Leitsatz
Unrichtige Angaben in einer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 181 Abs. 2 Nr. 1 AO) und solche in einer denselben Veranlagungszeitraum betreffenden Einkommensteuererklärung (§ 25 Abs. 1 EStG, § 56 EStDV) sind auch dann eigenständige Taten im materiellen wie im prozessualen Sinn, wenn die unrichtigen Angaben in beiden Erklärungen dieselben Besteuerungsgrundlagen betreffen und der nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO ergangene Grundlagenbescheid gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung entfaltet. Dasselbe gilt für das Verhältnis der Taten zueinander, wenn Erklärungen pflichtwidrig nicht abgegeben worden sind.
Gesetze: § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO, § 181 Abs 2 Nr 1 AO, § 182 Abs 1 S 1 AO, § 370 Abs 1 AO, § 25 Abs 1 EStG, § 56 EStDV, § 52 Abs 1 StGB, § 264 Abs 1 StPO
Instanzenzug: Az: 22 KLs 10/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 29 Fällen sowie versuchter Steuerhinterziehung in drei Fällen unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiervon hat es wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung einen Monat für vollstreckt erklärt. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Das Landgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
31. Der Angeklagte betrieb im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (2009 bis 2017) eine SB-Autowaschanlage und seit dem Jahr 2011 darüber hinaus einen Altpapierhandel. Hinsichtlich beider Gewerbe trat er nach außen als Einzelunternehmer auf. Seine Geschäftstätigkeit im Bereich Altpapierhandel bestand bis 2012 allein darin, seinen Vertragspartnern das Sammeln von Altpapier auf einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück zu gestatten und sich hierfür – abhängig von der jeweils gesammelten Papiermenge – entlohnen zu lassen. Im Jahr 2012 erweiterte er seine Aktivitäten auf ein weiteres Geschäftsfeld. Der anderweitig Verfolgte Logistikunternehmer W. , der u.a. Supermärkte mit Waren belieferte, hatte aus den hierfür genutzten Verpackungen (Folien und Kartonagen) ein Geschäftsmodell dahin entwickelt, dass er diese nach Abladen der Verkaufsgüter – ohne dafür eine Vergütung entrichten zu müssen – mitnahm und die Kartonagen auf seinem Betriebsgelände pressen ließ. Die gepressten Altpapierballen veräußerte er gewinnbringend weiter; das restliche nicht verwertbare Verpackungsmaterial ließ er auf eigene Kosten entsorgen. Ab dem Jahr 2012 arbeiteten W. und der Angeklagte dergestalt zusammen, dass W. zwar weiterhin die Kartonagen presste und die übrigen Verpackungsmaterialien entsorgte, der Angeklagte jedoch das Altpapier weiterveräußerte. Er trat hierzu in den bestehenden Vertrag des W. mit dessen Abnehmer als nunmehr alleiniger Berechtigter und Verpflichteter ein. Die erzielten Erlöse wurden im Innenverhältnis geteilt; die anfallenden Kosten für das Pressen und Entsorgen trug W. allein; sie flossen gewinnmindernd in seine Buchhaltung ein. Zwischen dem Angeklagten und W. , der seine Anteile jeweils in bar erhielt, bestand ferner Einigkeit dahin, dass weder dieser noch der Angeklagte die Einnahmen steuerlich erklären.
4Unter dem ließ der Angeklagte, der weder steuerliche Aufzeichnungen noch eine Buchhaltung führte, nach der Androhung von Zwangsgeldern seitens der Finanzbehörden durch seinen Steuerberater für die Besteuerungszeiträume 2009 bis 2011 Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen abgeben. Diese bezogen sich ausschließlich auf die SB-Autowaschanlage und enthielten zugunsten des Angeklagten unzutreffende Angaben zu den daraus erzielten Einnahmen.
5Für die Besteuerungszeiträume 2012 bis 2017 gab der Angeklagte weder Einkommen- noch Gewerbe- oder Umsatzsteuererklärungen ab. Insgesamt verkürzte er Steuern in Höhe von insgesamt 421.954,63 Euro. Ebenso wenig gab der Angeklagte für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2017 Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung hinsichtlich der Einkünfte ab, die er zusammen mit W. aus der Weiterveräußerung von gepresstem Altpapier erzielte. Dies führte zu einem nicht gerechtfertigten Steuervorteil dergestalt, dass insgesamt ein Gewinn in Höhe von 593.682,99 Euro nicht der Besteuerung unterworfen wurde.
6Dem Angeklagten wurde unter dem , mithin bevor die zuständige Finanzbehörde am für den Veranlagungszeitraum 2016 95 Prozent der allgemeinen Veranlagungsarbeiten abgeschlossen hatte, die Einleitung eines gegen ihn gerichteten Steuerstrafverfahrens bekanntgegeben.
72. a) Das Landgericht hat den Angeklagten hinsichtlich der unvollständigen oder sonst unrichtigen Erklärungen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für die Besteuerungszeiträume 2009 bis 2011 wegen drei Fällen der Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 1 Alt. 2, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 1 StGB) verurteilt. Für diese Taten hat es Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr (Fall II. 5. Nr. 1 der Urteilsgründe), elf Monaten (Fall II. 5. Nr. 2 der Urteilsgründe) und einem Jahr und zwei Monaten (Fall II. 5. Nr. 3 der Urteilsgründe) festgesetzt. Es ist dabei davon ausgegangen, der Angeklagte habe die Taten der Hinterziehung von Einkommen- und von Umsatzsteuer hinsichtlich desselben Besteuerungszeitraums jeweils tateinheitlich verwirklicht; dagegen stünden solche bezogen auf unterschiedliche Kalenderjahre auch in den Fällen zeitgleicher Übermittlung an die Finanzbehörden zueinander in Tatmehrheit.
8b) Hinsichtlich der Nichtabgabe von Steuererklärungen für die Kalenderjahre 2012 bis 2017 hat die Strafkammer folgende rechtlichen Wertungen getroffen:
9aa) Das Landgericht hat den Angeklagten im Hinblick auf die Nichtabgabe von Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen für die Besteuerungszeiträume 2012 bis 2017 wegen Steuerhinterziehung in 21 Fällen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, 53 Abs. 1 StGB, § 25 Abs. 1, 3 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 56 Satz 1 Nr. 2 EStDV, §§ 14a, 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG, § 25 GewStDV, § 16 Abs. 1 Satz 2, § 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG) und wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO, §§ 22, 23 Abs. 1, § 53 Abs. 1 StGB; § 25 Abs. 1, 3 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 56 Satz 1 Nr. 2 EStDV, §§ 14a, 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG, § 25 GewStDV – Einkommen- und Gewerbesteuer "Altpapierhandel" 2016, Fälle II. 5. Nr. 17 und 16 der Urteilsgründe) verurteilt. Die SB-Autowaschanlage und den Altpapierhandel hat es dabei als zwei selbständige Gewerbebetriebe angesehen, für die der Angeklagte jeweils gemäß §§ 14a, 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG, § 25 GewStDV verpflichtet gewesen sei, eine gesonderte Gewerbesteuererklärung abzugeben. Wegen der Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Kalenderjahre 2012 bis 2016 sowie der im Jahr 2017 quartalsweise abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldungen hat die Strafkammer den Angeklagten wegen weiterer neun Fälle der Steuerhinterziehung verurteilt. Soweit ihm in der Anklageschrift drei weitere Fälle der Steuerhinterziehung wegen der Nichtabgabe der Gewerbesteuererklärung für den Gewerbebetrieb "SB-autowaschanlage" bezogen auf die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2016 zur Last gelegt worden waren, hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Der festgestellte Gewerbeertrag habe jeweils unter dem Freibetrag von 24.500 Euro gelegen; damit habe gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 GewStDVO keine Erklärungspflicht bestanden.
10bb) Die Vereinbarung des Angeklagten mit W. betreffend die Veräußerung von gepresstem Altpapier hat das Landgericht als Gründung einer Innengesellschaft gewertet und beide als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG angesehen. Es ist daher davon ausgegangen, dass der Angeklagte gemäß § 181 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 3 Satz 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO verpflichtet gewesen sei, Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung abzugeben. Es hat ihn deshalb wegen fünf weiterer Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, 53 Abs. 1 StGB, § 181 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 3 Satz 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO) und eines Falls der versuchten Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB, § 181 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 3 Satz 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO; Veranlagungszeitraum 2016, Fall II. 5. Nr. 31 der Urteilsgründe) verurteilt. Hierfür hat es gegen den Angeklagten Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten (Fall II. 5. Nr. 27 der Urteilsgründe), drei Mal einem Jahr (Fälle II. 5. Nr. 28 bis 30 der Urteilsgründe), zehn Monate (Fall II. 5. Nr. 31 der Urteilsgründe) und einem Jahr und vier Monaten (Fall II. 5. Nr. 32 der Urteilsgründe) verhängt.
II.
11Die Revision ist teilweise begründet. Soweit der Angeklagte in den Fällen II. 5. Nr. 27 bis 32 der Urteilsgründe wegen fünf Fällen der Steuerhinterziehung und einem Fall der versuchten Steuerhinterziehung verurteilt worden ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen, weil der diesem Teil der Verurteilung zugrundeliegende Sachverhalt von der Anklage nicht erfasst ist (dazu unter II.2.). Demgegenüber hat die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs sowie der Anrechnungsentscheidung mit Ausnahme einer rechtsfehlerhaften Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der Fälle II. 5. Nr. 1 bis 3 der Urteilsgründe keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler aufgedeckt (dazu unter II.3.). Der Wegfall der für die Fälle II. 5. Nr. 27 bis 32 festgesetzten Einzelstrafen und die für die Fälle II. 5. Nr. 1 bis 3 abweichende konkurrenzrechtliche Beurteilung lassen den Gesamtstrafenausspruch unberührt (dazu unter II.4.).
121. Den Verfahrensrügen bleibt aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.
132. Der der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 5. Nr. 27 bis 32 der Urteilsgründe zugrundeliegende Sachverhalt ist von der Anklage nicht erfasst (§ 264 Abs. 1 StPO).
14a) Der Verurteilung in den Fällen II. 5. Nr. 27 bis 32 hat das Landgericht zugrundegelegt, der Angeklagte habe entgegen seiner Verpflichtung aus § 181 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 3 Satz 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO für die Besteuerungszeiträume 2012 bis 2017 keine Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung im Hinblick auf die in Mitunternehmerschaft mit W. erzielten Gewinne aus dem Verkauf von gepresstem Altpapier abgegeben. Das Unterlassen dieser Erklärungen ist nicht Gegenstand der Anklageschrift vom . In dieser findet sich noch nicht einmal ein Hinweis auf eine Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Die Anklagebehörde hat die aus der Veräußerung des gepressten Altpapiers erzielten Gewinne vielmehr dem Angeklagten alleine zugerechnet und – anders als das Landgericht, das diese Erträge bei der Berechnung des Verkürzungsumfangs im Rahmen der Einkommensteuer nicht berücksichtigt hat, – vollständig für die Bestimmung des Schuldumfangs der nicht abgegebenen Einkommensteuererklärungen herangezogen.
15b) Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Nichtabgabe von Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2017 von der Anklage erfasst ist.
16Unrichtige Angaben in einer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 181 Abs. 2 Nr. 1 AO) und solche in einer denselben Veranlagungszeitraum betreffenden Einkommensteuererklärung (§ 25 Abs. 1 EStG, § 56 EStDV) sind auch dann eigenständige Taten im materiellen wie im prozessualen Sinn, wenn die unrichtigen Angaben in beiden Erklärungen dieselben Besteuerungsgrundlagen betreffen und der nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO ergangene Grundlagenbescheid gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung entfaltet. Dasselbe gilt für das Verhältnis der Taten zueinander, wenn Erklärungen pflichtwidrig nicht abgegeben worden sind.
17Im Einzelnen:
18aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der in der Feststellung unrichtiger Besteuerungsgrundlagen mit Bindungswirkung (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO) liegende Vorteil ein solcher spezifisch steuerlicher Art, der auf dem Tätigwerden der Finanzbehörde beruht, und damit nicht gerechtfertigter Steuervorteil im Sinne des § 370 Abs. 1 AO. Mit Blick auf die aus § 182 Abs. 1 Satz 1 AO folgende Bindungswirkung für Folgebescheide, darunter die Einkommensteuerbescheide für die an dem Gewinn beteiligten Steuerpflichtigen, bewirkt bereits der Erlass eines unrichtigen Feststellungsbescheids eine konkrete Gefährdung des staatlichen Steueranspruchs. Deshalb ist die Tat bereits mit Erlass des Feststellungsbescheids vollendet. Die durch die Berücksichtigung der festgestellten unrichtigen Besteuerungsgrundlagen bei der Steuerfestsetzung in den Folgebescheiden bewirkte Steuerverkürzung stellt lediglich einen weitergehenden Taterfolg dar, der insbesondere für den Zeitpunkt der Tatbeendigung und damit für den Verjährungsbeginn der Steuerhinterziehung von Bedeutung ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99 Rn. 21 ff.; vom – 1 StR 537/12, BGHSt 58, 50 Rn. 5 und vom – 1 StR 53/23 Rn. 11).
19bb) Die Bindungswirkung der Feststellungsbescheide für Folgebescheide nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO führt jedoch nicht dazu, dass unrichtige oder pflichtwidrig nicht abgegebene Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und unrichtige Einkommensteuererklärungen als Bewertungseinheit zu einer einzigen Tat im materiell-rechtlichen verschmelzen bzw. eine Tat im prozessualen Sinne bilden. An hiervon abweichender Rechtsprechung (vgl. etwa Rn. 19; zur Annahme einer Bewertungseinheit s. auch Rn. 11; vgl. auch Rn. 2 f.) hält der Senat nicht fest.
20(1) Die Pflichten zur Abgabe vollständiger und wahrheitsgemäßer Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und zur Einkommensteuer bestehen trotz der sich aus § 182 Abs. 1 Satz 1 AO ergebenden Bindungswirkung unabhängig voneinander. So befreit weder die Abgabe einer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen noch die Pflicht hierzu den Steuerpflichtigen davon, in seiner Einkommensteuererklärung vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu steuerlich erheblichen Tatsachen zu seinen Gewinnen oder Verlusten aus einem bestehenden Gesellschaftsverhältnis zu machen. Ist er dazu nicht in der Lage, etwa weil Gewinne oder Verluste ihm noch nicht mitgeteilt worden sind, muss er die zuständige Finanzbehörde jedenfalls auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis hinweisen. Denn dann kann diese – für den Fall, dass noch keine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen abgegeben worden ist – durch Aufforderung an die erklärungspflichtigen Gesellschafter, gegebenenfalls durch Schätzung, die erforderliche gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung als Grundlage für die Festsetzung der Einkommensteuer herbeiführen (, BGHSt 30, 122 Rn. 11; vgl. zum Umfang der Erklärungspflicht auch Heuermann in: Brandis/Heuermann, Ertragssteuerrecht, § 25 EStG Rn. 86). Sofern der Steuerpflichtige seine Einkommensteuererklärung zu einem Zeitpunkt abgibt, zu dem zu den gesondert und einheitlich festzustellenden Besteuerungsgrundlagen noch kein Grundlagenbescheid ergangen ist, kann das Finanzamt den Folgebescheid – hier den Einkommensteuerbescheid – im Rahmen eines von ihm nach § 155 Abs. 2 AO auszuübenden Ermessens als vorläufige Maßnahme erteilen, ohne vorher den Erlass eines Grundlagenbescheides herbeizuführen. In diesem Fall muss es dem Untersuchungsgrundsatz des § 88 Abs. 1 AO folgend alle betroffenen Besteuerungsgrundlagen selbst überprüfen und in dem von ihm zu erlassenden Bescheid berücksichtigen. Lassen sich diese nicht ohne Weiteres ermitteln, können die feststellungsbedürftigen Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 5 AO geschätzt werden. Der Grundlagenbescheid ergeht dann zeitlich nach dem Folgebescheid und kann nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu einer Änderung desselben führen (vgl. Rn. 25 ff.; vom – X R 7/12 Rn. 25 ff.; vgl. auch Beschluss vom – II B 153/10 Rn. 13 zur Gewerbesteuer).
21Auch für den Fall, dass der Steuerpflichtige bereits eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen abgegeben hat, entbindet ihn dies nicht davon, entsprechende Angaben auch in seiner Einkommensteuererklärung zu machen. Dies gilt auch dann, wenn er zunächst bewusst eine unrichtige, unvollständige oder pflichtwidrig gar keine Erklärung abgegeben und sich dadurch nach § 370 Abs. 1 AO strafbar gemacht hat. Der Nemo-tenetur-Grundsatz steht insoweit nicht entgegen (vgl. , BGHSt 60, 188 Rn. 20 ff.).
22(2) Allein der Umstand, dass erst die Berücksichtigung der unrichtig festgestellten Besteuerungsgrundlagen bei der Steuerfestsetzung in den Folgebescheiden zur Beendigung der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 i.V.m. § 181 Abs. 2 Nr. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO führt, lässt die Verletzung der Erklärungspflichten nicht zu einer Tat verschmelzen. Denn jede unrichtige Feststellungs- oder Steuererklärung sowie jedes pflichtwidrige Unterlassen stellt ein eigenständiges Handlungsunrecht dar. Dies folgt schon daraus, dass der Schuldumfang der unrichtigen oder pflichtwidrig unterlassenen Erklärung zur Einkommensteuer im Regelfall nicht identisch mit dem der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist. Er kann mit Blick darauf, dass dem Erklärenden die festgestellten Gewinne meist nicht vollständig zuzurechnen sind, hinter dem der fehlerhaften Erklärung zur Feststellung zurückbleiben, aber auch, sofern der Steuerpflichtige in seiner Einkommensteuererklärung weitere Einkünfte nicht oder unzutreffend erklärt, darüber hinausgehen. Hinzu kommt, dass die Einkommensteuererklärung zeitlich nicht zwingend der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nachfolgen muss (zu den sich hieraus ergebenen Konsequenzen s. unter II. 2. b) bb) (1)).
23(3) Die Annahme einer Bewertungseinheit ist auch nicht aus einem etwaigen Einfluss der Höhe des aus der unrichtigen Feststellung resultierenden Einkommensteuerverkürzungsbetrags auf den tatbestandsmäßigen Erfolg oder den Schuldumfang der unrichtigen oder pflichtwidrig nicht abgegebenen Erklärung zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen geboten. Art. 103 Abs. 2 GG erfordert weder bei der Bestimmung des tatbestandsmäßigen Erfolgs des nicht gerechtfertigten Steuervorteils im Sinne des § 370 Abs. 1 AO, die Vollendung der Tat davon abhängig zu machen, auf der Grundlage des bezifferten Steuervorteils die (zukünftigen) Auswirkungen auf den Steueranspruch des Staates zu berechnen (, BGHSt 58, 50 Rn. 10); noch gebieten Art. 103 Abs. 2 GG oder das Verfassungsgebot schuldangemessenen Strafens die Bezifferung der sich aus Steuervorteilen in unrichtigen Feststellungsbescheiden ergebenden Auswirkungen auf die Besteuerung der begünstigten Steuerpflichtigen als Grundlage der Strafzumessung (BGH aaO Rn. 19-21).
24(4) Schließlich steht der Annahme selbständiger Taten auch nicht die Gefahr entgegen, dass, sofern zwischen den jeweils Erklärenden bzw. Erklärungspflichtigen – wie hier – Personenidentität besteht, dasselbe Unrecht doppelt geahndet werden könnte.
25Sofern der Steuerpflichtige in seiner Einkommensteuererklärung ausschließlich steuererhebliche Tatsachen in dem Umfang unrichtig oder unvollständig mitteilt, wie er es bereits in seiner Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen getan hat, stellt dies eine mitbestrafte Nachtat dar. Denn weder wird ein neues Rechtsgut verletzt, noch der Schaden qualitativ über das durch die Vortat verursachte Maß hinaus erweitert (vgl. , BGHSt 60, 188 Rn. 29). Erklärt der Steuerpflichtige in seiner Einkommensteuererklärung andere steuererhebliche Tatsachen unrichtig oder unvollständig, so macht er sich einer weiteren Tat der Steuerhinterziehung schuldig. Dem Umstand, dass dem Tatunrecht bereits partiell durch die Ahndung einer anderen Tat Genüge getan worden ist oder wird, kann auf der Strafzumessungsebene Rechnung getragen werden. Folgt die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zeitlich der Einkommensteuererklärung nach, so kann die unrichtige oder unvollständige Einkommensteuererklärung unter den vorgenannten Voraussetzungen als Vortat mitbestraft sein. Denn mit Blick auf die Bindungswirkung eines späteren Feststellungsbescheids liegt insoweit – ähnlich einer Umsatzsteuervoranmeldung (vgl. dazu Rn. 48 ff.) – im Ergebnis eine Steuerverkürzung auf Zeit vor.
26Für die Fälle pflichtwidrig nicht eingereichter Erklärungen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO gelten dieselben Grundsätze.
273. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Fälle II. 5. Nr. 1 bis 3 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
28a) Der Angeklagte beauftragte seinen – undolosen – Steuerberater mit der Abgabe der Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für die Besteuerungszeiträume 2009 bis 2011. Er handelte – wie vom Landgericht zutreffend angenommen – als mittelbarer Täter im Sinne des § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB.
29Bei einem mittelbaren Täter richtet sich die Beurteilung der Konkurrenzen jedoch nach dessen Tatbeitrag, unabhängig von der Anzahl der Handlungen, die ihm zuzurechnen sind. Hat er, an der unmittelbaren Ausführung der Taten nicht beteiligt, seinen alle Einzeldelikte fördernden Tatbeitrag bereits im Vorfeld erbracht, werden ihm die Handlungen des Tatmittlers als tateinheitlich begangen zugerechnet, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob beim Tatmittler Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen wäre, ist demgegenüber ohne Belang (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 7 mwN).
30Diese Grundsätze gelten nicht nur für unterschiedliche Steuerarten, sondern auch für mehrere Besteuerungszeiträume. Dass der Angeklagte mehr als einen Auftrag an seinen Steuerberater erteilt haben könnte, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, weshalb hinsichtlich der Fälle II. 5. Nr. 1 bis 3 der Urteilsgründe lediglich ein Fall der Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft vorliegt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 1 Alt. 2, § 52 Abs. 1 StGB).
31b) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StGB selbst ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der – insoweit geständige – Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
32c) In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO lässt der Senat die im Fall II. 5. Nr. 3 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten bestehen; die in den Fällen II. 5. Nr. 1 und 2 festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und elf Monaten entfallen. Dem Grundsatz folgend, dass eine abweichende Bewertung der Konkurrenzen sich regelmäßig nicht auf den Unrechts- und Schuldgehalt auswirkt (st. Rspr.; Rn. 9; Beschlüsse vom – 5 StR 497/23 Rn. 8; vom – 6 StR 600/23 Rn. 4 und vom – 3 StR 120/23 Rn. 19), ist auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Würdigung eine für den Angeklagten noch günstigere Einzelstrafe festgesetzt hätte.
334. Der Wegfall der in den Fällen II. 5. Nr. 1, 2 und 27 bis 32 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen lässt den Gesamtstrafenausspruch unberührt. Angesichts der verbleibenden 24 Einzelfreiheitsstrafen, davon die mit einem Jahr und zehn Monaten bemessene Einsatzstrafe sowie weitere zehn Einzelfreiheitsstrafen, die zwischen einem Jahr und einem Jahr und acht Monaten liegen, und des äußerst straffen Zusammenzugs der Einzelstrafen ist auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine noch niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
Jäger Wimmer Bär
Allgayer Welnhofer-Zeitler
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:300425B1STR39.25.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-95070