Suchen Barrierefrei
BGH Beschluss v. - 6 StR 534/24

Instanzenzug: LG Rostock Az: 11 KLs 11/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge einer Verletzung des § 261 StPO Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

21. Nach den getroffenen Feststellungen war der – zur Sache schweigende – Angeklagte im Jahre 2020 eingebunden in eine Gruppierung („Bruderschaft“), die Marihuana nach Deutschland einführte. Im Mai 2020 lieferte sie 100 Kilogramm Marihuana an den gesondert verfolgten G. nach R. . Dem Angeklagten kam insbesondere die Aufgabe zu, das Marihuana in R. vom Kurier in Empfang zu nehmen, es G. zu übergeben und den Verkaufspreis für die Gruppierung entgegen zu nehmen. Die Strafkammer hat ihre Überzeugung auch auf Angaben des gesondert verfolgten G. gestützt, der in dem gegen ihn geführten Verfahren frühzeitig sein Wissen „zu Hintermännern, Geschäftspartnern und Organisationsstruktur des Betäubungsmittelnetzwerks“ offenbarte und sodann in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde.

3Der Beschwerdeführer macht mit der Verfahrensrüge geltend, dass er zwar zunächst auf seine Belehrung nach § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO hin von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht, den Anklagevorwurf aber im Rahmen seines letzten Wortes bestritten und sich „zur Sache“ geäußert habe. Dies werde durch den Inhalt der Sitzungsniederschrift belegt. Die Strafkammer habe darin festgehalten, dass der Angeklagte das letzte Wort erhalten habe; an diesen Protokollvermerk schließe sich die „vollständige“ wörtliche Wiedergabe der schriftlich vorbereiteten Einlassung des Angeklagten an. In der unterbliebenen Berücksichtigung dieser Sacheinlassung, die sich insbesondere auf die Bekanntschaft des Angeklagten mit dem gesondert verfolgten G. bezogen habe, erblickt die Revision einen Verstoß gegen § 261 StPO.

42. Die zulässig erhobene Verfahrensrüge („Ausschöpfungsrüge“) hat Erfolg. Nach dem vom Beschwerdeführer vorgetragenen, auch durch die Gegenerklärung gemäß § 347 Abs. 1 Satz 2 StPO bestätigten (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 514/22, NStZ 2023, 762; vom – 1 StR 607/07, NStZ 2008, 353) Verfahrensgang hat sich der Angeklagte – entgegen der Darstellung in den Urteilsgründen – in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die dazu schweigenden Urteilsgründe als lückenhaft.

5Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist unter den hier gegebenen Umständen zu besorgen, dass das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung eine Einlassung des Angeklagten nicht berücksichtigt hat. Wegen des Verbots, den Inhalt der Hauptverhandlung zu rekonstruieren, ist der Inhalt der Sacheinlassung der revisionsgerichtlichen Beruhensprüfung im Rahmen der Verfahrensrüge entzogen (vgl. , NStZ-RR 2018, 356 mwN). Der Senat vermag daher – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts – anhand des in der Sitzungsniederschrift wiedergegebenen, indes nicht nach § 273 Abs. 3 StPO festgestellten Wortlauts (vgl. , NStZ 1991, 500), nicht auszuschließen, dass sich die Einlassung zugunsten des Angeklagten auf die Überzeugungsbildung der Strafkammer ausgewirkt hätte.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:210125B6STR534.24.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-95875