Instanzenzug: Az: 16a U 147/20vorgehend LG Ravensburg Az: 2 O 293/19
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im November 2011 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten und im Jahr 2010 erstzugelassenen BMW 318d, der mit einem Dieselmotor der Baureihe N 47 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.
2Das Landgericht hat die auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.
Gründe
3Die Revision hat Erfolg.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Der Kläger habe gegen die Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB. Denn sein Vortrag, der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motor weise unzulässige Abschalteinrichtungen auf, sei - soweit er nicht das unstreitig vorhandene "Thermofenster" betreffe - als Behauptung ins Blaue hinein unbeachtlich. Die Verwendung eines "Thermofensters" allein reiche nicht aus, um den Vorwurf eines sittenwidrigen Handelns der Beklagten zu begründen. Darüber hinausgehende Umstände habe der Kläger nicht vorgetragen. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sei nicht gegeben, weil es sich bei den genannten Normen nicht um Gesetze zum Schutz des Vermögensinteresses von Fahrzeugerwerbern handle.
II.
6Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
71. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB dem Grunde nach verneint hat. Die insoweit erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 ausRechtsgründen abgelehnt hat.
9a) Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32). Dasselbe gilt für die hier mit Blick auf den Zeitpunkt der Erstzulassung des Fahrzeugs im Jahr 2010 zur Anwendung kommenden Vorläufernormen der damals geltenden Fassung der EG-FGV (vgl. VIa ZR 374/22, NJW-RR 2024, 577 Rn. 9 ff.).
10b) Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aF ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
11Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil er sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
12Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aF zu treffen haben.
C. Fischer Möhring Messing
Tausch Pastohr
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:250625UVIAZR575.21.0
Fundstelle(n):
UAAAJ-94974