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BGH Beschluss v. - 2 ARs 167/25

Gründe

1Die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte Cottbus und Leipzig streiten darüber, wer für die Entscheidung nach § 119a StVollzG zuständig ist.

I.

2Das Landgericht Neuruppin verhängte gegen den Verurteilten am wegen versuchten Mordes u.a. eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten und ordnete seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Der Verurteilte verbüßte die Strafe zunächst in der Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen, später in der Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben. Das Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Cottbus stellte zuletzt mit Beschluss vom fest, dass die dem Verurteilten von der Vollzugsbehörde angebotene Betreuung den gesetzlichen Anforderungen des § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprochen habe. Am wurde er wegen psychischer Auffälligkeiten zur Behandlung in das Haftkrankenhaus der Justizvollzugsanstalt Leipzig verlegt.

3Mit Verfügung vom legte die Staatsanwaltschaft Neuruppin die Akten dem Landgericht Cottbus zur neuerlichen Entscheidung nach § 119a StVollzG vor. Auf Nachfrage des Landgerichts teilte die Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben mit, dass nicht abschätzbar sei, wann der Verurteilte in die Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben zurückkehren werde.

4Daraufhin verwies das das Verfahren für die nach § 119a StVollzG zu treffende Entscheidung an das Landgericht Leipzig. Dieses wiederum verneinte seine Zuständigkeit und verwies die Sache mit Beschluss vom zurück an das Landgericht Cottbus. Zwischenzeitlich war der Verurteilte am in die im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Potsdam gelegene Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel verlegt worden.

5Das Landgericht Cottbus hat das Verfahren über die Staatsanwaltschaft Neuruppin dem Bundesgerichtshof zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.

II.

61. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht der Landgerichte Cottbus (Oberlandesgerichtsbezirk Brandenburg) und Leipzig (Oberlandesgerichtsbezirk Dresden) zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen.

72. Zuständig für das Verfahren zur Feststellung der Vereinbarkeit von Maßnahmen im Strafvollzug mit dem Gesetz (§ 119a StVollzG) ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Leipzig.

8Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:

„Nach § 119a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 110 StVollzG ist grundsätzlich die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. Die Dauer des vom Gericht zu überprüfenden Zeitraums ist in § 119a Abs. 3 Satz 1 StVollzG mit zwei Jahren festgesetzt und kann verlängert, aber nicht abgekürzt werden. In dem Überprüfungszeitraum kann es zu einer Zuständigkeitsänderung durch eine nicht nur vorübergehende ‚Verlegung‘ des Verurteilten in eine Vollzugsanstalt im Bezirk eines anderen Gerichtes kommen, weil das Gesetz für das Verfahren nach § 119a StVollzG, anders als im Verfahren nach § 462a StPO, keine Fortwirkung der zuerst begründeten Gerichtszuständigkeit vorsieht (vgl. , BeckRS 2016, 21432, Rn. 32). Da durch den Verweis von § 119a Abs. 6 Satz 3 StVollzG auf die Vorschrift des § 110 StVollzG die Zuständigkeit der auch räumlich möglichst vollzugsnahen Strafvollstreckungskammer begründet werden soll, ist diejenige Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk sich der Verurteilte am Ende des Überprüfungszeitraumes aufhält; dies deshalb, weil diese Strafvollstreckungskammer die für das Verfahren nach § 119a StVollzG größte Sachnähe aufweist (vgl. , BeckRS 2020, 21206, Rn. 10 m.w.N.).

Die Zuständigkeit einer Strafvollstreckungskammer kann durch einen Verweisungsbeschluss einer anderen Strafvollstreckungskammer begründet werden (vgl. BGH a.a.O., Rn. 12; Beschlüsse vom – 2 ARs 5/16, BeckRS 2016, 21432, Rn. 33, und vom – 2 ARs 543/89, juris Rn. 4). Grundsätzlich ist ein solcher Beschluss für das darin bestimmte Gericht nach § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend, selbst wenn dieser fehlerhaft ist (vgl. , BeckRS 2020, 21206, Rn. 12; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 27. Ed. , StVollzG § 110 Rn. 5). Eine Bindungswirkung tritt nur ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisungsentscheidung willkürlich erscheint, namentlich, wenn eine örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, an die der Rechtsstreit verwiesen worden ist, unter keinem Gesichtspunkt in Betracht kommt oder die Verweisung sonst inhaltlich grob und offensichtlich fehlerhaft ist (vgl. , BeckRS 2018, 22683, Rn. 8; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 110 Rn. 4; BeckOK a.a.O.; jeweils m.w.N.).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Verweisungsbeschluss des ist mit Blick darauf, dass sich der Verurteilte nicht nur vorübergehend, sondern seit dem stationär im Haftkrankenhaus der Justizvollzugsanstalt Leipzig befand, weder willkürlich noch sonst grob oder offensichtlich fehlerhaft erfolgt. Er ist ferner zur Vorbereitung der Entscheidung vor Ablauf der gesetzlichen Frist des § 119a Abs. 3 Satz 1 StVollzG zu einer angemessenen Zeit erfolgt (vgl. hierzu , BeckRS 2020, 21206, Rn. 14). Ein Ende der Behandlung des Verurteilten in dem vorgenannten Haftkrankenhaus war zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar. Vor diesem Hintergrund ist die Bindungswirkung der Verweisungsentscheidung nicht ausnahmsweise entfallen. Damit ist das Landgericht – Strafvollstreckungskammer Leipzig – für die nach § 119a StVollzG zu treffende Entscheidung aufgrund des Verweisungsbeschlusses vom zuständig (geworden).“

9Dem schließt sich der Senat an.

Menges                         Appl                         Zeng

                Grube                       Schmidt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:070525B2ARS167.25.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-95437