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BAG Urteil v. - 3 AZR 136/24

Ruhegeld - steuerliches Näherungsverfahren

Leitsatz

Berechnet der Arbeitgeber beim vorzeitigen Ausscheiden des Versorgungsberechtigten die Höhe einer auf ein betriebliches Ruhegeld anzurechnenden gesetzlichen Altersrente aufgrund fehlender Kenntnis von den tatsächlich erworbenen Entgeltpunkten unter Anwendung des steuerlichen Näherungsverfahrens und teilt er dem Arbeitnehmer auf dieser Grundlage die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft mit, kann er regelmäßig gleichwohl im späteren Versorgungsfall die Berechnung der gesetzlichen Rente individuell auf Grundlage der tatsächlich nachgewiesenen sozialversicherungsrechtlichen Entgeltpunkte vornehmen.

Instanzenzug: Az: 9 Ca 4172/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 10 Sa 451/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Betriebsrente.

2Der im Dezember 1956 geborene Kläger war seit dem bei der A AG (A), einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 12./ ist ua. bestimmt, dass für das Arbeitsverhältnis die „Betriebsvereinbarung über Zusatzversorgungsleistungen für Arbeitnehmer der A“ gilt. Zum Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses bezog sich dieser Verweis auf die „Betriebsvereinbarung über Zusatzversorgungsleistungen für Arbeitnehmer der A“ vom (nachfolgend BV 1987). Unter dem schlossen die Betriebsparteien eine neue „Betriebsvereinbarung über Zusatzversorgungsleistungen für Arbeitnehmer der A“ (nachfolgend BV 1995), in der es auszugsweise heißt:

3Der Kläger schied am aus dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten aus. Zuvor hatte er eine „Mitteilung über das Bestehen einer unverfallbaren Anwartschaft gemäß § 2 Abs. 6 BetrAVG“ vom erhalten (nachfolgend Mitteilung 2003). Darin heißt es auszugsweise:

4Ausweislich des der Mitteilung 2003 beiliegenden Berechnungsbogens lag der Berechnung ein Unverfallbarkeitsfaktor von 0,4481, ein versorgungsfähiges Einkommen zum Austrittszeitpunkt von 4.518,50 Euro, ein Ruhegeldprozentsatz von 75 % und eine anrechenbare BVV-Rente iHv. monatlich 1.256,50 Euro zugrunde. Die nach § 6 Nr. 2 BV 1995 anzurechnende gesetzliche Rente wurde für einen Rentenbeginn mit Alter 65 „auf Basis der Verhältnisse zum Austrittszeitpunkt und auf Basis des Näherungsverfahrens gemäß “ ermittelt und mit 1.589,35 Euro monatlich berücksichtigt. So ergab die Berechnung im Ergebnis eine (im Übrigen nach § 6 BV 1995 unstreitig zutreffend ermittelte) anrechenbare gesetzliche Rente iHv. 1.772,87 Euro. In dem der Mitteilung 2003 beigefügten Berechnungsbogen heißt es am Ende, der Unverfallbarkeitsfaktor werde auch für die übrigen in der BV 1995 vorgesehenen Leistungen - ua. die vorzeitige Altersrente - angewendet; die Höhe dieser Ansprüche könne jedoch erst zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls bestimmt werden.

5Seit dem bezieht der Kläger ausweislich des Rentenbescheids vom eine gesetzliche Altersrente für besonders langjährig Versicherte iHv. 2.548,31 Euro brutto monatlich. Mit Schreiben vom beantragte der Kläger unter Verweis auf das bevorstehende Erreichen seines 65. Lebensjahres die Zahlung einer Betriebsrente bei der Beklagten. Nach Aufforderung der Beklagten vom übersandte er mit Schreiben vom ua. den Rentenbescheid vom . Der gesetzliche Rentenanspruch des Klägers beruhte nach dem Rentenbescheid auf insgesamt 74,5337 Entgeltpunkten, von denen zum Zeitpunkt seines Ausscheidens am unter Berücksichtigung der seinerzeitigen sozialversicherungsrechtlichen Rechtslage 44,6377 Entgeltpunkte erdient waren. Die daraufhin vorgenommene Berechnung der Beklagten ergab, dass dem Kläger keine Zusatzversorgungsleistung nach der BV 1995 zustehe. Dabei ermittelte die Beklagte - ausgehend von den tatsächlich im Austrittszeitpunkt erdienten Entgeltpunkten - im Wege der Hochrechnung, dass der Kläger bei einer fiktiven Fortbeschäftigung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weitere 35,4939 Entgeltpunkte hätte erwerben können. Auf Grundlage von hochgerechneten insgesamt 80,1316 Entgeltpunkten und dem bei Renteneintritt aktuellen Rentenwert iHv. 26,13 Euro errechnete die Beklagte - unter Berücksichtigung der weiteren Maßgaben nach § 6 BV 1995 - eine anrechenbare Sozialversicherungsrente iHv. 2.266,49 Euro brutto. Mit einer weiter zu berücksichtigenden monatlichen BVV-Rente iHv. 1.240,13 Euro überstiegen die anzurechnenden Versorgungsleistungen den Zusatzversorgungsanspruch, der bei einem Ruhegeldprozentsatz von 75 % des versorgungsfähigen Einkommens von 4.518,50 Euro (unstreitig) mit 3.388,88 Euro angesetzt wurde.

6Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung von Ruhegeld iHv. monatlich 161,10 Euro bereits zum Zeitpunkt seines Rentenbezugs ab Oktober 2020 verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde ihm eine Betriebsrente auf Grundlage der ihm mitgeteilten Berechnung aus dem Jahr 2003. Sie sei bei der Ermittlung der auf das Ruhegeld anzurechnenden gesetzlichen Rente an die Wahl des steuerlichen Näherungsverfahrens in der Mitteilung 2003 gebunden, die zur Angabe einer zu erwartenden Betriebsrente iHv. 161,10 Euro monatlich geführt habe. Zwar sei die damalige Auskunft nach der Rechtsprechung des Senats eine unverbindliche Wissenserklärung, die Berechnung der Betriebsrente könne gleichwohl nicht beliebig geändert werden. Durch die Anwendung des steuerlichen Näherungsverfahrens im Rahmen der der Mitteilung 2003 zugrunde gelegten Berechnung habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihr Wahlrecht aus § 2a Abs. 3 Satz 1 BetrAVG unwiderruflich ausgeübt. Nach Sinn und Zweck der Auskunftspflicht sei der Arbeitgeber zwar nicht an das Rechenergebnis, aber an die Rechenmethode, auf der die Auskunft beruhe, gebunden. Hilfsweise sei die Beklagte dem Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der sich daraus ergebe, dass der Kläger versäumt habe, rechtzeitig Eigenvorsorge für die mögliche Rentenlücke iHv. 161,10 Euro monatlich zu treffen. Mit der Mitteilung 2003 habe die Beklagte dem Kläger schuldhaft eine falsche Auskunft über seine Betriebsrente erteilt; aus ihr sei nicht ersichtlich, dass aufgrund von Änderungen beim steuerlichen Näherungsverfahren das Ruhegeld des Klägers bei „null“ liegen könne.

7Der Kläger hat beantragt,

8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

9Das Arbeitsgericht hat der Klage mit den Hauptanträgen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

10Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

11I. Die Klageanträge zu 1. und 2. sind unbegründet.

121. Die Anträge sind zulässig.

13a) Der Kläger verlangt mit den Klageanträgen zu 1. und 2. die Zahlung einer monatlichen Zusatzversorgungsleistung iHv. 161,10 Euro auf Grundlage der BV 1995. Soweit er erstinstanzlich zunächst geltend gemacht hatte, es finde unverändert die „Ruhegeldordnung vom “ Anwendung, hat er daran später nicht mehr festgehalten.

14b) Soweit der Zahlungsantrag zu 1. in die Zukunft gerichtet ist, bestehen keine Zulässigkeitsbedenken. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie vorliegend - von keiner Gegenleistung abhängen, können grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden, ohne dass die Besorgnis bestehen muss, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen ( - Rn. 28, BAGE 181, 25; - 3 AZR 175/22 - Rn. 13, BAGE 180, 257; - 3 AZR 501/21 - Rn. 18, BAGE 180, 1). Mit dem Antrag zu 2. verlangt der Kläger hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) mit einem Einmalbetrag rückständiges Ruhegeld iHv. 161,10 Euro monatlich für den Zeitraum vom bis nebst Zinsen.

152. Die Hauptanträge zu 1. und 2. sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Zusatzversorgungsleistung iHv. 161,10 Euro seit Oktober 2020 nach der BV 1995 gegen die Beklagte hat.

16a) Der Kläger hat im Grundsatz einen Anspruch auf Altersruhegeld gegen die Beklagte nach der BV 1995.

17aa) Er fällt unter den Anwendungsbereich der BV 1995. Nach § 18 Nr. 1 Satz 1 BV 1995 tritt diese mit Wirkung vom in Kraft und setzt die Ruhegeldordnung vom / für den in § 1 genannten Personenkreis außer Kraft. Unter den in § 1 BV 1995 genannten Personenkreis fallen Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - bis zum ein Arbeitsverhältnis zur A begonnen und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der BV 1995 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. § 18 Nr. 1 Satz 2 BV 1995 galt nur „für die übrigen Mitarbeiter“, also solche, die das 55. Lebensjahr schon erreicht hatten.

18bb) Der Kläger ist am mit einer unverfallbaren Anwartschaft auf ein betriebliches Ruhegeld aus dem Arbeitsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgeschieden, § 1b Abs. 1 Satz 1, § 30f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrAVG. Zwar hatte er am die Altersgrenze nach § 7 Nr. 1 Buchst. a BV 1995 noch nicht erreicht. Da ihm seit dem eine vorgezogene Altersrente für besonders langjährig Versicherte als Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt wird, steht ihm gleichwohl - unstreitig - nach § 7 Nr. 1 Buchst. b BV 1995 seit diesem Zeitpunkt ein nach §§ 4 ff. BV 1995 zu berechnendes Ruhegeld zu.

19b) Die nach §§ 2, 2a BetrAVG (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschriften in zeitlicher Hinsicht  - Rn. 19 mwN, BAGE 182, 137) vorzunehmende Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft des Klägers ergibt vorliegend allerdings, dass diese aufgrund der anzurechnenden anderweitigen Versorgungsleistungen eine Höhe von „null“ hat und dem Kläger im Ergebnis kein Ruhegeld nach der BV 1995 zusteht.

20aa) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG hat bei Eintritt des Versorgungsfalls wegen Erreichens der Altersgrenze ein vorher mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedener Arbeitnehmer einen Anspruch mindestens in Höhe des Teils der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. einer in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze entspricht.

21(1) Nach § 2a Abs. 1 BetrAVG sind bei der Berechnung des Teilanspruchs eines mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers die Versorgungsregelung und die Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt des Ausscheidens zugrunde zu legen; Veränderungen, die nach dem Ausscheiden eintreten, bleiben außer Betracht. Unverfallbar ist deshalb nicht die konkret zum Zeitpunkt des Ausscheidens erworbene Anwartschaft, sondern die nach den Regeln der Unverfallbarkeit zu errechnende Teilrente. Das ist der Teil der erreichbaren Vollrente, der dem Anteil der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der festen Altersgrenze nach der Versorgungsordnung entspricht. Die Bestimmung der Höhe der unverfallbaren Anwartschaft setzt deshalb zunächst die Errechnung der erreichbaren Vollrente voraus. Dabei gelten Veränderungssperre und Festschreibeeffekt. Festzustellen ist nicht die bei Eintritt des Versorgungsfalls tatsächlich erreichte oder erreichbare Altersversorgung, sondern eine fiktive. Auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls kommt es nicht an. Zugrunde zu legen sind vielmehr zum einen die bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geltende Versorgungsordnung und zum anderen die Bemessungsgrundlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis. Dabei sind die zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis bestehenden Bemessungsgrundlagen auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls hochzurechnen. Auszugehen ist von einem unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und der Bemessungsgrundlagen (vgl.  - Rn. 21 mwN, BAGE 182, 137).

22(2) Die Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) zum bleibt bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach §§ 2, 2a BetrAVG wegen des Festschreibeeffekts nach § 2a Abs. 1 BetrAVG unberücksichtigt, wenn der Arbeitnehmer vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist ( - Rn. 26, BAGE 182, 137).

23bb) Für die danach im ersten Schritt vorzunehmende Ermittlung der erreichbaren betrieblichen Vollrente des Klägers ist damit zunächst auf den Betrag von 75 % des versorgungsfähigen Einkommens (vgl. § 6 Nr. 4 iVm. § 5 Nr. 1 BV 1995) von 4.518,50 Euro (= 3.388,88 Euro) nach § 6 Nr. 2 Buchst. a und b BV 1995 die fiktiv auf die Vollendung des 65. Lebensjahres hochgerechnete Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die fiktiv hochgerechnete BVV-Rente anzurechnen. Die anzurechnende monatliche BVV-Rente beträgt dabei unstreitig 1.240,13 Euro. Auch die anrechenbare gesetzliche Altersrente hat die Beklagte mit einer Höhe von 2.266,49 Euro brutto monatlich zutreffend in Abzug gebracht. Bei der Ermittlung der anzurechnenden gesetzlichen Altersrente war es - entgegen der Auffassung des Klägers - zulässig, die tatsächlich zum Ausscheidenszeitpunkt festgestellten Entgeltpunkte anzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Rahmen der Berechnung der in der Mitteilung 2003 angegebenen Rentenanwartschaft zur Ermittlung der bei Ausscheiden erreichten Entgeltpunkte das steuerliche Näherungsverfahren nach § 2 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 BetrAVG in der bis zum geltenden Fassung vom zur Anwendung gebracht und auf diese Weise eine monatliche Zusatzversorgungsleistung von 161,10 Euro ermittelt hat.

24(1) Ist bei der Berechnung des Teilanspruchs eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen, so kann nach § 2a Abs. 3 BetrAVG (bis entsprechend geregelt in § 2 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG in der bis dahin geltenden Fassung) bei einer unmittelbaren oder über eine Unterstützungskasse durchgeführten Versorgungszusage das bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen allgemein zulässige Verfahren zugrunde gelegt werden, es sei denn, der ausgeschiedene Arbeitnehmer weist die bei der gesetzlichen Rentenversicherung im Zeitpunkt des Ausscheidens erreichten Entgeltpunkte nach.

25(a) § 2a Abs. 3 BetrAVG gestattet dem Arbeitgeber, die nach der jeweiligen Versorgungszusage zu berücksichtigende Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung näherungsweise nach dem Verfahren zu bestimmen, das die Finanzverwaltung bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen zugelassen hat (sog. Näherungsverfahren). Dieses Verfahren dient primär steuerlichen Zwecken und ist auf den Ausgleich einer Vielzahl von gleichförmigen Berechnungen mit individuell unterschiedlichen Ergebnissen ausgerichtet. Es nähert ohne Zuhilfenahme der individuellen Sozialversicherungsunterlagen des einzelnen Begünstigten für die Gesamtzahl der bei einem Unternehmen bestehenden Pensionsverpflichtungen den zutreffenden Bilanzausweis an (Höfer BetrAVG I/Höfer Stand März 2024 § 2a Rn. 66). Dieser Möglichkeit einer pauschalen Berechnung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung liegt zugrunde, dass die Ermittlung der - im Zeitpunkt des Ausscheidens - maßgeblichen tatsächlichen Grundlagen zur Bestimmung der anzurechnenden fiktiven gesetzlichen Altersrente zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls (bzw. bei Abfindung oder Übertragung der Anwartschaft nach §§ 3, 4 BetrAVG) im Einzelfall schwierig und unzumutbar sein kann (vgl.  - zu II 4 der Gründe, BAGE 69, 19). Die Regelung will dem Arbeitgeber somit die Berechnung der Anwartschaft erleichtern und ihm größeren Aufwand ersparen (vgl.  - zu III 1 a bb (2) der Gründe, BAGE 87, 250; BT-Drs. 7/1281 S. 27). § 2a Abs. 3 BetrAVG bezieht sich auf die bei Eintritt des Versorgungsfalls (bzw. bei Abfindung oder Übertragung der Anwartschaft nach §§ 3, 4 BetrAVG) vorzunehmende Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft nach § 2a Abs. 1 BetrAVG und den darauf beruhenden Versorgungsanspruch.

26(b) Der Arbeitgeber ist vor dem Hintergrund der auf ihn bezogenen Schutzfunktion der Norm nicht gezwungen, das Näherungsverfahren bei der Ruhegeldberechnung im Versorgungsfall anzuwenden. Er kann auch eine konkrete individuelle Berechnung vornehmen ( - zu II 4 der Gründe, BAGE 69, 19; vgl. zu einem in diesem Sinne zu verstehenden „Wahlrecht“  - zu III 1 a bb (2) der Gründe, BAGE 87, 250). Weist der Arbeitnehmer die Anzahl der im Zeitpunkt seines Ausscheidens erreichten sozialversicherungsrechtlichen Entgeltpunkte nach, ist es dem Arbeitgeber nach dem Wortlaut der Norm jedoch verwehrt, das Näherungsverfahren anzuwenden ( - zu III 1 a bb der Gründe, aaO; Höfer BetrAVG I/Höfer Stand März 2024 § 2a Rn. 115; vgl. BT-Drs. 7/2843 S. 7). Weder der Arbeitgeber noch der ausgeschiedene Arbeitnehmer kann gegen den Willen der anderen Vertragspartei das Näherungsverfahren durchsetzen. Jede Partei kann auf der individuellen Berechnung bestehen ( - Rn. 31, BAGE 117, 268; - 3 AZR 695/96 - zu III 1 a bb der Gründe, aaO). Eine Frist für das Verlangen des Versorgungsberechtigten nach einer individuellen Berechnung gibt das Gesetz nicht vor, so dass es noch nach dem Ausscheiden geltend gemacht werden kann ( - Rn. 45, BAGE 176, 330).

27(2) Im Zeitpunkt der Berechnung seines Versorgungsanspruchs zum Eintritt des Versorgungsfalls hatte der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Anzahl der im Zeitpunkt seines Ausscheidens tatsächlich erreichten sozialversicherungsrechtlichen Entgeltpunkte durch Vorlage seines Rentenbescheids nachgewiesen. Daher war es der Beklagten nach § 2a Abs. 3 BetrAVG zu diesem Zeitpunkt verwehrt, das steuerliche Näherungsverfahren zur Berechnung des Teilanspruchs anzuwenden.

28(3) Der Umstand, dass im Zusammenhang mit der Berechnung der in der Mitteilung 2003 angegebenen Versorgungsanwartschaft das steuerliche Näherungsverfahren zur Anwendung gebracht wurde, steht dieser Sichtweise - anders als der Kläger meint - nicht entgegen.

29(a) Die Mitteilung 2003 ist als „Mitteilung im Sinne von § 2 Abs. 6 BetrAVG“ bezeichnet. Die in ihr enthaltene Auskunft, die im Zeitpunkt ihrer Erteilung auf Grundlage von § 2 Abs. 6 BetrAVG in der bis zum geltenden Fassung (aF) erfolgt war, ist weder ein abstraktes noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis (st. Rspr.,  - zu III 2 a der Gründe mwN, BAGE 87, 250). Sie ist eine Wissenserklärung und dient der Information des Arbeitnehmers über die Höhe der zu erwartenden Betriebsrente. Die Auskunft dient nicht dazu, einen Streit über den Inhalt des Versorgungsanspruchs zu beseitigen, sie soll ggf. Meinungsverschiedenheiten über die Berechnungsgrundlagen aufdecken und den ausgeschiedenen Arbeitnehmern Gelegenheit geben, derartige Streitigkeiten noch vor Eintritt des Versorgungsfalls durch eine Klage auf Feststellung des Inhalts und der Höhe der Versorgungsanwartschaft zu bereinigen. Der Arbeitgeber ist daher an den Inhalt der als bloßen Wissenserklärung anzusehenden Auskunft nicht gebunden, er ist berechtigt und verpflichtet, die Betriebsrenten im Versorgungsfall nach den maßgeblichen Versorgungsbestimmungen korrekt zu berechnen ( - aaO).

30(b) Demgemäß beschränkte sich die Mitteilung 2003 in Verbindung mit dem beigefügten Berechnungsbogen auf die Angabe der Arbeitgeberin, nach ihrem Kenntnisstand bestehe auf der Grundlage der Anwendung des steuerlichen Näherungsverfahrens gemäß eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft in der mitgeteilten Höhe von 161,10 Euro. Allein die Mitteilung dieses Wissens war ihr zum damaligen Zeitpunkt möglich, da ein Nachweis der tatsächlichen Entgeltpunkte durch den Kläger (noch) nicht erfolgt war. Zwar verpflichtet § 2 Abs. 6 BetrAVG aF den Arbeitgeber nicht dazu, theoretische Berechnungen über eine ggf. nicht geschuldete Betriebsrente durchzuführen ( - zu III 1 a ee der Gründe, BAGE 87, 250). Es ist dem Arbeitgeber aber auch nicht verwehrt, entsprechende Auskünfte zu erteilen, insbesondere wenn keine andere Auskunft möglich ist. Das ließ es dem Kläger offen, die Entgeltpunkte später noch konkret nachzuweisen (vgl.  - Rn. 45, BAGE 176, 330).

31(c) Besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen, die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe sich aufgrund der Mitteilung 2003 für die Zukunft an die Anwendung des Näherungsverfahrens gebunden, sind nicht gegeben.

32(aa) Zu der weitgehend mit § 2a Abs. 3 Satz 1 BetrAVG übereinstimmenden Vorgängernorm in § 2 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG aF hat der Senat angenommen, dem Arbeitgeber stehe ein nach billigem Ermessen auszuübendes Wahlrecht dahingehend zu, ob er das Näherungsverfahren anwende oder eine individuelle Berechnung der anzurechnenden Rentenleistung vornehme, wenn der Arbeitnehmer die Anzahl der im Zeitpunkt des Ausscheidens erreichten Entgeltpunkte nicht nachweist ( - zu III 1 a aa bis cc der Gründe, BAGE 87, 250). Es kann offenbleiben, ob die dem Arbeitgeber in diesem Fall zustehende Möglichkeit der Wahl der Berechnungsmethode tatsächlich ein nach billigem Ermessen auszuübendes Wahlrecht begründet. Die Wahlmöglichkeit führt jedenfalls nicht dazu, dass der Arbeitgeber an die Anwendung des Näherungsverfahrens im Rahmen der einer Auskunft nach § 2 Abs. 6 BetrAVG aF zugrundeliegenden Berechnung auch für die Berechnung des Versorgungsanspruchs bei Eintritt des Versorgungsfalls gebunden wäre. Vielmehr hat der Senat mit der Annahme eines „Wahlrechts“ nur zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitgeber nicht gezwungen ist, das Näherungsverfahren anzuwenden, wenn er eine individuelle Berechnung vorzieht, und dass insoweit eine Wahlmöglichkeit besteht. Das bedeutet hingegen nicht, dass sich der Arbeitgeber einseitig - schon gar nicht im Zusammenhang mit der frühzeitig nach dem Ausscheiden erfolgenden Auskunftserteilung nach § 2 Abs. 6 BetrAVG aF - auf das Näherungsverfahren festlegen kann oder will. Vielmehr darf er das Näherungsverfahren gerade nicht gegen den Willen des Arbeitnehmers und zumal dann nicht anwenden, wenn dieser die Anzahl der im Zeitpunkt seines Ausscheidens erreichten Entgeltpunkte nachweist (vgl.  - zu III 1 und III 1 a bb (1) der Gründe, aaO). Dem steht schon entgegen, dass sich die Option des Näherungsverfahrens in § 2a Abs. 3 BetrAVG bzw. § 2 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG aF - wie oben dargestellt - auf die bei Eintritt des Versorgungsfalls (bzw. bei Abfindung oder Übertragung der Anwartschaft nach §§ 3, 4 BetrAVG) vorzunehmende Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft und des darauf beruhenden Versorgungsanspruchs bezieht.

33(bb) Eine Bindung der Arbeitgeberin an das Näherungsverfahren konnte im Zusammenhang mit der Mitteilung 2003 im Streitfall im Übrigen schon deshalb nicht eintreten, weil zu diesem Zeitpunkt nicht feststehen konnte, ob der Kläger bis zum Eintritt des Versorgungsfalls die Anzahl der im Zeitpunkt des Ausscheidens erreichten Entgeltpunkte - mit der Folge des Wegfalls der Möglichkeit der Anwendung des Näherungsverfahrens - nachweisen würde. Immerhin traf ihn - neben der entsprechenden arbeitsvertraglichen Nebenpflicht (vgl.  - zu III 1 a dd der Gründe, BAGE 87, 250) - nach § 14 Nr. 1 und 2 BV 1995 die Pflicht, der Beklagten die benötigten sozialversicherungsrechtlichen Unterlagen zur Berechnung des Teilanspruchs zu beschaffen. Dieser Verpflichtung ist der Kläger bei Eintritt des Versorgungsfalls nachfolgend auch ohne Umschweife nachgekommen.

34(cc) Auch Sinn und Zweck der Auskunftspflicht nach § 2 Abs. 6 BetrAVG aF erfordern es nicht, den Arbeitgeber abschließend an die Anwendung des Näherungsverfahrens im Rahmen der Auskunftserteilung zu binden. Dem Interesse des Arbeitnehmers, zeitnah eine Information über seinen Versorgungsanspruch zu erhalten, wird vielmehr gerade entsprochen, wenn zunächst - auch ohne Festlegung hierauf - unter Anwendung des Näherungsverfahrens eine zu diesem Zeitpunkt bestmögliche Berechnung erfolgen kann.

35(dd) Keiner Entscheidung bedarf demnach, ob bereits der Umstand, dass es in dem der Mitteilung 2003 beigefügten Berechnungsbogen am Ende heißt, die Höhe ua. eines Anspruchs auf vorzeitige Altersrente könne erst zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls bestimmt werden, einer Selbstbindung an das Näherungsverfahren zur Bestimmung der anzurechnenden gesetzlichen Rente bei der Berechnung der hier in Rede stehenden vorzeitigen Altersrente des Klägers entgegenstand.

36cc) Damit war die Berechnung der anzurechnenden fiktiven gesetzlichen Altersrente auf Grundlage der tatsächlich zum Ausscheidenszeitpunkt nachgewiesenen Entgeltpunkte rechtlich nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger bei einer fiktiven Fortbeschäftigung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weitere 35,4939 Entgeltpunkte hätte erwerben können, und dem bei Renteneintritt aktuellen Rentenwert iHv. 26,13 Euro, errechnete die Beklagte - unter Berücksichtigung der weiteren Maßgaben nach § 6 BV 1995 - eine anrechenbare (fiktive) Sozialversicherungsrente iHv. 2.266,49 Euro brutto. Danach besteht unter weiterer Anrechnung der BVV-Rente im Ergebnis kein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Altersruhegelds nach der BV 1995.

37II. Der Hilfsantrag, der dem Senat mit der Abweisung der Hauptanträge zur Entscheidung anfällt, ist unbegründet.

381. Die Rechtshängigkeit des im Berufungsverfahren vom Kläger weiterverfolgten Hilfsantrags ist nicht dadurch entfallen, dass das Landesarbeitsgericht den Antrag übergangen und - wie vorliegend - keine Partei innerhalb der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO eine Ergänzung des Berufungsurteils verlangt hat (vgl.  - Rn. 19;  - Rn. 19). Zwar hat sich das Landesarbeitsgericht in den Gründen des Berufungsurteils nicht mit dem ihm aufgrund der Abweisung der Hauptanträge zur Entscheidung anfallenden Hilfsantrag befasst. Es hat allerdings im Entscheidungstenor die Klage insgesamt abgewiesen und damit den Hilfsantrag nicht übergangen. Von der Klageabweisung war vielmehr auch der Hilfsantrag erfasst.

392. Der Antrag ist unbegründet. Die Beklagte hat keine Informationspflichten verletzt, die einen Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen könnten. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat dem Kläger - entgegen seiner Ansicht - keine falsche Auskunft bezüglich seiner Betriebsrente erteilt. Sie hat ihm - zutreffend - mitgeteilt, dass bei Anwendung des Näherungsverfahrens zur Ermittlung der im Ausscheidenszeitpunkt erdienten Entgeltpunkte im Versorgungsfall die anzurechnende Sozialversicherungsrente die mitgeteilte Höhe hätte.

40III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:110325.U.3AZR136.24.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-94956