Berufsrecht | Rückforderung von Vorschüssen trotz Vergütungsfestsetzung möglich (BRAK)
Ein Rechtsschutzversicherer ist
nicht durch einen rechtskräftigen Vergütungsfestsetzungsbeschluss nach § 11 RVG
gebunden, wenn der Rechtsanwalt den Antrag auf Festsetzung erst nach Kenntnis
des Forderungsübergangs gestellt hat. Demnach kann die Versicherung auch danach
noch die Rückzahlung eines zu Unrecht geleisteten Vorschusses verlangen (). Hierüber informiert die
BRAK.
Sachverhalt: Ein Rechtsschutzversicherer zahlte einer Anwaltskanzlei einen Vorschuss auf eine erwartete Terminsgebühr. Zu einem Verhandlungstermin kam es jedoch nicht, weil das Berufungsgericht die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückwies. Der Versicherer forderte daraufhin die Rückzahlung der bevorschussten Terminsgebühr. Die Kanzlei beantragte dennoch die gerichtliche Festsetzung ihrer Vergütung nach § 11 RVG inklusive Terminsgebühr. Sie begründete dies unter anderem mit einem Telefonat, das die sachbearbeitende Anwältin mit dem gegnerischen Rechtsanwalt geführt habe, bei dem ein möglicher Vergleich thematisiert worden sei. Das zuständige LG setzte die Vergütung entsprechend fest. An diesem Verfahren war der Rechtsschutzversicherer nicht beteiligt. Während das Amtsgericht der Rückforderungsklage des Versicherers stattgab, wies das LG Köln diese ab. Zur Begründung verwies es auf die Rechtskraft des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses gem. § 11 RVG, die eine Bindungswirkung auch für den Versicherer entfalte.
Laut der BRAK hob der BGH das Urteil des LG nun auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück:
Die Kanzlei kann sich nicht auf den Festsetzungsbeschluss berufen, um den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch abzuwehren.
Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet einen Vorschuss insoweit zurückzuzahlen, als dieser die tatsächlich angefallene Vergütung übersteigt. Im Fall eines rechtsschutzversicherten Mandats geht der Rückforderungsanspruch des Mandanten auf den Rechtsschutzversicherer über (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG, die die Anwaltsgesellschaft gegen den ursprünglichen Mandanten erwirkt hat, keine Bindungswirkung gegenüber dem Rechtsschutzversicherer entfalten. Rechtskräftige Entscheidungen wirken grundsätzlich nur zwischen den am Verfahren beteiligten Parteien. Der Versicherer ist an dem Verfahren auf Festsetzung der Vergütung nicht beteiligt gewesen.
Auch eine Rechtskrafterstreckung nach § 325 Abs. 1 ZPO scheidet aus. Darin steht: „Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien […] die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind […].“ Etwaige Ansprüche des Versicherungsnehmers sind hier aber bereits mit der Zahlung des Vorschusses auf die Klägerin übergegangen. Der Anspruchsübergang erfolgte somit vor der Rechtshängigkeit des Verfahrens auf Festsetzung der Vergütung nach § 11 RVG.
Eine Erstreckung der Rechtskraftwirkung kommt auch nicht nach §§ 407 Abs. 2, 412 BGB in Betracht. Diese Vorschriften besagen (zusammengefasst): „Ist in einem nach [gesetzlichem Forderungsübergang] anhängig gewordenen Rechtsstreit ein rechtskräftiges Urteil über die Forderung ergangen, so muss der neue Gläubiger das Urteil gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner [den Forderungsübergang] bei dem Eintritt der Rechtshängigkeit gekannt hat.“ Im vorliegenden Fall hat die Anwaltsgesellschaft jedoch gewusst, dass etwaige Rückzahlungsansprüche auf den Versicherer übergegangen waren, da dieser zuvor bereits die Rückforderung geltend gemacht hatte.
Auch eine analoge Anwendung des § 407 Abs. 2 BGB ist abzulehnen. Der Zweck dieser Regelung liegt darin, den Schuldner vor nachteiligen Folgen eines für ihn nicht erkennbaren Gläubigerwechsels zu schützen. Eine Erweiterung dieses Schutzes auf Fälle, in denen der Schuldner – hier die Anwaltsgesellschaft – den Forderungsübergang kannte, ist mit dem gesetzgeberischen Konzept unvereinbar. Es ist bewusst nur der gutgläubige Schuldner geschützt worden. Eine planwidrige Regelungslücke, die eine Analogie rechtfertigen könnte, ist daher nicht erkennbar.
Selbst wenn der Anwaltsgesellschaft das Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG gegenüber dem Rechtsschutzversicherer nicht zur Verfügung stehen sollte, kann dies nicht zu einer fiktiven Gutgläubigkeit führen. Vielmehr müsste sich der Rechtsanwalt in solchen Fällen mit dem neuen Gläubiger – hier dem Versicherer – auseinandersetzen. Er müsste hier entweder warten, ob der Rechtsschutzversicherer die behaupteten Ansprüche geltend macht. Alternativ könnte er gegen den Rechtsschutzversicherer eine negative Feststellungsklage erheben.
Das LG Köln muss nun die entscheidenden Fragen zur Rückforderung des Vorschusses nach den Maßgaben des BGH klären.
Quelle: BRAK online, Meldung v. (lb)
Fundstelle(n):
KAAAJ-95744