Erfolglose Rechtssatzverfassungsbeschwerde zweier pharmazeutischer Unternehmer (Arzneimittelhersteller bzw -importeur) gegen Preisregulierungsmaßnahmen, die duch das GKV-Stabilisierungsgesetz eingeführt oder geändert worden waren - Herstellerabschlag gem § 130a Abs 1, 1b SGB V (RIS: SGB 5) verletzt weder Berufsfreiheit noch Gleichheitssatz - zudem keine Grundrechtsverletzung durch Verlängerung des Preismoratoriums gem § 130a Abs 3a SGB 5
Leitsatz
1. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gilt bei Kostendämpfungsmaßnahmen mit dem Ziel, die finanzielle Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern, wegen der Komplexität des Systems in der Regel eine zurückgenommene Kontrolle in Form der Evidenz- oder Plausibilitätskontrolle.
2. Bei finanzwirksamen Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit zum Zwecke der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist bei der Angemessenheitsprüfung insbesondere zu berücksichtigen, dass das System der gesetzlichen Krankenversicherung in weiten Teilen nicht durch Marktkräfte gesteuert wird und den Gesetzgeber eine besondere Verantwortung für die Kostenstabilität der gesetzlichen Krankenversicherung trifft. Die Leistungserbringer unterliegen in besonderem Maße den Einwirkungen sozialstaatlicher Gesetzgebung. Gegenüber Eingriffen, die der Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung dienen, besteht nur ein verminderter Vertrauensschutz. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber diejenigen belastet, die aus seiner Sicht für die Kostensteigerungen besonders verantwortlich sind.
Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 1 Nr 2c GKVFinStabG, Art 1 Nr 11a GKVFinStabG, Art 1 Nr 11c GKVFinStabG, Art 1 Nr 12d DBuchst aa GKVFinStabG, Art 1 Nr 13 GKVFinStabG, Art 1 Nr 13 GKVFinStabG, § 35a Abs 3 S 1 SGB 5 vom , § 35a Abs 3 S 4 SGB 5 vom , § 130a Abs 1b SGB 5 vom , § 130a Abs 3a S 1 SGB 5 vom , § 130b Abs 3a S 2 SGB 5 vom , § 130b Abs 3a S 3 SGB 5 vom , § 130b Abs 3a S 4 SGB 5 vom , § 130b Abs 3a S 5 SGB 5 vom , § 130b Abs 3a S 6 SGB 5 vom , § 130b Abs 3a S 7 SGB 5 vom , § 130b Abs 3a S 8 SGB 5 vom , § 130b Abs 3a S 9 SGB 5 vom , § 130e SGB 5 vom
Instanzenzug: Az: 1 BvR 1507/23 Ablehnung einstweilige Anordnung
Gründe
A.
1Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführerinnen als pharmazeutische Unternehmer im Sinne von § 4 Abs. 18 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) richten sich gegen verschiedene durch das Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) vom (BGBl I S. 1990) in das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) eingefügte und zum Teil durch das Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz - ALBVVG) vom (BGBl 2023 I Nr. 197) geänderte Bestimmungen. Dabei wenden sich beide Beschwerdeführerinnen gegen § 130a Abs. 1b SGB V (Herstellerabschlag in Höhe von 12 % für ein Jahr), § 130a Abs. 3a SGB V (Verlängerung des Preismoratoriums) und § 130e SGB V (Kombinationsabschlag). Die Beschwerdeführerin zu II. wendet sich darüber hinaus gegen § 130b Abs. 3 Satz 1 bis 6 SGB V (Leitplanken). Die Beschwerdeführerin zu I. richtet sich zudem gegen § 130b Abs. 3a Satz 2 bis 9 (teilweise in Verbindung mit Abs. 4 Satz 3) SGB V (Geltung des Erstattungsbetrags ab dem siebten Monat nach Markteintritt).
I.
2Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat der Gesetzgeber ein Bündel von unterschiedlichen Maßnahmen zur Sicherung der finanziellen Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite ergriffen. Als Anlass nennt die Begründung des Gesetzentwurfs eine immer weiter wachsende Lücke zwischen den Einnahmen und den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, die auf unterschiedlichen Gründen beruhe und der nur durch zusätzliche Maßnahmen begegnet werden könne. Durch die Maßnahmen werde ein Anstieg des Zusatzbeitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt (vgl. BTDrucks 20/3448, S. 2). Aus dem Maßnahmenbündel des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes greifen die Verfassungsbeschwerden diejenigen Maßnahmen auf der Ausgabenseite an, die die pharmazeutischen Unternehmer nach ihrer Ansicht besonders belasten.
31. Durch dasGKV-Finanzstabilisierungsgesetzwurde in § 130a SGB V ein Absatz 1b eingefügt, wonach die Krankenkassen abweichend von § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel vom bis zum einen Abschlag in Höhe von 12 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer erhalten. § 130a Absätze 1 und 1b SGB V in der Fassung vom lauten:
(1) 1Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 7 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. 2Für Arzneimittel nach Absatz 3b Satz 1 beträgt der Abschlag nach Satz 1 6 vom Hundert. 3Pharmazeutische Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten. 4Soweit pharmazeutische Großhändler nach Absatz 5 bestimmt sind, sind pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, den Abschlag den pharmazeutischen Großhändlern zu erstatten. 5Der Abschlag ist den Apotheken und pharmazeutischen Großhändlern innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten. 6Satz 1 gilt für Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz oder aufgrund des § 129 Absatz 3 Satz 3 oder Absatz 5a bestimmt sind, sowie für Arzneimittel, die nach § 129a abgegeben werden. 7Die Krankenkassen erhalten den Abschlag nach Satz 1 für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen, für Fertigarzneimittel, aus denen Teilmengen entnommen und abgegeben werden, sowie für Arzneimittel, die nach § 129a abgegeben werden, auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, der bei Abgabe an Verbraucher auf Grund von Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz oder nach § 129 Absatz 3 Satz 3 gilt. 8Wird nur eine Teilmenge des Fertigarzneimittels abgerechnet, wird der Abschlag nur für diese Mengeneinheiten erhoben.
(1b) 1Abweichend von Absatz 1 Satz 1 erhalten die Krankenkassen von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel vom bis zum einen Abschlag in Höhe von 12 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. 2Ist der Abschlag nach Absatz 1 Satz 1 in einer Erstattungsbetragsvereinbarung nach § 130b abgelöst worden, erhalten die Krankenkassen von Apotheken einen Abschlag in Höhe von 5 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. 3Die Abschläge nach den Sätzen 1 und 2 können durch eine ab dem abgeschlossene Erstattungsbetragsvereinbarung nach § 130b abgelöst werden, sofern dies ausdrücklich vereinbart ist.
42. Gleichzeitig wurde ein bereits geltendes Preismoratorium bis zum verlängert (§ 130a Abs. 3a SGB V). Erhöht sich der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers gegenüber dem Preisstand am , erhalten die Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel - nunmehr bis zum - einen Abschlag in Höhe des Betrags der Preiserhöhung; dies gilt nicht für Arzneimittel, für die ein Festbetrag auf Grundlage des § 35 SGB V festgesetzt ist. § 130a Abs. 3a SGB V in der Fassung vom lautet auszugsweise:
(3a) 1Erhöht sich der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer gegenüber dem Preisstand am , erhalten die Krankenkassen für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel ab dem bis zum einen Abschlag in Höhe des Betrages der Preiserhöhung; dies gilt nicht für Arzneimittel, für die ein Festbetrag auf Grund des § 35 festgesetzt ist. 2Zur Berechnung des Abschlags nach Satz 1 ist der Preisstand vom erstmalig am und jeweils am 1. Juli der Folgejahre um den Betrag anzuheben, der sich aus der Veränderung des vom Statistischen Bundesamt festgelegten Verbraucherpreisindex für Deutschland im Vergleich zum Vorjahr ergibt. 3Für Arzneimittel, die nach dem in den Markt eingeführt werden, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Preisstand der Markteinführung Anwendung findet. 4Bei Neueinführungen eines Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bereits ein Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht hat, ist der Abschlag auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kommt; dies gilt nicht für die Neueinführung eines Immunglobulins menschlicher Herkunft, für das nach dem eine Zulassung nach § 25 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes oder eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt wurde, mit Ausnahme der Zulassung von anderen Stärken oder Ausbietungen. 5Satz 4 gilt entsprechend bei Änderungen zu den Angaben des pharmazeutischen Unternehmers oder zum Mitvertrieb durch einen anderen pharmazeutischen Unternehmer. 6Für importierte Arzneimittel, die nach § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 abgegeben werden, gilt abweichend von Satz 1 ein Abrechnungsbetrag von höchstens dem Betrag, welcher entsprechend den Vorgaben des § 129 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 niedriger ist als der Arzneimittelabgabepreis des Bezugsarzneimittels einschließlich Mehrwertsteuer, unter Berücksichtigung von Abschlägen für das Bezugsarzneimittel aufgrund dieser Vorschrift. 7Abschläge nach den Absätzen 1, 1a, 1b und 3b werden zusätzlich zu dem Abschlag nach den Sätzen 1 bis 5 erhoben. […]
5Darüber hinaus wurden die bestehenden am Zusatznutzen und dem Patentstatus der zweckmäßigen Vergleichstherapie orientierten Vorgaben für die Vereinbarung von Erstattungsbeträgen nach § 130b SGB V geändert und zu Lasten der pharmazeutischen Unternehmer verschärft. Die Grundgedanken dabei sind vereinfacht dargestellt: Besitzt ein neues patentgeschütztes Arzneimittel einen vergleichbaren Nutzen wie eine bestehende Vergleichstherapie, so darf der Erstattungsbetrag maximal zu 90 % der Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie führen. Besitzt ein neues patentgeschütztes Arzneimittel einen Zusatznutzen, führt dies nicht notwendig zu einem höheren Erstattungsbetrag als demjenigen der Vergleichstherapie. Ist das Arzneimittel der Vergleichstherapie als Generikum zu qualifizieren oder unterliegt es einem Festbetrag, sind die Vorgaben geringer. § 130b Abs. 3 SGB V in der Fassung vom lautet auszugsweise wie folgt:
(3) 1Der Erstattungsbetrag ist auf Grundlage des im Beschluss über die Nutzenbewertung nach § 35a Absatz 3 festgestellten Ausmaßes des Zusatznutzens und dessen Wahrscheinlichkeit nach Absatz 1 zu vereinbaren oder nach Absatz 4 festzusetzen. 2Ist für ein Arzneimittel, das nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 35a Absatz 3 Satz 1 keinen Zusatznutzen hat und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann, als zweckmäßige Vergleichstherapie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ein Arzneimittel mit einem Wirkstoff bestimmt, für den Patentschutz oder Unterlagenschutz besteht, ist ein Erstattungsbetrag zu vereinbaren, der zu Jahrestherapiekosten führt, die mindestens 10 Prozent unterhalb derjenigen der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegen. 3Ist für ein Arzneimittel, das nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 35a Absatz 3 Satz 1 keinen Zusatznutzen hat und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann, als zweckmäßige Vergleichstherapie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ein Arzneimittel mit einem Wirkstoff bestimmt, zu dem Patentschutz und Unterlagenschutz weggefallen sind, soll ein Erstattungsbetrag vereinbart werden, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die zweckmäßige Vergleichstherapie. 4Für ein Arzneimittel, für das ein Zusatznutzen nach § 35a Absatz 1 Satz 5 als nicht belegt gilt, ist ein Erstattungsbetrag zu vereinbaren, der zu in angemessenem Umfang geringeren Jahrestherapiekosten führt als die durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie; Satz 2 gilt entsprechend. 5Ist für ein Arzneimittel, das nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 35a Absatz 3 Satz 1 einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen oder einen geringen Zusatznutzen hat, als zweckmäßige Vergleichstherapie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ein Arzneimittel mit einem Wirkstoff bestimmt, für den Patentschutz oder Unterlagenschutz besteht, ist ein Erstattungsbetrag zu vereinbaren, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die zweckmäßige Vergleichstherapie. 6Sind durch den Gemeinsamen Bundesausschuss mehrere Alternativen für die zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt, ist für die Anwendung der Sätze 2 bis 5 auf die zweckmäßige Vergleichstherapie abzustellen, die nach den Jahrestherapiekosten die wirtschaftlichste Alternative darstellt. 7Hat der Gemeinsame Bundesausschuss ein Arzneimittel mit einem patentgeschützten Wirkstoff, der nicht der Nutzenbewertung nach § 35a unterfällt, als zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt, oder findet ein solches Arzneimittel gemäß Absatz 9 Satz 3 als vergleichbares Arzneimittel Berücksichtigung, ist auf die zum Vergleich heranzuziehenden Jahrestherapiekosten des Arzneimittels ein Abschlag in Höhe von 15 Prozent in Ansatz zu bringen. […]
63. Nach § 130b Abs. 3a Sätze 1 und 2 SGB V gilt der nach § 130b Abs. 1 SGB V vereinbarte Erstattungsbetrag für alle Arzneimittel mit dem gleichen neuen Wirkstoff, die ab dem in Verkehr gebracht worden sind, ab dem siebten Monat (bis zum Inkrafttreten des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes: ab dem dreizehnten Monat) nach dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Arzneimittels mit dem neuen Wirkstoff. § 130b Abs. 3a Sätze 3 bis 8 SGB V übernehmen den Geltungsbeginn ab dem siebten Monat auch für andere Fälle (insbesondere bei neuem Anwendungsgebiet, Überschreitung der Umsatzschwelle bei seltenen Leiden, nach § 35a Abs. 5 SGB V eingeleiteter Nutzenbewertung). § 130b Abs. 3a SGB V in der Fassung vom lautet:
(3a) 1Der nach Absatz 1 vereinbarte Erstattungsbetrag gilt einschließlich der Vereinbarungen für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten nach Absatz 2 für alle Arzneimittel mit dem gleichen neuen Wirkstoff, die ab dem in Verkehr gebracht worden sind. 2Er gilt ab dem siebten Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Arzneimittels mit dem Wirkstoff. 3Wird aufgrund einer Nutzenbewertung nach Zulassung eines neuen Anwendungsgebiets ein neuer Erstattungsbetrag vereinbart, gilt dieser ab dem siebten Monat nach Zulassung des neuen Anwendungsgebiets. 4Wird aufgrund einer nach § 35a Absatz 1 Satz 12 eingeleiteten Nutzenbewertung ein neuer Erstattungsbetrag vereinbart, gilt dieser ab dem siebten Monat nach Überschreitung der Umsatzschwelle. 5Wird aufgrund einer nach § 35a Absatz 5 eingeleiteten Nutzenbewertung ein neuer Erstattungsbetrag vereinbart, gilt dieser ab dem siebten Monat nach Anforderung der Nachweise durch den Gemeinsamen Bundesausschuss gemäß § 35a Absatz 5 Satz 3. 6In anderen Fällen, in denen aufgrund einer Nutzenbewertung nach § 35a ein Erstattungsbetrag vereinbart wird, gilt dieser ab dem siebten Monat nach dem die jeweilige Nutzenbewertung auslösenden Ereignis. 7In den Fällen, in denen die Geltung des für ein anderes Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff vereinbarten Erstattungsbetrags im Hinblick auf die Versorgung nicht sachgerecht wäre oder eine unbillige Härte darstellen würde, vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit dem pharmazeutischen Unternehmer abweichend von Satz 1 insbesondere einen eigenen Erstattungsbetrag. 8Dieser Erstattungsbetrag gilt ab dem siebten Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Arzneimittels mit dem Wirkstoff. 9In den Fällen des Satzes 2, 3, 4, 5, 6 oder des Satzes 8 ist die Differenz zwischen Erstattungsbetrag und dem bis zu dessen Vereinbarung tatsächlich gezahlten Abgabepreis auszugleichen. 10Das Nähere, insbesondere zur Abgrenzung der Fälle nach Satz 4, ist in der Vereinbarung nach Absatz 9 zu regeln.
7Eine entsprechende Regelung für den mittels eines Schiedsspruchs nach § 130b Abs. 4 Satz 1 SGB V festgelegten Erstattungsbetrag sieht § 130b Abs. 4 Satz 3 SGB V vor. Danach gilt der im Schiedsspruch festgelegte Erstattungsbetrag ab dem siebten Monat nach dem in Absatz 3a Sätzen 2 bis 6 oder 8 jeweils genannten Ereignis.
84. Ebenfalls mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurde § 130e SGB V neu eingeführt. Nach § 130e Abs. 1 SGB V erhalten die Krankenkassen vom pharmazeutischen Unternehmer einen Abschlag in Höhe von 20 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers, wenn Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen in einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 35a Abs. 3 Satz 4 SGB V benannten Kombination eingesetzt werden, es sei denn, der Gemeinsame Bundesausschuss hat festgestellt, dass die Arzneimittelkombination einen mindestens beträchtlichen Zusatznutzen erwarten lässt. Mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz wurden die Regelungen zum Kombinationsabschlag geändert. Insbesondere erhielt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Auftrag, das Nähere zur Umsetzung des Kombinationsabschlags im Einvernehmen mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen bis zum zu regeln. § 130e SGB V in der Fassung vom lautet:
(1) 1Für alle Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, die in einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss zuvor nach § 35a Absatz 3 Satz 4 benannten Kombination eingesetzt und ab dem zu Lasten der Krankenkassen abgegeben werden, erhalten die Krankenkassen vom jeweiligen pharmazeutischen Unternehmer einen Abschlag in Höhe von 20 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. 2Der Abschlag entfällt mit Wirkung für die Zukunft, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 35a Absatz 3 Satz 1 einen mindestens beträchtlichen Zusatznutzen der Kombinationen von Arzneimitteln festgestellt hat oder nach § 35a Absatz 1d Satz 1 festgestellt hat, dass die Kombination von Arzneimitteln einen mindestens beträchtlichen Zusatznutzen erwarten lässt.
(2) 1Zur Geltendmachung des Abschlags dürfen die Krankenkassen die ihnen vorliegenden Abrechnungsdaten versichertenbezogen verarbeiten. 2Das Nähere zur Umsetzung des Abschlags, insbesondere zur Feststellung und Abgrenzung abschlagspflichtiger Kombinationseinsätze in den in Satz 1 genannten Daten sowie zu Art und Umfang der für die Abrechnung des Abschlags notwendigen Nachweise und der Datenübermittlung, regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Einvernehmen mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene bis zum . 3Kommen die Regelungen nach Satz 2 bis zum nicht oder nicht vollständig zustande, setzt das Bundesministerium für Gesundheit den Inhalt der Regelungen fest. 4Eine Klage gegen die Festsetzung nach Satz 2 hat keine aufschiebende Wirkung.
(3) 1Die Krankenkassen oder ihre Verbände können mit pharmazeutischen Unternehmern unter Beachtung der Regelungen nach Absatz 2 Satz 2 oder Satz 3 ergänzende Vereinbarungen zur Umsetzung des Abschlags treffen. 2Die in § 130b Absatz 5 Satz 1 genannten Verbände können eine Mustervereinbarung für Vereinbarungen nach Satz 1 vereinbaren.
II.
91. Die Beschwerdeführerinnen sind pharmazeutische Unternehmer im Sinne des § 4 Abs. 18 AMG. Die Beschwerdeführerin zu II. stellt Arzneimittel her, die der Zulassungspflicht unterliegen, und hat die entsprechenden Zulassungen inne (§ 4 Abs. 18 Satz 1 AMG). Die Beschwerdeführerin zu I. importiert der Zulassungspflicht unterliegende Arzneimittel und vertreibt sie in Deutschland (§ 4 Abs. 18 Satz 2 AMG).
102. Die Beschwerdeführerin zu II. rügt eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG durch den Herstellerabschlag und durch die Verlängerung des Preismoratoriums, von Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG durch die Leitplanken und von Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und 3 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG durch den Kombinationsabschlag.
11a) Durch die Erhöhung des Herstellerabschlags und die Verlängerung des Preismoratoriums werde der Abgabepreis eines pharmazeutischen Unternehmers gesetzlich reduziert, was einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit darstelle. Mit dieser Regelung werde bereits kein legitimer Gemeinwohlbelang verfolgt. Ein Zurechnungszusammenhang eines Finanzierungsdefizits des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung mit einer Steigerung der Kosten im Bereich der Arzneimittelversorgung bestehe nicht, vielmehr liege die Ausgabenentwicklung für den Leistungsbereich der Arzneimittel seit 2013 auf konstantem Niveau. Die Beschwerdeführerin treffe keine generelle Finanzierungsverantwortung für die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung hinsichtlich allgemeiner volkswirtschaftlicher oder demografischer Entwicklungen. Die Regelungen seien zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung auch ungeeignet, da die vom Gesetzgeber angeführten Gefährdungslagen ihren Ursprung nicht in der Kosten- und Preisentwicklung bei der Arzneimittelversorgung hätten. Sie seien auch nicht erforderlich, denn der Gesetzgeber dürfe nicht einzelne Gruppen zur Kompensation negativer wirtschaftlicher Effekte heranziehen, die durch andere Gruppen verursacht worden seien. Schließlich sei der Eingriff unangemessen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass pauschale Abschlagsregelungen besonders stark in die Berufsausübungsfreiheit eingriffen, da sie von der Qualität, dem Nutzen und der Preisstellung des betroffenen Arzneimittels völlig unabhängig seien. Zudem seien Preiserhöhungen wegen der Verlängerung des Preismoratoriums ausgeschlossen, weshalb aus dem als kurzfristige Maßnahme deklarierten Instrument des Herstellerabschlags eine Dauermaßnahme geworden sei, die anstelle struktureller Reformen aufrechterhalten werde. Die seit dem Jahr 2018 bestehenden Möglichkeiten zum Inflationsausgleich könnten die gestiegenen Produkt-, Logistik- und Herstellungskosten nicht ansatzweise ausgleichen.
12b) Durch die Leitplanken würden feste Vorgaben für die Vereinbarung und Festsetzung von Erstattungsbeträgen von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen statuiert, von denen nicht abgewichen werden könne, weshalb es sich um eine Preisreglementierung handele, die in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit eingreife. Dieser Eingriff sei ungerechtfertigt. Er könne sich nicht auf einen legitimen Gemeinwohlbelang stützen. Ein solcher könne nicht durch den Verweis auf weitere Einsparungen konstruiert werden, denn die bloße Mittelbeschaffung könne kein legitimer Zweck sein. Der Gesetzgeber überschreite seinen Gestaltungsspielraum, indem er das mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz geschaffene konsensuale Konzept zur Nutzenbewertung und Vergütung innovativer Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen missachte. Die am Nutzen orientierte Festlegung eines Erstattungsbetrages könne nicht durch eine nachgelagerte Bepreisung nach pauschalen Vorgaben überlagert werden. Im Übrigen seien die Regelungen auch unzumutbar, da diese zu einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes führten. Die Leitplanken verletzten das Recht auf chancengleiche Teilnahme am Wettbewerb. Durch das Verbot eines Preisaufschlags würden Arzneimittel mit geringem oder nicht quantifizierbarem Zusatznutzen gegenüber einer insoweit unterlegenen zweckmäßigen Vergleichstherapie gleichbehandelt. Durch den pauschalen Preisabschlag auf die Jahrestherapiekosten würden Arzneimittel ohne Zusatznutzen gegenüber der insoweit gleichwertigen zweckmäßigen Vergleichstherapie dagegen ungleich behandelt.
13c) aa) Der zusätzliche Abschlag von 20 %, dem die betroffenen Arzneimittel unterlägen, sei ebenfalls eine Preisreglementierung, die in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin eingreife. Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss als "bestimmte" Kombinationen benannten Arzneimittel seien ihrerseits bereits Gegenstand des durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz eingeführten Verfahrens der Preisregulierung innovativer Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen in Deutschland. Die additiven Kosten des Kombinationspartners einer bestimmten Arzneimittelkombination würden im Erstattungsbetrag des zu bewertenden Arzneimittels, das nach seiner Zulassung in Kombination mit dem Kombinationspartner eingesetzt werden könne, bereits regelhaft berücksichtigt.
14bb) Der Kombinationsabschlag verstoße sowohl gegen den Wesentlichkeits- und Bestimmtheitsgrundsatz als auch gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes. Die maßgeblichen Kriterien zur Bestimmung der vom Kombinationsabschlag erfassten Arzneimittel würden vom Gesetz nicht hinreichend geregelt.
15d) Die angegriffenen Regelungen erwiesen sich auch im Hinblick auf ihre additive Belastungswirkung für die Beschwerdeführerin als unverhältnismäßig.
163. Die Beschwerdeführerin zu I. rügt eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG durch den Herstellerabschlag, die Verlängerung des Preismoratoriums und die Geltung des Erstattungsbetrags ab dem siebten Monat nach Markteintritt sowie eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG durch den Kombinationsabschlag.
17a) aa) Die Einbeziehung der Arzneimittelimporteure in die Verpflichtung zur Gewährung des Herstellerabschlags für patentgeschützte Arzneimittel und die Verlängerung des Preismoratoriums stellten eine staatliche Beeinträchtigung dar, die sich auf deren freie wirtschaftliche Betätigung beziehe. Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei ungerechtfertigt. Mit dem Rückzug auf die lediglich formelhafte Begründung der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung werde bereits kein legitimer Gemeinwohlbelang verfolgt und gegen das aufgrund des weiten Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers zu beachtende Prozeduralisierungsgebot verstoßen. Anders als der Gesetzgeber behaupte, seien die Arzneimittelkosten nicht überproportional an der im Gesundheitswesen entstandenen Kostensteigerung beteiligt. Die Einbeziehung der Arzneimittelimporteure sei zur Erreichung des verfolgten Zwecks nicht geeignet, denn sie führe dazu, dass die bisher in Konkurrenz zu den Originalherstellern angebotenen patentgeschützten Arzneimittel wegen nicht ausreichender Margen nicht mehr als preiswertere Alternative angeboten würden, so dass Einsparpotentiale wegfielen. Die Einbeziehung der Arzneimittelimporteure sei auch nicht erforderlich, da die Regelung des § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V bereits ein Einsparpotential liefere. Im Übrigen sei die Herabsetzung der Mehrwertsteuer von 19 % auf 7 % ein milderes, besser geeignetes Mittel, um das System der gesetzlichen Krankenversicherung nachhaltig zu entlasten. Weiterhin sei die Einbeziehung der Arzneimittelimporteure nicht verhältnismäßig im engeren Sinne, weil im Vergleich zu den Arzneimittelherstellern wesentlich anders gelagerte Fälle vorlägen, die wegen Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht gleichbehandelt werden dürften. Arzneimittelimporteure seien wesentlich härter betroffen als die Arzneimittelhersteller, da sie im Hinblick auf die patentgeschützten Arzneimittel lediglich Preisunterschiede innerhalb der Europäischen Union nutzen könnten. Für die Gruppe der pharmazeutischen Unternehmer insgesamt sei der Eingriff unangemessen. Die Finanzierung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung obliege seit jeher dem Staat und den Beitragszahlern und nicht den einzelnen Leistungserbringern. Sie könne allein auf angemessene und auf Dauer angelegte Maßnahmen gestützt werden. Sich ständig wiederholende belastende Maßnahmen gegenüber einzelnen Leistungserbringern, die selbst keine Finanzierungsverantwortung trügen, seien demgegenüber unverhältnismäßig.
18bb) Der Herstellerabschlag und die Verlängerung des Preismoratoriums verletzten die Beschwerdeführerin zudem in ihrer Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG. Betroffen sei der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb, der nicht mehr so fortgeführt werden könne wie in der Vergangenheit.
19cc) Auch werde die Beschwerdeführerin in ihrem Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Hinsichtlich des Herstellerabschlags liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu Herstellern von Generika vor. Sowohl Generika als auch die von Arzneimittelimporteuren in den Verkehr gebrachten Arzneimittel trügen zur Ausgabenminderung der gesetzlichen Krankenversicherung bei. Trotzdem sei allein für Hersteller von Generika der Abschlag grundsätzlich auf 6 % begrenzt, während Arzneimittelimporteure 12 % abführen müssten. Auch im Vergleich mit Herstellern von Medizinprodukten liege eine Ungleichbehandlung vor. Letztere könnten ihre Produkte teilweise ebenso zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgeben, dennoch habe der Gesetzgeber für sie weder einen Herstellerabschlag noch ein Preismoratorium normiert. Zudem liege hinsichtlich des Herstellerabschlags und des Preismoratoriums eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung mit den originären Arzneimittelherstellern vor, da der Gesetzgeber nicht berücksichtigt habe, dass der Tätigkeit der Arzneimittelimporteure bereits eine kostenbegrenzende Wirkung zukomme.
20b) aa) Die Geltung des Erstattungsbetrags ab dem siebten Monat nach Markteintritt stelle einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG dar. Die besondere Schwere des Eingriffs für die Beschwerdeführerin ergebe sich daraus, dass der nach § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V vereinbarte Erstattungsbetrag auch für pharmazeutische Unternehmer gelte, die nicht am Vertragsschluss mitgewirkt hätten, wie dies bei den Arzneimittelimporteuren der Fall sei. Da die Regelung aufgrund der Unkalkulierbarkeit der Abgabepreise dazu führe, dass bei innovativen Arzneimitteln bis zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrags kein Parallelimport stattfinden werde, fielen die damit verbundenen Einsparungen zu Gunsten der gesetzlichen Krankenversicherung weg, so dass die Regelung zu deren finanzieller Stabilisierung ungeeignet sei. Jedenfalls sei es unangemessen, die Arzneimittelimporteure nicht von der Regelung des früheren Geltungsbeginns des Erstattungsbetrags auszunehmen, obwohl dieser ersichtlich auf die originären Arzneimittelhersteller zugeschnitten sei.
21bb Die Geltung des Erstattungsbetrags ab dem siebten Monat nach Markteintritt verstoße auch gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Es sei unzumutbar, dass Arzneimittelimporteure aufgrund der rückwirkenden Geltung mit Erstattungsbeträgen rechnen müssten, mit denen sie vorher noch nicht hätten kalkulieren können.
22cc) Schließlich liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Obwohl zwischen Arzneimittelherstellern und Arzneimittelimporteuren gravierende Unterschiede bestünden, würden diese gleichbehandelt.
23c) aa)Auch beim Kombinationsabschlag handele es sich um einen ungerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin. Er sei nicht erforderlich, da eine Sanktionierung der verordnenden Ärzte möglich sei. Darüber hinaus würden bei den Erstattungsbetragsverhandlungen bereits Kombinationen berücksichtigt, so dass dem Kombinationsabschlag eine Doppelberücksichtigung zugrunde liege. Im Übrigen fehle es auch an einer hinreichenden Bestimmtheit der Regelung in § 130e SGB V.
24bb) Der Kombinationsabschlag verstoße auch gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Da nicht steuerbar sei, ob ein Arzneimittel letztlich mit dem Kombinationsabschlag belastet würde, sei es nicht möglich, wirtschaftliche Preise zu kalkulieren und vorherzusehen, ob sich ein Import überhaupt rentiere.
25d) Darüber hinaus liege ein additiver Grundrechtseingriff durch die vier Regelungen in ihrer Gesamtheit vor. Alle Maßnahmen träfen denselben Adressatenkreis, wirkten zeitgleich und verfolgten im Wesentlichen denselben Zweck. Es fehle an der Verhältnismäßigkeit des "Maßnahmenbündels", da die Beschwerdeführerin als Arzneimittelimporteurin nicht für die Finanzierung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung verantwortlich sei. Sie erleide erhebliche Nachteile, während die Vorteile der Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung sehr gering seien. Im Vergleich zu anderen Beteiligten im Gesundheitswesen werde sie von den Maßnahmen am härtesten getroffen und könne nicht mehr einschätzen, ob sich ihr Geschäftsmodell zukünftig noch lohne.
III.
26Zu den Verfassungsbeschwerden haben die Bundesregierung, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Gemeinsame Bundesausschuss, das Bundessozialgericht, der Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. und der Pro Generika e. V. Stellung genommen. Außerdem haben der Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V., der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e. V., der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V. mit dem Bundesverband der Arzneimittel-Importeure e. V. gemeinsam und der Bundesverband der Arzneimittel-Importeure e. V. daneben ergänzend Stellung genommen.
271. Die Bundesregierung trägt unter anderem vor, im Leistungsbereich Arzneimittel hätten sich die Markteintrittspreise neuer patentgeschützter Arzneimittel und die damit verbundenen Ausgaben in den letzten Jahren überproportional zu anderen Leistungsbereichen erhöht. Deutschland sei bei patentgeschützten Arzneimitteln ein Hochpreisland. Den spezifischen Belangen der Arzneimittelimporteure habe der Gesetzgeber mit § 129 Abs. 1 Nr. 2 SGB V hinreichend Rechnung getragen. Die Preisregulierungsinstrumente, die für Originalarzneimittel gälten, müssten auch für Arzneimittelimporte Anwendung finden, um einer Marginalisierung des Preisabstands zwischen Original und Parallelimport durch eine effektive Preisreglementierung vorzubeugen und so die Bedeutung der Parallelimporte für die Versorgung der Versicherten zu erhalten.
282. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hält die Verfassungsbeschwerden für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Der Anteil der patentgeschützten Arzneimittel an den gesamten Umsätzen für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung sei zuletzt überproportional gestiegen, und der Arzneimittelbereich habe insgesamt eine höhere Steigerungsrate zu verzeichnen als die übrigen Leistungsbereiche. Eine aktuelle ernsthafte Bedrohung des Geschäftsmodells der pharmazeutischen Industrie in Deutschland sei nicht ansatzweise plausibel, da nach wie vor Rekordumsätze erwirtschaftet würden. Deutschland zähle weiterhin zu den Märkten in der Europäischen Union mit dem frühesten Inverkehrbringen neuer Arzneimittel. Auch eine erhöhte Zahl an Marktrücknahmen sei nicht erkennbar. Insbesondere für Arzneimittelimporteure bestehe keine besondere Belastung, was sich darin äußere, dass im Jahr 2023 die Einnahmen der pharmazeutischen Unternehmer auf dem Markt für Importarzneimittel stärker gestiegen seien als auf dem Gesamtmarkt.
293. Der Gemeinsame Bundesausschuss trägt vor, dass bereits keine grundrechtlich geschützte Position pharmazeutischer Unternehmer auf Teilhabe an der Arzneimittelversorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung oder auf die Beibehaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen in diesem System bestehe. Der Schutzbereich der Berufsfreiheit werde nicht berührt. Darüber hinaus sei insbesondere die Ausgestaltung des Kombinationsabschlags verfassungsgemäß.
304. Das Bundessozialgericht führt aus, es habe im Zusammenhang mit den Abschlägen der pharmazeutischen Unternehmer nach § 130a SGB V in Verfahren zur sachlichen Reichweite der Abschlagsverpflichtung, zur Bestimmung der Abschlagsverpflichteten, zum Zusammenspiel von Arzneimittel- und Preisregulierungsrecht nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch sowie zur Auslegung der Härtefallregelung des § 130a Abs. 4 SGB V Entscheidungen getroffen. Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht hätten hierbei ebenso wenig bestanden wie im Hinblick auf die in der Zeit vom bis auf 16 % angehobene Höhe des Herstellerabschlags.
315. Der Verband der Privaten Krankenversicherung führt insbesondere aus, es sei seit mehreren Jahren eine stetige Steigerung von Ausgaben im Arzneimittelbereich, insbesondere im Bereich der Patentarzneimittel, zu verzeichnen. Diese sei im Vergleich zu anderen Leistungsbereichen überproportional hoch.
326. Pro Generika weist darauf hin, dass vom Herstellerabschlag zwar die klassischen (chemischen) Generika nicht erfasst würden, wohl aber ein anderer Teilbereich der Nachahmerprodukte, nämlich die Biosimilars, obwohl es sich hierbei ebenfalls um patentfreie Nachahmerprodukte handele, die für Wettbewerb und sinkende Arzneimittelpreise sorgten. Zudem unterlägen rund ein Viertel aller rezeptpflichtigen Generika dem Preismoratorium, weil für diese kein Festbetrag gelte. Hierbei gebe es zahlreiche Interdependenzen mit anderen Preisregulierungsmechanismen, die zu Ergebnissen führten, die der Gesetzgeber nicht beabsichtigt habe.
337. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller, der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller, der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und der Bundesverband der Arzneimittel-Importeure weisen in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zunächst auf die herausragende Bedeutung der pharmazeutischen Industrie für die wirtschaftliche Entwicklung und die bereits eingetretenen negativen Auswirkungen der angegriffenen Regelungen auf die Verfügbarkeit neuer Arzneimittel in Deutschland hin. Im Vergleich zu anderen Leistungsbereichen der gesetzlichen Krankenversicherung hätten sich die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel unterdurchschnittlich entwickelt. Daher sei die durch die angegriffenen Regelungen bewirkte überproportionale Inanspruchnahme der pharmazeutischen Unternehmer nicht gerechtfertigt. Der Bundesverband der Arzneimittel-Importeure betont darüber hinaus, dass Arzneimittelimporteure funktionsbedingt mit deutlich geringeren Margen als Arzneimittelhersteller arbeiteten, weshalb sie mit diesen im Kontext von Kostendämpfungsmaßnahmen nicht vergleichbar seien.
B.
34Die Verfassungsbeschwerden sind nur teilweise zulässig. Soweit die Verfassungswidrigkeit des Kombinationsabschlags, der Leitplanken (nur im Verfahren zu II.) und der Geltung des Erstattungsbetrags ab dem siebten Monat nach Markteintritt eines Arzneimittels (nur im Verfahren zu I.) gerügt werden, sind sie unzulässig, weil die Verfassungsbeschwerden nicht ausreichend darlegen, dem Grundsatz der Subsidiarität zu genügen (I.). Soweit mit den Verfassungsbeschwerden die Verfassungswidrigkeit des Herstellerabschlags (II.) und des verlängerten Preismoratoriums (III.) gerügt werden, genügen sie den Zulässigkeitsanforderungen nur teilweise.
I.
35Die Verfassungsbeschwerden genügen bezogen auf die Leitplanken, den Geltungsbeginn des Erstattungsbetrags und den Kombinationsabschlag nicht den Darlegungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG hinsichtlich des Grundsatzes der Subsidiarität.
361. a) Der in § 90 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität gebietet, vor der Erhebung der Verfassungsbeschwerden grundsätzlich alle Mittel zu ergreifen, die der geltend gemachten Grundrechtsverletzung abhelfen können (vgl. BVerfGE 155, 378 <393 Rn. 32> - AtG-Novelle). Damit soll auch erreicht werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen treffen muss, sondern zunächst die für die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts primär zuständigen Fachgerichte die Sach- und Rechtslage aufgearbeitet haben. Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert deshalb grundsätzlich, vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung gar zu verhindern. Das gilt auch, wenn zweifelhaft ist, ob ein entsprechender Rechtsbehelf nach dem jeweiligen Fachrecht statthaft ist und im konkreten Fall in zulässiger Weise eingelegt werden kann (vgl. BVerfGE 165, 1 <32 f. Rn. 45> - Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV; 169, 130 <155 f. Rn. 40> - Hessisches Verfassungsschutzgesetz; 169, 332 <359 f. Rn. 62> - Bundeskriminalamtgesetz II; stRspr). Ein Beschwerdeführer muss im Rahmen des ihm Zumutbaren versuchen, Rechtsschutz durch die Fachgerichte zu erlangen (vgl. BVerfGE 143, 246 <321 Rn. 209>; 146, 71 <111 f. Rn. 118 ff.>), was auch das Durchlaufen eines gesetzlich angeordneten Schiedsstellenverfahrens umfasst (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2136/14 -, Rn. 12).
37Gegen Gesetze steht der fachgerichtliche Rechtsschutz zwar in der Regel nicht offen (vgl. BVerfGE 150, 309 <326 Rn. 42>; 165, 1 <33 Rn. 46>). Gleichwohl sind gesetzesunmittelbare Verfassungsbeschwerden nicht schon dann zulässig, wenn Beschwerdeführende von dem streitgegenständlichen Gesetz selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen sind. Wenn sich eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz wendet, kann auch die Erhebung einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage zu den zuvor zu ergreifenden Rechtsbehelfen gehören. Das ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die Vorschriften abschließend gefasst sind und die fachgerichtliche Prüfung günstigstenfalls dazu führen kann, dass das angegriffene Gesetz nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird. Erst recht müssen die Fachgerichte vorher angerufen werden, wenn die angegriffenen Vorschriften auslegungsbedürftige und -fähige Rechtsbegriffe enthalten, von deren Auslegung und Anwendung es maßgeblich abhängt, inwieweit Beschwerdeführer durch die angegriffenen Vorschriften tatsächlich und rechtlich beschwert sind (vgl. BVerfGE 162, 1 <54 f. Rn. 101> - Bayerisches Verfassungsschutzgesetz; 165, 1 <33 Rn. 46>; 169, 130 <156 Rn. 41>; stRspr). Beruht ein Eingriffsakt auf einer Regelung, die Ausnahmen vorsieht, so muss der Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde versuchen, die Beseitigung des Eingriffsakts unter Berufung auf die Ausnahmeregelung zu erwirken, wenn dies nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BVerfGE 78, 58 <69>).
38Anders verhält es sich, soweit die Beurteilung einer angegriffenen Norm ausschließlich spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die das Bundesverfassungsgericht zu beantworten hat, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung verbesserte Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären; einer vorangehenden fachgerichtlichen Entscheidung bedarf es dann nicht (vgl. BVerfGE 163, 107 <124 Rn. 43> - Tierarztvorbehalt; 165, 1 <33 Rn. 47>; 169, 130 <156 f. Rn. 42>; stRspr). Gleiches gilt, wenn die angegriffene Regelung die Beschwerdeführer zu Dispositionen zwingt, die später nicht mehr korrigiert werden können, oder wenn die Anrufung der Fachgerichte nicht zumutbar ist, etwa weil dies offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre (vgl. BVerfGE 158, 170 <200 Rn. 71> - IT-Sicherheitslücken; 162, 1 <55 Rn. 102>; 165, 1 <33 f. Rn. 47>; stRspr).
39b) Die Beachtung der hieraus folgenden Anforderungen müssen Beschwerdeführende, wenn sie nicht offensichtlich gewahrt sind, in ihrer Verfassungsbeschwerde gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG substantiiert darlegen (vgl. BVerfGE 129, 78 <93>).
402. Soweit sich die Verfassungsbeschwerden gegen die Leitplanken (a), die Geltung des Erstattungsbetrags ab dem siebten Monat nach Markteintritt eines Arzneimittels (b) und den Kombinationsabschlag (c) richten, ist die Wahrung der Subsidiarität nicht ausreichend dargetan.
41a) Die Beschwerdeführerin im Verfahren zu II. hat nicht ausreichend dargelegt, weshalb es ihr nicht zumutbar gewesen sein soll, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Leitplanken (§ 130b Abs. 3 SGB V) ein nach § 130b Abs. 4 SGB V eröffnetes Schiedsverfahren durchzuführen und gegebenenfalls fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen einen Schiedsspruch in Anspruch zu nehmen.
42aa) Zwar geben die konkret angegriffenen Regelungen des § 130b Abs. 3 Sätze 2 bis 5 SGB V den Vereinbarungsrahmen für die Aushandlung der Arzneimittelpreise vor, an den sowohl die Vereinbarungspartner (die Beschwerdeführerin zu II. und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen) als auch die Schiedsstelle und die Fachgerichte gebunden sind. Allerdings sind vorliegend durch eine vorausgegangene fachgerichtliche Prüfung eines nach § 130b Abs. 4 Satz 1 SGB V ergangenen Schiedsspruchs verbesserte Entscheidungsgrundlagen für das Bundesverfassungsgericht zu erwarten, insbesondere im Hinblick auf möglicherweise entscheidungserhebliche Tatsachenfragen.
43bb) Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach § 130b SGB V häufig Mischpreise verhandelt werden, weil die Nutzenbewertung für verschiedene Patientengruppen oder Anwendungsgebiete unterschiedlich ausfällt. Von der Praxis der Mischpreisbildung und einer sich gegebenenfalls daran anschließenden fachgerichtlichen Rechtsprechung kann es abhängen, inwieweit die pharmazeutischen Unternehmer insgesamt (vgl. BVerfGE 68, 193 <219>; 70, 1 <30>) durch die angegriffenen Regelungen tatsächlich beschwert sind.
44Ein Arzneimittel wird in der Praxis regelhaft entweder für mehrere Anwendungsgebiete zugelassen, oder es werden für ein Anwendungsgebiet mehrere Personengruppen gebildet. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt dann für ein Arzneimittel mehrere zweckmäßige Vergleichstherapien, was wiederum dazu führt, dass es für ein Arzneimittel zu unterschiedlichen Bewertungen des Zusatznutzens kommen kann. Da nach dem Arzneimittelrecht der Europäischen Union Arzneimittel auch bei mehreren Anwendungsgebieten eines Wirkstoffs regelmäßig unter einem einheitlichen Namen mit einer einheitlichen Genehmigung zugelassen werden (vgl. Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/83/EG) und das deutsche Arzneimittelpreisrecht daran anknüpfend in § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG für apothekenpflichtige, zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebene Arzneimittel auch bei einer Zulassung für verschiedene Indikationen grundsätzlich einheitliche Abgabepreise vorsieht, darf für "ein (apothekenpflichtiges) Arzneimittel" grundsätzlich auch nur "ein Preis" existieren (vgl. BSGE 126, 149 <153 f. Rn. 25>). Bewertet der Gemeinsame Bundesausschuss den Zusatznutzen oder die zweckmäßige Vergleichstherapie für unterschiedliche Patientengruppen jeweils verschieden, so werden bei einer Mischpreisbildung zunächst für die einzelnen Patientengruppen am jeweiligen Zusatznutzen orientierte unterschiedliche Beträge gebildet, die dann anhand der Gewichtung, mit der sich das Arzneimittel auf die verschiedenen Patientengruppen verteilt, zu einem einheitlichen Erstattungsbetrag verrechnet werden (vgl. BSGE 126, 149 <153 Rn. 24 u. 27>).Die Bildung eines Mischpreises wirft dabei zahlreiche komplexe Fragen auf, etwa im Hinblick auf die Gewichtung der einzelnen Bewertungsergebnisse.
45cc) Weiter ist das Ergebnis der Verhandlungen beziehungsweise des Schiedsspruchs nach § 130b SGB V, demnach der Erstattungsbetrag für das jeweilige Arzneimittel, von verschiedenen Faktoren geprägt. Der Erstattungsbetrag muss zwar in erster Linie an dem im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie festgestellten Zusatznutzen orientiert sein. Allerdings unterliegt die auf der Grundlage von § 130b Abs. 9 Satz 1 SGB V zwischen den Verbänden der pharmazeutischen Unternehmer und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen geschlossene Rahmenvereinbarung nur teilweise gesetzlichen Vorgaben (insbesondere den angegriffenen Leitplanken) dahingehend, nach welchen Kriterien der vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgestellte Zusatznutzen monetär zu bewerten ist (vgl. BSGE 126, 149 <158 Rn. 40>, allerdings noch zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes). Durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurde zudem klargestellt, dass der Erstattungsbetrag auf Grundlage des im Beschluss über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V festgestellten Ausmaßes des Zusatznutzens und dessen Wahrscheinlichkeit vereinbart oder festgesetzt wird. Bei der Monetarisierung des Zusatznutzens soll demnach auch die Aussagesicherheit der vom pharmazeutischen Unternehmer vorgelegten Daten bei der Verhandlung über die Höhe des Erstattungsbetrags ein relevantes Kriterium darstellen (vgl. BTDrucks 20/3448, S. 42). Darüber hinaus können gegebenenfalls auch weitere Elemente, wie zum Beispiel die gleichzeitige Verhandlung von Erstattungsbeträgen verschiedener Arzneimittel, weitere sozialrechtliche Vorschriften wie Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse und Veränderungen am Markt, den Erstattungsbetrag prägen (vgl. Köhnemann, PharmR 2023, S. 68 <68 f.>). Auch insoweit kann die tatsächliche Belastung der pharmazeutischen Unternehmer von der konkreten Handhabung der eröffneten Spielräume abhängen.
46dd) Außerdem misst der Gesetzgeber zur Umsetzung des Ziels, den Versicherten innovative Arzneimittel möglichst frühzeitig zu angemessenen Erstattungsbeträgen zur Verfügung zu stellen, der Struktur des Einigungs- und Aushandlungsprozesses besondere Bedeutung bei. Dieser Prozess soll in erster Linie zu einer Einigung zwischen den Beteiligten führen. Kommt eine Einigung nicht zustande, führt die paritätisch und sachkundig besetzte Schiedsstelle zunächst als Vermittlerin den Verhandlungsprozess fort, um noch auf diesem Weg eine einvernehmliche Lösung zu erwirken. Erst wenn auch dieses Vorgehen gescheitert ist, ersetzt die Schiedsstelle durch eine Mehrheitsentscheidung der Mitglieder die nicht zustande gekommenen konsensualen Regelungen. Dieses Verhandlungssystem bietet eine hinreichende Gewähr dafür, zu akzeptablen Inhalten der Schiedssprüche zu gelangen (vgl. BSGE 126, 149 <159 f. Rn. 42>). Die Schiedsstelle entscheidet unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und berücksichtigt dabei die Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes (§ 130b Abs. 4 Satz 2 SGB V). Damit kommt ihr ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der nicht kleiner ist als derjenige der Verhandlungspartner nach § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V selbst (vgl. -, Rn. 37).
47ee) Da die Belastung für die pharmazeutischen Unternehmer durch die konkrete Handhabung des Einigungs- und Aushandlungsprozesses bei der Anwendung der Leitplanken bestimmt wird, müssen die Unternehmer vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig einen konkreten Einigungs- und Aushandlungsprozess inklusive eines Schiedsverfahrens mitsamt fachgerichtlicher Überprüfung durchlaufen haben. Im Rahmen dieser fachgerichtlichen Überprüfung kann dann auch die Verfassungsmäßigkeit der Leitplanken von Relevanz sein. Weshalb vorliegend Abweichendes gelten soll, ist nicht dargetan.
48b) Die Verfassungsbeschwerde zu I. wahrt im Hinblick auf die Geltung des Erstattungsbetrags ab dem siebten Monat nach Markteintritt eines Arzneimittels (§ 130b Abs. 3a SGB V) ebenfalls nicht die subsidiaritätsbezogenen Darlegungsanforderungen. Die Beschwerdeführerin hat nicht ausreichend dargelegt, weshalb von einem vorausgehenden fachgerichtlichen Rechtsschutzverfahren nicht eine für das Verfassungsbeschwerdeverfahren maßgebliche Aufklärung der Sach- und Rechtslage zu erwarten ist. Zwar weist die Regelung zum Geltungsbeginn gegenüber der Regelung zum Erstattungsbetrag ein eigenständiges Eingriffsgewicht auf, indem sie dessen zeitliche Reichweite bestimmt. Dessen Gewicht hängt aber wesentlich vom Eingriffsgewicht der Regelung zur Bestimmung des Erstattungsbetrags ab und kann daher ohne vorausgehende fachgerichtliche Klärung nicht beurteilt werden. Infolgedessen steht der Grundsatz der Subsidiarität auch der Zulässigkeit der Rüge der Verfassungswidrigkeit der Regelung zum Geltungsbeginn des Erstattungsbetrags entgegen (aa). Dies gilt nicht nur für die Arzneimittelhersteller selbst, sondern auch für die Arzneimittelimporteure (bb).
49aa) Die Regelung über den Geltungsbeginn des Erstattungsbetrags knüpft an die Regelungen zum Erstattungsbetrag selbst an und bestimmt dessen zeitliche Reichweite. § 130b Abs. 3a SGB V schränkt die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin im Verfahren zu I. mit dieser zeitlichen Komponente eigenständig ein. Diese bei wertender Betrachtung eigenständige Eingriffswirkung ist einer selbständigen verfassungsrechtlichen Beurteilung zugänglich. Allerdings hängt das Ausmaß dieser Eingriffswirkung für die pharmazeutischen Unternehmer auch vom Eingriffsgewicht des Erstattungsbetrags selbst ab, das wiederum erst unter Berücksichtigung der Konkretisierung, die die Festlegung von Erstattungsbeträgen durch Einigungsprozess oder Schiedsstellenverfahren erhält, abschließend bewertet werden kann (siehe oben Rn. 46). Auch das Eingriffsgewicht der Regelung zum Geltungsbeginn des Erstattungsbetrags lässt sich daher erst nach Festlegung des Erstattungsbetrags bewerten. Deshalb haben die pharmazeutischen Unternehmer auch mit Blick auf die Regelung zum Geltungsbeginn vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts einen Erstattungsbetrag durch die Schiedsstelle festlegen und diese Festlegung zunächst durch die Fachgerichte überprüfen zu lassen.
50bb) Dies gilt auch für pharmazeutische Unternehmer, die wie die Beschwerdeführerin im Verfahren zu I. die Arzneimittel nicht als Inhaber entsprechender Zulassungen selbst herstellen, sondern importieren. Auch wenn die Beschwerdeführerin als Arzneimittelimporteurin in der Regel weder an der Vereinbarung des Erstattungsbetrags noch an einem Schiedsverfahren zur Festlegung eines solchen beteiligt ist, muss auch sie sich zunächst um fachgerichtlichen Rechtsschutz bemühen. Zwar sind die Rechtsschutzmöglichkeiten für Arzneimittelimporteure gerichtlich bislang nicht geklärt (vgl. dazu Weiß, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 130b SGB V, Rn. 54 <Sep. 2024>). Die Anrufung der Fachgerichte ist aber nicht allein deshalb als von vornherein aussichtslos anzusehen, weil bislang noch keine Rechtsprechung zugunsten der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs für die gegebene Fallgestaltung vorliegt (vgl. BVerfGE 70, 180 <186 f.>; 145, 20 <54 Rn. 85 f.>; 162, 1 <55 Rn. 102>).
51c) Schließlich legen die Beschwerdeführerinnen auch bezogen auf den Kombinationsabschlag des § 130e SGB V nicht ausreichend dar, weshalb sie nicht gehalten sind, sich vor der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zunächst vor den Fachgerichten gegen die durch die Regelung verursachte Belastung zur Wehr zu setzen. Die Verfassungsbeschwerden wenden sich insofern gegen ein neues Gesetz, dessen Auslegung und Anwendung fachgerichtlich bislang nicht geklärt ist, obwohl die Beurteilung, inwieweit die pharmazeutischen Unternehmer durch die angegriffene Regelung beschwert sind, von dieser Klärung abhängen kann. Die gesetzliche Regelung wirft eine Reihe von Auslegungsfragen auf (aa), deren Beantwortung zunächst im Rahmen von möglichen Rechtsbehelfen vor den Fachgerichten zu erfolgen hat (bb).
52aa) Nach § 130e Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten die Krankenkassen vom jeweiligen pharmazeutischen Unternehmer einen Abschlag in Höhe von 20 % des Abgabepreises für alle Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, die in einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss zuvor nach § 35a Abs. 3 Satz 4 SGB V benannten Kombination eingesetzt werden. Nach § 35a Abs. 3 Satz 4 SGB V benennt der Gemeinsame Bundesausschuss alle Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, die aufgrund der arzneimittelrechtlichen Zulassung in einer Kombinationstherapie mit dem bewerteten Arzneimittel für das zu bewertende Anwendungsgebiet eingesetzt werden können. Die Frage, wann ein Arzneimittel aufgrund der arzneimittelrechtlichen Zulassung in einer Kombinationstherapie mit dem bewerteten Arzneimittel eingesetzt werden kann, ist vom Normtext her nicht eindeutig zu beantworten. Im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie wechselte der Gemeinsame Bundesausschuss selbst von einer weiten (es genügt, wenn die Fachinformation keine Angaben enthält, die einer Kombinationstherapie entgegenstehen - offene Kombination -) zu einer engeren Auslegung (nur dann, wenn die Fachinformation Angaben zu einer Kombinationstherapie enthält - unbestimmte Kombination - oder für diese einen oder mehrere einzelne Wirkstoffe nennt - bestimmte Kombination -) (vgl. einerseits Tragende Gründe zum Beschluss vom über die Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens zur Änderung der AM-RL: Anlage XII/Anlage XIIa - Kombinationen von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch: Ergänzung der Benennung von Kombinationen gemäß § 35a Absatz 3 Satz 4 SGB V in bereits gefassten Beschlüssen und andererseits Beschluss vom zur Änderung der AM-RL: Anlage XII/Anlage XIIa - Kombinationen von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a des Fünften Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>: Ergänzung der Benennung von Kombinationen gemäß § 35a Absatz 3 Satz 4 SGB V in bereits gefassten Beschlüssen, BAnz AT B2, beide abrufbar unter: https://www.g-ba.de).Weiter ist nicht eindeutig, ob es auf die Zulassung des bewerteten Arzneimittels oder auf die Zulassung des anderen Arzneimittels ankommt oder ob es unerheblich ist, welche Arzneimittelzulassung einen Kombinationseinsatz nennt. Zudem können sich Auslegungsfragen im Hinblick darauf stellen, wann ein Kombinationseinsatz vorliegt oder noch von einer Monotherapie oder einem Therapiewechsel auszugehen ist. Auch die Begründung des Gesetzentwurfs zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz, mit dem Änderungen an § 130e SGB V vorgenommen worden sind, weist auf die Komplexität und Vielgestaltigkeit der Sachverhalte in der Versorgungsrealität hin, die einen abschlagspflichtigen Kombinationseinsatz darstellen können, weshalb eine untergesetzliche Konkretisierung erforderlich sei (vgl. BTDrucks 20/6871, S. 43).
53bb) Es ist von den Beschwerdeführerinnen nicht ausreichend dargetan, weshalb ihnen eine den Verfassungsbeschwerden vorausgehende Anrufung der Fachgerichte zwecks Klärung dieser Auslegungsfragen nicht zumutbar und nicht möglich sein sollte. So dürften zunächst in Bezug auf die Benennung als Kombinationsarzneimittel durch den Gemeinsamen Bundesausschuss sozialgerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen. Auch wenn der Gesetzgeber hierzu keine ausdrückliche Regelung getroffen hat, ist die Erhebung einer Feststellungsklage nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Bei der Benennung der Arzneimittelkombinationen handelt es sich um eine Regelung in der Arzneimittel-Richtlinie. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind insbesondere in dem Fall, dass sich pharmazeutische Unternehmer gegen eine Regelung in der Arzneimittel-Richtlinie wenden, Rechtsschutzmöglichkeiten gegeben (vgl. BSGE 96, 261 <263 ff. Rn. 24 ff.>; 110, 20 <25 Rn. 19>; 116, 1 <3 Rn. 20>; -, Rn. 15). Mit diesen können nicht nur die Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm, sondern auch deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung sowie ein Anspruch auf deren Änderung geltend gemacht werden (vgl. BSGE 96, 261 <264 Rn. 27>; 110, 20 <26 Rn. 21>; 116, 1 <3 Rn. 20>; -, Rn. 17; stRspr). Weiter kommt fachgerichtlicher Rechtsschutz gegen die Umsetzungsregelung (vgl. § 130e Abs. 2 Satz 4 SGB V) und gegen die Umsetzung mittels Festsetzung durch das Bundesministerium für Gesundheit nach § 130e Abs. 2 Satz 3 SGB V in Betracht. Schließlich erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerinnen sich unmittelbar gegen die Geltendmachung des Kombinationsabschlags durch die Krankenkassen gerichtlich zur Wehr setzen können (vgl. auch § 130e Abs. 2 Satz 5 SGB V).
II.
54Die Verfassungsbeschwerden bezogen auf den Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V sind nur teilweise zulässig. Ihrer Zulässigkeit steht allerdings nicht entgegen, dass der Herstellerabschlag nur für die Zeit vom bis zum Geltung entfaltet hat (1). Auch wahren die Verfassungsbeschwerden insoweit die Subsidiarität (2). Allerdings erfüllen sie die Darlegungsanforderungen an die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nur teilweise (3).
551. Bezogen auf den Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V richten sich die Verfassungsbeschwerden gegen eine gesetzliche Regelung, die wegen ihrer zeitlichen Befristung auf ein Jahr zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden schon außer Kraft getreten ist. Da diese Regelung aber für die innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Arzneimittel den Rechtsgrund für den tatsächlich vorgenommenen Abschlag auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers durch die Krankenkassen bildet, ist die Beschwer der Beschwerdeführerinnen mit Ablauf des nicht entfallen.
562. Den Verfassungsbeschwerden steht auch der Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen. Insbesondere waren die Beschwerdeführerinnen insoweit nicht gehalten, nach dem maßgeblichen Fachrecht mögliche Ausnahmeanträge zu stellen und anschließend den fachgerichtlichen Rechtsweg zu durchlaufen.
57a) Sofern eine - möglicherweise grundrechtsverletzende - gesetzliche Regelung Ausnahmen vorsieht, gebietet zwar der Grundsatz der Subsidiarität, dass Beschwerdeführende vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde versuchen, unter Berufung auf die Ausnahmebestimmung die Beseitigung des Eingriffsaktes zu erreichen (Rn. 37). Das gilt jedoch nicht, sofern dieser Versuch von vornherein aussichtslos wäre (vgl. BVerfGE 78, 58 <69>; siehe auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2002/10 -, Rn. 18 ff.).Danach waren die Beschwerdeführerinnen hier nicht gehalten, vor der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen § 130a Abs. 1b SGB V einen Ausnahmeantrag nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V zu stellen.
58Nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V können auf Antrag durch das Bundesministerium für Gesundheit Ausnahmen von den nach § 130a Abs. 1, 1a, 1b und 3a SGB V vorgesehenen Abschlägen nur gewährt werden, wenn dies durch "besondere Gründe" gerechtfertigt ist. Das Vorliegen eines Ausnahmefalls und der "besonderen Gründe" ist im Antrag hinreichend darzulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt das Vorliegen der "besonderen Gründe" nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V eine die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens gefährdende, unzumutbare finanzielle Belastung voraus, die ursächlich auf die gesetzliche Abschlagsregelung zurückzuführen ist und nicht durch unternehmensinterne Maßnahmen abgewendet werden kann (vgl. -, Rn. 23), was gleichermaßen für Arzneimittelhersteller und Arzneimittelimporteure gilt (vgl. -, Rn. 27).
59Den Beschwerdeführerinnen war hier jedoch nicht zuzumuten, vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde einen Ausnahmeantrag nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V zu stellen beziehungsweise sich gegen die erfolgte Ablehnung gerichtlich zur Wehr zu setzen. Sie haben - wenn auch nicht unter der hier naheliegenden Auseinandersetzung mit den Maßstäben des Bundessozialgerichts - konkrete Wirtschaftsdaten mitgeteilt, nach denen die Annahme des Vorliegens von besonderen Gründen in ihrem jeweiligen Fall so fernliegt, dass davon ausgegangen werden muss, dass eine Antragstellung (bezogen auf das Verfahren zu II.) beziehungsweise eine Klage gegen die Ablehnung eines gestellten Antrags (bezogen auf das Verfahren zu I.) von vornherein aussichtslos erscheint.
60b) Auch waren die Beschwerdeführerinnen nicht gehalten, eine gegen den Spitzenverband Bund der Krankenkassen gerichtete negative Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. zur Zulässigkeit der Feststellungsklage hinsichtlich der Frage, ob ein Arzneimittel dem Generikaabschlag nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V unterliegt, BSGE 120, 11 <13 ff. Rn. 14 ff.>) auf Feststellung, dass die von ihnen in den Verkehr gebrachten Arzneimittel dem Herstellerabschlag nicht unterfallen, zu erheben. Es ist nicht ersichtlich, dass sich hinsichtlich des Herstellerabschlags Auslegungsfragen ergeben oder es spezielle Gründe gibt, von den Beschwerdeführerinnen vertriebene Arzneimittel vom Herstellerabschlag auszunehmen. Es dürfte sich allein die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Herstellerabschlags stellen, so dass nicht ersichtlich ist, dass eine fachgerichtliche Klärung dem Bundesverfassungsgericht verbesserte Entscheidungsgrundlagen lieferte.
613. Allerdingsgenügen die Verfassungsbeschwerden den aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen an die Darlegung einer möglichen Grundrechtsverletzung nur teilweise. Danach müssen sich die Verfassungsbeschwerden mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 140, 229 <232 Rn. 9>; 162, 1 <52 Rn. 94>; 169, 332 <358 Rn. 58>). Die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG jeweils in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG durch den Herstellerabschlag wird zwar von beiden Verfassungsbeschwerden hinreichend substantiiert dargelegt. Soweit im Verfahren zu I. aber auch die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG gerügt wird, ist diese Rüge nicht hinreichend substantiiert (a), und soweit Art. 3 Abs. 1 GG gerügt wird, ist sie nur teilweise hinreichend substantiiert (b).
62a) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG durch den Herstellerabschlag ist nicht hinreichend substantiiert dargetan. Die Beschwerdeführerin zu I. trägt insoweit lediglich vor, dass der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb betroffen sei, der nicht mehr so fortgeführt werden könne wie in der Vergangenheit. Die Verfassungsbeschwerde setzt sich aber schon nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinander, wonach der Schutz des Gewerbebetriebs nicht weitergehen kann als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt (vgl. BVerfGE 143, 246 <331 Rn. 240>; 155, 238 <274 Rn. 86 f.> - WindSeeG), und nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern erfasst. Bloße Umsatz- und Gewinnchancen oder tatsächliche Gegebenheiten werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfGE 143, 246 <331 Rn. 240>; 155, 238 <274 Rn. 86>). Die Verfassungsbeschwerde legt nicht dar, warum vorliegend etwas anderes gelten sollte, obwohl (nur) die Preise für künftige Leistungen und Lieferungen der Beschwerdeführerin von den Reglementierungen betroffen sind.
63b) Unsubstantiiert ist auch die Rüge der Beschwerdeführerin zu I., mit der sie eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG (aa) durch die Ungleichbehandlung als Arzneimittelimporteurin von Patentarzneimitteln im Vergleich zu Herstellern von Generika und Herstellern von Medizinprodukten beanstandet (bb). Dagegen ist ihre Rüge einer unzulässigen Gleichbehandlung mit Arzneimittelherstellern zulässig (cc).
64aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Die Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG durch eine Ungleichbehandlung setzt eine unterschiedliche Behandlung zweier vergleichbarer Sachverhalte voraus. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz scheidet aus, wenn es schon an vergleichbaren Sachverhalten fehlt, deren unterschiedliche Behandlung sinnvollerweise am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG geprüft werden könnte (vgl. BVerfGE 133, 1 <20 f. Rn. 63>), etwa weil sie von Normen geprägt werden, die verschiedenen rechtlichen Ordnungsbereichen zugehörig sind und in anderen systematischen Zusammenhängen stehen (vgl. BVerfGE 40, 121 <139 f.>; 133, 1 <21 Rn. 63>). Auch bei vergleichbaren Sachverhalten verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 129, 49 <69>; 161, 1 <52 Rn. 122> m. w. N. - Übernachtungsteuer; stRspr). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind, oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (BVerfGE 138, 136 <180 f. Rn. 122>; 139, 1 <13 Rn. 39>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom - 1 BvR 548/22 -, Rn. 117 - Polizeikosten Hochrisikospiele; stRspr).
65bb) Soweit die Beschwerdeführerin eine Ungleichbehandlung von Importeuren von Patentarzneimitteln im Vergleich zu Herstellern von Generika beziehungsweise Medizinprodukten rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Zwar muss der Gesetzgeber bei Kostendämpfungsmaßnahmen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen des Ziels einer strukturellen Ausgewogenheit gegebenenfalls auch auf eine gewisse Lastengleichheit der Leistungserbringergruppen achten (vgl. BVerfGE 70, 1 <32 ff.>; 103, 172 <186>). Daraus folgt aber weder die Pflicht, alle Leistungserbringergruppen entsprechend ihrem Umsatz oder entsprechend ihrem Beitrag an den jüngsten Kostensteigerungen in Sparmaßnahmen einzubeziehen, noch, überhaupt gerade an diese Kriterien anzuknüpfen oder die Lastengerechtigkeit durch ein einziges Maßnahmengesetz zu verfolgen. Daher genügt auch allein die Eigenschaft, Leistungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen, nicht, um einen gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungsbedarf gegenüber den mit dem Herstellerabschlag belasteten pharmazeutischen Unternehmern, insbesondere der Untergruppe der Arzneimittelimporteure, zu begründen. Insofern mangelt es hier schon an der substantiierten Darlegung vergleichbarer Sachverhalte. Die Beschwerdeführerin setzt sich weder damit auseinander, dass die Gruppen der Hersteller von Generika und der Arzneimittelimporteure im Hinblick auf die von ihnen in den Verkehr gebrachten Arzneimittel (Generika - Patentarzneimittel) völlig unterschiedlichen Regelungsregimen unterliegen und deren Preisstrukturen kaum vergleichbar sind, noch setzt sie sich mit möglichen rechtfertigenden Gründen hinreichend auseinander. Gleiches gilt für die behauptete Ungleichbehandlung mit Herstellern von Medizinprodukten. Bereits die Vergleichsgruppe der Hersteller von Medizinprodukten, die aufgrund der Unterschiedlichkeit der verschiedenen Medizinprodukte sehr inhomogen sein dürfte, wird nicht näher dargestellt.
66cc) Substantiiert ist hingegen das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu I. hinsichtlich einer Gleichbehandlung von Arzneimittelherstellern und Arzneimittelimporteuren, die beide dem Herstellerabschlag unterliegen, soweit sie Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen in den Verkehr bringen. Die Beschwerdeführerin verweist zur Darlegung tatsächlicher, vom Gesetzgeber zu berücksichtigender Unterschiede darauf, dass sich die Geschäftsmodelle und Gewinnmargen deutlich unterschieden und Arzneimittelimporteure bereits zur Stabilisierung der Arzneimittelkosten beitrügen. Damit hat sie zumindest Unterschiede aufgeworfen, die eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung möglich erscheinen lassen.
III.
67Hinsichtlich des verlängerten Preismoratoriums (§ 130a Abs. 3a SGB V) genügen die Verfassungsbeschwerden den aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG folgenden Darlegungsanforderungen im Wesentlichen aus den gleichen wie oben zum Herstellerabschlag dargelegten Gründen (siehe oben Rn. 61) nur, soweit eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG gerügt wird, nicht aber, soweit (in dem Verfahren zu I.) die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG gerügt wird. Dies gilt auch für die durch die Beschwerdeführerin zu I. erhobene Rüge einer ungerechtfertigten Gleichbehandlung mit Arzneimittelherstellern, da sie sich nicht ausreichend mit dem Umstand auseinandersetzt, dass § 130a Abs. 3a Satz 6 SGB V Importarzneimittel vom durch das Preismoratorium verlängerten Herstellerabschlag ausnimmt, soweit das (preiserhöhte) Importarzneimittel für die Krankenkassen immer noch in dem in § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V bestimmten Umfang günstiger als das Bezugsarzneimittel bleibt.
C.
68Soweit die Verfassungsbeschwerden zulässig sind, sind sie unbegründet. Die Beschwerdeführerinnen werden weder durch den Herstellerabschlag (§ 130a Abs. 1b SGB V; dazu I.) noch durch die Verlängerung des Preismoratoriums (§ 130a Abs. 3a SGB V; dazu III.) in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Die Beschwerdeführerin im Verfahren zu I. ist auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt (II.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei Betrachtung einer additiven Wirkung der gesetzgeberischen Maßnahmen (IV.).
I.
69Der Herstellerabschlag in Höhe von 12 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers stellt einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerinnen aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (1), der jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist (2).
701. a) aa) Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gewährt allen Deutschen als einheitliches Grundrecht das Recht, den Beruf frei zu wählen und auszuüben. "Beruf" ist dabei jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (vgl. BVerfGE 103, 172 <182 f.>; 145, 20 <67 Rn. 120>; 161, 63 <89 Rn. 43> - Windenergie-Beteiligungsgesellschaften). Die Berufsfreiheit umfasst auch das Recht der am Markt Tätigen, die Bedingungen ihrer Marktteilhabe selbst festzusetzen. Insbesondere kann der Anbieter Art und Qualität sowie den Preis der angebotenen Güter und Leistungen selbst festlegen (vgl. BVerfGE 106, 275 <299>). Das Grundrecht umschließt auch die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen verbindlich auszuhandeln (vgl. BVerfGE 101, 331 <347>; 117, 163 <181>; 134, 204 <222 Rn. 66>; 142, 268 <281 Rn. 49>). Soweit Marktteilnehmer in ihrem Marktverhalten durch gesetzliche Regeln beschränkt werden, ist dies an ihren Grundrechten zu messen, nicht an denen der anderen Marktteilnehmer (BVerfGE 106, 275 <299>).
71bb) Die Beschwerdeführerin im Verfahren zu II. stellt Arzneimittel her und vertreibt diese. Beides sind durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte berufliche Tätigkeiten. Zudem ist die Beschwerdeführerin im Bereich der Forschung tätig und entwickelt neue Arzneimittel, um diese am Markt gewinnbringend abzugeben, und verfolgt daher auch insoweit einen Beruf. Die Beschwerdeführerin im Verfahren zu I. importiert Arzneimittel, die der Zulassungsinhaber beziehungsweise Hersteller in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union beziehungsweise des Europäischen Wirtschaftsraumes vermarktet, nach Deutschland, um sie dort - parallel zum originären pharmazeutischen Unternehmer - ebenfalls in den Verkehr zu bringen. Dies ist - wie ausgeführt - eine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte berufliche Tätigkeit. Beide Beschwerdeführerinnen können sich nach Art. 19 Abs. 3 GG als inländische juristische Personen auch auf ihre Berufsfreiheit berufen.
72b) aa) Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung nur gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen oder zumindest die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern und infolge ihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 97, 228 <253 f.>; 155, 238 <277 f. Rn. 96 f.>; 162, 325 <346 Rn. 78> - Zinsen Kernbrennstoffsteuer; 163, 107 <134 Rn. 73>). Vergütungen sind üblicherweise Gegenstand vertraglicher Einigungen, und die Vertragsfreiheit wird durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 65, 196 <210>; 74, 129 <151 f.>). Betrifft eine gesetzliche Regelung jedoch die Vertragsfreiheit gerade im Bereich beruflicher Betätigung, die ihren speziellen Schutz in Art. 12 Abs. 1 GG gefunden hat, tritt die allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab zurück (vgl. BVerfGE 68, 193 <223 f.>; 128, 157 <176>; 134, 204 <222 f. Rn. 67>). Daher beschränken staatliche Vergütungsregelungen und hierauf gründende Entscheidungen, die auf die Einnahmen, welche durch eine berufliche Tätigkeit erzielt werden können, und damit auch auf die Existenzerhaltung von nicht unerheblichem Einfluss sind, die Freiheit der Berufsausübung (vgl. BVerfGE 101, 331 <347>; 134, 204 <222 Rn. 66>). Zwangsweise zu gewährende Preisabschläge zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen sind daher an der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen (vgl. BVerfGE 114, 196 <244>). Ein Preisabschlag bewirkt der Sache nach eine Preisreglementierung und stellt sich insofern als Eingriff in die Berufsfreiheit in Form einer Berufsausübungsregelung dar (vgl. BVerfGE 68, 193 <218>; 114, 196 <244>; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 866/07 -, Rn. 16).
73bb) Hieran gemessen greift der Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerinnen ein. Die Regelung betrifft die Vertragsfreiheit gerade im Bereich beruflicher Betätigung in Form einer Preisregulierung.
742. Der Eingriff in die Berufsfreiheit der pharmazeutischen Unternehmer durch den Herstellerabschlag ist gerechtfertigt. Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen, zur Verwirklichung dieser Zwecke geeignet und erforderlich sind und Berufstätige nicht übermäßig treffen, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. BVerfGE 7, 377 <405 f.>; 77, 308 <332>; 111, 10 <32>; 117, 163 <182>; stRspr). Der Herstellerabschlag beruht auf einem Gesetz, das formell verfassungsgemäß ist (a). Er ist auch materiell mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, insbesondere genügt der Eingriff dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Er dient einem legitimen Zweck (b) und ist zur Verfolgung dessen geeignet (c), erforderlich (d) sowie angemessen (e).
75a) Die Berufsausübung kann nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Dieses muss schon formell mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Dies ist hier der Fall, insbesondere konnte sich der Bundesgesetzgeber auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für die Sozialversicherung stützen.
76Sozialversicherung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist als weit gefasster Gattungsbegriff zu verstehen. Er erfasst regelmäßig Systeme, die das soziale Bedürfnis nach Ausgleich besonderer Lasten erfüllen und dazu selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts als Träger vorsehen, die ihre Mittel im Wesentlichen durch Beiträge aufbringen. Dazu gehören jedenfalls die schon bei Entstehen des Grundgesetzes bekannten Versicherungszweige zum Ausgleich der Lasten infolge von Krankheit, Alter, Invalidität und Unfall (vgl. BVerfGE 11, 105 <111 ff.>), somit auch die gesetzliche Krankenversicherung (vgl. BVerfGE 114, 196 <221>). Dabei werden auch die Bereiche erfasst, die eng an einen Träger der klassischen Sozialversicherung angelehnt sind, ohne dass es insoweit auf eine Beitragszahlung zwingend ankäme, weil es für die Sozialversicherung seit jeher kennzeichnend ist, dass das Versicherungsprinzip mit Elementen der öffentlichen Fürsorge verbunden wird (vgl. BVerfGE 126, 369 <389>). Da Beitrags- und Leistungsaspekte für den Begriff der Sozialversicherung bestimmend sind, erfasst der Kompetenztitel die Regelung der Finanzierung der zu erledigenden Aufgaben, wozu nicht nur das Aufbringen der Beiträge im engeren Sinne, sondern auch Regelungen zur finanziellen Entlastung der Sozialversicherungssysteme zählen (vgl. BVerfGE 113, 167 <195>; 114, 196 <221>). Beides dient gleichermaßen dem Erhalt der Leistungsfähigkeit dieser Systeme. Ob der Bundesgesetzgeber sich darüber hinaus für die Regelungen über Abschlagsverpflichtungen auch noch auf die Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Arzneien nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG stützen könnte (vgl. BVerfGE 102, 26 <36 ff.>; 114, 196 <221 f.>), ist daher nicht von Relevanz.
77b) Mit dem Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V verfolgt das Gesetz einen legitimen Zweck. Welche Ziele mit einem Gesetz verfolgt werden, kann sich nicht nur aus den Gesetzesmaterialien (vgl. BVerfGE 159, 223 <298 Rn. 169> - Bundesnotbremse I <Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen>; 161, 163 <268 f. Rn. 291> - Erziehungsaufwand im Beitragsrecht der Sozialversicherung; 163, 107 <138 f. Rn. 86>), sondern auch aus dem objektivierten Willen des Gesetzgebers ergeben (vgl. BVerfGE 161, 63 <93 Rn. 57>; 167, 163 <213 Rn. 115> - Contergan II). Erst das objektive Fehlen von Zwecksetzungen, die von Verfassungs wegen anzuerkennen sind, führt zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit (vgl. BVerfGE 163, 107 <139 Rn. 87>).
78Mit dem Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V will der Gesetzgeber in Kombination mit anderen, im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorgesehenen Maßnahmen auf eine von ihm festgestellte, ungleiche Entwicklung von Ausgaben und Einnahmen im System der gesetzlichen Krankenversicherung reagieren und so die finanzielle Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung sichern (siehe oben Rn. 2).Dies ist ein legitimes Ziel (vgl. BVerfGE 68, 193 <218>; 103, 172 <184 f.>; 123, 186 <264>).
79c) Der durch § 130a Abs. 1b SGB V bewirkte Grundrechtseingriff ist geeignet, den mit der Regelung verfolgten Zweck zu erreichen.
80aa) Ein Eingriff ist bereits dann geeignet, wenn er den Zweck einer Regelung fördert. Verfassungsrechtlich genügt für die Eignung die Möglichkeit, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen (vgl. BVerfGE 161, 299 <367 f. Rn. 166> - Impfnachweis <COVID-19>; stRspr). Es kann dabei für die Eignung einer Maßnahme zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung genügen, dass die hiermit erreichten Einsparungen nur ein geringes Volumen aufweisen (vgl. BVerfGE 70, 1 <29>) und der Einsparerfolg jedenfalls gefördert wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1418/90 u.a. -, DtZ 1991, S. 91 <92>).
81bb) Der Herstellerabschlag ist nach diesen Maßstäben geeignet, die Arzneimittelausgaben zu senken und damit einen Beitrag zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten. Nach der Einschätzung des Gesetzgebers führt der Herstellerabschlag trotz seiner zeitlichen Befristung auf das Jahr 2023 zu Einsparungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro (vgl. BTDrucks 20/3448, S. 5). Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die Einbeziehung der Arzneimittelimporteure in den Anwendungsbereich des Herstellerabschlags nach § 130a Abs. 1b SGB V. Soweit die Beschwerdeführerin im Verfahren zu I. vorträgt, dass Importeure preiswertere Importarzneimittel dann nicht mehr anbieten könnten, argumentiert sie mit möglichen Auswirkungen in der Zukunft, die nicht konkretisiert oder gar belegt werden. Dass auch die Erhebung des Herstellerabschlags auf importierte Arzneimittel zur Ausgabensenkung beiträgt, liegt auf der Hand. Die Tragfähigkeit der davon ausgehenden Einschätzung des Gesetzgebers wird durch den Verweis darauf, dass in der Folge möglicherweise keine Arzneimittel mehr parallelimportiert würden, nicht in Frage gestellt.
82d) Die Regelung ist auch im verfassungsrechtlichen Sinne erforderlich. aa) Grundrechtseingriffe dürfen nicht weitergehen, als es der Gesetzeszweck erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, welches Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Dem Gesetzgeber steht grundsätzlich für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Dieser bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Der Spielraum kann sich wegen des betroffenen Grundrechts und der Intensität des Eingriffs verengen. Umgekehrt reicht er umso weiter, je höher die Komplexität der zu regelnden Materie ist (vgl. BVerfGE 161, 63 <119 Rn. 125>; 161, 299 <378 Rn. 187>; 162, 378 <428 Rn. 117> - Impfnachweis <Masern>).
83bb) Danach ist der durch § 130a Abs. 1b SGB V bewirkte Grundrechtseingriff auch erforderlich, um die legitimen Gemeinwohlzwecke zu erreichen. Zwar hätten sich Einsparungen vermutlich auch durch Maßnahmen im Bereich anderer Leistungszweige erzielen lassen; dies steht der Erforderlichkeit des erhöhten Herstellerabschlags aber nicht entgegen, denn dies wäre mit einer stärkeren Belastung anderer oder der Allgemeinheit verbunden. Das Bundesverfassungsgericht hat bei Kostendämpfungsmaßnahmen im Bereich des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu entscheiden, ob noch andere, ebenfalls gleich wirksame Maßnahmen denkbar sind (vgl. BVerfGE 68, 193 <218>). Wenn der Gesetzgeber ein komplexes Ziel - wie die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung - mit vielfältigen Mitteln verfolgt, ist eine Maßnahme nicht deshalb nicht erforderlich, weil die Betroffenen andernorts größere Einsparpotentiale sehen (vgl. BVerfGE 103, 172 <183 f.>; vgl. auch BVerfGK 2, 283 <288>).
84e) Der durch § 130aAbs. 1b SGB V bewirkte Grundrechtseingriff wahrt auch die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verlangt, dass die Schwere der gesetzgeberischen Grundrechtsbeschränkung (aa) bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht (bb) und der Dringlichkeit (cc) der sie rechtfertigenden Gründe steht. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Eingriffsgewicht der Regelung und dem verfolgten gesetzgeberischen Ziel herzustellen (vgl. BVerfGE 83, 1 <19>; 133, 277 <322 Rn. 109>; 161, 63 <122 Rn. 134>; stRspr) (dd). Bei der Gesamtabwägung (ee) zwischen der Schwere der Belastung, dem Gewicht und der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleiben (vgl. BVerfGE 152, 68 <137 Rn. 183> - Sanktionen im Sozialrecht; stRspr). Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer wirtschaftsordnenden gesetzlichen Regelung im Bereich der Berufsausübung ist nicht die Interessenlage eines Einzelnen maßgebend; vielmehr ist eine generalisierende Betrachtungsweise geboten, die auf den betreffenden Wirtschaftszweig insgesamt abstellt (vgl. BVerfGE 30, 292 <316 f.>; 68, 193 <219>; 70, 1 <30>).
85aa) Speziell bei Eingriffen in das Recht der freien Preisbildung sind zunächst das Ausmaß der Belastung des betroffenen Wirtschaftszweigs (vgl. BVerfGE 68, 193 <219>), das heißt insbesondere deren Höhe und Dauer (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom - 1 BvR 460/23 u.a. -, Rn. 112 f. - Strompreisbremse, vorgesehen für BVerfGE 170) sowie der Umstand von Bedeutung, ob die Belastung vergangene oder künftige Investitionsentscheidungen beeinträchtigt oder die Betroffenen in sonstiger Weise Vertrauen in die Beständigkeit der freien Preisfestsetzung entwickeln konnten (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom - 1 BvR 460/23 u.a. -, Rn. 122). Relevant kann auch sein, ob die Betroffenen auf die Belastung mit den Möglichkeiten des Marktes reagieren können und ob es Ausnahmeregelungen und Befreiungsmöglichkeiten für atypische Einzelfälle gibt (vgl. auch BVerfGE 103, 172 <193>). Schließlich kann in die Abwägung auch eingestellt werden, inwieweit das Verhalten der Betroffenen (mit)ursächlich für die Gefährdung des Gemeinwohlgutes ist, der mit dem Eingriff begegnet werden soll (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom - 1 BvR 460/23 u.a. -, Rn. 112).
86Vorliegend ist von einem mäßigen Grundrechtseingriff auszugehen. Zwar wurden gesetzliche Preisabschläge im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung in der Regel als geringfügige Eingriffe qualifiziert (vgl. BVerfGE 68, 193 <219>; 108, 45 <50 f.>). Auch ist die Geltungsdauer des § 130a Abs. 1b SGB V im Umfang von einem Jahr sehr beschränkt (vgl. zu Fällen befristeter Eingriffe BVerfGE 70, 1 <30 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 682/01 -, NVwZ-RR 2005, S. 1 <2>). Gleichwohl dürfte der Regelung angesichts des im Raum stehenden Einsparvolumens von über einer Milliarde Euro, der Höhe des Abschlags von 12 %, des Geltungszeitraums der Herstellerabschläge in unterschiedlichen Formen zumindest seit dem Jahr 2002 und der zusätzlichen Absicherung durch das Preismoratorium nach § 130a Abs. 3a SGB V zumindest seit dem Jahr 2009 und der dadurch bedingten fehlenden Ausweichmöglichkeit ein höheres als nur geringes Gewicht beizumessen sein. Auch der Wechsel auf den Markt außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. dazu BVerfGE 106, 275 <301 f.>) ist vorliegend nicht möglich, denn über § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel entfaltet der Herstellerabschlag auch im Bereich der privaten Krankenversicherung und im Beihilferecht Wirkung. Das nicht geringe Gewicht gilt ungeachtet der eingriffsmildernden Faktoren, namentlich, dass der Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V nicht für alle auf dem Markt befindlichen Arzneimittel gilt, der Gesetzgeber zudem in § 130a Abs. 4 SGB V eine Befreiungsmöglichkeit für besondere Fallgestaltungen vorgesehen hat und der negative Einfluss auf künftige Investitionsentscheidungen angesichts der zeitlichen Befristung des Herstellerabschlags nicht zu erheblich sein dürfte.
87bb) Dem Eingriff steht mit der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung eine überragend wichtige Gemeinwohlaufgabe gegenüber (vgl. BVerfGE 70, 1 <25 f., 28 f., 30>; 103, 172 <184 f.>; 114, 196 <244, 248>; 123, 186 <264>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1418/90 u.a. -, DtZ 1991, S. 91 <92>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 264/95 u.a. -, Rn. 10), welche der Gesetzgeber nicht nur verfolgen, sondern der er sich nicht einmal entziehen darf (vgl. BVerfGE 68, 193 <218>). Soll die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung mit Hilfe eines Sozialversicherungssystems erreicht werden, stellt auch dessen Finanzierbarkeit einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang dar, von dem sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Systems und bei der damit verbundenen Steuerung des Verhaltens der Leistungserbringer leiten lassen darf und muss (vgl. BVerfGE 103, 172 <185, 192 f.>).
88cc) Der Gesetzgeber ging von einer Dringlichkeit der von ihm verfolgten Ziele aus, die ein gesetzgeberisches Handeln rechtfertige. Diese Einschätzung ist entgegen dem Beschwerdevorbringen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
89Soweit der Gesetzgeber die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung durch die gesetzliche Krankenversicherung zu gewährleisten sucht, muss er hierbei unterschiedliche Gemeinwohlbelange und - zum Teil gegenläufige - Grundrechtspositionen vieler Personengruppen miteinander zum Ausgleich bringen (BVerfGE 114, 196 <248>). Daher gilt bei Kostendämpfungsmaßnahmen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund von Gefahren für die finanzielle Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung wegen der Komplexität des Systems in der Regel eine zurückgenommene Kontrolle in Form der Evidenz- oder Plausibilitätskontrolle (vgl. dazu auch BVerfGE 68, 193 <224 f.>; 114, 196 <248>). Danach bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzliche Einschätzung der Dringlichkeit (1) nicht plausibel (2) wäre.
90(1) Mit dem Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V will der Gesetzgeber in Kombination mit anderen, im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorgesehenen Maßnahmen auf eine von ihm festgestellte, ungleiche Entwicklung von Ausgaben und Einnahmen im System der gesetzlichen Krankenversicherung reagieren und so die finanzielle Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung sichern. Als Anlass werden vom Gesetzgeber verschiedene Gründe angeführt, die eine bis zum Jahr 2019 bestehende proportionale Entwicklung von Ausgaben und Einnahmen beendet haben (Wegfall des coronabedingten Bundeszuschusses, demografischer Wandel, Rückgang der Beitragszahler, überproportionale Kostensteigerungen in einigen Bereichen). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass auch durch den demografischen Wandel und die zu erwartende rückläufige Zahl der Beschäftigten - wie bereits in den Jahren 2020 und 2021 - für die kommenden Jahre weiterhin mit einem geringeren Anstieg der beitragspflichtigen Einnahmen zu rechnen sei. Um die Lasten nicht allein den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern aufzuerlegen, soll die seit dem Jahr 2020 anwachsende Finanzierungslücke in der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Heranziehung von Finanzreserven der Krankenkassen und Zuführung höherer Bundesmittel auf der Einnahmenseite sowie durch eine Stabilisierung angesichts der Ausgabendynamik im Arzneimittelbereich auf der Ausgabenseite geschlossen werden. Die Ausgabenzuwächse seien voraussichtlich auch in den kommenden Jahren vor allem vom medizinisch-technologischen Fortschritt, der Alterung der Gesellschaft sowie steigenden Löhnen aufgrund des Fachkräftemangels geprägt. Ohne zusätzliche Maßnahmen würde der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2023 von 1,3 % um rund einen Prozentpunkt steigen und anschließend, aufgrund der Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben, jedes Jahr um weitere 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte. Dabei entsprächen aktuell rund 16 Milliarden Euro einem Beitragssatzpunkt. Die prognostizierte Steigerung des Zusatzbeitragssatzes solle durch die Maßnahmen um 1 % abgefangen werden, so dass das Ausmaß der Kostendämpfung im Verhältnis zum Anlass nicht unangemessen sei (vgl. BTDrucks 20/3448, S. 1 ff.).
91(2) Es ist nicht ersichtlich, dass die Einschätzung des Gesetzgebers, ohne gesetzliche Maßnahmen käme es zu einer wachsenden Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, fehlerhaft ist.
92Dies gilt zunächst bezogen auf die vom Gesetzgeber angenommene Herausforderung des demografischen Wandels. Die 15. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts (Annahmen und Ergebnisse, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Bevoelkerungsvorausberechnung/begleitheft.html) kommt zu dem Ergebnis, dass sich das Verhältnis der Menschen im Erwerbsalter (hier: von 20 bis 66 Jahren) in den nächsten 15 Jahren in allen Varianten der Vorausberechnung zu den über 67-jährigen Menschen verschieben wird. Die Abhängigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung von der demografischen Entwicklung zeigt sich auch an den prognostizierten Steigerungen des Nettoempfängerquotienten, der die Relation der Anzahl der Nettoempfänger zur Anzahl der Nettozahler in der gesetzlichen Krankenversicherung wiedergibt (vgl. Bundesrechnungshof, Bericht nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung (BHO) an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages und Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages Demografische Entwicklung: Finanzrisiken des Bundes aus seiner Beteiligung an der Finanzierung der Sozialversicherungen vom , S. 43).
93Auch deshalb durfte der Gesetzgeber von einem wachsend ungünstigen Verhältnis der Einnahmen zu den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in den letzten Jahren ausgehen. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sind in den vergangenen beiden Jahrzehnten durchschnittlich um 1,08 Prozentpunkte pro Jahr stärker gestiegen als die beitragspflichtigen Einkommen (vgl. Pimpertz, Entwicklung der Ausgaben und Einnahmen in der Gesetzlichen Krankenversicherung, IW-Trends 4/2023, S. 61 <66>). Dabei beruht der Großteil der Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung auf Beiträgen aus beitragspflichtigem Einkommen. Die Änderung der Versichertenstruktur sowie die Entwicklung der durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben und der durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen führen nach den Prognosen des Bundesrechnungshofs dazu, dass sich Ausgaben und Beitragsgrundlage auseinanderentwickeln (vgl. Bundesrechnungshof, a.a.O., S. 46).
94dd) Der Gesetzgeber misst dem Herstellerabschlag, insbesondere durch die Einbettung in das vom GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorgesehene Maßnahmenbündel, wesentliche Bedeutung für die Zielerreichung bei. Durch den Herstellerabschlag soll diese konkret gefördert werden. Die prognostizierten Lücken auf der Einnahmenseite, die im Zusammenhang mit dem Wegfall des coronabedingten Bundeszuschusses standen, werden so zunächst für ein Jahr mit einem Herstellerabschlag teilweise ausgeglichen, bevor dann andere Maßnahmen ihre Wirksamkeit entfalten. Auch dies ist verfassungsrechtlich (vgl. zum Maßstab oben Rn. 89) nicht zu beanstanden. Eine Minderung dieses Gewichtes des öffentlichen Interesses an der Finanzstabilität der gesetzlichen Krankenversicherung durch ein gegenläufiges Gemeinwohlinteresse (vgl. dazu BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom - 1 BvR 548/22 -, Rn. 85), wie beispielsweise die Gewährleistung der Versorgungssicherheit für innovative Arzneimittel, ist vorliegend nicht anzunehmen. Der auf Veranlassung des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführten Evaluation lassen sich keine über Vermutungen hinausgehenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Maßnahmen negative Auswirkungen auf die Sicherheit der Versorgung mit innovativen und wirtschaftlichen Arzneimitteln haben könnten (vgl. Höer/Maag/Barton/Gerbsch/Albrecht, AMNOG-Evaluation, Dezember 2024, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/details/amnog-evaluation.html, S. 11 ff.).
95ee) Bei Abwägung zwischen der durch den Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V bewirkten Belastung einerseits und der durch sie bewirkten Förderung des Gemeinwohlziels andererseits ist die angegriffene Regelung angemessen. Dies folgt schon aus der konkreten Förderung des mit überragendem Rang ausgestatteten Gemeinschaftsguts bei gleichzeitig mäßigem Eingriffsgewicht und weitem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Darüber hinaus sind die Besonderheiten des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung zu berücksichtigen (1). Die Grenzen der Zumutbarkeit sind auch nicht wegen einer Gefahr der Erdrosselung des betroffenen Wirtschaftszweigs überschritten (2). Im Hinblick auf Arzneimittelimporteure gilt nichts anderes (3).
96(1) Bei finanzwirksamen Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit zum Zwecke der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist bei der Zumutbarkeit für die Leistungserbringer insbesondere zu berücksichtigen, dass das System der gesetzlichen Krankenversicherung in weiten Teilen nicht durch Marktkräfte gesteuert wird (a) und den Gesetzgeber eine besondere Verantwortung für die Kostenstabilität der gesetzlichen Krankenversicherung trifft (b). Dies führt dazu, dass die Leistungserbringer in besonderem Maße den Einwirkungen sozialstaatlicher Gesetzgebung unterliegen (c). Gegenüber Eingriffen, die der Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung dienen, besteht nur ein verminderter Vertrauensschutz (d). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber diejenigen belastet, die aus seiner Sicht für die Kostensteigerungen besonders verantwortlich sind (e). Demnach ist hier eine Angemessenheit des Herstellerabschlags nach § 130a Abs. 1b SGB V gegeben (f).
97(a) Das System der gesetzlichen Krankenversicherung ist so ausgestaltet, dass es in weiten Bereichen nicht durch Marktkräfte gesteuert wird. Die Preise für Güter und Leistungen sind nicht Gegenstand freien Aushandelns im Rahmen eines freien Wettbewerbs (BVerfGE 103, 172 <185>). Richten sich Leistungserbringer gegen Kostendämpfungsmaßnahmen, wenden sie sich gegen staatliche Maßnahmen, die nicht ihre eigene Tätigkeit und Leistung auf einem freien Markt betreffen; vielmehr geht es um ihre Beteiligung an dem umfassenden sozialen Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung, das aus Beiträgen der Versicherten finanziert wird und für dessen Funktionsfähigkeit der Staat die Verantwortung trägt (vgl. BVerfGE 70, 1 <31>; 103, 172 <185 f.>). Daran hat sich mit Einführung von Wettbewerb generierenden Elementen wie insbesondere der freien Krankenkassenwahl der Versicherten oder der Einführung des kassenartenübergreifenden Risikostrukturausgleichs über das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz) vom (BGBl I S. 2266) im Grundsatz nichts geändert (vgl. BVerfGE 113, 167 <233>).
98(b) Den Gesetzgeber trifft systembedingt eine besondere Verantwortung für die Kostenstabilität der sozialstaatlich gebotenen gesetzlichen Krankenversicherung. Die deutsche gesetzliche Krankenversicherung ist ein im Umlageverfahren durch Versicherungsbeiträge finanziertes Gesundheitssystem zur medizinischen Vollversorgung von nahezu 90 % der Bevölkerung (vdek-Basisdaten des Gesundheitswesens 2024, S. 12 - abrufbar unter: https://www.vdek.com/presse/daten.html). Die Versicherungsleistungen werden dabei weitgehend als Sachleistungen, ohne direkte Kostenbeteiligung der Versicherten, erbracht. Ein derartiges System tendiert zur Kostenausweitung. Bedarfsfeststellung und Kostenkontrolle liegen nicht in einer Hand (vgl. BVerfGE 103, 172 <173>). Der Gesetzgeber hat unter Berücksichtigung dieser Faktoren sowie der allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen darüber zu befinden, welche Beitragsbelastung den Versicherten, ihren Arbeitgebern und den Rentenversicherungsträgern zumutbar ist und welche Gesundheitsdienstleistungen aus diesem Finanzvolumen bezahlt werden können (BVerfGE 103, 172 <186>).
99(c) Die Ausgestaltungspflicht des Gesetzgebers erfasst auch die Einbindung der Leistungserbringer. Diese sind Nutznießer des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung, welches ihnen größere wirtschaftliche Sicherheit vermittelt als ein freies Konkurrenzsystem (vgl. BVerfGE 70, 1 <30>). Das gilt insbesondere für die pharmazeutischen Unternehmer. Ihnen stehen mit den gesetzlichen Krankenkassen letztlich (vermittelt über Großhändler und Apotheken, die Arzneimittel ausschließlich zur Weiterveräußerung erwerben) Nachfrager gegenüber, die ihren Versicherten zur Versorgung mit dem vom Vertragsarzt verordneten Arzneimittel verpflichtet sind. Sie stehen zwar im Wettbewerb zu anderen pharmazeutischen Unternehmern. Anders als auf einem freien Markt, auf dem der Nachfrager ein Produkt (beispielsweise wegen eines zu hohen Preises) ablehnen kann, sind die Krankenkassen in der Regel aber verpflichtet, dem Versicherten ein verschreibungspflichtiges Medikament, welches der Vertragsarzt verordnet, zu verschaffen. Sind auch die vom Krankenversicherungsrecht geforderten, über das Arzneimittelrecht hinausgehenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, besteht eine Leistungspflicht der Krankenkasse gegenüber den Versicherten als Endverbrauchern. Wegen dieser Einbindung in die Leistungspflicht der Krankenkasse einerseits und der Teilnahme an einem Markt, dessen grundsätzliche Leistungsfähigkeit gesetzliche Maßnahmen zu sichern suchen, andererseits unterliegen auch die pharmazeutischen Unternehmer ebenso wie andere Leistungserbringer in erhöhtem Maße den Einwirkungen sozialstaatlicher Gesetzgebung (vgl. BVerfGE 68, 193 <220 f.>; 70, 1 <31>; 103, 172 <185>). Bei der Bestimmung der Grenze, bis zu der der Gesetzgeber zulässigerweise zur Anpassung der Ausgaben an die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung die Höhe der Vergütungen für Leistungen regulieren darf, muss dies berücksichtigt werden (vgl. BVerfGE 68, 193 <221>).Dabei hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zugleich die Bedingungen auch für die Leistungserbringer so festzulegen, dass die Krankenkassen ihrem Sicherstellungsauftrag genügen können. Das setzt leistungsbereite Anbieter im Gesundheitswesen voraus (vgl. zur Ärzteschaft BVerfGE 103, 172 <186>).
100(d) Ein schutzwürdiges Vertrauen der pharmazeutischen Unternehmer in die Beständigkeit der Preisgestaltungsregelungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung besteht allenfalls in geringem Maße. Dies gilt als Kehrseite der staatlichen Stabilisierungsverantwortung zunächst gegenüber Maßnahmen, die Strukturdefiziten im System der gesetzlichen Krankenversicherung entgegenwirken sollen (vgl. BVerfGE 106, 275 <304>). Aber auch mit reinen Kostendämpfungsmaßnahmen ist zu rechnen, insbesondere wenn diese als Maßnahme in den jeweiligen Leistungsbereichen bereits bekannt waren (vgl. BVerfGE 70, 1 <27>; 114, 196 <242 f.>), die Preisbildung schon vor Inkrafttreten der Neuregelung nicht frei gewesen ist (vgl. BVerfGE 114, 196 <242 f.>) oder vorausgehende Kostendämpfungsmaßnahmen "nachzubessern" beziehungsweise Konsequenzen aus deren Unzulänglichkeit zu ziehen sind (vgl. BVerfGE 68, 193 <218 f.>; 70, 1 <26>; 114, 196 <245>).
101(e) Zielt eine Maßnahme gerade auf den Bereich ab, den der Gesetzgeber als ursächlich für den starken Ausgabenanstieg festgestellt hat, verstärkt dies die verfassungsrechtliche Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 68, 193 <219>; 70, 1 <33 f.>; 114, 196 <245>). Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verfahren zu II. ist der Gesetzgeber bei einem zunehmenden Finanzdefizit allerdings weder verpflichtet, auf diejenigen zuzugreifen, die einen besonderen Anteil an dem steigenden Defizit tragen, noch ist sein Zugriff von Verfassungs wegen von vornherein volumenmäßig auf die jeweiligen Anteile begrenzt. Wenn es ihm aber darum geht, festgestellten oder drohenden übermäßigen Defiziten durch Kostendämpfung zu begegnen, ist es mit Blick auf die Angemessenheit von Bedeutung, wenn er auf diejenigen zugreift, die zumindest auch in besonderem Maße zu dem Defizit beitragen (vgl. auch BVerfGE 70, 1 <33 f.>). Nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers, die vom Bundesverfassungsgericht lediglich auf Plausibilität zu überprüfen ist (siehe oben Rn. 88), beruhen die eingetretenen und künftig zu erwartenden Kostensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung gerade auf der überproportionalen Steigerung der Ausgaben im Arzneimittelbereich (aa). Dies gilt in besonderem Maße für solche pharmazeutischen Unternehmer, die patentgeschützte Arzneimittel in den Verkehr bringen (bb).
102(aa) Nach der Annahme des Gesetzgebers war der Anstieg der Leistungsausgaben für Arzneimittel in den letzten Jahren prozentual größer als der Anstieg der gesamten Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BTDrucks 20/3448, S. 40). Diese Annahme kann sich auf hinreichend tragfähige statistische Daten stützen und ist daher plausibel. Aus den vom Bundesministerium für Gesundheit veröffentlichten Kennzahlen der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2023 (abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Statistiken/GKV/Kennzahlen_Daten/KF2023Bund_August_2023.pdf), auf die es auch in seiner Stellungnahme verweist, ergibt sich, dass der prozentuale Anstieg der Ausgaben für Arzneimittel in den Jahren 2019 bis 2022 höher gewesen ist als die Ausgabensteigerungen der Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt. So lag der Anstieg der Leistungsausgaben für Arzneimittel in den vergangenen zehn Jahren sechs Mal über dem Anstieg der Leistungsausgaben insgesamt pro Versichertem.
103Die von den Beschwerdeführerinnen und teilweise auch von den zur Stellungnahme aufgeforderten Verbänden vorgebrachten Berechnungen sind nicht geeignet, diese Einschätzung des Gesetzgebers zu erschüttern. Sie stellen die Tragfähigkeit der die Annahme des Gesetzgebers stützenden (und vom Bundesministerium für Gesundheit vorgebrachten) Berechnungen selbst nicht infrage, sondern nutzen andere Bezugspunkte und Berechnungsmethoden und gelangen so zu einem anderen Ergebnis. Erst recht wird nicht aufgezeigt, dass die Einschätzung des Gesetzgebers hinsichtlich der Ausgabendynamik im Arzneimittelbereich derart fehlsam ist, dass der gesetzgeberische Spielraum überschritten wäre.
104(bb) In den Gesetzesmaterialien und in der Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit wird ausgeführt, dass auf der Ausgabenseite eine Stabilisierung der erheblichen Ausgabendynamik - insbesondere im Bereich patentgeschützter Arzneimittel - erforderlich sei (vgl. BTDrucks 20/3448, S. 1). Dementsprechend betrifft der Herstellerabschlag, wie auch weitere, hier nicht direkt der Prüfung unterliegende Maßnahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, insbesondere neue, patentgeschützte Arzneimittel. Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass patentgeschützte Arzneimittel in besonderem Maße für die jüngsten Kostensteigerungen ursächlich seien, ist ebenfalls nicht offensichtlich fehlsam. Nach den allgemein verfügbaren und den im Stellungnahmeverfahren vorgelegten Zahlen ist der Anteil patentgeschützter Arzneimittel an den Umsätzen aller Arzneimittel, wie der Umsatz von Patentarzneimitteln, überwiegend überproportional gestiegen. Gleiches gilt auch für die Jahrestherapiekosten neuer Arzneimittel (vgl. auch Ludwig/Mühlbauer, in: Ludwig/Mühlbauer/Seifert, Arzneiverordnungsreport 2022, S. 3 <7 ff., 16>; Ludwig/Mühlbauer, in: Ludwig/Mühlbauer/Seifert, Arzneiverordnungsreport 2023, S. 3 <8>; Greiner/Witte/Gensorowsky/Diekmannshemke, AMNOG-Report 2024, S. 21 f.).
105(f) Danach ist der Herstellerabschlag angemessen. Die besondere Verantwortung des Gesetzgebers für die Kostenstabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und die besondere Einwirkung sozialstaatlicher Gesetzgebung auf die aus der Sicht des Gesetzgebers für die Kostensteuerung mitverantwortlichen pharmazeutischen Unternehmer spricht für ein deutliches Überwiegen des gesetzgeberisch angestrebten Gemeinwohlziels. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verfolgt das Ziel der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung nicht anlasslos. Das Gemeinwohlziel wird durch die Maßnahme erheblich gefördert. Dabei ist die mit dem Gesamtpaket verfolgte Kostendämpfung im Verhältnis zum Anlass nicht unangemessen. Weiter knüpft der Gesetzgeber mit dem Herstellerabschlag an bestehende Instrumente an, deren Wirkung seiner Auffassung nach für die Zukunft allein nicht mehr ausreicht. Darüber hinaus ist der Herstellerabschlag auch nicht singulärer Natur, sondern eingebettet in ein Maßnahmenbündel, von dem auch andere Leistungserbringer betroffen sind (vgl. BVerfGE 70, 1 <33 f.>; 114, 196 <245>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 682/01 -, NVwZ-RR 2005, S. 1 <2>).Schließlich erscheint es auch naheliegend, dass der Staat dann, wenn er eine pandemiebedingte besondere staatliche Förderung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung wieder zurückführen und in vorpandemische Verhältnisse überführen möchte, für eine Übergangszeit von einem Jahr ein kurzfristig wirksames Instrument ergreift, bevor andere, stärkere, auf eine langfristige Konsolidierung ausgerichtete Maßnahmen Wirkung entfalten (vgl. BTDrucks 20/3448, S. 40 f.).
106(2) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Grenzen der Zumutbarkeit wegen der Gefahr der Erdrosselung des betroffenen Wirtschaftszweigs überschritten wären (vgl. dazu BVerfGE 68, 193 <223>; 114, 196 <246>). Auch wenn eine Kostendämpfung durch § 130a Abs. 1b SGB V, insbesondere bei einer Ex-post-Betrachtung, in einem Umfang von 1,3 Milliarden Euro für sich genommen volumenmäßig erheblich ist, so liegt dennoch keine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze vor. Dies gilt nicht nur, weil nach den bislang vorliegenden Evaluationsberichten keine tatsächlichen Anzeichen für eine Instabilität der pharmazeutischen Industrie in Deutschland oder eine Gefährdung der Versorgungssicherheit im Arzneimittelbereich ersichtlich sind (vgl. BTDrucks 20/10008, S. 8; Höer/Maag/Barton/Gerbsch/Albrecht, AMNOG-Evaluation, Dezember 2024, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/details/amnog-evaluation.html, S. 26). Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, dass die Preise für identische Patentarzneimittel in Deutschland bisher verglichen mit anderen europäischen Ländern im Schnitt höher ausfallen (vgl. Ludwig/Mühlbauer, in: Ludwig/Mühlbauer/Seifert, Arzneiverordnungsreport 2023, S. 3 <17 f.>) und weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass der bis zum geltende Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V insoweit zu einer relevanten Marktveränderung geführt hat, zumal auch noch ein Re- und Parallelimport von Arzneimitteln möglich war. Weiter spricht der von der Bundesregierung vorgebrachte Umstand, dass Deutschland hinsichtlich des Zugangs zu neuen Arzneimitteln im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz belegt, dafür, dass die Rentabilität der Berufstätigkeit pharmazeutischer Unternehmer derzeit nicht gefährdet ist. Zudem ist bisher weder ein Rückgang der Betriebe noch der Anzahl der Beschäftigten in der pharmazeutischen Industrie in relevantem Umfang zu beobachten (vgl. Höer/Maag/Barton/Gerbsch/Albrecht, AMNOG-Evaluation, Dezember 2024, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/details/amnog-evaluation.html, S. 29).
107(3) Auch die Einbeziehung der Arzneimittelimporteure in den Herstellerabschlag ist nicht unangemessen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Bereich plausibel als ursächlich für den starken Ausgabenanstieg angesehen hat. Zwar werden Arzneimittelimporteure aufgrund der Regelung des § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V dazu veranlasst, ihre Abgabepreise im Vergleich zu den Preisen des originären Arzneimittelherstellers um 15 % (beziehungsweise je nach Abgabepreis 15 Euro oder 5 %) niedriger zu halten. Aufgrund dieser "Anbindung" an die Preise der Originalarzneimittel ist es aber nachvollziehbar, dass auch parallelimportierte Patentarzneimittel für Ausgabensteigerungen ursächlich sind. Auch liegt es im Interesse der Versorgung der Versicherten und damit im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers, Parallelimporte als wesentlichen Beitrag zum Erhalt des Wettbewerbs zu fördern, dabei aber zugleich die Wettbewerbswirkung durch Parallelimporte zu sichern. Um den Preisabstand zwischen Originalarzneimitteln und Parallelimporten zu wahren, müssen entsprechende Preisregulierungsinstrumente auch für diese gelten.
II.
108Die Beschwerdeführerin im Verfahren zu I. ist durch den Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Zwar liegt eine Gleichbehandlung von Arzneimittelimporteuren und -herstellern vor (1), diese ist allerdings sachlich gerechtfertigt (2).
1091. Arzneimittelimporteure und Hersteller von Arzneimitteln werden durch § 4 Abs. 18 AMG in der Gruppe der pharmazeutischen Unternehmer zusammengefasst. Sie unterliegen darum, unabhängig davon, ob sie Arzneimittel herstellen und in den Verkehr bringen oder ob sie diese aus dem Ausland importieren und in Deutschland in den Verkehr bringen, dem Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V.
1102. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Daraus folgt unter anderem das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei ist der Gesetzgeber nicht gehalten, Ungleiches unter allen Umständen ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 161, 163 <252 Rn. 239>). Führt die Gleichbehandlung jedoch zu ungleichen Belastungswirkungen, bedarf sie der Rechtfertigung. Dabei muss die Bedeutung der mit der gleichen Behandlung verfolgten Ziele in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Ungleichheit des zu ordnenden Lebenssachverhalts und dem Ausmaß der sich hieraus bei gleicher Behandlung ergebenden Benachteiligung stehen (vgl. BVerfGE 161, 163 <276 Rn. 314>). Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 138, 136 <180 Rn. 121>; 139, 285 <309 Rn. 70>; 161, 163 <252 f. Rn. 239>). Die Kriterien für die nähere Bestimmung der Strenge der Bindung entsprechen dabei denen des Gleichheitssatzes in Form des Differenzierungsverbots (siehe oben Rn. 64).
111Vorliegend unterliegt die vom Gesetzgeber vorgenommene Gleichbehandlung keinen hohen Rechtfertigungsanforderungen. Zwar kann das Vorliegen eines nicht unerheblichen Eingriffs in die Berufsfreiheit auch zu erhöhten Rechtfertigungsanforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG führen (vgl. zum Differenzierungsverbot BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom - 1 BvR 548/22 -, Rn. 123 f.). Hier verbleiben die Rechtfertigungsanforderungen aber beim Willkürverbot, weil die Differenzierung weder an einer Person noch an einem Produkt, sondern nur am Vertriebsweg anknüpft und zudem in einen Sachbereich fällt, in welchem dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zukommt.
112Gemessen an diesem Maßstab scheidet ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG offensichtlich aus. Mit der Gleichbehandlung verfolgt der Gesetzgeber den sachlichen Grund der Kostendämpfung gerade im Bereich patentgeschützter Arzneimittel und bezieht darum auch Importeure von Patentarzneimitteln in die Kostendämpfungsmaßnahme mit ein. Eine generelle Ausnahme der Arzneimittelimporteure vom Herstellerabschlag erschwerte die Erreichung des Regelungszwecks. Zwar werden Arzneimittelimporteure aufgrund der Regelung des § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V dazu veranlasst, ihre Abgabepreise im Vergleich zu den Preisen des Originalarzneimittels um 15 % (beziehungsweise je nach Abgabepreis 15 Euro oder 5 %) niedriger zu halten. Aufgrund dieser "Anbindung" an die Preise der Originalarzneimittel ist es aber nachvollziehbar, dass auch parallelimportierte Patentarzneimittel für Ausgabensteigerungen ursächlich sind.
113Darüber hinaus liegt es im Interesse der Versorgung der Versicherten und im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers, den Preisabstand zwischen Originalarzneimitteln und Parallelimporten als wesentlichen Beitrag der Parallelimporte zum Erhalt des Wettbewerbs zu wahren (siehe oben Rn. 107).
III.
114Auch § 130a Abs. 3a SGB V (Verlängerung des Preismoratoriums) bewirkt einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerinnen aus Art. 12 Abs. 1 GG (1), der jedoch ebenfalls gerechtfertigt ist (2).
1151. Die Pflicht, den Krankenkassen für einen bestimmten Zeitraum einen Abschlag in Höhe des Betrags der Preiserhöhung zu gewähren, greift unmittelbar in die Preisbestimmungsfreiheit der Beschwerdeführerinnen und damit in deren Berufsausübungsfreiheit ein. Im Hinblick auf die Beschwerdeführerin im Verfahren zu I. ist zwar zu berücksichtigen, dass § 130a Abs. 3a Satz 6 SGB V eine Sonderregelung für Importarzneimittel vorsieht, die Preiserhöhungen aus der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3a Satz 1 SGB V (teilweise) herausnimmt, soweit das (preiserhöhte) Importarzneimittel für die Krankenkassen immer noch in dem in § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V bestimmten Umfang billiger als das Bezugsarzneimittel bleibt. Soweit es allerdings den Mindestpreisabstand nach § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V nicht einhält, unterliegt auch das Importarzneimittel diesem auf dem Preismoratorium beruhenden Herstellerabschlag, so dass auch die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin im Verfahren zu I. betroffen ist.
1162. Der Eingriff in die Berufsfreiheit der pharmazeutischen Unternehmer durch das verlängerte Preismoratorium ist gerechtfertigt. Er genügt dem Gebot der Verhältnismäßigkeit, denn er dient einem legitimen Zweck (a) und ist zur Verfolgung dessen geeignet, erforderlich (b) und angemessen (c).
117a) Auch § 130a Abs. 3a SGB V ist Teil des Maßnahmenbündels, das der Gesetzgeber mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung beschlossen hat. Hierbei handelt es sich um ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel, auf das sich der Gesetzgeber berufen durfte (vgl. die Ausführungen zum Herstellerabschlag, Rn. 77 ff.). Nach plausibler Auffassung des Gesetzgebers trägt die Beibehaltung des Preismoratoriums über den hinaus bis zum über die Vermeidung von erwarteten Preissteigerungen wesentlich zur Stabilisierung der Ausgaben für Arzneimittel bei (vgl. BTDrucks 20/3448, S. 41). Durch das Preismoratorium soll verhindert werden, dass sich eine Erhöhung des Herstellerabgabepreises zu Lasten des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung auswirkt.
118b) Das Preismoratorium ist zur Erreichung der angestrebten finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung geeignet, weil Preiserhöhungen zu einer Abschlagspflicht in entsprechender Höhe führen. Ein anderes, gleich wirksames Mittel, um Ausgabensteigerungen durch Preiserhöhungen zu begegnen, ist nicht ersichtlich.
119c) Das verlängerte Preismoratorium belastet die Beschwerdeführerinnen nicht in unzumutbarer Weise. Die Abwägung zwischen den Auswirkungen des Grundrechtseingriffs auf die pharmazeutischen Unternehmer einerseits (aa) und dem vom Gesetzgeber verfolgten legitimen Gemeinwohlziel andererseits (bb) ergibt ein Überwiegen des mit § 130a Abs. 3a SGB V verfolgten Gemeinwohlziels (cc).
120aa) Bei der Bestimmung des Eingriffsgewichts sind vor allem die Abschlagshöhe (1) und die Belastung in zeitlicher Hinsicht (2), aber auch die Möglichkeit eines Inflationsausgleichs (3) und bestehende Ausnahmeregelungen (4) sowie Vertrauensaspekte (5) zu berücksichtigen. Danach liegt mit dem verlängerten Preismoratorium, das in faktischer Hinsicht wie eine Preisobergrenze einzustufen ist, ein erheblicher bis schwerer Grundrechtseingriff vor.
121(1) Die Krankenkassen erhalten, wenn sich der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers gegenüber dem in § 130a Abs. 3a und 3d SGB V festgelegten Preisstand erhöht, einen Abschlag in Höhe des Betrags der Preiserhöhung. Der Preis wird gewissermaßen "eingefroren" auf den Herstellerabgabepreis, der am (beziehungsweise bei Markteinführung nach dem zum Zeitpunkt der Markteinführung) galt (allerdings unter Berücksichtigung eines Inflationsausgleichs ab dem ).
122(2) Bei der Beurteilung des Eingriffsgewichts des Preismoratoriums ist zwar zu berücksichtigen, dass dessen Verlängerung durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz die Zeit vom bis zum , also nur vier Jahre, betrifft. Allerdings wurde das ursprünglich bis zum laufende Preismoratorium in der Vergangenheit bereits mehrfach verlängert, so dass es mittlerweile bereits über 14 Jahre in Kraft ist und darum in der Gesamtschau keine kurzfristige Maßnahme mehr darstellt.
123(3) Die preisdämpfenden Wirkungen des verlängerten Preismoratoriums werden über den in § 130a Abs. 3a Satz 2 SGB V vorgesehenen Inflationsausgleich etwas abgemildert, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein Preisstopp ohne Inflationsausgleich grundsätzlich voraussetzt, dass der allgemeine Preisanstieg in dieser Zeit sich in Grenzen hält (vgl. BVerfGE 70, 1 <31>).
124(4) Auch für das Preismoratorium sieht § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V basierend auf Art. 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom einen Ausnahmeantrag bei Vorliegen besonderer Gründe vor, über den das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle entscheidet. Diese Freistellungsmöglichkeit erstreckt sich nach § 130a Abs. 9 SGB V darüber hinaus auf Arzneimittel für seltene Leiden. Im Hinblick auf die Angemessenheit des Preismoratoriums gerade für Arzneimittelimporteure ist zudem die Sonderregelung des § 130a Abs. 3a Satz 6 SGB V zu berücksichtigen (siehe oben Rn. 115). Diese Regelungen mindern das Eingriffsgewicht ebenfalls etwas ab.
125(5) Das Preismoratorium war vor Inkrafttreten des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes bis zum befristet. Eine ausdrückliche Befristung einer belastenden Maßnahme begründet in der Regel zwar ein gesteigertes Vertrauen der Betroffenen dahingehend, dass nach Ende der Befristung die Belastung entfällt. Da das Preismoratorium in der Vergangenheit aber bereits mehrfach verlängert worden war und (auch) dazu dient zu verhindern, dass pharmazeutische Unternehmer ihre Abschlagsverpflichtungen umgehen, lag eine Verlängerung des Preismoratoriums jedenfalls nicht fern, so dass sich ein besonderes Vertrauen in das Entfallen des Preismoratoriums zum nicht entwickeln konnte.
126bb) Dem Eingriff steht ein Gemeinwohlziel von überragendem Wert gegenüber, das nach tragfähiger Annahme des Gesetzgebers erheblich gefördert wird (vgl. Rn. 90 ff.).
127cc) Die mit dem verlängerten Preismoratorium einhergehende Beeinträchtigung der nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der pharmazeutischen Unternehmer steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung und Dringlichkeit der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies folgt - wie beim Herstellerabschlag - aus der überragenden Bedeutung des Gemeinschaftsguts unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 114, 196 <248>), die auch einen erheblichen bis schweren Eingriff rechtfertigen kann. Hierbei ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass die Betroffenen von der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung selbst profitieren und der sozialpolitischen Gesetzgebung besonders unterworfen sind (siehe oben Rn. 99). Zudem ist auch hier die besondere Ursächlichkeit der Abgabe gerade auch der patentgeschützten Arzneimittel für die eingetretenen und künftig zu erwartenden Kostensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachten (siehe oben Rn. 101 ff.). Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz beeinträchtigt zudem den Vertrauensschutz von pharmazeutischen Unternehmern nicht in besonderem Maße, da anlassbezogen an bekannte Kostendämpfungsmaßnahmen angeknüpft wird (siehe oben Rn. 100). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Grenzen der Zumutbarkeit wegen der Gefahr der Erdrosselung des betroffenen Wirtschaftszweigs überschritten wären (siehe oben Rn. 106).
128Im Hinblick auf die Angemessenheit des Preismoratoriums gerade für Arzneimittelimporteure ist zudem die Sonderregelung des § 130a Abs. 3a Satz 6 SGB V zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber trägt damit einerseits den begrenzten Möglichkeiten der Arzneimittelimporteure Rechnung, Preiserhöhungen auf ausländischen Märkten auszugleichen, und gewährleistet andererseits, dass der gesetzliche Preisabstand zu den Bezugsarzneimitteln auch im Rahmen der Regelungen zum Ausschluss von Erhöhungen der Abrechnungspreise mit den Krankenkassen erhalten bleibt. Dies trägt zur Erhaltung des Wettbewerbs durch preisgünstige Importarzneimittel bei (vgl. BTDrucks 16/194, S. 10).
IV.
129Auch bei einer additiven Betrachtung der gesetzgeberischen Maßnahmen ergibt sich keine Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführerinnen. Grundsätzlich ist es zwar möglich, dass verschiedene einzelne, für sich betrachtet geringfügige Eingriffe in grundrechtlich geschützte Bereiche zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung führen, die das Maß der rechtsstaatlich hinnehmbaren Eingriffsintensität überschreitet (vgl. BVerfGE 112, 304 <319 f.>; 114, 196 <247>; 159, 223 <349 Rn. 290>). Eine solche ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich.
130Die angegriffenen Regelungen betreffen zwar denselben Adressatenkreis (pharmazeutische Unternehmer), entfalten zeitgleich Wirkung (wegen des zeitlich begrenzten Herstellerabschlags galt dies nur bis zum ), greifen jeweils in die Berufsausübungsfreiheit der Normadressaten ein und dienen im Kern demselben Zweck, der Senkung der Arzneimittelausgaben und damit der finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei der Frage, ob eine rechtsstaatlich nicht mehr hinnehmbare Eingriffsintensität vorliegt, ist allerdings zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem mit den angegriffenen Regelungen verfolgten Ziel der finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung um ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel handelt, dessen Erreichung erheblich gefördert wird, und dass die pharmazeutischen Unternehmer als Nutznießer des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung in erhöhtem Maße den Einwirkungen sozialstaatlicher Gesetzgebung unterliegen. Darüber hinaus sind die Belastungen zeitlich begrenzt. Der Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1b SGB V hatte lediglich eine Geltungsdauer von einem Jahr (bis ) und ist mittlerweile abgelaufen. Damit war aber gerade die zeitgleiche Wirkung des Herstellerabschlags und des Preismoratoriums auf das Jahr 2023 begrenzt. Zudem kann in Härtefällen ein Ausnahmeantrag nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V gestellt werden. Beeinträchtigungen, die das Maß der rechtsstaatlich hinnehmbaren Eingriffsintensität überschreiten, sind in der Zusammenschau nicht erkennbar. Anhaltspunkte dafür, dass der Herstellerabschlag und das verlängerte Preismoratorium in ihrem kumulativen Zusammenwirken - auch unter Berücksichtigung bisher schon bestehender Beschränkungen - das Geschäftsmodell der Beschwerdeführerinnen ernsthaft bedrohen, liegen ebenfalls nicht vor. Die anderen im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz enthaltenen Kostendämpfungsmaßnahmen können nicht in die Bewertung einbezogen werden. Soweit die Beschwerdeführerinnen die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes nicht hinreichend dargelegt haben, kann eine Kumulation von Grundrechtseingriffen nicht abschließend geprüft werden (siehe oben Rn. 40).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rs20250507.1bvr150723
Fundstelle(n):
AAAAJ-95448