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BGH Urteil v. - VIa ZR 383/22

Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 6 U 23/21vorgehend LG Bamberg Az: 13 O 237/20

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Sie erwarb im März 2017 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Audi A7 Sportback 3.0 TDI, der mit einem Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.

2Die Klägerin verlangt im Wesentlichen, sie im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe sie den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung, mit welcher die Klägerin die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 2), hilfsweise die Feststellung der Verpflichtung, Schadensersatz wegen der Manipulationen zu leisten (Berufungsantrag zu 2a), die Feststellung des Annahmeverzugs (Berufungsantrag zu 3) und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 4) begehrt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat im tenorierten Umfang zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Schlussanträge aus der Berufungsinstanz insoweit weiter.

Gründe

3Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Einem Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB stehe entgegen, dass es an der hinreichend substantiierten Darlegung eines vorsätzlichen und sittenwidrigen schädigenden Verhaltens der Beklagten fehle. Die Implementierung eines "Thermofensters" und der vom Kraftfahrt-Bundesamt beanstandeten Reagens-Restreichweite-Eindüsung stelle sich nicht als sittenwidrig dar. Der Klägerin stehe auch kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu. Die Regelungen der EG-FGV stellten keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, da das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Normen liege.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angegriffenen Zurückweisungsbeschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Die angefochtene Entscheidung ist demnach im tenorierten Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher im Umfang des Urteilsausspruchs zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

11Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

Möhring                   Katzenstein                   Ostwaldt

                  Tausch                           Pastohr

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:090725UVIAZR383.22.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-95338