Eingeschränkte Überprüfbarkeit eines pflichtwidrig erst
im Klageverfahren eingeholten Beschlusses eines Gutachterausschusses für
Grundstückswerte über Vergleichswerte
Leitsatz
Es widerspräche dem Ziel der Vorschrift des § 68 Satz 1 FGO, ein erneutes Verfahren zu verhindern, wenn ein Kläger in Fällen,
in denen das Finanzamt zwecks Korrektur eines Bescheids diesen zunächst aufhebt und im Anschluss daran einen neuen Bescheid
in derselben Streitsache erlässt, anstatt den rechtswidrigen Bescheid ohne vorherige Aufhebung unmittelbar zu ändern, der
Kläger ein neues Verfahren gegen den neuen Bescheid anstreben müsste.
Hebt ein Finanzamt einen angefochtenen Feststellungsbescheid in der Absicht auf, zu einem späteren Zeitpunkt einen verbösernden
Neubescheid zu erlassen, liegt kein Fall einer Klageabhilfe nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO vor.
Ein Finanzamt darf einen pflichtwidrig erst im Klageverfahren von ihm eingeholten Beschluss eines Gutachterausschusses für
Grundstückswerte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zur Grundlage einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nehmen.
Bei der Bewertung im Vergleichswertverfahren nach § 182 Abs. 2 Nr. 1 BewG hat der Gesetzgeber die Ermittlung von Vergleichspreisen
und -faktoren explizit den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte aufgegeben, da diesen auf Grund ihrer besonderen Sach-
und Fachkenntnis und ihrer größeren Ortsnähe sowie der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen
Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz bei der Feststellung von Vergleichspreisen und -faktoren zukommt. Eine fachliche
Überprüfung durch - mit geringerer Sachkunde ausgestattete - Gerichte würde dem widersprechen. Die gerichtliche Überprüfung
von Mitteilungen der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte ist auf offensichtliche Unrichtigkeiten beschränkt.
Die Einholung einer Mitteilung der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte von Vergleichspreisen steht nicht im Ermessen
der Finanzämter. Dies folgt bereits aus den Wortlauten von § 182 Abs. 2 BewG und § 183 Abs. 1 S. 2 BewG, wonach Wohnungseigentum
grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten ist, wobei Grundlage vorrangig die von den Gutachterausschüssen im Sinne
des § 192 ff. BauGB mitgeteilten Vergleichspreise sind.
Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung der Mitteilung der
Gutachterausschüsse für Grundstückswerte auf offensichtliche Unrichtigkeiten.
Die Regelung des § 198 Satz 1 BewG, mit der dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben wird, ggf. einen niedrigeren gemeinen
Wert des übertragenen Grundbesitzes nachzuweisen, ist hinsichtlich der dadurch dem Steuerpflichtigen auferlegten Nachweislast
verfassungsgemäß.
Die nach § 183 Abs. 1 S. 2 BewG erforderliche Berücksichtigung der Mitteilung von Vergleichspreisen durch die Gutachterausschüsse
für Grundstückswerte, auch insoweit als diese erst im finanzgerichtlichen Verfahren eingeholt wird, verstößt nicht gegen das
durch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebotene Bestimmtheitsgebot.
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Niedersächsisches Finanzgericht
, Urteil v. 29.10.2024 - 1 K 110/18