Instanzenzug: LG Deggendorf Az: 1 KLs 4 Js 6071/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht unter Einbeziehung „des Urteils des Amtsgerichts Passau vom “ (Az. ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es wegen unerlaubter Einreise nach Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung und eines zweiten Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat gegen ihn verhängt. Der Angeklagte wendet sich nach teilweiser Revisionsrücknahme mit seinem auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsmittel lediglich gegen seine Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz. Die Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Das Rechtsmittel ist auf die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubter Einreise nach Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung im Fall C. I. 2. der Urteilsgründe sowie die Aussprüche über die Gesamtstrafen beschränkt. Zwar hat der Verteidiger des Angeklagten fristgemäß unbeschränkt Revision eingelegt und diese später auch umfassend begründet. Der Angeklagte selbst hat jedoch mit undatiertem Schreiben, eingegangen beim Landgericht am , nach Ablauf der Wochenfrist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO) erklärt, er sei mit der Verurteilung wegen der Verstöße gegen Weisungen während der Führungsaufsicht einverstanden und wende sich nur gegen seine Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz. Dies ist als Teilrücknahme (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO) der durch den Verteidiger zunächst unbeschränkt eingelegten Revision zu werten (vgl. Rn. 3).
32. Soweit das Urteil nach teilweiser Rücknahme des Rechtsmittels noch der Überprüfung durch den Senat unterliegt, deckt die auf die Sachrüge veranlasste materiell-rechtliche Nachprüfung weder im Schuldspruch noch im Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafe einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf. Hingegen hält die Gesamtstrafenbildung nach §§ 54, 55 StGB rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, das Urteil des Amtsgerichts Passau vom , das am rechtskräftig geworden war, entfalte eine Zäsurwirkung dergestalt, dass lediglich die im Fall C. I. 1. b) der Urteilsgründe (Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht am ) verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten mit der in dem amtsgerichtlichen Urteil festgesetzten Geldstrafe von 50 Tagessätzen gesamtstrafenfähig sei. Es hat, wie ausgeführt, aus diesen Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten gebildet. Die in dem Fall C. I. 1. a), dem weiteren Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht (§§ 145a, 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StGB), und dem Fall C. I. 2. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen von elf und neun Monaten hat die Strafkammer auf eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat zurückgeführt. Dem liegt offensichtlich die Wertung zugrunde, beide Taten seien – was zutreffend ist – erst nach dem am beendet gewesen. Als maßgeblichen Zeitpunkt für die „frühere Verurteilung“ im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB hat das Landgericht ersichtlich auf den abgestellt.
5b) Als „frühere Verurteilung“ gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB, bei der die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten, gilt das letzte tatrichterliche Sachurteil oder ein ihm gleichstehendes Erkenntnis (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 4 mwN). Diesen Zeitpunkt hat das Landgericht nicht mitgeteilt. Ohne Kenntnis dessen bleibt dem Senat die Möglichkeit verschlossen, zu überprüfen, ob die Strafkammer rechtsfehlerfrei von einer Zäsurwirkung des amtsgerichtlichen Urteils ausgegangen ist oder nicht vielmehr aus allen vier Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe hätte gebildet werden müssen. Angesichts der langen Zeitspanne zwischen dem Erlass des amtsgerichtlichen Erkenntnisses vom und dem Eintritt der Rechtskraft am ist nicht auszuschließen, dass nach dem eine weitere Sachentscheidung – etwa nach Einspruch gegen den Strafbefehl oder in einem Berufungsverfahren – ergangen ist.
63. Die Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen, sind möglich und hinsichtlich des Verfahrensgangs betreffend das einbezogene Erkenntnis geboten.
74. Der Senat weist darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot (§ 331 Abs. 1 StPO) auch gilt, wenn – wie hier – im Berufungsverfahren ein amtsgerichtliches Urteil aufgehoben und die Sache an die erstinstanzlich zuständige Strafkammer des Landgerichts verwiesen worden ist (§ 328 Abs. 2 StPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 564/20 Rn. 2 und vom – 4 StR 386/16 Rn. 3; jeweils mwN). Das von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrenshindernis gilt tatbezogen und wirkt sich nicht lediglich auf die Gesamtstrafenbildung aus ( Rn. 5 mwN). Soweit das Landgericht im Fall C. I. 1. a) hiergegen verstoßen hat, weil die Einzelfreiheitsstrafe von elf Monaten die durch das Amtsgericht in seinem Urteil vom für diese Tat festgesetzte Einzelfreiheitsstrafe von zehn Monaten überschreitet, ist dem Senat wegen der insoweit eingetretenen Rechtskraft ein Eingreifen verwehrt. Im Rahmen der neuen Gesamtstrafenbildung kann dem jedoch Rechnung getragen werden.
Jäger Wimmer Leplow
Allgayer Welnhofer-Zeitler
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:150525B1STR189.25.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-95136