Nachträgliche Änderung der Regelbeurteilung und der Personalentwicklungsbewertung
Leitsatz
Nachträgliche Änderungen von dienstlichen Beurteilungen sind im Soldatenrecht nur bei ordnungsgemäßer Eröffnung und unter den Voraussetzungen der §§ 48 ff. VwVfG zulässig.
Gesetze: § 6 Abs 1 WBO, § 48 Abs 1 S 1 VwVfG, § 48 Abs 4 VwVfG
Tatbestand
1Der Antragsteller wendet sich gegen Änderungen seiner planmäßigen Beurteilung zum Stichtag und der parallel erstellten Personalentwicklungsbewertung.
2Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem September 2046 enden. Im März 2020 wurde er zum Korvettenkapitän befördert und mit Wirkung vom in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 H eingewiesen. Nach dem Beurteilungszeitraum wurde er 2024 zum Fregattenkapitän (A 14) befördert.
3Der Antragsteller war zum zur ... in ... auf einen A 12-Dienstposten als Einsatzoffizier und Einheitsführer versetzt worden. Zum wurde er auf einen mit A 13 H - A 14 bewerteten Dienstposten beim ... versetzt. Zum folgte eine Versetzung auf ein gleich dotiertes dienstpostenähnliches Konstrukt bei der Gruppe ... im ... in ... Nach dem Beurteilungszeitraum wurde der Antragsteller ab dem zum ... versetzt.
4Für den Beurteilungszeitraum erstellte der Leiter der Gruppe ..., Fregattenkapitän A, als Erstbeurteiler seinen Anteil der Regelbeurteilung am , der Zweitbeurteiler, der Kommandeur des ... Fregattenkapitän B, seinen Anteil unter dem . Die Schlussfassungen wurden dem Antragsteller am und am eröffnet. Auf eine Stellungnahme verzichtete er jeweils.
5Für denselben Zeitraum wurde unter dem im Anteil Erstbeurteiler und unter dem im Anteil Zweitbeurteiler auch eine Personalentwicklungsbewertung in Bezug auf den Antragsteller erstellt und diesem am jeweiligen Erstellungstag auch eröffnet. Auch hierzu nahm der Antragsteller nicht Stellung.
6Nachdem die Regelbeurteilung und die Personalentwicklungsbewertung der personalbearbeitenden Stelle, dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, vorgelegt worden waren, stellte dieses Mängel fest und forderte die Beurteiler zur Berichtigung auf:
7Die Berichtigungsverfügung vom merkte an, dass in der Regelbeurteilung die Aussage zur Bewährung im Einsatz fehle.
8Zur Personalentwicklungsbewertung wurde mit Berichtigungsverfügungen vom und vom angemerkt, dass eine Entwicklungsprognose A 16 durch einen Vorgesetzten mit mindestens dieser Dotierungshöhe bestätigt werden müsse und dass Vorschläge für Folgeverwendungen höchstens bis zur Ebene A 14 und maximal bis zur Ebene A 15 angeführt werden dürften. Die aktenkundigen Berichtigungsverfügungen geben eine Bekanntgabe an den Antragsteller jeweils am Tag der Verfügung an.
9In Umsetzung der Berichtigungsverfügungen wurde im Anteil Erstbeurteiler der Regelbeurteilung unter Punkt IX "Zusammenfassende Bewertung" der Satz
"In Einsätzen der BW würde er sich bewähren."
eingefügt. Im Anteil Erstbeurteiler der Personalentwicklungsbewertung wurden die Entwicklungsprognose und die Vorschläge für Folgeverwendungen entsprechend angepasst.
10Mit am beim Disziplinarvorgesetzten eingegangenem Schreiben beschwerte sich der Antragsteller dagegen, dass im Datenbestand Fassungen seiner Regelbeurteilung und Personalentwicklungsbewertung 2021 geführt würden, die von den ihm eröffneten Fassungen abwichen. Die Dokumente seien nachträglich zu seinem Nachteil verändert worden. Die geänderten Fassungen seien mit ihm nicht erörtert und ihm auch nicht eröffnet worden. Er habe von ihnen erst im Rahmen der Erstellung der Regelbeurteilung und Personalentwicklungsbewertung 2023/2024 erfahren.
11Im Rahmen der Beschwerdebearbeitung wurde durch den Erstbeurteiler am eine Stellungnahme abgegeben. Dieser führte u. a. aus, der Antragsteller sei über die Korrekturen schriftlich ("PBK mit Lesebestätigung") und telefonisch durch das Geschäftszimmer informiert worden. Der Zweitbeurteiler gab unter dem eine dienstliche Erklärung ab. Er könne nicht zweifelsfrei ausschließen, die Korrektur der Regelbeurteilung und die Berichtigungen der Personalentwicklungsbewertung als Zweitbeurteiler nicht persönlich eröffnet zu haben. Er gehe von einer Eröffnung durch den Erstbeurteiler aus.
12Mit dem Antragsteller am übergebenem Bescheid vom wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde zurück. Die Beschwerde wahre die Monatsfrist nicht und sei daher unzulässig. Nach den glaubhaften Angaben des Erstbeurteilers seien die korrigierten Fassungen der Beurteilung und der Personalentwicklungsbewertung mit Lesebestätigung an das persönliche E-Mail-Postfach des Antragstellers übermittelt worden. Zwar habe der Erstbeurteiler keine genauen Angaben zum Zeitpunkt der Übermittlung machen können. Es sei aber davon auszugehen, dass dies im zeitlichen Zusammenhang mit den Berichtigungsverfügungen vom , vom und vom erfolgt sei.
13Dem Vorbringen sei man unabhängig von der Unzulässigkeit der Beschwerde im Rahmen der Dienstaufsicht nachgegangen. Hiernach gebe es keinen Grund zum Einschreiten. Die Ergänzung der Regelbeurteilung folge Nr. 405 Satz 3 und 4 AR A-1340/50. Die Änderungen der Personalentwicklungsbewertung seien durch die Nr. 3.4 und 3.6.5 der Anlage 15.7 der AR A-1340/50 veranlasst gewesen. Über die Berichtigungen sei nach Nr. 801 AR A-1340/50 unterrichtet worden. Eine Aufhebung im Wege der Dienstaufsicht sei nach dem Erhalt der Regelbeurteilung von 2023 und der Personalentwicklungsbewertung von 2024 nach Nr. 901 Satz 3 AR A-1340/50 nicht mehr möglich.
14Hiergegen hat der Antragsteller am die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom dem Senat vorgelegt.
15Der Antragsteller macht geltend, eine fristauslösende Mitteilung sei 2022 an ihn nicht erfolgt. Ihm habe eine IT-Ausstattung gar nicht zur Verfügung gestanden. Bei den cc-Adressaten sei auch kein Eingang erfolgt. Die Beschwerde sei nicht verspätet. Er habe binnen eines Monats nach Kenntniserlangung der Änderungen Beschwerde eingelegt. Nebulöse Erklärungen von Vorgesetzten belegten die Verspätung nicht. Die lückenhafte Dokumentation gehe zu Lasten der Dienststelle. Die Maßnahmen seien mangels Eröffnung in gehöriger Form formell rechtswidrig. Aus den Gründen des Beschwerdeschreibens seien sie aufzuheben. Soweit durch Ablauf des Nutzungszeitraums Erledigung eingetreten sei, sei die Rechtswidrigkeit der Änderungen festzustellen. Das Rechtsschutzbedürfnis folge aus künftigen Rechtswirkungen etwa bei Auswahlentscheidungen.
16Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
17Es verweist auf den Beschwerdebescheid und führt ergänzend aus, die nachträglichen Änderungen der Personalentwicklungsbewertung entfalteten im Hinblick auf den Beschluss des Senats vom - 1 WB 64.22 - keine Rechtswirkungen mehr. Insoweit sei Erledigung eingetreten und es fehle an einem Feststellungsinteresse, da die Personalentwicklungsbewertung auch nicht mehr für Auswahlentscheidungen herangezogen werde. Das Rechtsschutzbedürfnis fehle auch im Hinblick auf die Änderung der Regelbeurteilung. Der Antragsteller habe auch in seiner aktuellen Regelbeurteilung dieselbe Prognose zur Einsatzbewährung erhalten. Die Aufhebung der Berichtigung wirke allenfalls nachteilig für ihn.
18Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Gründe
19Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
201. Der Antragsteller hat lediglich den prozessualen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Sein Rechtsschutzbegehren ist daher im Lichte seines Sachvortrages dahin auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3, § 88 VwGO), dass die in Umsetzung der Berichtigungsverfügungen des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom , vom und vom in seiner Regelbeurteilung vom / zum Stichtag und seiner parallelen Personalentwicklungsbewertung vom / vorgenommenen Änderungen sowie der Beschwerdebescheid vom aufgehoben werden.
21Die Berichtigungsverfügungen des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr können dagegen als interne Vorbereitungshandlungen nicht unmittelbar Gegenstand eines Antrages auf gerichtliche Entscheidung sein (vgl. 1 WB 3.07 - juris Rn. 19), so dass nicht davon auszugehen ist, dass der Antragsteller (auch) diese anfechten will.
222. Der nach § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO fristgemäß gestellte Antrag ist auch im Übrigen zulässig.
23a) Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung anfechtbare dienstliche Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO sind auch nachträgliche Ergänzungen oder Berichtigungen einer Regelbeurteilung oder einer Personalentwicklungsbewertung, jedenfalls wenn diese - wie hier - vom übrigen Regelungsgehalt abtrennbare Teile betreffen. Hat der beurteilte Soldat die beiden ursprünglichen dienstlichen Maßnahmen bestandskräftig werden lassen, ist ihm durch nachträgliche Eingriffe der personalbearbeitenden Stelle und der Beurteiler zwar nicht erneut der Weg zu einer Überprüfung der gesamten Maßnahmen eröffnet. Ihm ist aber wegen der vorgenommenen Änderungen effektiver Rechtsschutz durch die Wehrdienstgerichte zu gewähren.
24b) Der Antragsteller ist auch antragsbefugt. Ebenso wie ein Soldat eine Beurteilung und eine Personalentwicklungsbewertung mit der Begründung anfechten kann, sie verstoße gegen Rechte, die ihm in Bezug auf die Erstellung von Beurteilungen eingeräumt sind (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 27 m. w. N. und vom - 1 WB 31.17 - NVwZ-RR 2019, 54 Rn. 23), kann er dies auch hinsichtlich nachträglicher Änderungen derselben tun. Eine solche Rüge erhebt der Antragsteller hier, indem er Verstöße gegen die sich in Bezug auf Änderungen aus Nr. 801 Satz 3, Nr. 902 AR A-1340/50 ergebende Eröffnungspflicht geltend macht. Er kann auch die mit der Beschwerde geltend gemachte Rüge, dass die Änderungen inhaltlich zu seinem Nachteil seien, weiterführen, weil er damit der Sache nach eine zumindest mögliche Verletzung von Beurteilungsgrundsätzen durch die Inhalte der Änderungen geltend macht.
25c) Entgegen der Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Verteidigung fehlt dem Antrag nicht das Rechtsschutzinteresse.
26Insbesondere erledigt sich die planmäßige Beurteilung von 2021 und eine in diese eingefügte Ergänzung nicht durch die Erstellung einer aktuellen planmäßigen Beurteilung 2023 und zwar auch dann nicht, wenn die aktuelle Beurteilung dieselbe Prognose zur Einsatzbewährung enthält wie die streitgegenständliche Berichtigung. Die Aussage zu der voraussichtlichen Einsatzbewährung in der Regelbeurteilung ist zwar nicht ungünstig für den Antragsteller. Allerdings besteht zumindest ein Rechtsschutzinteresse für die Prüfung, ob die Einschätzung noch günstiger hätte ausfallen müssen. Ob ein Anspruch auf diese Prüfung besteht, ist eine Frage der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit des Antrages.
27Das Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung der Änderungen in der Personalentwicklungsbewertung fehlt nicht deshalb, weil die Personalentwicklungsbewertungen für den hier in Rede stehenden Stichtag wegen des Fehlens einer ausreichenden normativen Rechtsgrundlage für Personalmaßnahmen nicht mehr herangezogen werden. Dies hat der Senat bereits im Hinblick darauf entschieden, dass der Dienstherr durch Erlass ausgeschlossen hat, dass auf die fragliche Personalentwicklungsbewertung bei Auswahlentscheidungen abgestellt wird ( 1 WB 30.24 - juris Rn. 41). Denn die geänderte Fassung wird in einem elektronischen Personalbewirtschaftungssystem weiter zu Informationszwecken vorgehalten und von der Personalführung eingesehen. Zumindest die geänderte Regelbeurteilung ist im Übrigen Teil der Personalgrundakte des Antragstellers. Er hat ein schützenswertes Interesse daran, dass nur ordnungsgemäß in Kraft gesetzte Änderungen Teil der über ihn vom Dienstherrn geführten Personalunterlagen sind. Die hier in Rede stehenden Änderungen sind für den Antragsteller im Vergleich mit der Ausgangsfassung nachteilig, so dass er grundsätzlich ein Interesse am Erhalt der (bestandskräftigen) günstigeren Aussage zu seiner Entwicklung hat.
283. Der Antrag ist auch begründet.
29a) Dem Erfolg des Antrages steht die Bestandskraft der Änderungen nicht entgegen. Es ist nicht feststellbar, dass die am wirksam eingelegte Beschwerde die Monatsfrist des § 6 Abs. 1 WBO nicht wahrt, weil zum einen nicht feststellbar ist, zu welchem Zeitpunkt vor April/Mai 2024 dem Antragsteller die geänderte Fassung seiner Regelbeurteilung mündlich oder elektronisch bekannt gegeben worden ist. Zum anderen ist eine formal ordnungsgemäße Bekanntgabe, die erst die Beschwerdefrist anlaufen lässt, vom Bundesministerium der Verteidigung noch nicht einmal behauptet worden.
30aa) Die aktenkundigen geänderten Fassungen der Regelbeurteilung und der Personalentwicklungsbewertung weisen jeweils Eröffnungen der Schlussfassungen am , am bzw. am aus. Unstreitig erfolgten die streitgegenständlichen Änderungen aber erst nach den Berichtigungsverfügungen vom , vom und vom . Sie können daher nicht Inhalt der ordnungsgemäß eröffneten Schlussfassungen gewesen sein.
31Die aktenkundigen Ausdrucke der elektronischen Berichtigungsverfügungen und der zu ihnen im System hinterlegten Angaben können den Nachweis über die Bekanntgabe der Änderungen schon deshalb nicht führen, weil sie nur die Bekanntgabe der Berichtigungsverfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr ausweisen, nicht aber die Bekanntgabe ihrer Umsetzung durch die Beurteiler in Form der Änderungen bzw. Ergänzung der streitgegenständlichen Regelbeurteilung und Personalentwicklungsbewertung.
32Für deren Bekanntgabe an den Antragsteller liegen schriftliche oder elektronische Nachweise nicht vor. Der Antragsteller hat in seinem Beschwerdeschreiben die Kenntnisnahme von geänderten Fassungen der Regelbeurteilung und Personalentwicklungsbewertung erst im Zusammenhang mit der Beurteilungsrunde 2023/2024 angegeben. Nach diesen Angaben ist eine Verfristung der Beschwerde nicht festzustellen.
33Eine Bekanntgabe der Änderungen an den Antragsteller vor 2024 lässt sich nach den im Beschwerdeverfahren eingeholten dienstlichen Stellungnahmen der Beurteiler nicht mit der erforderlichen Überzeugungsgewissheit feststellen. Der Zweitbeurteiler konnte das Unterbleiben einer Eröffnung durch ihn nicht ausschließen und verweist auf den Erstbeurteiler. Dieser hat zwar eine elektronische und telefonische Bekanntgabe an den Antragsteller bestätigt, sich aber nicht zu deren Zeitpunkt geäußert. Was dem Antragsteller mit welchem Inhalt und wann daher elektronisch oder fernmündlich zugegangen ist, bleibt hiernach unklar. Mithin ist dem Antragsteller nicht nachzuweisen, dass er schon vor der elektronischen Einsichtnahme im April/Mai 2024 von dem geänderten Inhalt der vorangegangenen Beurteilung und Personalentwicklungsbewertung informiert worden war.
34Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Bundesministerium der Verteidigung mit Schriftsatz vom ergänzend übermittelten Stellungnahmen. Nach diesen konnte der nachrichtlich beteiligte S1-Bereich den Zugang der geänderten Fassungen weder bestätigen noch ausschließen. Zwar mag der Antragsteller - entgegen seinem Vortrag - über ein persönliches Postfach verfügt und zumindest über die Nutzung eines Gemeinschafts-PCs auch Zugriffsmöglichkeiten gehabt haben. Aus der Möglichkeit der Kenntnisnahme einer E-Mail folgt aber noch nicht mit hinreichender Sicherheit ihre tatsächliche Kenntnisnahme. Eine telefonische Übermittlung der durch die Beurteiler in der Regelbeurteilung und der Personalentwicklungsbewertung vorgenommenen Änderungen durch die Geschäftszimmersoldaten lässt sich der Stellungnahme von Frau Hauptbootsmann C nicht entnehmen.
35bb) Zudem fehlt eine ordnungsgemäße Eröffnung, die für den Beginn der Monatsfrist des § 6 WBO erforderlich gewesen wäre. Zwar setzt § 6 Abs. 1 WBO für den Beginn der Beschwerdefrist nur die tatsächliche, positive Kenntnis vom Beschwerdeanlass voraus. Etwas anderes gilt aber dann, wenn für eine truppendienstliche Maßnahme eine bestimmte Art der Bekanntgabe durch eine gesetzliche Regelung oder eine Verwaltungsvorschrift vorgeschrieben ist oder in ständiger Verwaltungspraxis durchgeführt wird; dann beginnt die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs erst mit dieser förmlichen Bekanntgabe zu laufen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 43.12 - juris Rn. 30 und vom - 1 WB 42.23 - juris Rn. 19). Eine elektronische oder fernmündliche Information genügt hier nicht den formellen Vorgaben aus Nr. 902 i. V. m. 801 AR A-1340/50. Hiernach ist dem Soldaten die zur Behebung eines Mangels erfolgte Ergänzung der Regelbeurteilung mitzuteilen. Diese Mitteilung hat durch Aushändigung der berichtigten Version zu erfolgen. Wie sich bereits aus dem Wortsinn des Begriffes Aushändigung ergibt und in Nr. 704 AR A-1340/50 auch klargestellt ist, verlangt die Aushändigung die Übergabe einer Ausfertigung in Papierform. Eine von dieser Vorgabe abweichende Verwaltungspraxis hat das Bundesministerium der Verteidigung nicht geltend gemacht.
36Dem Antragsteller ist hier eine schriftliche Information über die erfolgten Berichtigungen bzw. die Ergänzung der Regelbeurteilung und der Personalentwicklungsbewertung erst mit dem Beschwerdebescheid vom ausgehändigt worden. Vorher ist eine den Fristlauf in Gang setzende Mitteilung nicht erfolgt, so dass dem Antragsteller die Bestandskraft auch nicht entgegengehalten werden kann. Gleichwohl konnte er die in seiner Personalakte abgelegten und im elektronischen Personalbewirtschaftungssystem hinterlegten Änderungen, die jedenfalls den Anschein der bereits zuvor erlangten Wirksamkeit erweckten, mit der Beschwerde bereits angreifen. Er kann sich auch gegen den Beschwerdebescheid wehren, wenn dieser erstmals die äußere Wirksamkeit der Änderungen begründet (vgl. 8 C 21.86 - BVerwGE 78, 3 <6>).
37b) Die Änderungen in der Personalentwicklungsbewertung sind bereits deshalb aufzuheben, weil es ihr bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Erstellung an einer hinreichenden normativen Grundlage für die Personalentwicklungsbewertung fehlt und eine übergangsweise Fortgeltung der im Wesentlichen auf Verwaltungsvorschriften gestützten Praxis ausscheidet ( 1 WB 64.22 - BVerwGE 180, 140 Rn. 31 ff.). Der Gesetzgeber hat zwar mit § 27a Abs. 3 und 4, § 93 Abs. 1 Nr. 2 SG eine Rechtsgrundlage auch für die Personalentwicklungsbewertung geschaffen, diese aber erst mit Wirkung vom und nicht rückwirkend für den hier in Rede stehenden Beurteilungszeitraum in Kraft gesetzt. Fehlt es bereits der Personalentwicklungsbewertung an der notwendigen Grundlage, so fehlt es auch und erst recht an einer Grundlage für inhaltliche Änderungen derselben auf Veranlassung der personalbearbeitenden Stelle. § 48 Abs. 1 VwVfG mag die (Teil-)Aufhebung des den Vorgaben der AR A-1340/50 nicht entsprechenden Teils der Personalentwicklungsbewertung rechtfertigen, nicht aber die hier auch erfolgte Neuformulierung der beanstandeten Teile, die sich als Neuerstellung der dienstaufsichtlich beanstandeten Teilelemente auf die jeweils angewandten Bestimmungen der Allgemeinen Regelung stützen.
38c) Der Anspruch auf Aufhebung folgt allerdings hinsichtlich der Änderung der planmäßigen Beurteilung nicht schon daraus, dass es den hier maßgeblichen untergesetzlichen Beurteilungsvorschriften ebenso wie ihren Vorgängerbestimmungen zum Zeitpunkt der Erstellung der Beurteilung an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage fehlte. Denn die am Beurteilungsstichtag geltenden Vorschriften der §§ 2, 3 SLV und die hierzu ergangenen Allgemeinen Regelungen AR A-1340/50 "Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten" konnten auch vor Inkrafttreten von § 27a SG in der Fassung vom für eine Übergangszeit weiter angewandt werden (vgl. 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 Rn. 35 ff. m. w. N.). Für diese Übergangszeit ist auch dem Antragsteller die Anwendung der Vorgaben der AR A-1340/50 in der zum Beurteilungsstichtag geltenden Fassung zumutbar, weil bislang in gefestigter Rechtsprechung stets vom Ausreichen der Ermächtigungsgrundlage der Beurteilungsbestimmungen ausgegangen worden ist und weil nicht festzustellen ist, dass die für seine Beurteilung maßgeblichen Bestimmungen der AR A-1340/50 ebenso wie ihre Vorgängerbestimmungen materiell-rechtlich verfassungsrechtlichen Vorgaben ihrem Inhalt nach nicht genügen und seine Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte verletzen würden (vgl. 1 WB 60.22 - BVerwGE 180, 116 Rn. 49 ff. m. w. N.). Nichts anderes gilt für die Berichtigungsvorschriften der Nr. 801, 901 und 902 der AR A-1340/50.
39Die Änderung der Regelbeurteilung ist allerdings deswegen rechtswidrig, weil sie einen Eingriff in die Bestandskraft der dem Antragsteller im November 2021 eröffneten Beurteilung darstellt und die für solche Durchbrechungen der Bestandskraft erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Da es hier an einem Widerrufs- oder Ergänzungsvorbehalt gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 oder 5 VwVfG fehlt und auch keine offenbare Unrichtigkeit nach § 42 VwVfG vorliegt, ist eine Durchbrechung der Bestandskraft zulasten des Betroffenen nur unter den Voraussetzungen der §§ 48 f. VwVfG zulässig.
40Zwar mag hier das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr zutreffend von einer Rechtswidrigkeit der Regelbeurteilung in der ursprünglichen Fassung ausgegangen sein. Nach Nr. 405 Satz 3 und 4 AR A-1340/50 ist zwingend in die Leistungsbeurteilung eine Aussage zu Leistungen im Rahmen tatsächlich wahrgenommener besonderer Auslandsverwendungen oder Missionen oder - falls diese nicht erfolgt sind - zur Bewährungswahrscheinlichkeit aufzunehmen. Dies ist hier in der dem Antragsteller 2021 eröffneten Schlussfassung unstreitig unterblieben.
41Jedoch ist hier weder eine Ermessensentscheidung nach § 48 Abs. 1 VwVfG nachvollziehbar dokumentiert noch ist die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG gewahrt. Hiernach muss innerhalb eines Jahres nach dem Erkennen des Mangels die Rücknahmeentscheidung getroffen und mitgeteilt werden. Für die Wahrung der Frist ist der Zeitpunkt der Bekanntgabe an den Betroffenen maßgeblich (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider; Verwaltungsrecht, VwVfG, § 48 Rn. 262 m. w. N.): Die Frist lief mit der Berichtigungsverfügung vom an.
Eine ordnungsgemäße Bekanntgabe der berichtigten Regelbeurteilung, mit der erst die Rücknahmeentscheidung äußere Wirksamkeit erlangt, ist aber vor dem nicht erfolgt. Wie ausgeführt ist eine Bekanntgabe an den Antragsteller vor dem April/Mai 2024 nicht feststellbar. Frühestens mit der Aushändigung des Beschwerdebescheides vom am ist dem Antragsteller eine Information über die erfolgte Ergänzung in Schriftform ausgehändigt worden, wie sie in Nr. 902 Satz 2, Nr. 801 Satz 2 AR A-1340/50 vorgesehen ist.
424. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:300425B1WB62.24.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-95078