter Strafe stellen wollte. Ursprünglich beabsichtigte er, Upskirting durch eine neue Tatbestandsvariante innerhalb des § 201a Abs. 1 StGB zu verbieten, weil auch dieses Fehlverhalten das Recht der betroffenen Personen am eigenen Bild verletze. Im Gesetzgebungsverfahren hat er sich dann aber für die Einführung des neuen § 184k StGB entschieden und das Upskirting im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verortet. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass hier die Verschaffung eines visuellen Zugriffs auf den körperlichen Intimbereich des Opfers und damit der Sexualcharakter im Vordergrund stehe, weshalb die Einstufung als Sexualdelikt dem Opferinteresse entspreche (BT-Drucks. 19/20668, S. 15 f.). Sein Ziel war es somit, eine Systematik von zwei Straftatbeständen mit unterschiedlichen, sich gegenseitig ergänzenden, nicht aber überschneidenden Anwendungsbereichen zu schaffen.
11Nach allem bleibt für eine tateinheitliche Verwirklichung beider Delikte nur Raum in Fällen, in denen der Täter eine doppelte Sichtbarriere durch sowohl eine bauliche Vorrichtung als auch Kleidung überwindet, etwa beim Upskirting in einer Wohnung oder Umkleidekabine (vgl. LK/Berghäuser, StGB, 13. Aufl., § 184k Rn. 52; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 184k Rn. 8; s. auch , juris). Eine solche Konstellation ist vorliegend allerdings nicht gegeben.
12c) Die Revision führt deshalb zu einer Änderung des Schuldspruchs dahin, dass der Angeklagte in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe jeweils (nur) der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen schuldig ist. Durch die Nichtannahme weiterer Strafbarkeit – zu denken könnte sein an eine Verletzung von § 33 KunstUrhG und § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB – ist der Angeklagte jedenfalls nicht beschwert.
13d) Die Strafaussprüche in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe unterliegen der Aufhebung, weil das Landgericht die vermeintliche tateinheitliche Verwirklichung von jeweils zwei Tatbeständen strafschärfend bewertet hat und bei zutreffender rechtlicher Würdigung möglicherweise geringere Einzelstrafen verhängt hätte. Der Wegfall der beiden Einzelstrafen bringt auch die Gesamtfreiheitsstrafe zu Fall.
14e) Die zugehörigen Feststellungen bleiben von dem Rechtsfehler unberührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit das Landgericht als Strafzumessungsgrund herangezogen hat, dass jeweils zwei Straftatbestände verwirklicht seien, ist das eine rechtliche Wertung und keine Tatsachenfeststellung.
Schäfer Berg Erbguth
Kreicker Munk
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:160425B3STR40.25.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-96029