Instanzenzug: Az: 3 KLs 30/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „zwei Fällen der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes, mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen und mit Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3Der Angeklagte und die Nebenklägerin S. B. lernten sich Anfang des Jahres 2023 kennen. Im Februar 2023 zog der Angeklagte zu der Nebenklägerin und deren Tochter, der am geborenen Nebenklägerin L. B. . Am Tattag nahm die Nebenklägerin S. B. , die an einer chronischen Schmerzerkrankung litt, das Medikament Tramadol ein. Da dies zu keiner Linderung führte, bot der Angeklagte ihr einen „Vitamincocktail“ an. Er mischte ihr sodann ein Getränk, welches neben Fruchtsaft eine unbekannte, die ambulante Höchstdosis von zehn Milligramm für Erwachsene überschreitende Menge Diazepam enthielt. Um den bitteren Geschmack der Diazepam-Tropfen zu überdecken, gab der Angeklagte zudem Rohrzucker in das Getränk. Er handelte dabei in der Absicht, die Nebenklägerin zu betäuben und an ihr den Geschlechtsverkehr auszuführen. Sie trank das Glas vollständig aus, wurde nach kurzer Zeit benommen, stürzte und schlief schließlich ein. Auch der Nebenklägerin L. B. verabreichte er in einem Fruchtsaft eine unbekannte, die ambulante Höchstdosis von fünf Milligramm für Kinder überschreitende Menge Diazepam, um an dem schlafenden Kind sexuelle Handlungen vorzunehmen. L. B. trank den Saft aus, legte sich in ihr Bett und schlief ein. Im Verlauf der Nacht legte sich der Angeklagte zu ihr und streichelte sie an Po, Brust und an der Vagina. Zudem drang er mit wenigstens einem Finger in deren Vagina ein, rieb seinen Penis an ihr und gelangte zum Samenerguss. Währenddessen fertigte der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon Lichtbilder, auf welchen zu sehen ist, wie er seinen erigierten Penis unter die Unterhose der Nebenklägerin an ihre Vagina führt. L. B. erwachte im Verlauf dieser Handlungen und drehte sich von dem Angeklagten weg, woraufhin dieser das Kinderzimmer verließ.
4In derselben Nacht – entweder vor oder nach der Tat zum Nachteil von L. B. – legte sich der Angeklagte hinter die schlafende Nebenklägerin S. B. , entblößte ihren Unterkörper und vollzog an ihr abwechselnd den vaginalen und den analen Geschlechtsverkehr. Diese erlitt durch das anale Eindringen erhebliche Schmerzen, wodurch sie kurzzeitig erwachte, jedoch unfähig war, sich zu bewegen oder eine Äußerung, insbesondere ihren entgegenstehenden Willen, von sich zu geben. Noch während des andauernden Verkehrs verlor die Nebenklägerin S. B. erneut das Bewusstsein und schlief ein.
II.
5Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils führt zur Änderung der Schuldsprüche und zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs. Die weitergehende Revision ist unbegründet.
61. Auf der Grundlage der tragfähig belegten Feststellungen ist der Angeklagte ‒ neben den rechtsfehlerfrei angenommenen, tateinheitlich verwirklichten weiteren Delikten ‒ der schweren Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 2 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 5 StGB in zwei Fällen schuldig. Entgegen der Auffassung des Landgerichts tragen die Feststellungen den Schuldspruch wegen besonders schwerer Vergewaltigung nach § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB nicht.
7a) Zutreffend ist die Strafkammer zunächst davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Tatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht hat. Durch das heimliche Verabreichen der Diazepamtropfen wendete er außerdem Gewalt im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB an und verwirklichte durch das vaginale und anale Eindringen mit dem Glied (S. B. ) bzw. einem Finger (L. B. ) das Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB. Zugleich ist er aufgrund der Verwendung der Diazepamtropfen der schweren Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB schuldig (vgl. zur Verwendung von K.O.-Tropfen BGH, Beschlüsse vom ‒ 5 StR 382/24, NJW 2024, 3735 Rn. 28; vom ‒ 5 StR 163/16, Rn. 3; vom ‒ 3 StR 512/24, Rn. 8). Zu Recht hat die Strafkammer weiterhin angenommen, dass der Angeklagte in beiden Fällen tateinheitlich den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 5 StGB verwirklicht hat.
8b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Var. 2 StGB nicht erfüllt, weil die Diazepamtropfen nicht dem Begriff des gefährlichen Werkzeugs im Sinne dieser Strafnorm unterfallen. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom – 5 StR 382/24 (NJW 2024, 3735) an.
9Er ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
102. Zu den weiteren zum Nachteil der Nebenklägerin L. B. tateinheitlich begangenen Delikten ist nur das Folgende anzumerken:
11Nach § 174 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB macht sich derjenige strafbar, der sexuelle Handlungen an einer Person unter 18 Jahren vornimmt, die leiblicher Abkömmling einer Person ist, mit der er in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Diese Voraussetzungen hat die Strafkammer im Ergebnis zutreffend bejaht. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der Täter irgendeine Erziehungsverantwortung übernommen hat oder der Minderjährige ihm gegenüber in irgendeiner Weise abhängig ist (vgl. − 1 StR 625/17, NStZ 2019, 406; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 174 Rn. 13; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 174 Rn. 10a; MüKo-StGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 174 Rn. 38). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift (vgl. BGH a.a.O.) und einem Umkehrschluss zu den Regelungen in § 174 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 StGB und entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 18/2601, S. 26 f.).
12Zu Recht hat die Strafkammer auch die Voraussetzungen des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB bejaht. Danach macht sich – in der Tatbestandsvariante des Herstellens – strafbar, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, Bildaufnahmen herstellt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person verletzt. Die abgebildete Person muss auf der Aufnahme nicht zwingend erkennbar sein. Im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut ist aber jedenfalls erforderlich, dass die Bilder auf Grund hinreichend vorhandener Identifizierungsmerkmale von den jeweiligen Tatopfern der eigenen Person zugeordnet werden können (vgl. − 4 StR 328/14, NStZ 2015, 391; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 201a Rn. 7; MüKo-StGB/Graf, 4. Aufl., § 201a Rn. 33; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 201a Rn. 5). Dies war vorliegend der Fall. Soweit der Angeklagte dabei Bildaufnahmen von der nackten oder nur mit Unterwäsche bedeckten Vagina der L. B. erstellt hat, hat er sich zugleich nach § 184k Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Beide Delikte stehen zueinander in Tateinheit (vgl. ; BeckOK-StGB/Ziegler, 64. Ed., § 184k Rn. 17).
133. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der Einzelstrafen. Da der Rechtsfehler die zugrundeliegenden Feststellungen nicht betrifft, können diese bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe und die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach sich.
Bartel Tiemann Wenske
Fritsche Arnoldi
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:050225B6STR418.24.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-94880