Instanzenzug: Az: 19 U 51/24vorgehend LG Itzehoe Az: 7 O 43/22
Gründe
I.
1Der Kläger erwarb im Mai 2019 von der Beklagten zu 1 ein von der Streithelferin zu 2 hergestelltes Wohnmobil K. zum Kaufpreis von 65.000 €. Das Basisfahrzeug, ein F. , das über einen 2,3 Liter-Dieselmotor verfügt, ist von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 hergestellt worden.
2Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger - soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - die Beklagte zu 1 zuletzt auf Zahlung eines Minderungsbetrags, mindestens jedoch in Höhe von 16.250 €, nebst Zinsen sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für weitere über diesen Betrag hinausgehende Schäden in Anspruch genommen. Ferner hat er von der Beklagten zu 2 unter anderem die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 71.007,87 € nebst Zinsen abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, sowie die Feststellung der Pflicht zum Ersatz von weiteren Schäden begehrt.
3Er hat geltend gemacht, in dem Fahrzeug seien mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut.
4Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zu 1 verurteilt, an den Kläger einen Minderungsbetrag in Höhe von 6.500 € nebst Zinsen zu zahlen. Ferner hat es festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger weiteren Schadensersatz für alle Schäden zu zahlen, die aus dem Vorhandensein eines unzulässigen Thermofensters resultieren und über den reinen Minderwert des Fahrzeugs hinausgehen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.
5Gegen diese Entscheidung haben der Kläger und die Streithelferin zu 2 - für die Beklagte zu 1 - Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Kläger hat seine - allein gegen die Beklagte zu 2 gerichtete - Beschwerde mittlerweile zurückgenommen.
II.
61. Der Kläger ist, nachdem er seine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig zu erklären (§ 555 Abs. 5 Nr. 2, § 516 Abs. 3 ZPO).
72. Die von der Streithelferin zu 2 für die Beklagte zu 1 geführte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den Betrag von 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
8a) Der Wert der Beschwer bemisst sich nach der Beschwer der Beklagten zu 1. Das Rechtsmittel eines einfachen Streithelfers - wie hier der Streithelferin zu 2 - ist stets ein Rechtsmittel der Hauptpartei, ohne dass er dabei selbst in eine Parteirolle gelangt; vielmehr liegt in seiner Rechtsmitteleinlegung nur die Erklärung, das Rechtsmittel der von ihm bei seinem Beitritt bezeichneten Partei unterstützen zu wollen (vgl. , NJW 1990, 190 unter 1 b; vom - IV ZR 137/96, VersR 1997, 1088 unter 1 a; vom - VI ZR 382/12, NJW-RR 2014, 1053 Rn. 8; Beschluss vom - VIII ZB 96/15, WuM 2016, 688 Rn. 15; jeweils mwN). Für die Beurteilung, ob die erforderliche Beschwer gegeben ist, ist deshalb allein auf die Person der unterstützten Partei und deren Interesse an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts abzustellen (vgl. , ZInsO 2024, 2412 Rn. 5 f. mwN).
9Dieses Interesse ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO zu ermitteln. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht - gegebenenfalls auch im Wege der Schätzung (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 30/22, juris Rn. 6; vom - VIII ZR 307/23, juris Rn. 9; jeweils mwN) - selbst zu befinden (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 22/23, WuM 2024, 478 Rn. 10; vom - VIII ZR 139/23, ZfSch 2024, 680 Rn. 6; vom - VIII ZR 307/23, aaO; jeweils mwN). Als Grundlage hierfür dienen nur solche Tatsachen, die der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist dargelegt und glaubhaft gemacht hat oder die jedenfalls in Verbindung mit der Berufungsentscheidung offenkundig sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 26/22, WuM 2023, 228 Rn. 6; vom - VIII ZR 307/23, aaO; jeweils mwN). Für ein von einem Streithelfer geführtes Rechtsmittel der Partei gilt nichts Anderes (vgl. , NJW 1999, 2046 unter I; vom - IX ZR 10/20, NJW 2021, 1957 Rn. 25; Beschluss vom - VII ZR 24/11, NJW 2012, 1957 Rn. 6).
10b) Ausgehend hiervon beträgt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer der Beklagten zu 1 (höchstens) 7.300 € und nicht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde meint, 54.187,51 €.
11aa) Die Beklagte zu 1 ist zur Zahlung von 6.500 € verurteilt worden und ist in dieser Höhe durch das Berufungsurteil beschwert. Soweit die Beklagte zu 1 darüber hinaus zur Zahlung von Zinsen verurteilt worden ist, bleiben diese als Nebenforderungen gemäß § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO bei der Wertermittlung außer Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZR 22/23, WuM 2024, 478 Rn. 12).
12bb) Darüber hinaus wendet sich die Streithelferin zu 2 gegen die von dem Berufungsgericht getroffene Feststellung, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger weiteren Ersatz für alle Schäden zu zahlen, die aus dem Vorhandensein eines Thermofensters als unzulässige Abschalteinrichtung resultieren und über den - mit 6.500 € bemessenen - Minderwert des Fahrzeugs hinausgehen. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer beträgt diesbezüglich höchstens 800 € (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VIII ZR 369/19, juris Rn. 15 ff.; vom - VIa ZR 102/22, juris Rn. 6; jeweils mwN).
13(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Wert einer positiven Feststellungsklage im Regelfall in der Weise zu bemessen, dass von dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage im Hinblick darauf, dass der Kläger mit einem Feststellungsausspruch keinen vollstreckbaren Titel erhält, ein Abschlag von 20 % vorzunehmen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 1/18, juris Rn. 21; vom - VI ZR 269/21, NJW 2023, 3584 Rn. 11; jeweils mwN). Geht es um die Feststellung zum Ersatz künftigen Schadens, bemisst sich das konkrete wirtschaftliche Interesse der Partei nicht allein nach der Höhe des drohenden Schadens, sondern auch danach, wie hoch oder wie gering das Risiko eines Schadenseintritts und einer tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Feststellungskläger ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 27/90, NJW-RR 1991, 509 unter II 3 b; vom - IX ZR 235/08, NJW 2009, 920 Rn. 6; jeweils mwN; vom - VI ZR 269/21, aaO Rn. 10). Denn die Bedeutung eines solchen Feststellungsanspruchs ist zwangsläufig größer, wenn der Schaden in absehbarer Zeit erkennbar droht als dann, wenn es sich nur um eine entfernt liegende, mehr theoretische, aber nicht völlig auszuschließende Möglichkeit handelt. Die Gefahr der Verwirklichung der festgestellten Schadensersatzpflicht kann im Einzelfall so unwahrscheinlich sein, dass der Feststellung jede selbständige wirtschaftliche Bedeutung fehlt oder nur der Ansatz eines "Erinnerungswerts" gerechtfertigt ist (vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZB 27/90, aaO mwN; e, juris Rn. 32; OLG Brandenburg, ZfSch 2020, 25 Rn. 19).
14(2) Der Wert der danach zu bestimmenden Beschwer der Beklagten zu 1 beträgt im vorliegenden Fall jedenfalls nicht mehr als 800 € und nicht - wie die Nichtzulassungsbeschwerde meint - 47.687,51 € (65.000 € [Kaufpreis] - 5.390,61 € [Nutzungsentschädigung] - 20 % [Feststellungsabschlag]). Der Kläger hat zwar - worauf die Nichtzulassungsbeschwerde im Ausgangspunkt zutreffend verweist - geltend gemacht, im vorliegenden Fall könne die Stilllegung des Fahrzeugs drohen und in diesem Fall sei ein Minderwert von mindestens 90 % gerechtfertigt. Dass in absehbarer Zeit tatsächlich die Stilllegung des streitgegenständlichen Fahrzeugs und der Eintritt hieraus resultierender Schäden zu erwarten sind, haben die von der Streithelferin zu 2 geführte Nichtzulassungsbeschwerde und die Streithelferin zu 1 innerhalb der Begründungsfrist jedoch nicht aufgezeigt. Vielmehr hat das Berufungsgericht festgestellt, dass das Kraftfahrt-Bundesamt bereits im Jahr 2016 die italienische Zulassungsbehörde von ersten Verdachtsfällen betreffend unzulässige Abschalteinrichtungen bei F. motoren unterrichtete, diese aber nach eigenen Untersuchungen keinen Anlass zum Einschreiten sah. Aus diesen Gründen ist die Beschwer der Beklagten zu 1 mit Blick auf den nur sehr vagen Vortrag des Klägers zu etwaigen weiteren Schäden unter Berücksichtigung eines Feststellungsabschlags von 20 % mit nicht mehr als 800 € zu bewerten (vgl. hierzu auch BGH, Beschlüsse vom - VI ZR 281/20, juris Rn. 7; vom - III ZR 253/20, juris Rn. 5); zumal der Kläger sein Feststellungsinteresse in der Berufungsbegründung - worauf die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist und anders als die Streithelferin zu 1 meint - lediglich damit begründet hat, dass ihm über den bezifferten Betrag hinaus weitere Schäden, wie etwa eine nachzuentrichtende Kraftfahrzeugsteuer, entstehen könnten.
III.
15Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet, da die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich.
16Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO ab.
IV.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbs. 2, § 555 Abs. 5 Nr. 2, § 516 Abs. 3 ZPO. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde im Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 aufgrund der Zurücknahme nur eine Gerichtsgebühr anfällt (vgl. Nr. 1243 KV GKG), während im Prozessrechtsverhältnis zwischen der Beklagten zu 1 und dem Kläger zwei Gerichtsgebühren zu berechnen sind (vgl. Nr. 1242 KV GKG; siehe auch , juris Rn. 11). Der Beklagten zu 1 waren die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht (anteilig) aufzuerlegen, da die Beklagte zu 1 als die von der Streithelferin zu 2 unterstützte Hauptpartei im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren untätig geblieben ist (vgl. , BGHZ 49, 183, 195 ff.; vom - XI ZR 568/19, BGHZ 230, 161 Rn. 49).
Dr. Bünger Dr. Schmidt Wiegand
Dr. Matussek Dr. Böhm
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:170625BVIIIZR129.24.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-95882