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BGH Beschluss v. - 6 StR 572/24

Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 52 StGB, § 240 Abs 1 StGB, § 241 Abs 2 StGB

Instanzenzug: LG Stade Az: 201 KLs 1/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes, Körperverletzung, „Bedrohung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen“ sowie Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Bedrohung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall II.3 der Urteilsgründe; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Strafkammer hat – soweit hier von Belang – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3Vom Fenster ihrer Wohnung aus beobachteten die Geschädigten S.           und P.                  , wie der Angeklagte auf seine Verlobte einschlug. Sie begaben sich auf die Straße, um den Angeklagten zur Rede zu stellen. Nachdem P.                   den Angeklagten angesprochen hatte, forderte dieser beide unter Vorhalt eines Messers auf, wieder in die Wohnung zu gehen, weil er sie ansonsten „abstechen“ werde. Beide gingen daraufhin in ihre Wohnung zurück. Dem ebenfalls auf das Geschehen aufmerksam gewordenen weiteren Geschädigten Sc.            drohte der Angeklagte mit dem Messer in der Hand, dass er ihn „absteche“.

4Die Strafkammer hat das Geschehen als Bedrohung mit einem Verbrechen (§ 241 Abs. 2 StGB) in drei tateinheitlichen Fällen gewertet.

52. Diese rechtliche Würdigung schöpft den Unrechtsgehalt der Tat nicht vollständig aus. Der Angeklagte verwirklichte neben der zum Nachteil des Geschädigten Sc.             begangenen Bedrohung hinsichtlich der Geschädigten S.              und P.                  den Tatbestand der Nötigung nach § 240 Abs. 1 und 2 StGB, indem er in verwerflicher Weise unter Einsatz eines Zwangsmittels auf die Willensbildung der beiden Geschädigten einwirkte. Der Angeklagte ist daher der Nötigung (in zwei tateinheitlichen Fällen) in Tateinheit mit Bedrohung zum Nachteil des Geschädigten Sc.             schuldig.

6Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

7Von einer weiteren Verböserung des Schuldspruchs, der die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht entgegenstünde (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 44/23; vom – 2 StR 24/24), sieht der Senat ab und lässt offen, ob für Fälle der Bedrohung mit einem Verbrechen in der durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom (BGBl. I 2021, S. 441 i.V.m. S. 442) geänderten Fassung des § 241 StGB an der Rechtsauffassung festzuhalten ist, dass die Bedrohung im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter die (versuchte) Nötigung zurücktritt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 161/22; vom ‒ 3 StR 422/23, Rn. 8; siehe auch BGH, Beschlüsse vom ‒ 1 StR 95/02, Rn. 3; vom ‒ 2 StR 130/19, Rn. 4), oder ob ‒ wozu er mit dem 1., 4. und 5. Strafsenat neigt ‒ aus Gründen der Klarstellung Tateinheit anzunehmen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 152/24; vom ‒ 4 StR 220/22, Rn. 6; vom ‒ 5 StR 400/23, Rn. 5 ff.). Auch bei einem Zusammentreffen von vollendeter Nötigung und Bedrohung sprechen der Schutz unterschiedlicher Rechtsgüter, nämlich der Freiheit der Willensentschließung und -betätigung bei § 240 StGB einerseits (vgl. BVerfGE 73, 206, 237) und des subjektiven Rechtsfriedens des Einzelnen bei § 241 StGB andererseits (vgl. BVerfG, NJW 1995, 2776, 2777) sowie die geänderte Strafdrohung für die Annahme von Tateinheit.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:121124B6STR572.24.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-95839