Suchen Barrierefrei
BGH Beschluss v. - 2 StR 353/24

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/31 KLs 14/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit einem sexuellen Übergriff sowie in drei Fällen wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen jeweils in Tateinheit mit einem sexuellen Übergriff sowie wegen Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln (Cannabis) an Minderjährige sowie wegen eines sexuellen Übergriffs mit Gewalt“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es den Angeklagten auf Antrag des Adhäsions- und Nebenklägers zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 Euro verurteilt und seine Ersatzpflicht für sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden sowie das Beruhen der Ansprüche „auf unerlaubter Handlung“ festgestellt.

2Die hiergegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

31. Der Schuldspruch im Fall II.6 der Urteilsgründe bedarf der Klarstellung. Zutreffend hat das Landgericht seiner rechtlichen Würdigung den Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB zugrunde gelegt. Der Schuldspruch hat jedoch insoweit auf sexuelle Nötigung zu lauten (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 294/20, Rn. 16, und vom – 3 StR 397/23, Rn. 2), was der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO klarstellt.

42. Weiterhin bedarf der Schuldspruch im Fall II.5 der Urteilsgründe in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung, weil am das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom (KCanG, BGBl. I Nr. 109) in Kraft getreten ist und die neue Rechtslage bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall für den Angeklagten günstiger ist als die Rechtslage nach dem Tatzeitrecht. Es ist sicher anzunehmen, dass die Strafkammer angesichts der von ihr angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte einen besonders schweren Fall nach § 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 3 Buchst. a) KCanG abgelehnt und die Strafe dem gegenüber dem angewandten Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG günstigeren Regelstrafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG entnommen hätte (vgl. , Rn. 4).

53. Im Strafausspruch kann das angefochtene Urteil deshalb betreffend die in Fall II.5 der Urteilsgründe festgesetzte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten infolge des gegenüber der bisherigen Rechtslage niedrigeren Strafrahmens keinen Bestand haben. Um jegliche Beschwer des Angeklagten auszuschließen, setzt der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts in direkter Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO eine Einzelgeldstrafe von fünf Tagessätzen fest, mithin das Mindestmaß des Regelstrafrahmens des § 34 Abs. 1 KCanG. Die Höhe des Tagessatzes schätzt der Senat für den langjährig als Disponent in einem Abschleppunternehmen tätigen Angeklagten gemäß § 40 Abs. 3 StGB auf 50 Euro.

6Die festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe bleibt hiervon unberührt und kann bestehen bleiben. Angesichts der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren, drei Mal einem Jahr und sechs Monaten sowie einem Jahr und drei Monaten ist auszuschließen, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der herabgesetzten Einzelstrafe eine für den Angeklagten günstigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

74. Die Adhäsionsentscheidung kann nur bestehen bleiben, soweit der Angeklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 10.000 Euro an den Adhäsionskläger verurteilt ist. Im Übrigen hält sie rechtlicher Überprüfung nicht stand.

8a) Die Ausführungen der Kammer belegen nicht das für die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten hinsichtlich zukünftiger materieller und immaterieller Schäden des Adhäsionsklägers erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO). Dies setzt die Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts voraus, wobei eine bloß abstrakt-theoretische Möglichkeit nicht genügt; erforderlich ist vielmehr, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei verständiger Würdigung mit dem Eintritt eines zukünftigen Schadens wenigstens zu rechnen ist (vgl. , BGHR StPO § 406 Feststellungsurteil 2 Rn. 10 mwN).

9Solches ist den Urteilsgründen weder bezüglich materieller noch immaterieller künftiger Schäden des Adhäsionsklägers zu entnehmen. Die Kammer bejaht das Feststellungsinteresse mit dem knappen Hinweis, nach dem Vortrag des Adhäsionsklägers sei „denkbar“ und der Kammer aus vergleichbaren Fällen „bekannt“, dass Opfer sexueller Übergriffe zu späteren Zeitpunkten psychotherapeutischer Unterstützung bedürften. Diese generalisierenden Ausführungen lassen eine auf den Einzelfall bezogene Begründung (vgl. , NStZ-RR 2020, 53 mwN) vermissen. Der Anspruch erklärt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Der Adhäsionskläger hat danach auch Jahre nach der letzten Tat keine therapeutische Hilfe in Anspruch genommen und bekundet, inzwischen „ein normales Leben“ zu führen, in dem er an die Taten nur noch manchmal denke.

10b) Ein Interesse an der beantragten Feststellung, dass der Anspruch des Adhäsionsklägers „auf unerlaubter Handlung beruht“, ist ebenfalls nicht dargetan. Soweit der Feststellungsantrag auf die Rechtsfolgen der § 850f Abs. 2 ZPO, § 302 Nr. 1 InsO gerichtet sein sollte, ist dieses Ziel nur durch die Feststellung des Beruhens des Anspruchs auf einer „vorsätzlich begangenen“ unerlaubten Handlung zu erreichen. Dies hat der Adhäsionskläger jedoch nicht beantragt. Im Übrigen fehlt es an jeglicher Begründung des Feststellungsausspruchs im Urteil.

11c) Der Adhäsionsausspruch ist daher insoweit aufzuheben. Danach ist auszusprechen, dass von einer Entscheidung abzusehen ist (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO). Eine Zurückverweisung der Sache zur teilweisen Erneuerung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht (vgl. , Rn. 12 mwN).

125. Der geringe Teilerfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels, den besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens und den notwendigen Auslagen des Adhäsions- und Nebenklägers zu belasten.

Menges                         Meyberg                         Grube

              Schmidt                             Lutz

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:030625B2STR353.24.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-95872